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Lange und vor allem gesund leben: Dieses Ziel scheint in greifbare Nähe zu rücken.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Jahrhunderten wird erforscht, ob es eine maximale Lebensspanne beim Menschen gibt. Um sich dieser Frage nähern zu können, müssen stringente Kriterien angewandt werden, um die seit Jahrtausenden bestehenden Geschichten von besonders langlebigen Menschen überprüfen zu können.
- Hierdurch ist es möglich geworden eine potentiell maximale Lebenserwartung beim Menschen festzumachen – aktuell liegt sie bei 122,5 Jahren.
- Manche Wissenschaftler vermuten, dass dieses Alter eine Art Glasdecke ist und Menschen nicht älter werden können. Sie machen dafür eine Reihe von biologische Gründe und das „Gompertzsche“-Gesetz verantwortlich. Andere Gerontobiologen gehen davon aus, dass man deutlich länger als 122,5 Jahre leben kann, wenn man nur mit den richtigen Mitteln und Wegen lebt.
Anti-Aging, Langlebigkeit und maximale Lebenserwartung
Wer sich dem Thema Anti-Aging nähern möchte, kommt um die Beantwortung der Frage nach einer – möglicherweise – maximalen Lebenserwartung des Menschen nicht umhin. Sie steht wie von allein im Raum, wenn Mediziner, Wissenschaftler, aber auch Interessierte über dieses Thema reden. Denn natürlich ist das Ziel des Anti-Aging nicht nur eine Verlangsamung oder gar Umkehrung der Alterungsvorgänge. Sondern ein möglichst weites Hinausschieben des biologischen Endes, das durch den Sterbeprozess eingeleitet wird und dann im Tod kulminiert.
Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich Wissenschaftler seit mehr als 400 Jahren mit dieser Frage auseinandersetzen. Zum ersten Mal wurde das 1635 klar dokumentiert: Damals nahm der britische Anatom William Harvey eine Leichenschau und Autopsie eines Mannes vor, der angeblich 152 Jahre alt geworden sein sollte. Es ging dem Arzt Harvey darum herauszufinden, ob der betreffende Mann wirklich so alt wie angegeben geworden war (was er nach der Autopsie in Frage stellte), ob es Besonderheiten bei der betreffenden Person gegeben habe (das war nicht der Fall) und woran der Mann verstorben war (altersbedingte Erkrankungen und wegen der schlechten Umweltbedingungen der Großstadt London) [1].
Doch das Interesse an besonders langlebigen Menschen reicht weit über die letzten Jahrhunderte gerontobiologischer Forschung hinaus, ist viele Jahrtausende alt: So soll beispielsweise der biblische Abraham 175 Jahre alt geworden sein und dessen Sohn Isaac 180. Noah wird ein Lebensalter von 950 Jahren nachgesagt und dessen Großvater Methusalem wurde fast 1000 Jahre alt.
Auch in moderneren Zeiten gibt es unzählige Berichte von scheinbar alt gewordenen Menschen wie der Sowjetbürger Machmud Ejwasoff, der im Jahr 1960 152-jährig verstarb, der Inder Habib Miyan, der mit 139 Jahren im August 2007 von dannen ging und der US-Amerikaner Charlie Smith, der mit 137 Jahren im Jahr 1979 aus dem Leben schied. Die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen, und es mangelt auch heute nicht an Behauptungen von besonderer Langlebigkeit. Doch mittlerweile stellen sich Forscher natürlich die Frage, ob Menschen wirklich so alt geworden sind, wie behauptet wird.
Klare Kriterien zur Überprüfung des Alters
Dafür hat die heutige Wissenschaft klare Kriterien eingeführt, um das Alter einer Person bestimmen und überprüfen zu können. So verlangt beispielsweise die Europäische Organisation der Superzentenarier mindestens 3 amtsoffizielle Dokumente. Die Dokumente müssen jeweils aus der frühen, mittleren und späten Lebenszeit stammen, überprüfbar sein und Bilder oder anderweitig klar zuzuordnende Kennzeichen beinhalten [2].
Basierend auf diesen klaren und nachvollziehbaren Kriterien ist mittlerweile eine beachtliche Liste an besonders alten Menschen wissenschaftlich erstellt worden. Im Umkehrschluss sind außergewöhnliche Behauptungen über eine extreme Langlebigkeit reihenweise diskreditiert worden: Die Wissenschaft spricht hier von „Langlebigkeitslügen“ und die oben genannten Beispiele fallen hierunter. Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass fast alle Behauptungen über ein Lebensalter von 115 Jahren oder mehr als falsch zu betrachten sei, so das Fazit ihrer jahrzehntelangen Arbeit auf diesem Gebiet [3].
