Schimpansen scheinen Pflanzen mit medizinischen Eigenschaften zu verzehren, um ihre Beschwerden zu behandeln. Das zeigt eine Studie der Hochschule Neubrandenburg und der Universität Oxford.
Das Forscherteam um Dr. Fabien Schultz und Dr. Elodie Freymann beobachtete 51 Schimpansen im ugandischen Budongo Regenwald. Sie testeten 17 Pflanzenarten auf ihre entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften. Die Ergebnisse:
- 88% der Pflanzen hemmen Bakterien,
- 33% wirken entzündungshemmend.
Aus den Erkenntnissen der Studie können Menschen lernen, neue Medikamente zu entwickeln.
Verhaltensbeobachtungen und pharmakologische Tests
Wildlebende Schimpansen fressen verschiedenste Pflanzen. Darunter auch nährstoffarme, die jedoch Krankheitssymptome lindern können. Bisher war es schwierig festzustellen, ob Schimpansen sich selbst behandeln, indem sie absichtlich nach Pflanzen mit medizinischen Eigenschaften suchen. Oder ob sie zufällig medizinisch wirkende Pflanzen passiv konsumieren.
Die Wissenschaftler*innen führten Verhaltensbeobachtungen an 51 wild lebenden Schimpansen (Pan troglodytes) aus 2 Gemeinschaften im tropischen Budongo Regenwald in Uganda durch. Diese kombinierten sie mit pharmakologischen Tests der potenziell medizinischen Pflanzen, die sie in ungewöhnlichen Situationen konsumieren.
Sie sammelten 17 Proben von 13 Baum- und Kräuterarten aus dem Regenwald, von denen sie annahmen, dass die Schimpansen sie zur Selbstmedikation verwenden könnten. Dazu gehörten Pflanzen, die zuvor von kranken oder verletzten Schimpansen eingenommen oder aufgetragen wurden, die aber nicht zu ihrer normalen Ernährung gehörten.
An der Hochschule Neubrandenburg wurden die Pflanzenproben auf ihre entzündungshemmenden und antibiotischen Eigenschaften getestet, u.a. gegen klinische Isolate antibiotikaresistenter Bakterienstämme. Insgesamt wurden 53 Extrakte hergestellt und in vitro auf eine pharmakologische Wirkung untersucht.
Ergebnisse
Das Forscherteam fand heraus: 88 % der Pflanzenextrakte hemmten das Bakterienwachstum. 33 % wiesen entzündungshemmende Eigenschaften auf.
Das tote Holz eines Baumes aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Alstonia boonei) zeigte die stärkste antibakterielle Wirkung und hatte auch entzündungshemmende Eigenschaften. Das deutet darauf hin, dass die Schimpansen es zur Behandlung von Wunden nutzen könnten. Alstonia boonei wird in einigen ostafrikanischen Dörfern als Heilpflanze verwendet, u.a. zur Behandlung von bakteriellen Infektionen, Magen-Darm-Problemen, Schlangenbissen und Asthma.
Die Rinde und das Harz des ostafrikanischen Mahagonibaums (Khaya anthotheca) und Blätter eines Farns (Christella parasitica) zeigten starke entzündungshemmende Effekte. Das Forscherteam beobachtete, wie ein männlicher Schimpanse mit einer verletzten Hand die Blätter des Farns suchte und aß, was möglicherweise zur Linderung von Schmerzen und Schwellungen beitrug.
Sie beobachteten auch, dass ein Individuum mit einer parasitären Infektion die Rinde des Katzendornbaums (Scutia myrtina) fraß. Das war bei den Schimpansen dieser Gruppe noch nie beobachtet worden. Die Laboruntersuchungen ergaben, dass diese Rinde sowohl entzündungshemmende als auch antimikrobielle Eigenschaften hat.
Fazit
Die Ergebnisse seien ein überzeugender Beleg, dass Schimpansen bestimmte Pflanzen aufgrund ihrer medizinischen Wirkung aufsuchen, so die Wissenschaftler*innen. Die im Budongo Regenwald wachsenden Heilpflanzen könnten die Wirkstofffindung und Entwicklung neuer Medikamente gegen antibiotikaresistente Bakterienstämme und chronische Entzündungskrankheiten unterstützen.
Von den Schimpansen lernen?
Die Studie zeige aber auch, "welches medizinische Wissen aus der Beobachtung von Tieren in freier Wildbahn gewonnen werden kann, und unterstreicht die dringende Notwendigkeit, diese Waldapotheken für künftige Generationen zu erhalten", so Dr. Elodie Freymann.
"Es ist durchaus vorstellbar, dass mithilfe moderner Technologien in der Medikamentenforschung zukünftig aufbauend auf unseren Untersuchungen im Frühstadium neuartige Wirkstoff-Leitstrukturen identifiziert werden können. Somit stellen sich die Fragen: Was wäre, wenn wir Menschen von den Schimpansen lernen könnten? Können eines Tages Menschenleben gerettet werden, indem wir dem Beispiel unserer engsten tierischen Verwandten folgen?“ ergänzt Forschungsgruppenleiter Dr. Fabien Schultz.
Quelle: Hochschule Neubrandenburg