HeilpflanzeSalbei - Salvia officinalis L.

Salbei wird seit Jahrtausenden als Heilpflanze eingesetzt. Übermäßiges Schwitzen zählt zu den Anwendungsgebieten, aber auch demenzielle Prozesse und Typ-2-Diabetes. 

Salbeiblätter auf Holzuntergrund
Daniel Vincek/stock.adobe.com

Der Einsatz von Salbei ist bei übermäßigem Schwitzen gut dokumentiert.

von Tobias Niedenthal und Rainer Stange

Inhalt

Botanik

Inhaltsstoffe

Geschichte

Moderne

Indikationen

Anwendung

Klinische Studien und systematische Reviews

Zusammenfassung

Literatur

Der Echte Salbei gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Lippenblütlern und wird seit Jahrhunderten als pflanzliches Arzneimittel genutzt. Zu den Anwendungsgebieten zählen leichte dyspeptische Beschwerden (Sodbrennen, Blähungen), vermehrte Schweißsekretion sowie äußerlich die symptomatische Behandlung von Entzündungen im Mund- und Rachenbereich und die Behandlung leichter Hautentzündungen.

Aufgrund seiner reichhaltigen Nutzung in Geschichte und Gegenwart und dem großen Potenzial für weitere Forschung wählt der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde (s.u.) den Echten Salbei zur Arzneipflanze des Jahres 2023.

Botanik

Der Echte Salbei (Salvia officinalis) ist ein stark aromatisch riechender Halbstrauch mit einer Wuchshöhe von 60 bis 80 cm. Der aufrechte, in Bodennähe verholzende Stängel trägt viele abstehend-filzig-behaarte Seitenäste mit einfach gebauten, langgestielten Blättern, die charakteristisch unterseits weißfilzig behaart sind. Von Mai bis Juli zeigen sich Blüten in Weiß über Rosa bis Blauviolett, die als fünf- bis zehnblütige Scheinquirlen angeordnet sind. Die Familie weist mit ca. 1000 Subspezies eine große Vielfalt auf, dadurch bedingt sind auch zahlreiche medizinisch genutzt. Gegenwärtig dürfte neben Salvia officinalis v. a. S. lavandulifolia und S. sclarea genutzt werden (s.u.).

Inhaltsstoffe

Salbeiblätter sind vor allem eine Ätherischöl-Droge, deren Gehalt 1,2 bis 3,6 % beträgt, überwiegend Monoterpene und etwa 8–15 % Sesquiterpene. Wichtigste Monoterpene sind α-Thujon (22–36 %), ß-Thujon (4–27 %), Campher (8–24 %) und 1,8-Cineol (8–24 %), wichtigste Sesquiterpene ß-Caryophyllen, Humulen und Viridiflorol. Wichtigste nichtflüchtige Bestandteile: 2–6 % ‚Labiatengerbstoffe‘, v. a. Rosmarinsäure, ca. 1,2 % Flavonoide (Hauptaglykone: Apigenin und Luteolin) [1].

Geschichte

Die medizinische Verwendung von Salbei in Europa reicht bis weit ins Altertum zurück. Allerdings standen damals noch andere Arten aus der mit etwa 1000 Arten sehr umfangreichen Gattung im Vordergrund. So findet sich der Griechische Salbei (Salvia fruticosa) bereits auf einem rund 3500 Jahre alten Fresko im Palast von Knossos. Auch der apfeltragende Salbei (Salvia pomifera), der Buntschopf-Salbei (Salvia viridis) und der Ungarn-Salbei (Salvia aethiopis) lassen sich im Altertum greifen. Es ist zudem wahrscheinlich, dass der Echte Salbei spätestens in römischer Zeit verwendet wurde, da in Norditalien im Gegensatz zu Griechenland größere Wildvorkommen existieren.

Der lateinische Name „salvia“ wird auf das Adjektiv „salvus“ zurückgeführt, das für gesund, heil, unbeschädigt, unverletzt, unversehrt und wohlbehalten stehen kann. Dieser Name findet sich neben den älteren griechischen Bezeichnungen „sphakos“ und „elelisphakos“ bereits im 1. Jahrhundert in der Arzneimittellehre von Dioskurides und der Naturkunde von Plinius, bezeichnete aber bereits damals mehrere optisch ähnliche Arten. Im späteren christlichen Kontext muss auch das Verb „salvare“ (dt. retten) berücksichtigt werden (vgl. „salvator“ für Christus, den Retter, Heiler).

