ParkinsonBringt Genforschung den Durchbruch in der Parkinson-Therapie?

Technische Fortschritte haben der genetischen Ursachenforschung bei Parkinson einen Schub gegeben. Diese Kenntnisse könnten es erlauben, in den Krankheitsprozess einzugreifen.

DNA Molekül
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Neben dem altersbedingten Nachlassen von zellulären Funktionen, Lebensstil und Umweltfaktoren tragen auch genetische Veränderungen zur Entstehung von Parkinson bei.

„In den letzten Jahren haben technische Fortschritte der genetischen Ursachenforschung einen bedeutenden Schub gegeben. Kenntnisse über zelluläre Stoffwechselwege, die durch eine Mutation gestört sind, erlauben, gezielt und kausal in den Krankheitsprozess einzugreifen – in der Hoffnung, damit das Fortschreiten zu verlangsamen oder zu stoppen“, sagt Prof. Kathrin Brockmann von der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen.

Genetische Veränderungen bei Parkinson

Neben dem altersbedingten Nachlassen von zellulären Funktionen sowie Lebensstil und Umweltfaktoren tragen auch genetische Veränderungen zur Entstehung der Parkinson-Krankheit bei. Dabei unterscheiden Forschende klassische, seltene Mutationen, z.B. in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin und PINK1, von den häufigeren genetischen Risikofaktoren.

Der derzeit wichtigste Vertreter für solch einen Risikofaktor sind Veränderungen im GBA1-Gen. Neueste Forschungsarbeiten zeigen, dass genetische Varianten in GBA1 nicht nur in Europa, Nordamerika und Asien, sondern auch häufig in Patient*innen mit schwarzafrikanischer Abstammung vorkommen und somit weltweit relevant sind [1]

„Die Aufklärung genetischer Ursachen kann für Menschen mit Parkinson von großer Bedeutung sein, z.B. um den Verlauf abzuschätzen, etwa die Wahrscheinlichkeit, dass kognitive Störungen auftreten“, erläutert Brockmann.

Therapeutische Ansätze durch Genforschung

Um ursachenspezifische Therapien zu entwickeln, ist es wichtig, die unterschiedlichen genetischen Subtypen klinisch und auch biologisch noch besser zu beschreiben und zu stratifizieren. Hierzu haben sich internationale Konsortien etabliert.

Da die heterogene Krankheitsentstehung bei Parkinson ein Zusammenspiel genetischer und externer Faktoren ist, ist auch die Entwicklung von Biomarkern wichtig, um zwischen den jeweils beteiligten Stoffwechselwegen und den zugrunde liegenden Pathologien unterscheiden zu können und gezielt zu bestimmen, welche Menschen höchstwahrscheinlich von einem bestimmten Therapieansatz profitieren.

Neuer Test im Blut und Hirnwasser zur Früherkennung

Ein zentraler Angriffspunkt für modifizierende Therapien ist das bei der Parkinson-Krankheit fehlgefaltete Eiweiß Alpha-Synuclein. Seit Kurzem ist es mit einem sog. Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA) möglich, das Vorhandensein von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein individuell mit einer 95-%-Genauigkeit zu messen.

„Der neue Test ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung und die Entwicklung neuer Therapien. Er könnte eine frühe und vor allem genaue Diagnose ermöglichen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt ist“, so Brockmann. Am besten gelinge dies aktuell im Hirnwasser. Doch neueste Analysen konnten zeigen, dass dies auch im Blut sowie in anderen biologischen Materialien wie Haut und Schleimhaut möglich zu sein scheint [2].

SynNeurGe: neue biologische Klassifikation der Parkinson-Erkrankung

Basierend auf all diesen neuen Forschungserkenntnissen, arbeiten Forschende weltweit derzeit daran, eine neue Klassifikation der Parkinson-Krankheit zu erstellen. Denn die bisher primär klinische Einteilung wird dem heutigen Wissen über die komplexen Pathomechanismen und die biologische Heterogenität nicht mehr gerecht.

Die neue Klassifikation soll nun auf rein biologischen Merkmalen basieren. Dabei werden 3 Kernelemente als Biomarker Einzug erhalten:

  • Nachweis von Alpha-Synuclein,
  • Nachweis von Neurodegeneration und
  • Nachweis von genetischen Varianten [3, 4].

Eine erste europaweite klinische Studie in einer biologisch stratifizierten Kohorte testet den gegen Alpha-Synuclein gerichteten Antikörper Prasinezumab von Roche in Patient*innen mit einer GBA1-Mutation. Ziel ist, die Entwicklung kognitiver Defizite in dieser dafür vulnerablen Patientengruppe zu verzögern (PreCoDe).

„Die Verwendung einer solchen biologischen Klassifikation wird Fortschritte in der Grundlagen- und der klinischen Forschung in Richtung einer individuellen Präzisionsmedizin weiter voranbringen“, ist Prof. Brockmann überzeugt. „Dies ist essenziell für die Entwicklung spezifischer und kausal in den Krankheitsprozess eingreifender Therapiestrategien – in der Hoffnung, damit das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen oder gar zu stoppen.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen

Literatur

[1] Rizig M, Bandres-Ciga S, Makarious MB et al. Genome-wide Association Identifies Novel Etiological Insights Associated with Parkinson's Disease in African and African Admixed Populations. Preprint. medRxiv. 2023; doi:10.1101/2023.05.05.23289529

[2] Okuzumi A, Hatano T, Matsumoto G et al. Propagative α-synuclein seeds as serum biomarkers for synucleinopathies. Nat Med 2023; doi:10.1038/s41591-023-02358-9

[3] Simuni T, Chahine LM, Poston K et al. A biological definition of neuronal α-synuclein disease: towards an integrated staging system for research. Lancet Neurol 2024; doi:10.1016/S1474-4422(23)00405-2 

[4] Höglinger GU, Adler CH, Berg D et al. A biological classification of Parkinson's disease: the SynNeurGe research diagnostic criteria. Lancet Neurol 2024; doi:10.1016/S1474-4422(23)00404-0