Integrative OnkologieHyperthermie in der komplementären Tumortherapie

Stärkung des Immunsystems, besseres Allgemeinbefinden, Reduktion von Krankheitssymptomen und Nebenwirkungen konventioneller Therapien - Hyperthermie kann die konventionelle Tumortherapie sinnvoll unterstützen.

Fieberthermometer aus Glas vor hellgrünem Hintergrund
K. Oborny/Thieme

Bei einer Hyperthermie-Behandlung wird der Körper bzw. einzelne Körperregionen kontrolliert überwärmt.

von Robert Schmidt

Inhalt

Behandlungsspektrum des Krankenhaus für Naturheilweisen (KfN)

Tumortherapie im KfN

Bausteine der komplementärmedizinischen Tumorbehandlung

Moderate Ganzkörperhyperthermie

Lokoregionäre Hyperthermie

Das Krankenhaus für Naturheilweisen (KfN) in München ist eine der größten Einrichtungen für eine stationäre integrative Patientenversorgung im deutschsprachigen Raum. Es verfügt über 110 Betten und ist spezialisiert auf die integrativmedizinische Behandlung chronisch kranker Patienten aus nahezu allen schulmedizinischen Fachdisziplinen. Darunter befinden sich neben Tumorpatienten Schmerzpatienten unterschiedlichster Genese, z.B. mit degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats, chronischen Kopfschmerzen aller Art oder Fibromyalgiesyndrom. Patienten mit schwerer Erschöpfungssymptomatik (beispielsweise bei CFS/ME und vor allem bei Long-Covid-Syndrom) machen derzeit eine sehr große Patientengruppe im KfN aus. Aus gastroenterologischer Sicht behandeln wir viele Patienten mit Reizdarmsyndrom, aber auch mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis sind im KfN ebenfalls in größerer Zahl zu finden. Nicht selten sind Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Psoriasis oder auch neurologische Erkrankungen wie Polyneuropathie, Post-Zoster-Neuralgie oder Multiple Sklerose.

Behandlungsspektrum des KfN

Diese bunt gemischte Patientenklientel macht die Arbeit im KfN generell sehr abwechslungsreich und interessant. Als internistische Fachklinik sind wir aber auch aufnahmebereit für internistische Akutpatienten, die nicht intensivpflichtig sind; werktags sind wir jeweils von 8–15 Uhr an die Rettungsleitstelle München angeschlossen. Über eine Notaufnahme im klassischen Sinne verfügen wir nicht, das KfN ist aber mit 100 Betten im Bettenbedarfsplan der Stadt München vorgesehen.

Schulmedizinisch verfügen wir hausintern und über eine enge Kooperation mit dem direkt benachbarten Städtischen Krankenhaus München Harlaching über ein breites Angebot. Komplementärmedizinisch kommen vor allem die klassischen Naturheilverfahren nach Kneipp, ausleitende Verfahren und die Homöopathie zum Einsatz. Es werden aber auch Elemente aus anderen komplementärmedizinischen Disziplinen integriert, z.B. Neuraltherapie, Orthomolekularmedizin, mikrobiologische Medizin oder Anthroposophie.

Auf eine besonders große Vielfalt kann unsere Abteilung für Physikalische Medizin verweisen: Hier reicht das Spektrum von Manueller Therapie über reflektorische Verfahren bis hin zum Einsatz osteopathischer Techniken. Chronisch kranke Patienten können durchschnittlich einmal pro Jahr für etwa 10 Tage stationär aufgenommen werden. Auf diese Weise und dank unserer Krankenhausambulanz – derzeit (noch) ohne Kassensitz – können wir den Patienten eine langfristige komplementärmedizinische Begleitung im Sinne der Integrativen Medizin anbieten.

Tumortherapie im KfN

Die komplementärmedizinische Behandlung von Tumorpatienten im KfN hat das Ziel

  • das Allgemeinbefinden zu verbessern,
  • die Symptome zu reduzieren sowie
  • den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.

Schulmedizinische Therapien können aber keinesfalls ersetzt werden, die Komplementärmedizin dient vielmehr als sinnvolle Ergänzung vor, während oder nach einer kurativen Tumorbehandlung sowie in einer palliativen Therapiesituation. Synergismen können dabei das Outcome einer konventionellen tumorspezifischen Therapie verbessern. Durch eine Linderung ihrer Nebenwirkungen können wiederum Therapieadhärenz und Lebensqualität gesteigert werden.