Eine größere Rolle spielte der Echte Salbei dann in der Klostermedizin des frühen und hohen Mittelalters. Walahfrid Strabo (807—849), Abt des Klosters auf der Reichenau im Bodensee, beschreibt ihn in seinem Lehrgedicht über den Anbau von Heilpflanzen gleich zu Beginn. Hildegard von Bingen widmet dem Salbei rund 300 Jahre später in ihrer Naturkunde eines der umfangreichsten Kapitel und nennt acht verschiedene Anwendungsgebiete von Mundgeruch über Appetitlosigkeit bis hin zu Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Blutungen. Anzunehmen ist, dass damals neben dem kultivierten Echten Salbei auch der wilde Wiesensalbei (Salvia pratensis) gesammelt wurde, da beide noch in der Frühneuzeit parallel verwendet wurden.

Im Spätmittelalter galt der Salbei sogar als ein Allheilmittel. Zu den meistgelesenen Kurztraktaten der mittelhochdeutschen Literatur zählt ein sogenanntes Wunderdrogentraktat, in dem mehrere Dutzend Indikationen für verschiedene Zubereitungen aus Salbei aufgeführt werden.

In der Renaissance besannen sich die Väter der Botanik auf die griechisch-römische Antike und übertrugen die bei Dioskurides genannten Anwendungen auf die heimisch verfügbaren Arten. Leonhart Fuchs schrieb dem Echten Salbei in seinen Kräuterbüchern (1542–1543) menstruationsfördernde Eigenschaften zu und nannte die Behandlung von Husten sowie äußerlich bei Wunden und Juckreiz. Diese Anwendungen waren bis ins 20. Jahrhundert üblich.

Moderne

Salbeiblätter enthalten in ihrem ätherischen Öl und den Gerbstoffen antibakterielle Substanzen. Als virenhemmend galt bislang nur das ätherische Öl, die Gerbstoffe hemmen ebenfalls zumindest Viren mit empfindlicher Eiweißoberfläche (wie z.B. SARS-CoV-2). Ferner zeigten Auszüge aus Salbeiblättern im Laborversuch entzündungshemmende Eigenschaften. Eine hustenreizlindernde Wirkung konnte im Tierversuch beobachtet werden, ebenso eine krampflösende Wirkung auf die Muskulatur des Magen-Darm-Trakts.

Neuerdings wurde eine Hemmung der Acetylcholinesterase durch verschiedene Salbei-Arten gezeigt, was für die Behandlung von Alzheimer-Demenz interessant werden könnte (s.u.).

Indikationen

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat zuletzt 2017 für bestimmte Produkte (wie Tee oder Extrakte) aus Salbeiblättern aufgrund langjähriger Verwendung ohne ausreichende klinische Belege folgende traditionelle Anwendungsgebiete anerkannt:

  • leichte dyspeptische Beschwerden wie Sodbrennen und Völlegefühl,
  • Linderung von starkem Schwitzen,
  • Linderung von Entzündungen im Mund oder Rachen,
  • äußerlich lokal zur Linderung von leichter Hautentzündung [2].

Vor einer innerlichen Anwendung des reinen ätherischen Öls wird wegen der Toxizität von Campher und Thujon gewarnt.

Anwendung

Die mittlere Tagesdosis beträgt 4–6 g Droge.

Bei Magen-Darm-Beschwerden wird mehrmals täglich der warme Aufguss aus 1–2 g Droge 30 min vor den Mahlzeiten getrunken.

Bei Verwendung zur Minderung der Schweißsekretion wird der Aufguss kalt getrunken.

Teezubereitung

Zur Teebereitung wird die empfohlene Einzeldosis, etwa ein bis zwei Blätter, mit 150 ml heißem Wasser übergossen und nach etwa 10 Minuten durch ein Teesieb gegeben [1].

