
Für gesunde Menschen ist Candida auris i.d.R. ungefährlich. Bei Menschen mit geschwächten Immunsystem oder Intensivpatient:innen ist die Gefahr größer.
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 77 Fälle von Candida-auris-Nachweisen erfasst – 6-mal mehr als in den Vorjahren. Das zeigt die aktuelle Auswertung des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen.
Für gesunde Menschen ist eine Besiedlung mit dem Pilz Candida auris in der Regel ungefährlich – die meisten bemerken davon nichts. Bei anderen Gruppen, z.B. Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder Patient:innen auf Intensivstationen, ist die Gefahr größer. Gelangt Candida auris in ihren Blutkreislauf, droht eine Blutvergiftung, die in gut der Hälfte aller Fälle tödlich endet. Vor allem für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Seniorenheime stellt der Pilz deshalb eine Bedrohung dar.
Starker Anstieg im Jahr 2023
Wissenschaftler:innen des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) haben jetzt einen deutlichen Anstieg der Candida-auris-Fallzahlen in Deutschland registriert. Wurden in den Vorjahren jeweils 12 Fälle an das Referenzzentrum gemeldet, waren es im vergangenen Jahr 77.
Diese Zahlen hat das Forschungsteam jetzt im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht.
In ihrer Studie werfen die Autor:innen einen Blick auf die Gesamtzahlen, deren Entwicklung und die einzelnen Übertragungsereignisse ein. Sie unterscheiden zwischen einer reinen Besiedlung (Kolonisation) und einer invasiven Infektion.
Zahlreiche Candida-Fälle in Krankenhäusern
Demnach zeigte sich bei den 77 beschriebenen Fällen:
- Bei 58 Patient:innen lag eine Kolonisation vor.
- In 13 Fällen kam es zu einer Infektion.
- In 6 Fällen blieb der Status unklar.
- Von den Patient:innen mit initialer Kolonisation oder unklarem Infektionsstatus entwickelten im Verlauf 5 eine invasive Infektion.
Neben einem relevanten Anstieg einzelner Infektionen ohne nachgewiesene direkte Ansteckungen weiterer Personen konnten auch 4 unabhängige Ausbruchsgeschehen aufgedeckt werden. Die Mehrheit der nachgewiesenen Fälle konnte nachträglich einem spezifischen Ausbruch zugeordnet werden.
Aufgrund der aktuellen Meldepflicht fehlte bei diesen Fällen zunächst die infektiologische Relevanz, sodass der Ausbruch zunächst unentdeckt blieb und die Übertragungsereignisse letztlich nicht frühzeitig unterbunden werden konnten.
„Der enorme Anstieg 2023 hat uns überrascht. Ausschlaggebend sind hier v.a. auch Ausbruchsgeschehen in Krankenhäusern. Wenn diese nicht frühzeitig erkannt und adäquat bekämpft werden, sind sie später sehr schwer in den Griff zu bekommen“, bewertet Dr. Alexander M. Aldejohann von der Uni Würzburg die Zahlen.
Allgemeine gesetzliche Meldepflicht für Candida auris angeregt
Zu diskutieren wäre nach Ansicht der Beteiligten die erst 2023 eingeführte gesetzliche Meldepflicht. Diese erfasse nur einen kleinen Teil der Fälle. Ursache dafür sei in erster Linie ein hoher Anteil klinisch nicht relevanter Nachweise, die gemäß des aktuellen Infektionsschutzgesetzes keiner Meldepflicht unterliegen. Gegenwärtig müssen Kolonisationen nur dann gemeldet werden, wenn sie eine Folge von Übertragung in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen sind.
Die Autor:innen regen deshalb an, über eine generelle Meldepflicht für alle Candida-auris-Fälle nachzudenken. Mit frühzeitig und konsequent durchgeführten Screening- und Hygienemaßnahmen bei allen Nachweisen, unabhängig von deren klinischer Relevanz, könnte ihrer Meinung nach einer weiteren Ausbreitung von Candida auris wirkungsvoll entgegengetreten werden.
Man müsse davon ausgehen, dass die Fälle von Candida auris in Deutschland weiter zunehmen, so Prof. Oliver Kurzai vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Uni Würzburg. Weil Infektionen durch diesen Pilz oft schwer zu behandeln sind, gelte: „Je länger wir das verzögern können, umso besser. Eine allgemeine gesetzliche Meldepflicht für jeden Labornachweis von Candida auris könnte hier helfen – und zwar insbesondere in der jetzigen Phase, wo die Fallzahlen noch sehr niedrig sind“, so Kurzai weiter.
Candida auris
Der Hefepilz Candida auris wurde erstmalig im Jahr 2009 in Japan beschrieben. Seitdem wird global ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen beobachtet.
Mittlerweile ist der Pilz weltweit verbreitet und in einigen Regionen wie Indien und Südafrika und regional auch in Spanien und Italien endemisch.
Anders als bei anderen Candida-Arten kommt es bei dieser Hefepilzart insbesondere in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen regelmäßig über direkten und indirekten Kontakt zu schwer eindämmbaren Ausbruchsgeschehen.
Die Behandlung von Candida-auris-Infektionen wird durch das Potenzial des Erregers, Resistenzen gegen alle verfügbaren Antimykotika-Klassen zu entwickeln, erheblich erschwert. Diese Eigenschaften führten u.a. zum Einschluss des Pilzes in die höchste Priorisierungskategorie des amerikanischen Centers for Disease Prevention and Control (CDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
In Deutschland unterliegen seit Juli 2023 sowohl der Nachweis von Candida auris aus Blut und primär sterilen Materialen als auch Ausbruchsgeschehen des Erregers der Meldepflicht gemäß Paragraf 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes.
Das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen
Das vom Robert-Koch-Institut und dem Bundesministerium für Gesundheit berufene Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) ist Ansprechpartner für Ärzte und Mikrobiologen bei Fragen zur Diagnostik invasiver Pilzinfektionen. Es berät zu allen Aspekten invasiver Pilzinfektionen, führt spezielle diagnostische Verfahren zum Nachweis von Pilzerkrankungen durch und kooperiert dabei mit anderen Referenzlabors weltweit.
Das NRZMyk ist seit Januar 2014 am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena angesiedelt. Darüber hinaus arbeitet es in enger Kooperation mit assoziierten Partnern – dem Institut für medizinische Mikrobiologie und den Laboratorien der Klinik für Hautkrankheiten des Universitätsklinikums Jena sowie den Molekularbiologischen Laboratorien der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg.
Quelle: Uniklinikum Würzburg