Häufige Symptome sind die tumor- und/oder therapiebedingte Erschöpfung (Cancer-Related Fatigue), Schmerzen unterschiedlichster Genese, medikamententoxische Polyneuropathie, Appetitmangel, Übelkeit, Gewichtsverlust (Malnutrition/Kachexie), Störungen der Verdauung (Obstipation/Diarrhö) und die Kompromittierung des Immunsystems (Infektanfälligkeit). Weiterhin zu nennen sind depressive Stimmungslage, Angst, Entzündungen der Schleimhäute (Mukositis, Stomatitis) oder Hautschäden während oder nach Strahlentherapie bis hin zu den Nebenwirkungen einer etwaigen antihormonellen Therapie.

Eine Patientenentscheidung gegen schulmedizinische Therapieoptionen unterstützen wir nicht, wird aber nach ausführlicher Aufklärung und auf ausdrücklichen Patientenwunsch hin akzeptiert.

Schulmedizinische Therapien können keinesfalls ersetzt werden. Die komplementärmedizinische Therapie dient vielmehr als sinnvolle Ergänzung vor, während oder nach einer kurativen Tumorbehandlung sowie in einer palliativen Therapiesituation.

Bausteine der komplementärmedizinischen Tumorbehandlung

Die ergänzende komplementärmedizinische Tumorbehandlung setzt sich im KfN aus vielen verschiedenen Bausteinen zusammen. Je nach Allgemeinzustand, individuellen Symptomen, Tumorstadium und bereits erfolgten oder noch geplanten schulmedizinischen Behandlungen wird ein individueller komplementärmedizinischer Behandlungsplan erstellt. Einerseits können während des stationären Aufenthalts selbst Therapien in höherer Dichte durchgeführt werden, als es ambulant möglich wäre. Andererseits geht es bei einem komplementärmedizinischen stationären Aufenthalt im KfN auch ganz explizit darum, individuelle Ressourcen für eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Verhaltensänderung aufzuzeigen und die Patienten zu gezielten symptomlindernden Maßnahmen anzuleiten, die dann künftig im häuslichen Umfeld – bestenfalls sogar in Eigenregie – angewendet werden können.

Neben der moderaten Ganzkörperhyperthermie (mGKHT) und der lokoregionären Hyperthermie (LRHT), auf die noch näher eingegangen wird, kommen im KfN bei Tumorpatienten i.d.R. die Misteltherapie subkutan, die Gabe von Antioxidantien (beispielsweise hochdosierte Vitamin-C-Infusionen), eine mikrobiologische Behandlung des Darmes sowie eine konstitutionelle und/oder organotrope homöopathische Behandlung zum Einsatz.

Je nach individuellem Beschwerdemuster und Allgemeinzustand werden gezielt unterschiedliche physikalische Therapien, Ernährungstherapie, Phytotherapie, Orthomolekularmedizin, Wickel und Auflagen, Hydrotherapie, Schröpfen und Neuraltherapie eingesetzt. Um einen gesundheitsfördernden Lebensstil zu etablieren, werden die Patienten bewegungstherapeutisch angeleitet (Ergometer, Nordic Walking, verschiedene Bewegungsübungen in der Gruppe), in verschiedene Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen eingeführt (z.B. Atemübungen, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Qigong) und ernährungstherapeutisch durch Vorträge geschult (z.B. Vollwertkost, Ernährung und Stoffwechsel). Auf patientenspezifische Fragestellungen kann der Arzt während der täglichen Visite in ordnungstherapeutischen Gesprächen eingehen, eine individuelle Ernährungsberatung kann ebenfalls angeordnet werden.

Es besteht eine enge Kooperation mit dem Krankenhaus München Harlaching, mit dem das KfN über einen Gang auch direkt verbunden ist. So ziehen wir einerseits die onkologischen Kollegen der Nachbarklinik immer wieder konsiliarisch hinzu, um konventionelle Behandlungsoptionen zu prüfen, andererseits werden uns beispielsweise noch nicht entlassfähige Patienten nach OP oder Chemotherapie zur weiteren stationären Betreuung zuverlegt. Traditionell besteht auch ein enger Austausch mit der palliativmedizinischen Abteilung.

