Diabetes Typ 2Diabetes-Remission rückt in greifbare Nähe

Die wesentliche Maßnahme ist die dauerhafte Gewichtsreduktion um 10-15 Prozent. Neue Medikamente könnten dabei helfen, berichteten Experten auf dem Diabetes-Kongress.

Illustration: Blutzellen und Zuckerwürfel auf dunklem Hintergrund
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Basis der gewichtsreduzierenden Therapie bei Typ-2-Diabetes ist eine Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensinterventionen.

Bei Diabetes Typ 2 die Glukosewerte normalisieren: wie mittels Lebensstilmaßnahmen und Medikamenten eine Remission erreicht werden kann, berichtete Prof. Matthias Blüher auf einer Pressekonferenz zum Diabetes-Kongress 2023.

Medikamente verbessern Blutzucker und ermöglichen Gewichtsreduktion

Für Menschen mit Typ-2-Diabetes scheint eine Remission der Erkrankung in Reichweite zu sein. Dies liegt vor allem daran, dass der Zusammenhang zwischen Adipositas und dem aus dieser Erkrankung resultierenden erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes in den letzten Jahren besser verstanden wurde [1]. Mechanismen, die zu einer dauerhaft positiven Energiebilanz führen, haben Wissenschaftler geleitet, medikamentöse Therapien zu entwickeln, die nicht nur eine Verbesserung der chronischen Hyperglykämie, sondern auch eine nachhaltige Gewichtsreduktion ermöglichen.

Daten legen nahe, dass eine Gewichtsreduktion von mehr als 15 Prozent des Ausgangsgewichts wesentlich für eine Typ-2-Diabetes-Remission ist.

Bisher war eine Remission des Typ-2-Diabetes eher Thema für die chirurgische Diabetestherapie, da mit konservativen Methoden wie kalorienreduzierter Kost und Intensivierung der Bewegungsaktivität, aber auch durch Medikamente das Ausmaß der Gewichtsreduktion zu gering war, um in den Bereich einer Diabetesremission zu gelangen. Nun legen aktuelle Daten zu Ernährungsinterventionen wie die DiRECT-Studie [2] oder zu Pharmakotherapien [3] wie mit dem GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid [4] oder dem dualen Inkretinagonisten Tirzepatid [5] nahe, dass auch mit nicht chirurgischen Therapien eine Remission des Typ-2-Diabetes möglich sein kann.

Nach der aktuellen Nationalen VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes zählen gewichtsreduzierende Maßnahmen zur Basistherapie des Typ-2-Diabetes [6]. In der Look-AHEAD-Studie war ein Gewichtsverlust von circa 7 Prozent des Ausgangsgewichts (BMI ~36 kg/m²) nach einem Jahr der Intervention (hypokalorische Mischkost mit täglicher Energieaufnahme von 1200–1800 Kilokalorien in Kombination mit 175 Minuten pro Woche zusätzlicher mindestens moderater körperlicher Aktivität) mit einer signifikanten Reduktion des HbA1c um circa 0,6 Prozent assoziiert [7].

Daten zu Effekten der metabolischen Chirurgie sowie aktuelle Daten zum unimolekularen GIPR/GLP-1R-Ko-Agonisten Tirzepatid [5] legen nahe, dass eine Gewichtsreduktion von mehr als 15 Prozent vom Ausgangsgewicht wesentlich für eine Remission des Typ-2-Diabetes ist.

Ernährung, Bewegung, Medikamente

Basis der gewichtsreduzierenden Therapie für Menschen mit Typ-2-Diabetes ist eine Kombination aus Ernährungs-, Bewegungs-und Verhaltensinterventionen. Wenn mit dieser konservativen Basistherapie individuelle Therapieziele nicht erreicht werden, erfolgt eine stufenweise eskalierende konservative Therapie wie kurzfristige niedrigkalorische Kostformen (Energieaufnahme pro Tag < 800 kcal), eine Pharmakotherapie oder die chirurgische Therapie.

Aktuell ist die chirurgische Therapie des Typ-2-Diabetes im Vergleich zur konservativen Therapie einschließlich aktuell verfügbarer Medikamente hinsichtlich der Gewichts-und Körperfettreduktion, der Verbesserung von 
Begleiterkrankungen und der langfristigen Gewichtsstabilität wirksamer [8]. Mit der nächsten Generation von Medikamenten der Typ-2-Diabetes-Therapie wie Semaglutid und Tirzepatid könnte diese Lücke in der Effektivität geschlossen werden.

Neben den positiven Effekten auf den Kohlenhydratstoffwechsel sind gesundheitsfördernde Auswirkungen einer Gewichtsreduktion auch auf viele andere Erkrankungen gut belegt: 

  • kardiovaskuläre Erkrankungen und Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Schlaganfall, Dyslipidämie),
  • Fettlebererkrankung,
  • chronische Inflammation,
  • Störungen der Hämostase,
  • pulmonale Erkrankungen (z.B. obstruktives Schlafapnoe-Syndrom),
  • Infertilität und polyzystisches Ovarialsyndrom,
  • Erkrankungen des Bewegungsapparats,
  • einige Entitäten maligner Erkrankungen.

Remission bedeutet nicht Heilung

Remission bedeutet, dass eine Blutzuckerkontrolle ohne Medikamente möglich ist. Aber auch, dass das förderliche Ernährungs- und Bewegungsverhalten lebenslang beibehalten werden müsse, so der Diabetologe Prof. Matthias Blüher von der Uni Leipzig.

Die Heilung des Diabetes Typ 2 ist bislang nicht möglich.

Quelle: Pressekonferenz/Diabetes Kongress 2023/Ni

Literatur

[1] Blüher M. Obesity: global epidemiology and pathogenesis. Nat Rev Endocrinol. 2019 May; 15(5):288-298

[2] Lean MEJ, Leslie WS, Barnes AC et al. Durability of a primary care-led weight-management intervention for remission of type 2 diabetes: 2-year results of the DiRECT open-label, cluster-randomised trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7(5):344-355

[3] Müller TD, Blüher M, Tschöp MH, DiMarchi RD. Anti-obesity drug discovery: advances and challenges. Nat Rev Drug Discov 2022; 21(3):201-223

[4] Davies M, Faerch L, Jeppesen OK et al. Semaglutide 2.4 mg once a week in adults with overweight or obesity, and type 2 diabetes (STEP 2): a randomised, double-blind, double-dummy, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2021; 397:971-984

[5] Rosenstock J, Wysham C, Frías JP et al. Efficacy and safety of a novel dual GIP and GLP-1 receptor agonist tirzepatide in patients with type 2 diabetes (SURPASS-1): a double-blind, randomised, phase 3 trial. Lancet 2021; 398:143-155

[6] Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes 2021; https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/pdf/diabetes-2aufl-vers1.pdf

[7] Look AHEAD Research Group et al. Cardiovascular effects of intensive lifestyle intervention in type 2 diabetes. N Engl J Med 2013; 369(2):145-154

[8] Purnell JQ, Selzer F, Wahed AS et al. Type 2 Diabetes Remission Rates After Laparoscopic Gastric Bypass and Gastric Banding: Results of the Longitudinal Assessment of Bariatric Surgery Study. Diabetes Care 2016; 39(7): 1101-1107

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