Als Superzentenarier (supercentenarians) werden Menschen bezeichnet, die ein Alter von mindestens 110 Jahren erreichen.
Superzentenarier sind meistens Frauen
Die wissenschaftlich erstellte Liste der langlebigsten Menschen wird angeführt von der mittlerweile verstorbenen Französin Jeanne Calment. Sie verstarb am 4. August 1997 im Alter von 122 Jahren und 164 Tagen. An zweiter und dritter Stelle kommen die Japanerin Kane Tanaka, die im Alter von 119 Jahren und 107 Tagen am 19. April, 2022 verstarb, und die Amerikanerin Sarah Knauss, die mit 119 Jahren und 97 Tagen am 30. Dezember 1999 verstarb.
Auffällig ist, dass Männer weit abgeschlagen auf der Liste der ältesten Menschen sind. Der älteste Mann, der - nachweislich - gelebt hat, war der Japaner Jiroemon Kamura mit seinen 116 Jahren und 54 Tagen, ehe er am 12. Juni 2013 verstarb.
Die 10 ältesten Menschen der Welt
Die aktuell (Stand: 1. April 2025) ältesten 10 Menschen der Welt sind alle weiblich und jünger als die gerade genannten 3 Spitzenreiter, verdienen aber der Erwähnung. Wikipedia führt eine dauerhaft aktualisierte Liste [4]:
Platz | Name | Geschlecht | Geburtstag | Alter im April 2025 | Wohnsitz |
1. | Inah Canabarro Lucas | weiblich | 8. Juni 1908 | 116 Jahre, 297 Tage | Brasilien |
2. | Ethel Caterham | weiblich | 21. August 1909 | 115 Jahre, 221 Tage | Großbritannien |
3. | Okagi Hayashi | weiblich | 2. September 1909 | 115 Jahre, 209 Tage | Japan |
4. | Marie-Rose Tessier | weiblich | 21 Mai 1910 | 114 Jahre, 313 Tage | Frankreich |
5. | Mine Kondō | weiblich | 1. September 1910 | 114 Jahre, 210 Tage | Japan |
6. | Naomi Whitehead | weiblich | 26. September 1910 | 114 Jahre, 185 Tage | USA |
7. | Izabel Rosa Pereira | weiblich | 13. Oktober 1910 | 114 Jahre, 168 Tage | Brasilien |
8. | Lucia Laura Sangenito | weiblich | 22. November 1910 | 114 Jahre, 128 Tage | Italien |
9. | Klavdiya Gadyuchkina | weiblich | 5. Dezember 1910 | 114 Jahre, 115 Tage | Russland |
10. | Masu Usui | weiblich | 18 Dezember 1910 | 114 Jahre, 102 Tage | Japan |
Kontroverse um ein maximales Lebensalter
Mit der Einführung klarer Kriterien zur Altersbestätigung, hiernach Sammlung und dann Auswertung der Daten war es Wissenschaftlern möglich, ein maximales Lebensalter beim Menschen zu bestimmen. Es schien auf den ersten Blick bei 122,5 Jahren zu liegen, eben jenem Alter, das Jeanne Calment 1997 erreicht hatte.
114 Lebensjahre ...
Doch eine Gruppe von US-Wissenschaftlern des Albert Einstein College analysierten die Sterbedaten von Frankreich, Japan, USA und Großbritannien, stellten eine Reihe mathematischer Berechnungen an und kamen zum Schluss: Jeanne Calment, wie auch die gerade genannten Beispiele, seien statistische Ausreißer gewesen. Das eigentliche maximale Lebensalter sei in Wahrheit kürzer und liege bei 114,9 Jahren. Älter könne ein Mensch nur durch statistisches Glück werden, quasi im Alterungslotto gewinnen. Unter 10.000 Menschen, die 110 Jahre oder älter werden, gäbe es einen, der mathematisch sogar 125 werden könne.
Ihre Publikation sorgte im Jahr 2016 für Furore, nicht nur im Kreis der Gerontobiologen und Anti-Aging-Experten, sondern auch in der Weltpresse. Was die Kontroverse weiter anfachte, war ihre Behauptung, dass aus unklaren Gründen heraus die maximale Lebenserwartung der Menschen seit Ende der 1990er Jahre sogar abnehme. Demnach könnten Menschen mittlerweile nur noch zwischen 113 und 114 Jahre alt werden, wobei es natürlich die üblichen statistischen Ausreißer bzw. zu erwartende Streuungsdaten gäbe [5].