Moderate Ganzkörperhyperthermie (mGKHT)

Geschichte

Die Hyperthermie – also die Überwärmung des Körpers – ist eine der ältesten Therapiemethoden der Medizingeschichte. So werden systemische Erwärmungstechniken, u.a. mit heißen Bädern, mit Eingraben von Patienten in heißem Sand oder Schlamm, mit Erzeugung von Wasserdampf in einer Zelt- oder Holzkabine (Schwitzhütte, Sauna) aus den meisten indigenen Kulturen und Hochkulturen berichtet.

Fieber ist mittlerweile als ein zeitlich befristetes physiologisches Sonderprogramm, das die Natur für außergewöhnliche akute Herausforderungen (z.B. Infektionen) entwickelt hat, anerkannt. Bei Infektionen ist Fieber eine wichtige physiologische Reaktion des Körpers und stellt einen Überlebensvorteil dar.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder Beobachtungen gemacht, welche Einflüsse Fieber auf den menschlichen Körper hat:

Wilhelm Busch (dt. Chirurg) veröffentlichte beispielsweise 1886 einen Artikel „über die Wirkungen, welche heftige Erysipeln (die mit hohem Fieber einhergehen) auf bösartige Neubildungen haben“.

1917 griff Julius Wagner-Jauregg, Direktor der Niederösterreichischen Landesheil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke in Wien, seinen bereits 30 Jahre alten Vorschlag auf und impfte 9 Patienten, die an progressiver Paralyse erkrankt waren, mit dem Blut eines Malariakranken (Malaria tertiana). Er beobachtete eine Wirkung, die erheblich günstiger war als bei allen bisher eingesetzten Therapieverfahren, und arbeitete eine mit Salvarsan (1910, Paul Ehrlich, Chemotherapeutikum auf Arsenbasis) kombinierte Vorgehensweise aus, die bald weithin anerkannt war und für deren Entdeckung ihm 1927 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Wenn die sog. Malariatherapie beim Auftreten erster Symptome der Paralyse angewandt wurde, konnte bei über 80 % der behandelten Patienten eine komplette Remission beobachtet werden [6].

Zum Einsatz kamen Plasmodien, die eine Malaria tertiana auslösen. Dabei wurden 2 unterschiedliche Verfahren der Übertragung benutzt: Impfung von infektiösem Blut (5–10 ml i. v./i. m.) oder der provozierte Stich einer Plasmodien übertragenden Mücke. Alle 48 Stunden kam es dann zu Fieberschüben für mehr als 12 Stunden, nach 5–10 Fieberschüben wurde die Erkrankung mit Chinin und/oder Chloroquin terminiert.

Zahlreiche weitere chronische Erkrankungen, u.a. aus dem rheumatischen Formenkreis, wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit passiver Erwärmung durch Zufuhr von Wärme von außen (Hyperthermie) oder Fiebertherapie (Auslösen einer aktiven Fieberreaktion des Körpers durch Applikation fieberinduzierender bakterieller Produkte) behandelt, mit völlig unterschiedlichen Behandlungsprotokollen und wechselndem Erfolg [3]. Die vielversprechende medizinische Hyperthermieforschung wurde aber mit Entwicklung der Antibiotika und Kortikoide fast vollständig unterbrochen.

Ganzkörperhyperthermie heute

Heutzutage findet sich v.a. die passive moderate Ganzkörperhyperthermie (mGKHT) im Bereich der Komplementärmedizin wieder [1]. Aktive Fiebertherapien spielen praktisch keine Rolle mehr, fast ausschließlich kommen mGKHTs durch Wärmezufuhr von außen mit technisch immer besser ausgereiften Geräten zur Anwendung. Die beiden führenden Hersteller solcher Geräte in Deutschland sind Heckel und von Ardenne. Sie arbeiten beide mittels wassergefiltertem Infrarot-A-Licht (wIRA). Die Energie wird in diesem Falle nicht direkt in der obersten Hautschicht resorbiert, sondern erst in tieferen Hautschichten, sodass die dann in Form von Wärme freiwerdende Energie besser über den Blutkreislauf im gesamten Körper verteilt werden kann. So wird eine Erhöhung der Körperkerntemperatur möglich, bevor Schmerz und potenzieller Hitzeschaden der Haut die Anwendung limitieren.

Ebenfalls für die mGKHT nutzbar sind sog. Überwärmungsbäder nach Schlenz, hier erfolgt die mGKHT im Warmwasserbad.

