Die Behandlung des Reizdarmsyndroms ist eine Herausforderung, das die Symptome und das Ansprechen auf dietätische und pharmakologische Maßnahmen sehr unterschiedlich sind. Ein europäisches Forscherteam konnte nun zeigen:
Bei Reizdarm-Patient*innen mit Defekten in Genen der Kohlehydratverdauung sind ernährungsbezogene Maßnahmen wirksamer als bei Betroffenen ohne diese Veränderungen.
Dafür verantwortlich scheinen genetische Veränderungen in Enzymen des menschlichen Kohlehydratabbaus zu sein: die hCAZyme-Gene (human carbohydrate-active enzymes, hCAZymes).
Vergleich von low-FODMAP-Ernährung und krampflösendem Medikament
Die Wissenschaftler*innen haben die Rolle der hCAZymes in Bezug auf das Reizdarmsyndrom untersucht. In einer Studie konnten sie zeigen, dass Personen mit defekten Varianten in hCAZyme-Genen eher von einer kohlenhydratreduzierten Ernährung profitieren.
An der Studie nahmen 250 Patient*innen mit Reizdarmsyndrom teil. Darin wurden 2 Behandlungen miteinander verglichen:
- eine Ernährung mit wenig fermentierbaren Kohlenhydraten (FODMAPs) und
- das krampflösende Medikament Otiloniumbromid.
Von den 196 Betroffenen, die an der low-FODMAP-Ernährung teilnahmen, zeigten diejenigen, die Träger eines defekten hCAZyme-Gens waren, eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den Nicht-Trägern. Die Wirkung war besonders ausgeprägt bei Betroffenen mit überwiegend diarrhöischem Reizdarmsyndrom (IBS-D). Sie sprachen 6-mal häufiger auf die Diät an. Im Gegensatz dazu wurde dieser Unterschied bei Patient*innen, die Medikamente erhielten, nicht beobachtet.
„Die hCAZyme-Enzyme haben eine Schlüsselrolle bei der Verdauung von Kohlenhydraten. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass genetische Varianten dieser Enzyme zu kritischen Markern für die Entwicklung personalisierter ernährungsbasierter Behandlungen für das Reizdarmsyndrom werden könnten“, sagt Dr. Britt Sabina Ko-Autorin der Studie.
Unnötig restriktive Diäten vermeiden helfen
"In Zukunft könnte also die Kenntnis des hCAZyme-Genotyps in die klinische Praxis einfließen und es den Ärzt*innen ermöglichen, im Voraus zu erkennen, welche Patient*innen am ehesten von spezifischen Ernährungsmaßnahmen profitieren.“
Dies würde nicht nur unnötige restriktive Diäten für diejenigen vermeiden, die wahrscheinlich nicht davon profitieren. Es würde auch die Tür zur personalisierten Medizin beim Reizdarmsyndrom öffnen.
Allerdings seien nun weitere Studien erforderlich, um die Ergebnisse zu validieren und die dahinter stehenden biologischen Mechanismen zu ergründen.
Wenn sich dieser Ansatz bestätigt, könnte er die Behandlung des Reizdarmsyndroms und ähnlicher gastrointestinaler Erkrankungen erheblich verbessern, indem er Ernährungs- und Therapiestrategien präziser und wirksamer macht.
Hintergrund: Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom (engl. „irritable bowel syndrome“, IBS) ist eine Verdauungsstörung, die durch Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung gekennzeichnet ist. Sie betrifft bis zu 10% der Weltbevölkerung.
Trotz seiner Häufigkeit bleibt die Behandlung des Reizdarmsyndroms eine Herausforderung: Die Symptome und das Ansprechen auf diätetische oder pharmakologische Maßnahmen sind sehr unterschiedlich sind.
Reizdarm-Patient*innen bringen ihre Symptome häufig mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel, insbesondere von Kohlenhydraten, in Verbindung. Der Verzicht auf diese Lebensmittel hat sich als wirksame Behandlungsoption erwiesen. Aber nicht alle Betroffenen ziehen den gleichen Nutzen daraus.
Die Nutrigenetik hat aufgezeigt, wie sich Veränderungen in der DNA auf die Art und Weise auswirken können, wie wir Lebensmittel verarbeiten. Ein bekanntes Beispiel ist die Laktoseintoleranz, bei der der Funktionsverlust des Enzyms Laktase die Verdauung von Milcherzeugnissen behindert. Die nun veröffentlichte Arbeit legt nahe, dass genetische Veränderungen in Enzymen des menschlichen Kohlenhydratabbaus in ähnlicher Weise beeinflussen können, wie Menschen mit Reizdarmsyndrom auf eine kohlenhydratreduzierte (low-FODMAP) Ernährung reagieren.
Quelle: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein