Was sind ätherische Öle?
Ätherische Öle bestehen aus ganz unterschiedlichen Inhaltsstoffen, die jedoch alle bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben: Sie sind meist durch Destillation, bisweilen auch durch Kaltpressung oder Extraktion gewonnene hochkonzentrierte Stoffe, die leicht flüchtig sind. Ätherische Öle sind fettlöslich, lassen sich meist gut in Alkohol konservieren, mischen sich aber nur sehr begrenzt in wässrigen Lösungen. Der Begriff „Äther“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet den feinsten aller Stoffe, der alles durchdringt. Die englische Bezeichnung „essential oil“ wiederum weist darauf hin, dass die ätherischen Öle als Essenz beziehungsweise Wesenskern der Pflanzen wahrgenommen werden [1].
In unseren Nachbarländern ist der therapeutische Einsatz von ätherischen Ölen übrigens weitaus verbreiteter als in Deutschland. In Frankreich habe ich in vielen Apotheken spezielle Bereiche gefunden, in denen Aromatherapie, aber auch Phytotherapie, Homöopathie oder hochdosierte Mischungen von Vitaminen und Spurenelementen als normaler Bestandteil des Medikamentenschatzes angeboten werden.
Gut durch die Erkältungssaison mit ätherischen Ölen
Grundsätzlich gibt es viele sinnvolle Maßnahmen, die das Risiko einer Erkältung reduzieren. Dazu gehören:
- Handdesinfektion
- Nies- und Hustenhygiene
- Lüften
- das Wahren eines sinnvollen Abstandes zu Erkrankten
- gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf
- Bewegung an der frischen Luft [2]
In der Kinderheilkunde, der Geriatrie oder Krankenpflege sind ätherische Öle inzwischen therapeutisch von großer Bedeutung. Sie werden zum Beispiel in Form von sogenannten Aromamassagen, Inhalationen oder oralen Gaben verwendet. Immer wieder wurden je nach ätherischem Öl antimikrobielle, antibakterielle, bronchienerweiternde, entzündungshemmende, antioxidative, angstlösende, antidepressive, hustenreiz- und schmerzlindernde Wirkungen beobachtet. Auch in der Prävention und Behandlung von Atemwegserkrankungen haben ätherische Öle ein großes Potenzial. Leider gibt es nicht so viele Studien zur Wirksamkeit ätherischer Öle bei Erkältungen, wie man angesichts der häufigen Verwendung erwarten würde [3].
Jedoch wurde in den letzten Jahren angesichts der Pandemiesituation auch der mögliche Einsatz von bestimmten ätherischen Ölen gegen COVID-19 näher betrachtet – mit ersten versprechenden Ergebnissen. Hierbei handelt es sich mehrheitlich um Beobachtungen in vitro. Durch ihre fettlöslichen Eigenschaften können ätherische Öle die Membranen von Viren durchdringen und zerstören sowie das Eindringen der Viren in die Wirtszellen und ihre Vermehrung reduzieren. Zudem profitiert das gesamte Atmungssystem von den immunmodulierenden, schleimlösenden und entzündungshemmenden Wirkungen bestimmter ätherischer Öle [4].
Wichtig: Diese ersten Ergebnisse dienen nicht einer Selbstbehandlung. Sie sind hier beispielhaft genannt, um das mögliche Potenzial ätherischer Öle aufzuzeigen. Weitere Studien sind notwendig.
Welche ätherischen Öle können in der Erkältungszeit helfen?
Unter vielen ätherischen Ölen mit Kraft für die Erkältungszeit stehen folgende Düfte ganz vorne:
- Thymian (Thymus vulgaris) ist zu Recht in allen Zubereitungsformen eine Kardinalpflanze für die Atemwege. Je nach Umweltbedingungen entwickelt er – wie viele andere Heilpflanzen – diverse Chemotypen (ct), die eine unterschiedliche Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und damit Wirkungsrichtungen aufweisen. Thymian ct Linalool wirkt besonders mild auf die Schleimhäute und das Nervensystem. Das macht ihn zu einem gut verträglichen Öl, das unkompliziert eingesetzt werden kann. Die anderen Chemotypen wie etwa Thymian ct Thymol sind zwar teilweise stärker wirksam gegen Viren, Bakterien und andere Keime – doch sie sind aufgrund ihrer aggressiveren Kombination der Inhaltsstoffe für medizinische Laien nicht zu empfehlen.
- Aus dem Kampferbaum (Cinnamomum camphora) werden ebenfalls zahlreiche Öle gewonnen. Neben dem Kampferöl und dem Ho-Holz-Öl ist besonders das Ravintsaraöl bei Erkältungen von Bedeutung. Denn es kann die Immunabwehr effektiv stärken.