Das KfN verfügt über 4 Heckel-Betten und 3 Überwärmungsbäder und ist somit die größte Abteilung für Ganzkörperhyperthermie im deutschsprachigen Raum. Seit dem Jahrtausendwechsel können wir auf die Erfahrung von weit mehr als 40.000 stationären und ambulanten Ganzkörperhyperthermien verweisen.

Je nach erreichter Körperkerntemperatur wird unterschieden in

  • die subklinische milde Ganzkörperhyperthermie mit Temperaturen bis 38,5 °C, gefolgt von
  • der fieberähnlichen moderaten Ganzkörperhyperthermie bis maximal 40,5 °C Körperkerntemperatur.

Die sog. extreme Ganzkörperhyperthermie erreicht schließlich Temperaturen bis max. etwa 42 °C Körperkerntemperatur, was nur unter Sedierung und intensivmedizinischer Überwachung durchführbar wäre. Zwar könnte die extreme GKHT mit den Heckel-Geräten ebenfalls durchgeführt werden, wir beschränken uns im KfN aber auf die milde und moderate GKHT bis max. 40,5 °C. Die extreme GKHT ist derzeit (noch) auf einzelne klinische Studien auf universitärer Ebene beschränkt (z. B. bei Sarkom).

2 Phasen der mGKHT

Grundsätzlich kann man 2 Phasen der mGKHT unterscheiden:

  1. In der sog. Erwärmungsphase wird die Körperkerntemperatur langsam in den fieberähnlichen Bereich bis max. 40,5 °C angehoben. Bei Erreichen von 40,5 °C Körperkerntemperatur oder nach max. 120 Minuten wird die Überwärmungsphase beendet.
  2. Es schließt sich die sog. Hitzestauphase an, das heißt, der Patient wird in warmhaltende Tücher/Folien eingewickelt, um die erreichte Körperkerntemperatur weiterhin zu halten, es kann dabei sogar noch zu einem weiteren Anstieg der Körperkerntemperatur kommen.

Bei uns im KfN hat sich eine Hitzestauphase von max. 30 Minuten bewährt, einheitliche Protokolle gibt es (noch) nicht dazu. Wir nutzen die Überwärmungsbehandlung als stärksten regulativen Reiz im Rahmen unserer naturheilkundlichen Komplexbehandlung.

Im Oktober 2018 erschien die erste deutsche Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hyperthermie e.V., hier wurden einheitliche Anforderungen an die technische Durchführung der GKHT und die Überwachung inklusive Nachbeobachtung der Patienten definiert. Zudem wurde die aktuelle Studienlage zur GKHT zusammengefasst und mögliche Indikationen wurden erarbeitet. Es sind eine ganze Reihe positiver Behandlungseffekte gesichert, auch wenn der Wirkmechanismus meist noch nicht bis ins Detail geklärt werden konnte.

Behandlungseffekte

Die fieberähnlichen physiologischen Wirkungen der Temperaturerhöhung im Körper beeinflussen sehr unterschiedliche körpereigene Regulations- und Selbstheilungsprozesse. Dies führt z.B. zu

  • Muskelentspannung,
  • Schmerzlinderung,
  • Förderung der Durchblutung der kleinsten Blutgefäße (Mikrozirkulation) und damit Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Gewebes,
  • Beschleunigung von Stoffwechselabläufen und verbesserte Durchlässigkeit der Zellwand für Nährstoffe, Sauerstoff und Stoffwechselabbauprodukte,
  • Förderung der Abheilung subakuter und chronischer Entzündungsprozesse,
  • Beeinflussung der körpereigenen Immunabwehr und Hemmung der Vermehrung von Mikroorganismen, Viren und bösartigen Zellen.

Einsatzgebiete

Die mGKHT kann die konventionelle Therapie bei vielen Erkrankungen unterstützen. Mögliche Einsatzgebiete sind z.B. Schmerzen, subakute und chronische Entzündungen (z.B. bei Lungen- und Atemwegserkrankungen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, rheumatischen Erkrankungen), nicht entzündliche Erkrankungen des Verdauungstrakts (z.B. Reizdarm, Reizmagen), Behandlung von Rekonvaleszenzstörungen nach Infektionen, entzündliche und/oder allergische Hauterkrankungen und die supportive Tumortherapie.