... oder 125 Lebensjahre?
Die Publikation blieb nicht ohne Gegenantwort und sorgte für eine große Kontroverse. Es gab reihenweise Kritik und Gegenanalysen. Viele Wissenschaftler pflichteten diesen US-Forschern dahingehend bei, dass es ein maximales Lebensalter – derzeit – beim Menschen gebe. Es liege aber eher bei einem Wert um die 120 bis 125 Lebensjahren liege.
Doch wenn Wissenschaftler sich auf die Nennung eines solchen Wertes einließen, betonten sie fast immer das Wort „derzeit“. Sie verwiesen dann im Regelfall auf Forschungen aus anderen Gebieten der Anti-Aging-Medizin bzw. der Gerontobiologie (zwei eng miteinander verwandte Forschungsgebiete), in denen das maximale Lebensalter anderer Lebewesen durch z.T. sehr einfache Maßnahmen beträchtlich verlängert werden konnten.
Es herrschte also unter der Mehrzahl der Wissenschaftler Konsens, dass es ohne Anti-Aging-Maßnahmen beim Menschen ein maximales Lebensalter gebe. Dieses liege irgendwo zwischen 115-125 Jahren, von den Pragmatikern auf 122,5 Jahren wegen des Sterbealters von Frau Calment festgelegt, wie es bei den allermeisten Lebewesen ein speziesspezifisches maximales Lebensalter gibt. Es ist hier von Interesse einmal den Menschen im Kontext 10 anderer Lebewesen zu vergleichen [6]:
Der Mensch im Kontext 10 anderer Lebewesen
Tierart | Wissenschaftlicher Tiername | maximal dokumentiertes Alter |
Haushund | Canis familiaris | 27 Jahre |
Hauskatze | Felis catus | 30 Jahre |
Giraffe | Giraffa camelopardalis | 39,5 Jahre |
Polarbär | Ursus maritimus | 43,8 Jahre |
Pferd | Equus caballus | 57 Jahre |
Gorilla | Gorilla gorilla | 60,1 Jahre |
Schimpanse | Pan troglodytes | 68 Jahre |
(Asiatischer) Elefant | Elephas maximus | 79,6 Jahre |
Blauwal | Balaenoptera musculus | 110 Jahre |
Mensch | Homo sapiens | 122,5 Jahre |
Galapagos-Riesenschildkröte | Chelonoidis nigra | 177 Jahre |
Warum gibt es ein Maximalalter?
Doch wieso gibt es überhaupt bei so vielen biologischen Lebewesen und auch dem Menschen ein solches Maximalalter? Wieso gibt es eine gläserne Decke, an die der Mensch bei der Alterung stößt (weshalb man auch von der „Deckenhypothese“ bzw. ceiling hypothesis im Anti-Aging spricht)?
Das Gompertzsche Gesetz
Es scheint am Gompertzschen Gesetz zu liegen. Der Versicherungsmathematiker Benjamin Gompertz entdeckte 1825 erstmalig einen Effekt, bei dem es sich um folgende Beobachtung handelt:
- Mit ansteigendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, schwer zu erkranken und zu versterben.
- Es gibt immer mehr Hinweise, dass die zunächst gleichmäßig ansteigende Sterblichkeitskurve ab einem bestimmten Alter in die Höhe schießt, also von linear in exponentiell übergeht.
- Es ist so als würden ab einem bestimmten Lebensalter (das viele Wissenschaftler beim Menschen bei 113 bis 114 Lebensjahre festmachen) alle Organe gleichzeitig in ihrer Funktion nachlassen. Dieser Effekt nimmt in nur kurzer Zeit so stark zu, dass das Sterberisiko quasi ins Unendliche anwächst.
Was geschieht um das 113. Lebensjahr?
Was genau ist es denn, was um die 113 bis 114 herum geschieht? Viele Gerontobiologen sehen in diesem Moment des Umschlagens hin zu einer massiv ansteigenden Sterblichkeit einen wichtigen Schlüssel für Anti-Aging, fürs Verständnis, wie man das menschliche Leben verlängern kann. Deshalb wird hier naturgemäß stark geforscht.
Genetik
Eine erste Gruppe sieht vor allem speziesspezifische Gene am Werk. So sind mittlerweile mehr als 2000 Gene identifiziert worden, welche sich entweder positiv oder negativ auf die Alterung und damit das maximale Lebensalter eines bestimmten Lebewesens auswirken können [8]. Man müsste also nur die Langlebigkeitsgene aktivieren, so ihr Credo, schon würde man 130 oder älter.