- Das Teebaumöl (Maleleuca alterniflora) sowie die vergleichbaren Öle Niauli (Maleleuca viridiflora) und Cajeput (Maleleuca cajuputi) können bei Schmerzen und Atemwegserkrankungen helfen. Jedoch sollte hier auf die unter Umständen stark reizende Wirkung Rücksicht genommen werden! Deshalb sollten diese Öle nicht unverdünnt, sondern lediglich in verschiedenen Zubereitungen wie etwa Salben an die Schleimhäute gelangen.
- Vorsicht ist auch bei Pfefferminzöl (Mentha piperita) oder Japanischem Heilpflanzenöl (vor allem aus Mentha arvensis) geboten. Beide können durch ihren hohen Mentholgehalt zwar wunderbar erfrischend bei Erkältungen oder auch Kopfschmerzen wirken. Allerdings dürfen sie nicht innerlich eingenommen oder unverdünnt angewendet werden. Schwangere sollten möglichst auf Pfefferminze verzichten.
- Eucalyptus globulus ist ein weiterer Klassiker in der Behandlung und Prävention von Atemwegserkrankungen. Diese Art des Eukalyptus ist neben Eucalpytus radiata bei weitem verträglicher als die anderen Eukalyptusöl-Varianten. Jedoch ist auch hier Vorsicht geboten in der Verwendung: nicht unverdünnt anwenden, kein direkter Kontakt zu den Schleimhäuten!
- Latschenkiefer (Pinus mugo) oder andere Nadelhölzer bieten aromatische Harzverbindungen, die unsere Atemwege und das Immunsystem kräftigen und die Nerven beruhigen.
- Bergamotte (Citrus x limon) oder andere zitrusartige Öle wie Mandarine (Citrus reticulata), Grapefruit (Citrus x paradisi) oder Limette (Citrus x aurantifolia): Sie liefern „helle“ Duftnoten, die sich hervorragend zur Raumbeduftung oder als Reinigungssprays anbieten und bei Kopfschmerzen wie auch Erkältungen sehr gute Dienste tun.
- Lavendel (Lavandula angustifolium) liefert neben seinen antibakteriellen, wundheilenden und schleimhautschützenden Wirkungen auch Möglichkeiten für eine umfassendere Prävention: seine beruhigenden, angstlösenden und stimmungsaufhellenden Eigenschaften helfen Körper und Geist, durch Erholung und Ruhe notwendige Kräfte aufzutanken [1].
Ätherische Öle: Was Du unbedingt bei der Anwendung beachten solltest
Wichtig: Ätherische Öle sind hochwirksame Vielstoffgemische, die nur von in der Aromatherapie ausgebildeten Ärzten und Heilpraktikern für die Behandlung von Erkrankungen eingesetzt bzw. rezeptiert werden dürfen. Lass Dich grundsätzlich auch bei der Suche nach geeigneten Ölen und der Art und Weise ihrer Anwendung immer von einem Arzt oder Heilpraktiker beraten!
Vorsicht vor der innerlichen Anwendung! Innerlich dürfen nur Öle verwendet werden, die als Arznei- oder Lebensmittel deklariert sind oder Fertigarzneimittel! Die meisten ätherischen Öle müssen für die Verwendung verdünnt werden. Ein direkter Kontakt unverdünnter ätherischer Öle mit den Schleimhäuten ist zu vermeiden und kann in manchen Fällen sogar gefährlich sein. Hierbei solltest Du unbedingt die jeweilige vorgeschriebene Verdünnungsweise einhalten oder entsprechende für die innerliche Einnahme zugelassenen Präparate anwenden.
Bei Säuglingen und Kleinkindern oder Schwangeren ist erhöhte Vorsicht bei der Anwendung von ätherischen Ölen geboten, weshalb vor jeder Anwendung die Konsultation eines Arztes oder Heilpraktikers Voraussetzung ist! Denn einige Öle eignen sich nicht für die Anwendung bei Säuglingen und (Klein-)Kindern. Auch sollten nur Präparate und Rezepturen, die speziell für Kinder in der entsprechenden Altersstufe angewiesen sind Anwendung finden.
Anwendungsbeispiele der erwähnten ätherischen Öle für den Alltag
Am unkompliziertesten ist die Verwendung ätherischer Öle in einer Duftlampe oder einem Diffusor. Hierbei einfach 2–5 Tropfen in Wasser geben und den Duft genießen! Am besten probierst Du vorsichtig aus, welche Öle Dich ansprechen. In einem Erkältungsbad angewendet oder beim Inhalieren sind Deine Haut und Schleimhäute deutlich mehr mit den reizenden Eigenschaften der ätherischen Öle konfrontiert. Als Bad oder Inhalation lassen sich von den erwähnten ätherischen Ölen lediglich Lavendel, Latschenkiefer und Thymian ct Linalool unbeschränkt anwenden. Doch solltest Du vorsichtshalber vor der Verwendung einen Arzt oder Heilpraktiker fragen.
