Morbus Crohn und Colitis ulcerosaStoffwechsel massiv gestört bei chronischer Darmentzündung

Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist die Stoffwechselaktivität im Darmgewebe und Darmmikrobiom reduziert. In der Folge ist die Produktion essenzieller Nährstoffe gestört.

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Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen liegt nicht nur eine Störung des Immunsystems vor. Auch der Stoffwechsel und die Kommunikation zwischen Körper und Mikrobiom sind beeinträchtigt.

Ein Forschungsteam konnte zeigen: Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa bricht die Stoffwechselaktivität zusammen. Davon ist auch die Kommunikation zwischen Darmgewebe und Mikrobiom betroffen.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa führen zu dauerhaft wiederkehrendem Durchfall, Fieber und Schmerzen sowie psychischen Belastungen. Trotz großer Fortschritte und moderner Medikamente bleibt die Behandlung schwierig. Nur ein Teil der Patient*innen spricht auf einzelne Medikamente an.

Gestörter Stoffwechsel zwischen Körper und Mikrobiom

Der tiefgreifend gestörte Stoffwechsel zwischen Körper und Mikrobiomist ein zentrales Problem bei der CED-Therapie. Das konnten Kieler Forschende anhand von Datenanalysen zeigen.

Die Wissenschaftler*innen untersuchten Stuhl- und Blutproben von CED-Patient*innen vor und nach Therapiebeginn. Dazu kombinierten sie molekulare Analyseebenen – darunter Metagenomik, Transkriptomik und Metabolomik – sowie detaillierte Netzwerkanalysen am Computer. Ziel war, ein umfassendes Bild der biochemischen Abläufe im Stoffwechsel der Patient*innen zu erhalten. Ihr zentrales Ergebnis:

Die Stoffwechselaktivität im Darmgewebe der Betroffenen als auch im Darmmikrobiom ist dramatisch reduziert und eng miteinander verknüpft.

"Die etablierten CED-Therapien zielen meist auf Prozesse im Immunsystem ab. Da diesen Erkrankungen eine fehlgeleitete Immunreaktion zugrunde liegt. Aber weil viele Patient*innen auf diese Therapien nicht ausreichend ansprechen, ist es wichtig, auch Krankheitsmechanismen zu verstehen, die über das Immunsystem hinausgehen – etwa auf Ebene des Stoffwechsels", erklärt Studienleiter Prof. Christoph Kaleta.

Mikrobiom produziert weniger essenzielle Nährstoffe

Das Team beobachtete unter anderem:

  • Stoffwechselprodukte wie Tryptophan und Cholin waren im Blut der Patient*innen deutlich vermindert. Diese Substanzen sind notwendig für die Produktion wichtiger Energieträger der Zellen: NAD und ATP.
  • Die bakterielle Verwertung von Aminosäuren und Ballaststoffen veränderte sich. Deren Abbauprodukte dienen als Energielieferanten für die Darmzellen. 

Demnach komme es bei CED zu einem Zusammenbruch der Wechselwirkungen im Stoffwechsel zwischen Wirt und Mikrobiom, erklärt Kaleta. "Diese gestörte Kommunikation trägt dazu bei, dass wichtige Schutzmechanismen versagen und Entzündungen weiter verstärkt werden."

Das Mikrobiom produziere durch die verringerte Stoffwechselleistung weniger essenzielle Nährstoffe. Deshalb müssten Darm- und Immunzellen ihren Stoffwechsel umstellen. "Somit geraten Stoffwechsel als auch Immunsystem aus dem Gleichgewicht. Das macht eine Therapie dieser Erkrankungen besonders komplex", erklärt Erstautor Dr. Jan Taubenheim.

Individuelle Ernährung als Teil der Therapie

In einem weiteren Teil der Studie simulierten die Forschenden mithilfe von Computermodellen, ob sich gezielte Ernährungsänderungen positiv auf das gestörte Stoffwechsel-Gleichgewicht auswirken. Zum Beispiel die Reduktion von Kohlenhydraten oder Aminosäuren. Mit folgendem Ergebnis:

"Unsere Modellierungen deuten darauf hin, dass eine gezielte Umstellung der Ernährung das Mikrobiom verändern und dadurch entzündungsfördernde Stoffwechselprozesse bremsen könnte", so Dr. Samer Kadib Alban.

Aber: Es gibt demnach nicht die eine Diät, um Entzündungen wirksam zu vermindern. "Die Ernährung müsste individuell an den Stoffwechsel der jeweiligen Patientin bzw. des jeweiligen Patienten angepasst werden."

Im nächsten Schritt planen die Forschenden, die Erkenntnisse im Labor zu testen und darauf basierend spezifische Therapien zu entwickeln, um den Veränderungen im Stoffwechsel entgegenzuwirken.

Quelle: Claudia Taubenheim, Frederike Buhse/Precision Medicine in Chronic Inflammaging