Welche Ernährungsmuster sind gesundheitsförderlich? Und was kann Menschen helfen, sie im Alltag umzusetzen? Zu diesen Fragen forscht Prof. Anette Buyken und beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen.
Frau Buyken, mit welchen Ernährungsmustern lässt sich das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten wie Adipositas, Typ 2 Diabetes und Herzkrankheiten senken?
Die Forschung der vergangenen Jahre hat sehr eindrucksvoll belegt, dass eine traditionelle mediterrane Kost das Risiko für diese Erkrankungen senkt. Interessanter Weise gilt dies auch für die sogenannte „nordische Kost“, also ein Ernährungsmuster reich an heimischem Gemüse (Kohl- und Wurzelgemüse), Pilzen, Beerenfrüchten, Produkten aus Vollkorngetreide wie Hafer, Gerste und Roggen, Hülsenfrüchten und Nüssen. Der Vorteil dieses Ernährungsmusters ist, dass es auch dem Wunsch vieler Verbraucher*innen Rechnung trägt, sich klimaschonend zu ernähren.
Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit Menschen sich so ernähren?
Bisher haben wir vornehmlich auf die Bildung des Individuums gesetzt. Aber wir überschätzen die Fähigkeit des Einzelnen bzw. von Familien, eine gesunde Ernährung im Alltag zu praktizieren, erheblich. Tatsächlich stellt auch die gerade von der Bundesregierung veröffentlichte Ernährungsstrategie fest, dass unsere Ernährungsumgebungen häufig so gestaltet sind, dass es nur mit großem Aufwand möglich ist, sich gesund und nachhaltig zu ernähren.
Was muss und kann die Politik leisten, damit es für jeden Einzelnen leichter wird, sich gut und gesund zu ernähren?
Politik kann unser Ernährungsumfeld fairer gestalten. Auch der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat aus 160 Bürger*innen aus allen Gesellschaftsschichten hat hierzu gerade sehr detaillierte Empfehlungen für Maßnahmen abgegeben, die der Bund ergreifen könnte: Neben der Umsetzung eines beitragsfreien Mittagessens für alle Kinder in KiTa und Schule empfehlen sie auch Nährwert-, Umwelt- und Tierwohllabel sowie eine Steuerbefreiung für gesunde und nachhaltige Lebensmittel.
Prof. Dr. Anette Buyken ist Ernährungswissenschaftlerin. Sie leitet am Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit der Universität Paderborn die Arbeitsgruppe „Public Health Nutrition“. Zudem ist sie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie Teil des wissenschaftlichen Gremiums zur Entwicklung des Nutri-Scores.
Als Teil des wissenschaftlichen Gremiums waren Sie an der Optimierung des Nutri-Score-Algorithmus beteiligt. Was gehört aus Ihrer Sicht zu den wichtigsten Änderungen, die mit Beginn des Jahres in Kraft getreten sind?
Der Nutri-Score ist nun noch enger an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Ernährungsempfehlungen in den Ländern, die den Nutri-Score nutzen, orientiert. Er erlaubt nun noch besser, vollkornreiche Produkte von Weißmehlprodukten zu unterscheiden und Produkte mit günstigen pflanzlichen Ölen (reich an ungesättigten Fetten) bzw. fettreicher Fisch erzielen künftig bessere Bewertungen.
Zuckerärmere Varianten schneiden ebenfalls besser ab. Hingegen wird die Verwendung von Süßstoffen ungünstiger gewertet, um keinen Anreiz zur Verwendung von Süßungsmitteln zu schaffen.
Wo gibt es noch Optimierungsbedarf?
Der Nutri-Score orientiert sich an den sog. „Big Seven“, d.h. an den Nährstoffen, deren Kennzeichnung gesetzlich vorgeschrieben ist: Energie, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz.
Bei ballaststoffreicheren Getreideprodukten können noch Ballaststoffe angegeben werden. Für eine bessere Differenzierung von Vollkornprodukten wäre eine verpflichtende Angabe zum Vollkornanteil hilfreich.
Auch könnten wir Lebensmittel, denen Zucker zugesetzt wurde, besser von Lebensmitteln, die von Natur aus einen hohen Zuckergehalt haben (wie Milchprodukte oder Produkte mit Obst), abgrenzen, wenn die Hersteller nicht nur den Gesamtzucker, sondern auch den zugesetzten Zucker ausweisen müssten.
Die globale Ernährung wird mehr denn je durch Klimaschäden beeinflusst. Kann gesunde Ernährung umgekehrt auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?
Tatsächlich ist der Beitrag der Ernährung zum Ausstoß von Treibhausgasen entlang der Wertschöpfungskette vom Hof bis zum Tisch auch in Deutschland erheblich. Den wichtigsten Beitrag zur Reduktion des diesbezüglichen Fußabdrucks kann der sehr maßvolle Konsum von rotem Fleisch leisten. Dazu wäre es sinnvoll, unseren derzeitigen Verbrauch auf ca. 300 Gramm pro Woche zu reduzieren und davon maximal ein Drittel als rotes Fleisch von Rind, Schwein und Lamm zu verzehren. Auch die Reduktion von Lebensmittelabfall und Verpackungsmüll stellen wichtige Stellschrauben dar, während der bevorzugte Verzehr von regional produzierten Lebensmitteln vor allem die regionale Wirtschaft stärkt.
Quelle: Universität Paderborn