Multiple SkleroseKindheit und MS: Gibt es Risikofaktoren?

Bestimmte Faktoren im Kindes- und Jugendalter könnten das MS-Risiko erhöhen. Das zeigt eine Analyse der NAKO Gesundheitsstudie.

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Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem die Myelinscheiden der Nervenfasern an und zerstört sie.

 Wissenschaftler*innen haben im Rahmen der NAKO Gesundheitsstudie potenzielle Risikofaktoren für Multiple Sklerose (MS) im Kindes- und Jugendalter untersucht. Ihre Analyse zeigt, dass bestimmte Faktoren mit einem erhöhten MS-Risiko im Zusammenhang stehen können. Dazu gehören:

  • häufig auftretende Infektionen in der Kindheit,
  • schwere belastende Lebensereignisse,
  • ein höheres Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes,
  • geringe körperliche Aktivität.

Zugleich bestätigte die Studie bereits bekannte Risikofaktoren der Erkrankung.

Analyse auf MS-Risiken in der NAKO Gesundheitsstudie

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. "Die Ursachen der MS sind noch weitgehend unbekannt. Einige Studien deuten darauf hin, dass Umwelt- und Lebensstilfaktoren bei genetisch vorbelasteten Menschen dazu führen können, dass die Krankheit ausbricht.", berichtet Prof. Heiko Becher vom Universitätsklinikum Heidelberg.

Zu den bekannten Risikofaktoren zählen demnach genetische Prädisposition, Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, Vitamin-D-Mangel, Rauchen und Übergewicht. Einflüsse aus der Kindheit und Jugend seien bislang wenig untersucht.

Die aktuelle Untersuchung stützt sich auf Daten der NAKO Gesundheitsstudie (NAKO) sowie einer darin eingebetteten Fall-Kontroll-Studie. NAKO-Teilnehmer*innen mit und ohne MS wurden in der Zusatzstudie zu Risikofaktoren befragt. Von besonderem Interesse waren unter anderem:

  • vorgeburtliche Faktoren,
  • infektiöse Erkrankungen im Kindesalter,
  • die in der Kindheit und Jugend im Freien verbrachte Zeit,
  • körperliche Aktivität im Teenageralter,
  • Body Mass Index (BMI) im Alter von 18 Jahren,
  • belastende Lebensereignisse,
  • das Rauchverhalten.

Insgesamt flossen Daten von 576 an MS erkrankten Personen (396 Frauen und 180 Männer) sowie 895 Kontrollpersonen ohne MS (638 Frauen und 257 Männer) in die Auswertung ein. Als MS-Betroffene galten Teilnehmende, die im Rahmen der NAKO eine ärztlich bestätigte Diagnose selbst angegeben hatten. Die Kontrollgruppe bestand aus zufällig ausgewählten Personen ohne MS, die anhand des Geburtsjahrs, Geschlechts und Studienzentrums individuell einer Person mit MS zugeordnet wurden.

Mithilfe statistischer Modelle analysierten die Forschenden, welche Faktoren im Kindes- und Jugendalter mit einem erhöhten MS-Risiko verbunden sind. Das sogenannte Odds Ratio (OR) gibt dabei an, wie stark der Zusammenhang im Vergleich zur Kontrollgruppe ausfällt: Ein Wert unter 1 spricht für ein geringeres, ein Wert über 1 für ein erhöhtes Risiko.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten Assoziationen zwischen MS und

  • Infektionen in der Kindheit (OR=1,14 pro zusätzliche Infektion),
  • belastenden Lebensereignissen (OR 1,25 pro zusätzliches Ereignis),
  • das Erstgeborene einer bei Geburt 30 Jahre oder älteren Mutter zu sein (OR = 2,11) sowie
  • der körperlichen Aktivität in der Jugend (OR=0,82 pro Anstieg des Aktivitätslevels) – hier allerdings in umgekehrter Richtung zu verstehen, also mit einem geringeren Risiko bei mehr Bewegung.
  • Zudem bestätigte die Studie bereits bekannte Risikofaktoren, darunter familiäre Vorbelastung, Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus sowie Übergewicht oder Adipositas im Kindes- oder Jugendalter.

Keine Zusammenhänge ergaben sich für alle anderen untersuchten Faktoren unter anderem auch nicht für eine eigene schwere Erkrankung (außer MS), Passivrauchen – also elterliches Rauchen während der Schwangerschaft sowie in der Kindheit und Jugend des oder der Teilnehmenden – oder die im Freien verbrachte Zeit.

Fazit

"Unsere Ergebnisse unterstreichen die Relevanz bestehender Präventionsmaßnahmen im Rahmen anderer nichtübertragbarer Erkrankungen – etwa zur Vermeidung kindlicher Infektionskrankheiten, zur Förderung gesunder Essgewohnheiten oder zur Förderung von Bewegung. Diese könnten ebenfalls vielversprechende Strategien in der MS-Prävention sein. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die körperliche Aktivität: Aktuelle Studien zeigen, dass Bewegung im Erwachsenenalter als Schutzfaktor gegen MS wirken kann. Auch gezielte Bewegungsangebote im Jugendalter können möglicherweise einen Beitrag zur MS-Prävention leisten", sagt Erstautorin Anja Holz.

Darüber hinaus liefern die Erkenntnisse eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen, etwa zur Frage, ob und in welchem Ausmaß die neu identifizierten Risikofaktoren mit dem Schweregrad der Erkrankung in Zusammenhang stehen.

Quelle: NAKO Gesundheitsstudie