LachgasNeurologische Schäden nach Lachgas-Konsum

Rückenmarks- und Nervenschäden, Gangstörungen, Lähmungen: Französische Daten zeigen einen Anstieg schwerer Folgeerkrankungen durch den Freizeit-Konsum von Lachgas.

Illustration: Netzwerk von Nervenzellen
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Im Gegensatz zum praktisch nebenwirkungsfreien medizinisch überwachten Kurzeinsatz von Lachgas kann es bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch zu Schäden am Nervensystem kommen.

Eine Studie aus dem Großraum Paris zeigt einen Anstieg schwerer Folgeerkrankungen durch den Freizeitkonsum von Lachgas seit 2020:

  • Die Ergebnisse deuten auf eine Verschiebung der Konsummuster hin zu hohen, schädlichen Dosen.
  • Vor allem junge Menschen sind betroffen.
  • Es kommt zu Rückenmarks- und Nervenschäden, die sensible Symptome, Gangstörungen und bleibende Lähmungen hervorrufen.

Schwere neurologische Erkrankungen durch Lachgas-Vergiftungen

Von 2018 bis 2021 wurden in neurologischen und internistischen Abteilungen alle über 18-jährigen Personen mit schweren Lachgas-Vergiftungen erfasst. Bis Ende 2019 wurden keine entsprechenden Fälle beobachtet.

Die Forschenden ermittelten die danach zunehmende Häufigkeit und verglichen sie mit der Frequenz vergleichbarer neurologischer Krankheiten anhand der Krankenversicherungsdaten von 91.000 Klinikpatient*innen.

Im Ergebnis zeigte sich:

  • Von 181 Patient*innen hatten 25 % eine Schädigung des Rückenmarks (Myelopathie), 37 % eine Schädigung peripherer Nerven (periphere Neuropathie) und 38 % eine Kombination beider Schäden.
  • Betroffen waren v.a. junge Erwachsene mit schlechten sozioökonomischen Bedingungen: die meisten waren 20-25 Jahre alt und lebten in städtischen, sozial benachteiligten Gegenden; 37 % waren arbeitslos.
  • Der durchschnittliche tägliche Lachgas-Verbrauch lag bei 1200 g; die mediane Dauer zwischen dem Beginn des Lachgas-Konsums und dem Auftreten der Symptome lag bei einem halben Jahr (IQR 2-12 Monate).

Die Inzidenz neurologischer Lachgas-assoziierter Erkrankungen nahm in Paris im Laufe des Jahres 2020 zu und erreichte Mitte 2021 einen Höhepunkt. Bei 20- bis 25-Jährigen lag 2021 die Inzidenz für eine Lachgas-Myelopathie bei 6,15/100.000 Personenjahre. Für periphere Lachgas-Neuropathien lag sie bei 7,48/100.000 Personenjahre. Dies war signifikant häufiger als nicht-Lachgas-assoziierte Myelitiden (Rückenmarksentzündungen) in derselben Altersgruppe, die mit einer Inzidenz von nur 0,35/100.000 Personenjahre auftreten oder das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) mit 2,47/100.000 Personenjahre.

In den sozial am stärksten benachteiligten Regionen waren die Inzidenzen 2- bis 3mal höher als in den anderen Regionen. 

Für die neurologischen Folgen kann kein Schwellenwert angegeben werden:

  • Es gibt Fallberichte, wo nur 4 inhalierte Luftballons nach 7 Wochen zu einem GBS-ähnlichen Krankheitsbild geführt haben.
  • Auf entsprechenden Partys werden von manchen Menschen durchaus 50 und mehr Ballons inhaliert.

Kommentar der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

"So steigt mit jedem Atemzug am Lachgas-Ballon das Risiko für neurologische Folgekomplikationen", sagt Prof. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). 

„Aber nicht nur die chronischen Folgen sind ein Problem. Sorge macht auch eine nicht zu vernachlässigende akute Gefahr – vor allem, wenn im Einzelfall zu viel Lachgas inhaliert wird“. Dazu zählen neben Übelkeit, Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen auch epileptische Anfälle, Schlaganfälle und hypoxische Hirnschäden bis zum Tod („versehentliches Ersticken“) infolge des Konsums. Beschrieben werden auch Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall und Atemprobleme.

Die DGN befürwortet daher eine klare Kaufeinschränkung von Lachgas außerhalb medizinischer Indikationen. Die Abgabe für gewerbliche Zwecke müsse gesetzlich geregelt werden. Um das Ausmaß des Problems zu erfassen, führt die DGN nun gemeinsam mit der BZgA eine Umfrage in Deutschland zur Prävalenz und den neurologischen Folgen des Lachgasmissbrauchs durch. Bestätigen sich die Befürchtungen, sind gemeinsame Aktionen und Aufklärungsinitiativen geplant.

Hintergrund: Partydroge Lachgas

Lachgas (N2O, Distickstoffmonoxid) wird seit über 200 Jahren als Inhalationsanästhetikum eingesetzt. Bis heute ist es eine medizinisch sinnvolle und sichere Alternative in bestimmten Narkosesituationen.

Problem: Freizeitkonsum

Der Freizeitkonsum von Lachgas hat weltweit in besorgniserregendem Maße zugenommen. Auch die gesundheitlichen Schädigungen infolge des Konsums: Im Gegensatz zum praktisch nebenwirkungsfreien medizinisch überwachten Kurzeinsatz kann es bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch zu Schäden am Nervensystem kommen; manchmal sind auch die Blutbildung, Lunge und Herz mit betroffen.

Ursache dieser Gesundheitsprobleme ist eine Störung des Vitamin-B12-Stoffwechsels, d.h. ein funktioneller Mangel des Vitamins. Vitamin B 12 ist für die Funktion der Myelinscheiden (Hüllstrukturen der peripheren Nerven und des Rückenmarks) notwendig. Die Schädigung von Rückenmark und Nerven führt zu Taubheitsgefühlen vor allem an den Füßen, Gangstörungen und in schweren Fällen auch zu Lähmungen.

Die Symptome können durch parenterale Gabe von Vitamin B12 behandelt werden; nicht immer bilden sie sich jedoch vollständig zurück.

Besonders gefährdet sind Menschen, deren Vitamin-B12-Versorgung aus anderen Gründen schon nicht optimal ist, z.B. bei veganer oder vegetarischer Ernährung, bei Einnahme bestimmter Medikamente (wie Magensäureblockern), chronischen Magen-Darm-Entzündungen oder regelmäßigem Alkoholkonsum.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie