InterviewDas Mikrobiom – Kontaktfläche des Immunsystems

Die immunologischen Grundlagen von Darmerkrankungen und das Zusammenspiel zwischen Ernährung, Bakterien und körpereigenem Abwehrsystem sind Schwerpunkt der wissenschaftlichen und ärztlichen Tätigkeit von Prof. Dr. med. Julia Seiderer-Nack. Ein Gespräch mit der Internistin und Ernährungsmedizinerin.

Verschiedene Schalen mit Hülsenfrüchten.
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Das onkologische Dilemma: Ballaststoffe gehören zu einer gesunden, das Mikrobiom fördernden Ernährung. Doch viele Krebspatienten vertragen sie nicht, leiden unter Appetitlosigkeit oder Durchfällen etc.

Die immunologischen Grundlagen von Darmerkrankungen und das Zusammenspiel zwischen Ernährung, Bakterien und körpereigenem Abwehrsystem sind Schwerpunkt der wissenschaftlichen und ärztlichen Tätigkeit von Prof. Dr. med. Julia Seiderer-Nack. Ein Gespräch mit der Internistin und Ernährungsmedizinerin.

Im Jahr 2017 titelte das Deutsche Ärzteblatt: „Krebstherapie, Immunsystem und Mikrobiom – das künftige Triumvirat“ [1]. Denn inzwischen ist bekannt, dass das Darmmikrobiom mit der Regulierung des Immunsystems verbunden ist. Bedeutet das auch, dass die Darmflora das Krebsrisiko und das Risiko von Rückfällen beeinflussen kann?

Ja, denn wir wissen heute, dass das Darmmikrobiom nicht nur ganz allgemein ein potenter Modulator systemischer Immunreaktionen ist, sondern auch in der Krebsentstehung, dem Tumorwachstum, aber auch in der Effektivität und Toxizität von onkologischen Therapien und dem Rezidivrisiko eine wichtige Rolle spielt. Es gibt zum Beispiel zunehmend Hinweise darauf, dass der Erfolg einer Krebstherapie unter anderem auch dadurch bestimmt wird, wie das Darmmikrobiom zusammengesetzt ist – also wie artenreich es zum Beispiel ist oder welche stark immunmodulierenden Bakterien dort vermehrt oder vermindert vorhanden sind [2]. Die Darmbakterien können die immunologischen Reaktionen in unserem Organismus signifikant beeinflussen und damit eben auch Auswirkungen auf die Mikroumgebung von Tumoren haben – und dies nicht nur bei neueren Therapieverfahren wie den onkologischen Immuntherapien. So konnte eine Studie von Peled et al. im Jahr 2017 [3] an einer durchaus großen Studiengruppe von 541 Patienten beispielsweise zeigen, dass das Risiko für ein Ansprechen bzw. Nichtansprechen auf eine allogene Knochenmarkstransplantation durchaus mit der Anwesenheit bestimmter Darmbakterien korreliert.

Das rasante Tempo, in dem wir in der Wissenschaft täglich mehr über den Einfluss des Mikrobioms auf die metabolischen und immunologischen Vorgänge in unserem Körper erfahren, wird auch die Onkologie in Zukunft stark verändern. Personalisierte Medizin in der Onkologie wird künftig bedeuten, das individuelle Mikrobiom bei vielen Patienten in die Diagnostik und Therapie miteinzubeziehen, um Nebenwirkungen zu reduzieren und das Ansprechen zu verbessern.

Wie kann man sich das vorstellen? Auf welche Weise beeinflusst der Darm das Immunsystem?

Das Mikrobiom des Darms – also die Vielfalt der dort lebenden Mikroorganismen und ihrer Gene – ist nicht nur eine Ansammlung von passiven Untermietern, die in Symbiose mit dem menschlichen Organismus leben. Die Darmmikroben unterhalten sehr komplexe und vielschichtige Beziehungen auf der Ebene von Stoffwechselprozessen und Immunregulation, die sich auf molekulargenetischer und intrazellulärer Ebene abspielen. Die Darmmikroben können beispielsweise beeinflussen, ob und welche Immunzellen stimuliert oder gehemmt werden, welche Botenstoffe der Entzündung produziert oder auch welche Signale an das zentrale Nervensystem oder Hormonachsen des Körpers gesendet werden. Zudem bilden sie wichtige Vitamine und Stoffwechselprodukte, die wiederum selbst Einfluss auf Zellvorgänge und Immunantworten haben.

Vorläufige Daten aus einer aktuellen Studie [4] zeigen, dass Patienten, die ballaststoffreiche Lebensmittel essen, besser auf eine Anti-PD-1 Immuntherapie ansprachen. Für Probiotika galt das hingegen nicht. Was können Sie zu dieser Studie sagen?

Zunächst mal ist es sehr spannend zu sehen, wie nun die Interaktion von Ernährung, Mikrobiom, Immunsystem und der Zusammenhang mit dem Ansprechen auf eine Anti-PD-1 Immuntherapie im Mittelpunkt der onkologischen Forschung steht. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass es bei Tumorpatienten unter Anti-PD-1 Therapie eine Assoziation zwischen dem Therapieansprechen und der Zusammensetzung und Artenvielfalt des Darmmikrobioms gibt; mittlerweile konnten hierbei auch schon einige Bakterienstämme (z. B. Bifidobacterium, A. muciniphila, Faecalibacterium) als wichtige Immunmodulatoren in der Therapie mit Anti-PD-1 identifiziert werden. Hierbei scheinen die Bakterienstämme vor allem durch eine verstärkte Stimulation der zytotoxischen T-Zell-Antwort (CD8) und Expression von Chemokinrezeptoren (z. B. CCR9) den anti-tumoralen Effekt der Immuntherapie zu unterstützen. Auch durch einen fäkalen Mikrobiom-Transfer (Stuhltransplantation) von Patienten, bei denen eine Anti-PD-1 Immuntherapie Erfolg gezeigt hatte, konnte sich dieser positive Effekt durch das Darmmikrobiom übertragen lassen. Andererseits zeigte sich, dass beispielsweise eine Antibiotika-Einnahme – die ja die Diversität des Darmmikrobioms deutlich reduziert – negativ mit dem Ansprechen auf eine solche Immuntherapie korreliert [5]. Insgesamt scheint also ein gesundes und artenreiches diverses Mikrobiom eine wichtiger Schlüsselfaktor für das Ansprechen auf eine Anti-PD-1 Immuntherapie zu sein.

In einer aktuellen Studie wiesen nun Patienten mit einer ballaststoffreichen Ernährung eine höhere Chance auf ein Ansprechen auf [4]. Auch ein höherer Verzehr von Vollkornprodukten, Obst, Gemüse und Ballaststoffen wies eine positive Korrelation mit den für ein Ansprechen günstigen Bakterienpopulationen auf, während ein höherer Verzehr von rotem Fleisch, industriell verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren sowie zuckerhaltigen Nahrungsmitteln eine negative Korrelation ergab. Diese Ergebnisse waren in gewisser Weise zu erwarten, da eine ballaststoffreiche Ernährung mit wenig Zucker und industriell verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren sich positiv auf die Diversität des Darmmikrobioms auswirkt und damit den bereits gezeigten Zusammenhang von Artenvielfalt und Therapieansprechen unterstreicht.

Sehr viel Beachtung fand allerdings die Tatsache, dass dieser positive Effekt nicht unter einer Gabe von Probiotika beobachtet wurde – wo doch diese probiotischen Wunderwaffen derzeit für fast alles in der Medizin eine Lösung sein sollen. Der Rückschluss jedoch, dass alle Probiotika nun nutzlos oder gar schädlich für onkologische Patienten sind und das Ansprechen auf Immuntherapien negativ beeinflussen, kann aber aus dieser Studie so nicht gezogen werden.

Dazu muss man zunächst einmal das Studiendesign ansehen: Es handelt sich um eine kleine Studie, die keine standardisierte Probiotika-Gabe vorsah, sondern lediglich auf den Eigenangaben der Patienten beruhte. Und unter den Begriff Probiotika fallen sehr viele frei verkäufliche Produkte, die jedoch völlig unterschiedliche Bakterienstämme in sehr unterschiedlicher Konzentration enthalten können. Probiotikum ist also nicht Probiotikum, und daher ist es sehr schwer, bei einer so kleinen Patientenzahl daraus valide Rückschlüsse zu ziehen. Außerdem wissen wir auch nicht, warum diese Patienten Probiotika eingenommen haben – war dies mit dem Ziel, das Ansprechen der Immuntherapie zu verbessern oder war es aufgrund einer vorangegangenen Antibiotikatherapie? Letztere hätte wiederum selbst gravierende Auswirkungen auf das Mikrobiom und würde daher das Studienergebnis beeinflussen.