Wichtig: Folge hier den vorgegebenen Hinweisen zur Anwendung und Verdünnung. Außerdem darf eine Inhalation mit ätherischen Ölen bei bestimmten Erkrankungen nur nach ärztlicher Zustimmung durchgeführt werden! Dies gilt für obstruktive Atemwegserkrankungen (Asthma bronchiale, COPD) oder bei einer schweren Überempfindlichkeit der tiefen Atemwege (bronchiale Hyperreaktivität).
Bei Körperölen für die tägliche Pflege und Massage bevorzuge ich Lavendel fein mit einem etwas herberen Öl wie etwa Latschenkiefer oder Rosmarin. Aber probiere gerne aus, was Deinem Geschmack entspricht. Ich mische 10 Tropfen der ätherischen Öle in 100 ml fettem Öl, wie zum Beispiel Mandelöl, und trage dies täglich nach dem Duschen auf den Körper auf.
Wichtig: Bei reizenden Ölen wie Zitrus-, Teebaum-, Kampferbaum- und ähnlichen Ölen solltest du lieber darauf verzichten.
Ich möchte Dir noch ein schönes Rezept für eine selbst hergestellte Nasensalbe mitgeben:
Rezeptur Nasensalbe
Zutaten:
- 10 Tropfen Niauli bio (oder Cajeput extra)
- 10 Tropfen Lavendel fein bio
- 25 ml Sheabutter roh und bio
Anleitung: Die ätherischen Öle in die leicht erwärmte Sheabutter einrühren, regelmäßig um die Nasenlöcher und die Nasenflügel auftragen [2].
Achtung: Bessern sich Symptome einer Erkältung wie Halsschmerzen, Schnupfen und/oder Husten nicht innerhalb von 3 Tagen bzw. verschlimmern sich die Symptome, geht Husten mit Auswurf einher oder ist das Nasensekret verfärbt, treten Fieber und/oder weitere Krankheitssymptome auf wie beispielsweise Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen u.v.m., ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen!
Ätherische Öle: Worauf solltest Du beim Kauf achten?
Qualitativ hochwertige ätherische Öle ( „100% reines ätherisches Öl“) müssen folgende Angaben aufweisen: die genaue botanische Bezeichnung der Pflanze
- mit Chemotyp,
- Ursprungsland,
- deutschem Pflanzennamen und Anbauweise (hier sind kbA = kontrolliert biologischer Anbau oder WS = Wildsammlung wichtige Kriterien) [2].
Abschluss
Häufig sind auch bei den alten Hausmitteln kraftvolle, wenn auch manchmal gewöhnungsbedürftige Schätze zu finden. Zum Beispiel hieß es in meiner Kindheit: Das Kauen einer Knoblauchzehe helfe gegen Erkältungen und bei Infektionen und stärke das Immunsystem. Die entsprechenden Wirkungen sind inzwischen auch wissenschaftlich gut belegt [1], jedoch ist diese Praxis weitgehend aus der Mode geraten. Dies mag zu einem großen Teil auf die Reaktionen der (geruchsempfindlicheren) Mitmenschen zurückgehen. Jedenfalls hält das Kauen von Knoblauch diese auf Abstand und reduziert somit auf physische Weise das Risiko einer Infektion. Wer aber aus sozialen Gründen auf den engen Kontakt mit anderen nicht verzichten will, kann sich ja auf die wohlriechenden ätherischen Öle konzentrieren …
- Werner M, von Braunschweig, R. Praxis Aromatherapie: Grundlagen – Steckbriefe – Indikationen. Stuttgart: Haug; 2009
- https://www.primaveralife.com/news/natuerliche-tipps-fuer-den-umgang-mit-der-grippewelle ; Stand: 27.09.2023
- Peterfalvi A. et al. Much More Than a Pleasant Scent: A Review on Essential Oils Supporting the Immune System. Molecules 2019; 24 (24): 4530
- Elsebai M, Albalawi M. Essential Oils and COVID-19. Molecules 2022; 27 (22): 7893
- https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/riechen-schmecken/die-anatomie-des-duftes; Stand: 03.11.2023
- Steflitsch M, Steflitsch W (Hrsg.) Aromatherapie: Wissenschaft – Klinik – Praxis. Wien: Springer; 2007
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.
Martin Zwiesele
Heilpraktiker