CoronavirusCOVID-19-Erreger: Infektionsmechanismus in der Lunge erforscht

Durch Simulation einer Corona-Infektion an menschlichen Lungen konnten Forscher*innen feststellen, dass der Erreger nur wenige Zellen der Lungenbläschen direkt infizieren kann. Schwere Lungenschäden sind eher auf eine durch Makrophagen ausgelöste Immunaktivierung zurückzuführen.

Illustration: Coronavirus
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Einer Berliner Forschungsgruppe unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es gelungen, die Infektion mit SARS-CoV-2 an menschlichen Lungen zu simulieren und somit zentrale Erkenntnisse zum Infektionsmechanismus zu generieren. Anhand von im Labor kultivierten, lebenden Lungenproben zeigt sie, dass der COVID-19-Erreger in nur sehr begrenztem Maß in der Lage ist, die Zellen der menschlichen Lungenbläschen direkt zu infizieren. Hingegen wird der überwiegende Teil der in die Lunge gelangten Viren von Makrophagen – Zellen der angeborenen Immunabwehr – direkt aufgenommen und löst in diesen eine gezielte Immunaktivierung aus.

Nach wie vor forschen Wissenschaftler*innen weltweit daran, den Mechanismus hinter einer COVID-19-Infektion und der damit manchmal einhergehenden Lungenentzündung und Lungenschädigung besser zu verstehen. Forscher*innen der Charité, des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), des Robert Koch-Instituts und der Freien Universität Berlin haben jetzt die Vermehrung und Immunaktivierung von SARS-CoV-2-Viren in menschlichen Lungen analysiert. Spezifisch haben sie dafür die Zellen der menschlichen Lungenbläschen, auch Alveolen genannt, sowie die Alveolarmakrophagen in den Blick genommen. Diese Fresszellen unseres angeborenen Immunsystems vernichten fremde Partikel, darunter auch Infektionserreger wie Viren und Bakterien, und sorgen so für die Reinigung der Lunge.

COVID-19-Erreger verursacht kaum direkten Gewebeschaden 

Unter der Leitung von Prof. Andreas Hocke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité hat das Forschungsteam herausgefunden, dass SARS-CoV-2 nur sehr wenige Epithelzellen, die die Oberfläche der Lungenbläschen auskleiden, infiziert und damit auch nur einen sehr geringen, direkten Gewebeschaden verursacht. Das stellt einen entscheidenden Unterschied etwa zu MERS-Coronaviren oder Influenzaviren dar. Gleichzeitig konnten die Wissenschaftler*innen belegen, dass der für SARS-CoV-2 notwendige ACE2-Rezeptor, der als Einstiegspforte für die Viren dient, in nur sehr wenigen Alveolarepithelzellen nachweisbar ist. Das ergaben umfangreiche Analysen mittels spektraler Mikroskopie.

Gelangen große Virusmengen aus dem oberen Atemweg in die Lungenbläschen, so vermehren sich diese demnach nicht in hohem Maß in den ansässigen Epithelzellen der Lunge, wie das bei anderen schweren Virusinfektionen oft der Fall ist, sondern werden direkt von den Fresszellen aufgenommen. „Wir haben mit detaillierten bioinformatischen Analysen sowie anhand von Autopsiegewebe von an COVID-19 verstorbenen Personen gesehen, dass sich die Fresszellen durch die Aufnahme der Coronaviren verändern“, sagt der zweite Erstautor Dr. Benedikt Obermayer-Wasserscheid vom BIH. Diese Wandlungen lösen wiederum unterschiedliche Reaktionen im Rahmen der Lungenentzündung aus: Die Fresszellen geben Entzündungsbotenstoffe ab und können zum Teil sehr starke Entzündungskaskaden anstoßen. Ebenso beobachteten die Forscher*innen, dass sich das Virus in den Immunzellen nicht vermehrt.

Prof. Hocke ordnet die Ergebnisse ein: „Unsere Studie deutet darauf hin, dass schwere Lungenschäden bei COVID-19 eher auf eine durch Makrophagen ausgelöste Immunaktivierung als auf eine direkte Zerstörung der Lungenbläschen durch das Virus zurückzuführen sind. Damit trägt sie wesentlich zum Verständnis der Entstehung von COVID-19 in der Frühphase einer möglichen Lungenentzündung bei und zeigt, warum SARS-CoV-2, im Gegensatz zu MERS-Coronaviren, in der Mehrzahl der Fälle einen eher moderaten Verlauf aufweist.“

 Es lässt sich also davon ausgehen, dass die lokalen Immunmechanismen im Atemgewebe die SARS-CoV-2-Viren in den allermeisten Fällen sehr effizient beseitigen und die Entzündungsreaktion begrenzen. Geschieht das nicht, was möglicherweise durch individuelle Risikofaktoren beeinflusst wird, können in seltenen Fällen schwere und tödliche Verläufe entstehen.“

Quelle: Pressemitteilung/Charité – Universitätsmedizin Berlin