Was man aber in dieser Studie gut sehen kann, ist folgendes: Probiotika sind – ungezielt eingesetzt – nicht immer sinnvoll und nicht immer harmlos. Vielmehr sind es sind immunologisch wirksame Substanzen und sollten daher insbesondere von onkologischen Patienten nicht einfach so als Nahrungsergänzung eingenommen werden, sondern nur nach vorheriger Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Und wir brauchen viel mehr standardisierte Forschung auf diesem Gebiet, um valide Aussagen treffen und sowohl die positiven als auch die negativen Wirkungen von Probiotika besser beurteilen zu können.

Last but not least sehen wir auch: Der Einfluss der Ernährung auf den Krankheitsverlauf bei onkologischen Patienten ist nicht zu unterschätzen – nicht zuletzt deswegen, weil sich diese auch auf die Diversität des Darmmikrobioms auswirkt.

Was bedeutet das für die Betroffenen? Reicht es aus, mehr Ballaststoffe zu essen oder sind auch andere Maßnahmen zu empfehlen?

Eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse ist ebenso wie eine gute Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren zunächst einmal eine gute Grundlage, ebenso helfen der regelmäßige Verzehr probiotischer Lebensmittel wie Naturjoghurt, Kefir, Rote Bete oder fermentierter Speisen. Aber: Nicht jeder Patient unter einer onkologischen Therapie verträgt eine solche Kost, oftmals kommen individuell unterschiedliche Problemlagen durch Schluckbeschwerden, Unverträglichkeiten, Appetitlosigkeit, Fatigue, Durchfälle oder Obstipation hinzu. Es gibt daher kein Patentrezept für die richtige Ernährung in der Onkologie; vielmehr ist eine individuell auf den Patienten zugeschnittene ernährungsmedizinische Begleittherapie wichtig.

Aus Studien wissen wir, dass schätzungsweise jeder zweite onkologische Patient während einer Therapie mangelernährt ist – mit Auswirkungen auf Therapieverträglichkeit, Lebensqualität und durchaus auch wissenschaftlich nachgewiesenen Konsequenzen für das Gesamtüberleben und das Risiko für Spätkomplikationen. Daher sollten eine ernährungsmedizinische Beratung und Begleitung von Beginn an präventiv erfolgen und nicht erst nach Abschluss der Therapie, wenn die Probleme manifest sind.

Sehr häufig belasten Krebspatienten, die eine Chemotherapie bekommen haben, chronische Darmprobleme. Was kann schon während der Therapie getan werden, um die Beschwerden zu lindern? Dürfen überhaupt Präparate mit Lebendbakterien während einer Chemotherapie eingesetzt werden?

Die Darmprobleme bei Krebspatienten können vielfältig sein und können von Chemotherapeutika-assoziierten Durchfällen bis zur Schleimhautentzündung des Magen-Darm-Trakts (Mukositis), der GvH-Reaktion bei KMT, der Colitis unter Immuntherapien bis hin zur heftigen Verstopfung (Obstipation) durch Medikamente oder auch Darmentzündungen durch eine Strahlentherapie reichen – und angesichts der Bandbreite wird auch schnell klar, dass es neben einer genauen Anamnese ein spezifisch auf das vorliegende Problem gerichtete Therapiekonzept braucht.

Patienten mit starker Obstipation können beispielsweise von einer Ernährungsumstellung oder der Gabe von speziellen probiotischen Stämmen profitieren; generell scheinen probiotische Stämme auch zur Reduktion von Durchfall unter Chemotherapie beizutragen. Wiederum zeigen andere Studien einen positiven Effekt von speziellen Laktobazillen (Lactobacillus reuteri) bei Patienten mit einer Dickdarmentzündung unter Checkpoint-Inhibitoren; neue Studien aus China legen auch einen positiven Effekt spezieller Bakterienkombinationen bei der oralen Mukositis nahe. Aber wie gesagt, Probiotikum ist nicht gleich Probiotikum und die Auswahl der Bakterienstämme sollte sich an der derzeit vorhandenen wissenschaftlichen Datenlage orientieren.