Die mGKHT wirkt nachweislich antidepressiv, und im KfN setzen wir sie seit vielen Jahren bei Erschöpfungssyndromen unterschiedlicher Genese ein, derzeit vor allem bei Long-/Post-Covid-Syndrom. Hier haben wir eine hausinterne Beobachtungsstudie gestartet: Insgesamt sollen bis Ende 2023 300 Long-Covid-Patienten eingeschlossen werden, deren Gesundheitszustand 1, 3 und 6 Monate nach Entlassung aus dem KfN nochmals abgefragt wird. Positive Erfahrungen haben wir bereits seit vielen Jahren bei Patienten mit ME/CFS und mit Cancer-Related Fatigue gemacht.

Die mGKHT kommt im KfN bei Tumorpatienten komplementärmedizinisch zum Einsatz, um das Allgemeinbefinden zu verbessern, das Immunsystem zu stärken und Symptome der Erkrankung und/oder Nebenwirkungen einer etwaigen konventionellen tumorspezifischen Therapie abzumildern. Letzteres führt zu einer Verbesserung der Patientenadhärenz bzgl. konventioneller Therapien. Durch Synergismen erwarten wir zudem eine Wirkungsverstärkung laufender schulmedizinischer Therapien. Ob bereits durch wiederholte mGKHTs in den Tumorzellen möglicherweise sog. Hitzeschockproteine freigesetzt werden, die natürliche Killerzellen wiederum induzieren, die angeschlagenen Tumorzellen abzubauen, spielt bei unserer Indikationsstellung für die mGKHT bei Tumorpatienten (noch) keine Rolle. Dies ist u.a. Gegenstand aktueller Hyperthermieforschung.

Kontraindikationen

Schlechter Allgemeinzustand oder höhergradigere Organdysfunktionen stellen verständlicherweise Kontraindikationen für die mGKHT dar. Im Besonderen sind noch eine relevante pAVK (cave: Umverteilung des Blutflusses durch Weitstellung aller Blutgefäße), frische Thrombosen, eine Epilepsieneigung (cave: Hirntumoren oder -metastasen) oder Erkrankungen zu nennen, die durch fieberähnliche Zustände getriggert werden könnten, z.B. Multiple Sklerose oder akute, klinisch relevante Infektionen.

Lokoregionäre Hyperthermie (LRHT)

Im Gegensatz zur mGKHT wird bei der lokoregionären Hyperthermie eine Temperaturerhöhung auf 42–44 °C im Tumorgewebe postuliert. Hierdurch soll es ganz gezielt zu einer thermischen Schädigung der Tumorzellen mit Ausbildung von Hitzeschockproteinen und konsekutivem Abbau durch das Immunsystem kommen. Gerade solide, lokal begrenzte Tumoren und Metastasen sind dieser Behandlung gut zugänglich.

In Europa und Japan hat sich in der Komplementärmedizin die Methode der sog. kapazitiven Kopplung durchgesetzt. Bei der kapazitiven Kopplung wird durch 2 Elektroden (in symmetrischer oder asymmetrischer Anordnung) ein Wechselfeld im Kurzwellenbereich erzeugt und so eine lokale effektive Überwärmung herbeigeführt; in Europa überwiegend mit der Arbeitsfrequenz von 13,56 MHz. Der Patient liegt auf der Behandlungsliege, in der die Gegensonde integriert ist, über der zu behandelnden Körperregion wird eine flexible Applikationssonde angebracht (je nach Lokalisation stehen unterschiedlich große Sonden zur Verfügung). Zwischen der Behandlungssonde und der Körperoberfläche befindet sich ein Wasserkissen als Kühlsystem. Für die korrekte Behandlung und Vermeidung thermischer Hautschäden ist ein spaltfreies Anliegen auf der Körperoberfläche elementar.

Eine Sitzung dauert etwa 60 Minuten, die applizierte Energie wird im Laufe einer Therapiesitzung i.d.R. stufenweise gesteigert. Das Tumorgewebe im Bestrahlungsfeld erwärmt sich aufgrund des sog. Autofokuseffekts im Verlauf der Behandlung auf bis zu 42–44 °C, gesundes Gewebe wird nicht beeinträchtigt. Der Autofokuseffekt kommt durch die 3-fach erhöhte elektrische Leitfähigkeit malignen Gewebes zustande. Die extrazelluläre Flüssigkeit der Tumorzellen wird sogar 30-mal stärker angeregt und über die abgegebene Energieleistung erhitzt als in gesundem Gewebe. Die Wärme diffundiert in die Tumorzelle, es kommt zu einem intrazellulären Druckanstieg und zur Eiweißdenaturierung [2].