Epigenetik
Eine zweite Gruppe sieht weniger in den Genen, dafür aber in den Veränderungen auf den Genen, also der Epigenetik, eine wichtige Rolle für das Gompertzsche Gesetz, also den massiven Anstieg der Sterblichkeit ab einem bestimmten Lebensalter. Deshalb messen manche Wissenschaftler mittlerweile die Dichte der DNS-Methylierungen, also jenen Vorgang, bei dem kleine Kohlenwasserstoffgruppen (-CH3) sich bevorzugt an sogenannte CpG-Stellen binden, und können damit die maximale Lebenserwartung eines Lebewesens vorhersagen [9]. Natürlich ist es ihr Ziel, das in einem nächsten Schritt lebensverlängernd beeinflussen zu können.
Biochemie
Eine dritte Gruppe sieht eher im biochemischen Abnutzen der für die Zellwand und vielen anderen Funktionen wichtigen Zellfetten eine wichtige Ursache für den ab einem Punkt massiven Anstieg der Sterblichkeit. So haben Forscher beispielsweise einen klaren Zusammenhang zwischen der maximalen Lebensspanne und den Konzentrationen von mehr als 20.000 Lipidverbindungen aufzeigen können, was sie natürlich in weiteren Schritten ebenfalls lebenszeitverlängernd beeinflussen wollen [10].
Fazit
Kurzum, es tut sich sehr viel in der Gerontobiologie und der Welt des Anti-Aging. Die Frage nach dem maximalen Lebensalter eines Menschen konnte bisher nicht abschließend beantwortet werden. Das Gros der Wissenschaftler sieht dieses aber bei einem Wert irgendwo zwischen 115 und 125 liegen. Pragmatiker geben ihn aktuell mit 122,5 Jahren an.
Glücklicherweise gibt es sehr viele Hinweise dafür, dass diese Lebenserwartung nach hinten verschoben werden kann. Viele Mediziner sind der Ansicht, dass wir das schon in wenigen Jahrzehnten, wenn nicht sogar früher, erleben werden. Denn die Anti-Aging-Medizin hat erst in den letzten 50 Jahren massiv an Fahrt aufgenommen und wird selbst heute bisher nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung genutzt. Anti-Aging-Experten und Gerontobiologen sind sich sicher: Hierin liegt der Schlüssel, um nicht nur lange und gesund zu leben, sondern auch um das maximale Lebensalter des Menschen weit, weit nach hinten verschieben zu können.
Autor

Dr. med. Peter Niemann arbeitet als Geriater, Internist und Integrativmediziner vor allem in den USA. Der Autor einer Reihe von Gesundheitsratgebern bietet aber auch Beratungen zu Anti-Aging, Anti-Entzündung, Testosteronmangel und vielen anderen Themen an.
- Doughty BP. Old Parr: Or How Old Is Old? Southern Medical Journal 1988; 81(7): 906–908; https://doi.org/10.1097/00007611-198807000-00023
- Europeansupercentenarians.org. https://europeansupercentenarians.org/about.php
- Young RD, Desjardins B, McLaughlin K et al. Typologies of Extreme Longevity Myths. Current Gerontology and Geriatrics Research 2011; https://doi.org/10.1155/2010/423087
- https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_oldest_living_people
- Dong X, Milholland B, Vijg J. Evidence for a limit to human lifespan. Nature 2016; https://doi.org/10.1038/nature19793
- AnAge: The Animal Ageing and Longevity Database. (n.d.). Genomics.senescence.info. https://genomics.senescence.info/species/index.html
- Gavrilova NS, Gavrilov LA. Are We Approaching a Biological Limit to Human Longevity? The Journals of Gerontology: Series A 2019; https://doi.org/10.1093/gerona/glz164
- Tacutu R, Thornton D, Johnson E et al. Human Ageing Genomic Resources: new and updated databases. Nucleic Acids Research 2018; https://doi.org/10.1093/nar/gkx1042
- Mayne B, Berry O, Campbell Davies FJ et al. A genomic predictor of lifespan in vertebrates. Scientific Reports 2019; https://doi.org/10.1038/s41598-019-54447-w
- Bozek K, Khrameeva EE, Reznick J et al. Lipidome determinants of maximal lifespan in mammals. Scientific Reports 2017; https://doi.org/10.1038/s41598-017-00037-7