Probiotische Präparate sollten bei Patienten mit starker Immunsuppression unter Chemotherapie dabei nur eingeschränkt angewendet werden, da sie Lebendbakterien enthalten und damit theoretisch ein Risiko für systemische Infektionen gegeben ist. Da die Datenlage zum Risiko probiotischer Präparate unter Chemotherapie nicht besonders groß und zum Teil nicht eindeutig ist (z. B. in der größten hierzu durchgeführten Meta-Analyse von 2018 [6]), ist man daher bislang eher vorsichtig. Neben Präparaten mit Lebendbakterien können bei stark immunsupprimierten Patienten und Darmproblemen z. B. der Einsatz von bakteriellen Stoffwechselextrakten oder präbiotischen Stoffen sowie Phytotherapeutika eine Alternative sein.

Aktuelle Studien – wie z. B. von Zaharuddin et al. [7] bei Patienten mit kolorektalem Karzinom nach OP – zeigen dagegen für definierte Bakterienstämme unter kontrollierten Studienbedingungen eine gute Sicherheit für eine Einnahme von Probiotika unter Chemotherapie, die zudem noch mit einer signifikanten Reduktion proinflammatorischer Zytokine assoziiert war. Ich gehe daher davon aus, dass wir in den nächsten 2–3 Jahren hierzu deutlich mehr Studienergebnisse sehen werden, die uns den gezielteren und dann auch sicheren Einsatz von ausgewählten Bakterienstämmen im klinischen Alltag ermöglichen werden.

Was empfehlen Sie konkret nach Abschluss einer Chemotherapie, um das Darmmilieu zu stärken?

Nach Abschluss der Chemotherapie gehören neben der allgemeinen körperlichen und seelischen Regeneration auch die Regeneration des Darmmikrobioms durch bewusste Ernährung, der Einsatz von Phytotherapeutika zur Regeneration der Darmschleimhaut (z. B. Myrrhe, Curcuma oder auch Aminosäuren, wie L-Glutamin) sowie ggf. der gezielte Einsatz von Prä- und Probiotika zu einem ganzheitlichen Therapiekonzept.
 

Prof. Dr. med. Julia Seiderer-Nack ist als Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin (DGEM) in München privatärztlich niedergelassen und in der Hochschullehre tätig. Nach Studium an der LMU München und der Harvard Medical School sowie der Promotion in der onkologischen Grundlagenforschung erfolgte die Facharztausbildung am Klinikum Großhadern der LMU München im Bereich Gastroenterologie. Für ihre Forschungsarbeiten erhielt sie u. a. den Doktorandenpreis der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) und Fördermittel der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung.

Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen und ärztlichen Tätigkeit sind die immunologischen Grundlagen von Darmerkrankungen und das Zusammenspiel zwischen Ernährung, Bakterien und körpereigenem Abwehrsystem. Diese naturwissenschaftlichen Grundlagen der modernen Schulmedizin mit komplementärmedizinischen, ernährungsmedizinischen und probiotischen Behandlungsmethoden zu verbinden ist ihr Spezialgebiet. Neben umfangreichen wissenschaftlichen Publikationen hat sie mehrere Patientenratgeber zu Gesundheitsthemen veröffentlicht.

www.praxis-seiderer.de

 

Wann sollte bestenfalls eine diagnostische Stuhluntersuchung erfolgen? Auf welche Bestimmungen sollte man hier den Fokus legen?

Das ist eine schwierige Frage, weil generell eine Diagnostik in der Medizin meist nur dann Sinn macht, wenn sich daraus auch therapeutische Konsequenzen ergeben – und so groß das wissenschaftliche Interesse an diesem Thema auch ist, so sehr ist eine gezielte probiotische Therapie in der Onkologie im Alltag meist noch Zukunftsmusik.

Im Praxisalltag würde ich eine diagnostische Stuhluntersuchung dann empfehlen, wenn der onkologische Patient deutliche Darmprobleme zeigt und man zum einen pathologische Krankheitskeime als Ursache der Beschwerden ausschließen möchte (z. B. Clostridien), und sich zum anderen aus der Zusammensetzung des Darmmikrobioms Hinweise für therapeutische probiotische Unterstützung der Symptome erwartet (z. B. eine verminderte Artenvielfalt).

In Bezug auf Therapieansprechen oder vor KMT hingegen gibt es keine allgemeingültige Empfehlungen zur Stuhluntersuchung – ausgehend von der derzeitigen Datenlage kann es jedoch zukünftig vor Beginn einer onkologischen Therapie durchaus Sinn machen, gemeinsam mit dem behandelnden Onkologen oder auch im Rahmen von Studien ein Blick in die Stuhlanalyse zu werfen.