Mit einer Applikationselektrode werden computergesteuert modulierbare Kurzwellen auf die vom Tumor betroffene Region positioniert. Diese durchfluten das gesunde Gewebe und bündeln sich im Tumor bzw. im Tumorbett. Der sog. Autofokuseffekt beruht auf dem erhöhten Energieabsorptionsvermögen des bösartigen Gewebes.

In Kombination mit Chemotherapeutika oder therapeutischen Strahlen kann eine Wirkungsverstärkung auftreten. Bei dieser komplementärmedizinischen supportiven Tumortherapie erfolgt keine tatsächliche Messung der erreichten Temperatur im Tumor – Anordnungen mit dieser Messoption sind wiederum Teil der universitären Forschung, die auf potenzielle Synergismen konventioneller Therapien und LRHT fokussiert.

Die Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenz-Hyperthermie der DGHT Version 1.0 von Oktober 2021 berichtet von neueren klinischen Prüfungen, die Wirkungspotenziale von Chemotherapeutika in Abhängigkeit von der Hyperthermie untersuchten und unabhängig voneinander eine qualitative Verstärkung einer ganzen Reihe von Chemotherapeutika dokumentieren konnten, im Sinne einer additiven und sogar potenzierenden Wirkung [2].

Behandlungseffekte

Im KfN setzen wir die LRHT als supportive Tumortherapie ein, die Möglichkeit einer gleichzeitigen Gabe mit Chemotherapeutika besteht bei uns nicht, nur im ambulanten Rahmen ist eine zeitnahe Durchführung von Chemo- oder Strahlentherapie und LRHT möglich. Im stationären Bereich möchten wir eine Symptomlinderung und Prognoseverbesserung bei Patienten erzielen, die aus verschiedenen Gründen einer konventionellen onkologischen Tumorbehandlung nicht (mehr) zugänglich sind. Auch dieses Patientenkollektiv kann von einer LRHT profitieren. Bezüglich der Schmerzreduktion haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass durch die LRHT (v.a. aber in Kombination mit einer Strahlentherapie) eine deutliche Rückbildung von Schmerzen und sogar eine „Schmerzfreiheit über einen längeren Zeitraum“ erreicht werden kann.

Kontraindikationen

Kontraindikationen für eine LRHT sind u.a. implantierte elektrische medizinische Geräte wie ein Herzschrittmacher, aufgrund potenzieller Funktionsstörungen durch die Kurzwellen. Zudem Endoprothesen aus Metall im Zielgebiet, die als Antennen fungieren und so zu Verbrennungen durch Aufheizen führen könnten. Dabei sind z.B. auch koronare Stents zu berücksichtigen, die nicht im Bestrahlungsfeld liegen sollten. Weitere Kontraindikationen sind eine eingeschränkte Oberflächensensibilität am Applikationsort der Sonde bzw. eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit des Patienten, da dieser während der Behandlung aktiv Rückmeldung geben können muss, ob die eingebrachte Energie oberflächlich noch tolerabel ist, sonst drohen thermische Schäden der Körperoberfläche.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

[1] Deutsche Gesellschaft für Hyperthermie e.V., Hrsg. Leitlinie zur Ganzkörperhyperthermie. 2018; https://www.dght-ev.de/de/leitlinien

[2] Deutsche Gesellschaft für Hyperthermie e. V., Hrsg. Leitlinie zur kapazitiven lokalen Radiofrequenz-Hyperthermie. 2022; https://www.dght-ev.de/de/leitlinien

[3] Heckel M. Ganzkörperhyperthermie und Fiebertherapie. Grundlagen und Praxis. Stuttgart: Hippokrates; 1990

[4] Pfeifer BL, Preiß J, Unger C. Hrsg. Onkologie integrativ. Konventionelle und komplementäre Therapie. München: Elsevier Urban & Fischer; 2006

[5] AWMF. S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen. Langversion 1.1. AWMF-Registernummer: 032/055OL. 2021; https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/032–055OL

[6] Strobel H. Zur Malariatherapie der Syphilis. Arch Dermat 1940; 181 (01) 41-56

Robert Schmidt ist Chefarzt am Krankenhaus für Naturheilweisen in München.