AlzheimerAlzheimer-Antikörper Lecanemab erhält keine Zulassung

Lecanemab wird in Deutschland voraussichtlich nicht zugelassen. Die EMA empfiehlt keine Zulassung in der EU: Die Nebenwirkungen seien größer als der gesundheitliche Nutzen.

Kopf, Radiergummi radiert Teile des Gehirns aus
K. Oborny/Thieme

Alzheimer ist eine komplexe Erkrankung. Notwendig sind Kombinationstherapien, die an unterschiedlichen Krankheitsmechanismen ansetzen, sagt Dr. Anne Pfizer-Bilsing von der Alzheimer Forschung Initiative.

Der Alzheimer-Antikörper Lecanemab wird in Deutschland voraussichtlich nicht zugelassen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency) hat sich gegen eine Zulassung in der Europäischen Union ausgesprochen.

Zur Begründung hieß es:

Die Wirkung hinsichtlich der Verzögerung des kognitiven Abbaus wiege das Risiko schwerer Nebenwirkungen nicht auf, die mit dem Medikament verbunden sind.

Die Alzheimer Forschung Initiative befürwortet, dass die Sicherheit der Erkrankten bei der Nutzen-Risiko-Abwägung höher gewichtet wurde. Die Entwicklung von neuen Antikörpern sei aber trotzdem ein großer Erfolg für die Forschung.

Lecanemab außerhalb Europas bereits zugelassen

Unter dem Handelsnamen Leqembi ist der Wirkstoff u.a. in den USA, Israel, Japan, China und Südkorea zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. Hersteller Eisai hat angekündigt, eine Prüfung der Entscheidung zu beantragen.

Geringe Wirkung, potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen

Studien haben eine Verlangsamung des geistigen Abbaus durch Lecanemab um 27 Prozent nachgewiesen (gemessen mit der Bewertungsskala iADRS). Dabei handelt es sich um eine Verzögerung von 4 bis 7 Monaten im Vergleich zur Placebogruppe.

Bei knapp 17 Prozent der Proband*innen traten Hirnschwellungen und Hirnblutungen auf, in einigen Fällen mit einem schweren Verlauf. Es wurde von 3 Todesfällen im Zusammenhang mit der Lecanemab-Studie berichtet.

Lecanemab entfernt schädliche Proteinablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten. Diese Amyloid-Plaques gelten als eine mögliche Ursache der Krankheit. Damit gehört Lecanemab zu einer neuen Generation von Wirkstoffen, die zum ersten Mal ursächlich in den Krankheitsmechanismus von Alzheimer eingreifen.

Entscheidung über Zulassung von Donanemab steht noch aus

Eine weitere Substanz mit ähnlichem Wirkprinzip und potenziell ähnlich schweren Nebenwirkungen ist Donanemab. In den USA ist der Wirkstoff bereits unter dem Markennamen Kisunla als Alzheimer-Medikament erhältlich. Für Europa wurde ebenfalls ein Zulassungsantrag bei der EMA gestellt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Die Chancen auf eine Zulassung dürften aber mit der Ablehnung von Lecanemab gesunken sein.

Statement der Alzheimer Forschung Initiative

Dr. Anne Pfizer-Bilsing ist Leiterin der Abteilung Wissenschaft der Alzheimer Forschung Initiative. Sie kommentiert die EMA-Entscheidung folgendermaßen:

"Wir können die Entscheidung des EMA-Fachausschuss grundsätzlich nachvollziehen. Wir befürworten, dass die Sicherheit der Erkrankten bei der Nutzen-Risiko-Abwägung höher gewichtet wurde. Die Wirkung von Lecanemab ist nur gering und es ist unklar, ob der Effekt für die Betroffenen selbst überhaupt spürbar ist. Dieser geringen Wirkung stehen potenziell gravierende Nebenwirkungen durch Hirnblutungen und Hirnschwellungen gegenüber. Das ist sicher nicht das, was sich Betroffene und Angehörige von einem neuen Medikament erhoffen.

Entwicklung von Antikörper-Wirkstoffen ein Erfolg für die Forschung

Für die Forschung ist die Entwicklung dieser ersten ursächlich wirkenden Antikörper trotzdem ein großer Erfolg. Die Wirkstoffe eröffnen neue Perspektiven für eine wirksame Alzheimer-Therapie in der Zukunft, müssen aber noch weiterentwickelt werden.

Das Sicherheitsprofil der Amyloid-Antikörper muss noch deutlich verbessert werden und wir müssen noch mehr darüber erfahren, wer von den Wirkstoffen profitiert und für wen eine Behandlung eher nicht geeignet ist. Wir hoffen, dass die EMA-Entscheidung diese positive Entwicklung nicht grundsätzlich gefährdet."

Quelle: Alzheimer Forschung Initiative