Was raten Sie Patienten, die gerade eine Antibiotikatherapie durchführen müssen?

Onkologischen Patienten ohne systemische Immunsuppression und Antibiotikagabe rate ich meist zu einer präventiven Einnahme von spezifischen Probiotika, da Studien wiederholt zeigen konnten, dass sich das Auftreten von Antibiotika-assoziierten Diarrhoen sowie Infektionen mit Clostridium difficile – einem gefährlichen Darmkeim – durch die vorsorgliche Gabe von bestimmten Bakterienstämmen deutlich reduzieren lassen.

Stichwort „Leaky Gut“. Was genau ist das und wie wird es am besten erkannt? Spielt auch hier der Verzehr von Ballaststoffen eine vorbeugende Rolle?

Unter dem Stichwort „Leaky Gut“ versteht man eine verstärkte Durchlässigkeit der ansonsten dichten menschlichen Darmbarriere. Dabei handelt es sich nicht um ein wissenschaftlich klar definiertes Krankheitsbild, sondern vielmehr um eine Zustandsbeschreibung unserer Darmschleimhaut, die unter dem Einfluss des Darmmikrobioms, der Ernährung und auftretenden Schleimhautschäden beispielsweise durch Chemo- oder Strahlentherapien ihre Funktion als Abwehr-Wall nicht mehr umfassend wahrnehmen kann. Ist diese Darmbarriere angegriffen, kommt unser Immunsystem vermehrt mit Bakterientoxinen oder Nahrungsbestandteilen in Kontakt und kann so (auto-) entzündliche Prozesse im Organismus in Gang setzen. Durch Stuhluntersuchungen lassen sich heute bestimmte Marker einer solchen Schleimhautschädigung im Darm nachweisen, z. B. Zonulin.

Der Verzehr von Ballaststoffen sorgt grundsätzlich für eine gute Nahrungsversorgung der für die Darmbarriere wichtigen Bakterien und hat daher stabilisierende und vorbeugende Wirkung. Bei stärkeren Schleimhautschäden – zum Beispiel im Rahmen einer onkologischen Therapie – braucht es jedoch meist ein umfassenderes Therapiekonzept als nur eine ballaststoffreiche Ernährung. Zudem führt der „Leaky Gut“ leider auch oft zu vermehrten Nahrungsmittelunverträglichkeiten, da bei Schleimhautschäden die Verdauungskapazitäten des Darms und seiner Enzyme in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies kann vorübergehend auch dazu führen, dass eine stark ballaststoffreiche Kost eher schlecht vertragen wird und zu Blähungen und Bauchschmerzen führt.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Ja, die guten Vorsätze… ich bin Nichtraucher und versuche Essen möglichst selbst frisch zuzubereiten und Fertigkost zu vermeiden; ebenso achte ich auf einen hohen Anteil an Obst und Gemüse und Omega-3-Lieferanten sowie probiotische Lebensmittel auf dem Teller. Am besten erholen und Stress abbauen kann ich durch Bewegung in der Natur, zudem ist mir ausreichend Schlaf wichtig. In den Wintermonaten nehme ich Vitamin-D-Präparate. Als Infektprophylaxe haben sich bei mir Ingwer und Curcuma sowie Kefir bewährt.

[1] Siegmund-Schultze N. Krebstherapie, Immunsystem und Mikrobiom – das künftige Triumvirat. Dtsch Arztebl 2017; 114 (45): A-2100

[2] Weidong M. et al. Gut microbiota shapes the efficiency of cancer therapy. Front Microbiol 2019; 10: 1050

[3] Peled JU. et al. Intestinal microbiota and relapse after hematopoietic-cell transplantation. J Clin Oncol 2017; 35: 1650-1659

[4] American Association for Cancer Research. Dietary Factors Affecting Gut Microbiome May Influence Response to Immunotherapy in Melanoma Patients

[5] Routy B. et al. Gut microbiome influences efficacy of PD-1-based immunotherapy against epithelial tumors. Science 2018; 359: 91-97

[6] Hassan H. et al. Systematic review and meta-analysis investigating the efficacy and safety of probiotics in people with cancer. Support Care Cancer 2018; 26: 2503-2509

[7] Zaharuddin L. et al. A randomized double-blind placebo-controlled trial of probiotics in post-surgical colorectal cancer. BMC Gastroenterol 2019; 19: 131