Insbesondere bei erfolgreicher Hemmung der Schweißsekretion empfiehlt sich ein apothekenpflichtiges traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das aufgrund des fehlenden Nachweises von Thujon (s.o.) für die Daueranwendung bis dreimal täglich zugelassen ist.

Klinische Studien und systematische Reviews

Hitzewallungen

Die am häufigsten genutzte Indikation sind bei uns Hitzewallungen mit übermäßigen Schwitzen, v.a. menopausale. Neuere klinische Studien bestätigen diese historisch schon lange bekannte Indikation auch bei Männern mit antiandrogener Therapie. In einem placebokontrollierten RCT erhielten Frauen mit menopausalen Beschwerden über vier Wochen ein Salbei-Fertigarzneimittel und verbesserten sich gegen Placebo auf den wichtigsten Skalen Menopause Rating Scale [MRS] und Hot Flush Severity Score [HFS] eindeutig, kontinuierlich und klinisch relevant [2]. In zwei systematischen Reviews zu Phytotherapie und Menopause werden weitere Studien mit Salbei erwähnt, ein systematischer Review nur zu Salbei und Menopause bzw. Hitzewallungen und Schweißneigung ist bislang noch nicht veröffentlicht.

Neuroprotektion

Ein systematischer Review widmet sich neuroprotektiven Effekten. Es fanden sich acht klinische Studien, sechs untersuchten die kognitive Leistung bei gesunden Probanden, die beiden verbleibenden bei Patienten mit Verdacht auf M. Alzheimer, eine davon explizit von milder bis moderater Ausprägung. Kognitive Leistungen ließen sich sowohl bei gesunden Probanden als auch bei Patienten bessern. Probleme in der Bewertung ergeben sich durch Verwendung unterschiedlicher Salbei-Spezies (S. officinalis und S. lavandulifolia) sowie Zubereitungen (Extrakte, ätherisches Öl, Rohdroge) bzw. fehlende Angaben dazu [3].

Typ-2-Diabetes und Hyperlipidämie

Neuerdings wird Salbei auch im Rahmen von Typ-2-Diabetes und Hyperlipidämie, letztlich des Metabolischen Syndroms untersucht. In einer Meta-Analyse konnten drei Studien berücksichtigt werden. Der Nüchternblutzucker von Typ-2-Diabetikern sank im Mittel um 31 mg/dL, ebenso der HbA1c-Wert um 0,94 %, das Gesamtcholesterin um 44 mg/dL, LDL um 19 mg/dL, Triglyceride änderten sich dagegen nicht. Die Verträglichkeit war in diesen drei Studien sehr gut [4].

Halsentzündung und PMS

In Kombination mit Echinacea zeigte ein Spray mit Salbei eine ebenso gute Linderung von entzündetem Hals wie ein entsprechender Spray mit chemischem Desinfektionsmittel und Schmerzmittel. In einer iranischen Studie ergab sich eine Linderung von Beschwerden bei prämenstruellem Syndrom.

Vaginale Mykose

In einer dreiarmigen Studie bei vaginalem Pilzbefall beschleunigten Vaginaltabletten mit Salbei zusätzlich zu solchen mit Cotrimazol im Vergleich zum Standard Cotrimazol allein die Ausheilung. Jeweils allein gegeben wiesen Corimazol und Salbei ein ähnliches Ausheilungsverhalten auf [6].

Postoperative und Menstruationsbeschwerden

In der Aromatherapie werden eher ätherische Öle anderer Salbei-Arten eingesetzt, etwa des angenehm würzig duftenden Muskateller-Salbeis (Salvia sclarea). In einer klinischen Studie konnte durch Inhalation eine schmerz- und brechreizlindernde Wirkung nach kleinen Operationen gezeigt werden. Einreibungen des Bauches mit dem Öl des Muskateller-Salbeis zeigten in zwei weiteren klinischen Studien eine mit Lavendelöl oder Rosenöl vergleichbare Wirksamkeit bei krampfartigen Menstruationsbeschwerden.

Zusammenfassung

Die seit Jahrtausenden in Mitteleuropa und Nahen Osten als Heilpflanze eingesetzte Gattung Salbei kann in ihren wenigen medizinisch in größerem Ausmaß genutzten Subspezies als gut analysiert und in verschiedenen Darreichungsformen genau dosierbar bei sehr guter Verträglichkeit angesehen werden.

In Europa wird nahezu ausschließlich Salvia officinalis L. genutzt. Vor allem ihre anticholinergen Eigenschaften prädestinieren sie bei allen Zuständen mit Hyperhidrosis. Hier steht Salbei nahezu einzigartig dar.

In neuerer Zeit hinzugetretene interessante Indikationen sind ferner demenzielle Prozesse vom Alzheimer-Typ sowie Typ-2-Diabetes, während für die nur mäßig ausgeprägten Bittereigenschaften viele phytotherapeutische Alternativen genutzt werden.

Obwohl auch qualitätsgesicherte traditionelle Arzneimittel am Markt sind, erscheint die Nutzung von Salbei derzeit weit unter seinen Möglichkeiten.

Der Studienkreis

Der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde kürt seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres. Vorrangiges Ziel ist es, an die lange und gut dokumentierte Geschichte von Pflanzen in der europäischen Medizin zu erinnern. Aus dieser Geschichte können wichtige Hinweise für eine pharmazeutische und medizinische Nutzung altbekannter Heilpflanzen extrahiert werden.

Gegründet wurde der Studienkreis 1999 an der Universität Würzburg unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Franz-Christian Czygan († 2012) und Dr. Johannes Gottfried Mayer († 2019). Heute gehören der Jury Mediziner, Pharmazeuten, Biologen und Historiker verschiedener Hochschulen und Institutionen an.

Bisherige Arzneipflanzen des Jahres:

2022: Mönchspfeffer, 2021: Myrrhe, 2020: Echter Lavendel, 2019: Weißdorn, 2018: Andorn, 2017: Saat-Hafer, 2016: Echter Kümmel, 2015: Echtes Johanniskraut, 2014: Spitzwegerich, 2013: Große Kapuzinerkresse, 2012: Süßhölzer, 2011: Passionsblume, 2010: Gemeiner Efeu, 2009: Fenchel, 2008: Gewöhnliche Rosskastanie, 2007: Echter Hopfen, 2006: Echter Thymian, 2005: Gartenkürbis, 2004: Pfefferminze, 2003: Artischocke, 2002: Stechender Mäusedorn, 2001: Echte Arnika, 1999/2000: Buchweizen

Interessenkonflikt: Dr. med. Rainer Stange berät u.a. A. Vogl AG, Roggwil, Schweiz, Hersteller von u. a. Menosan® Salvia Tabletten. Tobias Niedenthal gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

[1] Salviae officinalis folium. Ph Eur; Stand: 11.1.2023

[2] European Medicines Agency. Im Internet. https://www.ema.europa.eu/en/medicines/herbal/salviae-officinalis-folium Stand: 8.5.2023

[3] Wilfried D, Nina CDG, Silvia B. Effectiveness of Menosan® Salvia officinalis in the treatment of a wide spectrum of menopausal complaints. A double-blind, randomized, placebo-controlled, clinical trial. Heliyon 2021; 07 (02) e05910 DOI: 10.1016/j.heliyon.2021.e05910

[4]  Miroddi M, Navarra M, Quattropani MC. et al Systematic review of clinical trials assessing pharmacological properties of Salvia species on memory, cognitive impairment and Alzheimer’s disease. CNS Neurosci Ther 2014; 20 (06) 485-95 DOI: 10.1111/cns.12270

[5] Abdollahi A, Adelibahram F, Ghassab-Abdollahi N. et al The effect of Salvia officinalis on blood glycemic indexes and blood lipid profile in diabetic patients: A systematic review and meta-analysis. J Complement Integr Med 2022 DOI: 10.1515/jcim-2021-0425

[6] Ahangari F, Farshbaf-Khalili A, Javadzadeh Y. et al Comparing the effectiveness of Salvia officinalis, clotrimazole and their combination on vulvovaginal candidiasis: A randomized, controlled clinical trial. J Obstet Gynaecol Res 2019; 45 (04) 897-907 DOI: 10.1111/jog.13918

Tobias Niedenthal ist Mitglied der Forschergruppe Klostermedizin.

www.klostermedizin.de