
Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des menschlichen Körpers.
von Kay Bartrow
Die häufigsten Beschwerden am Kniegelenk sind Schmerzen, Störungen der Bewegung und Gelenkgeräusche. Diese Beschwerden treten entweder durch eine akute Verletzung
oder durch chronische Überbelastung auf, aus der später eine Verletzung entstehen kann.
Risikofaktoren:
- Überbeanspruchung
- Fehlbelastung
- Fehlende Belastung
- Ungewohnte Belastung (z.B. ruckartige Drehbewegungen)
- Missbrauch (bewusst durchgeführte, nachteilige Aktivitäten)
Was fördert Kniebeschwerden?
Je länger ein menschlicher Körper, oder eine Körperregion, einem dieser Risikofaktoren ausgesetzt ist, umso wahrscheinlicher treten Funktionsstörungen und kleinere Verletzungen auf.
Welche Mechanismen gibt es?
Vorschädigung – Verletzung: Kleinere Verletzungen an den Muskeln, Sehnen, der Gelenkkapsel oder den Bändern (Seitenbänder) des Knies sind schnell passiert und werden manchmal kaum bemerkt. Häufig führen diese kleineren Verletzungen in der Summe zu größeren Schäden und damit auch zu Beschwerden.
Überlastung: Immer wenn Sie eine Aktivität über Ihrer Leistungsgrenze durchführen, wandeln Sie an der Grenze zur Überlastung und zur Schädigung, bzw. zur Verletzung. Auch die in der Funktion verbundenen, benachbarten Gebiete (Hüftgelenke und Fußgelenke) können in der Folge geschädigt werden.
Schlechte Bewegungskontrolle: Bei Bewegungsmangel oder fehlender Bewegungsroutine sind die normalen Funktionsabläufe zwischen Muskeln und Nerven nicht optimal koordiniert. Daraus entstehen unökonomische, gewissermaßen ungelenke, Bewegungen, die ein höheres Verletzungsrisiko haben. Zudem: Solche schlecht koordinierten Bewegungsabläufe verschlingen eine Unmenge Energie und der Körper ermüdet schneller.
Trainingsdefizit: Regelmäßige sportliche Aktivität stärkt den Bewegungsapparat und alle daran beteiligten Bauteile (Muskeln, Sehnen, Knochen, Nerven und Gelenke), denn sie passen sich langsam diesen Belastungen durch spezielles Wachstum an. Durch normalen Gebrauch des Körpers wirken sogenannte »Wachstumsreize« auf unsere Muskeln, Sehnen und auch auf die Knochen. Das löst Anpassungsreaktionen aus, die diese Strukturen für alltägliche Ansprüche belastbarer, widerstandsfähiger und weniger anfällig für Verletzungen machen. Praktisch betrachtet werden diese Strukturen dann biegsamer, elastischer oder beweglicher. Ein bisschen gezielte körperliche Belastung lohnt sich also immer, um damit den Körper auf weitere Arbeiten vorzubereiten und die Verletzungsanfälligkeit zu reduzieren.
Darüber hinaus können Nervenstörungen Beschwerden verursachen. Sie entstehen z. B. dadurch, dass Nerven direkten Druck erfahren, etwa durch Schwellungen im Knie, starke Spannung oder gar Zug. Gleiches gilt für bestehende Vorerkrankungen, die die Kniegelenke anfälliger für Störungen und Verletzungen machen.
Dazu gehören etwa:
- Diabetes mellitus
- Rheuma
- Gicht
Und selbstverständlich machen bereits bestehende Verletzungen am Knie das Gelenk anfälliger. Beispiele: Bänder-, Meniskus-, Muskelverletzungen, Zerrungen oder Knochenbrüche.
Tipps bei akuten Schmerzen
Schmerzen sind Warnsignale unseres Körpers vor drohender oder bereits erlittener Verletzung. Sie schützen uns vor Überlastungen und weiteren möglichen Schäden. Auf Schmerzen zu reagieren, ist also durchaus sinnvoll und wichtig.
Treten bei Ihnen Schmerzen bei einer bestimmten Belastung auf, tun Sie gut daran, diese Belastung vorübergehend zu unterlassen. Empfinden Sie Schmerz bei speziellen Bewegungen, sollten Sie diese Bewegung vorübergehend vermeiden – oder zumindest anders durchführen. Wenn Sie bereits einen dieser akuten Schmerzen wahrnehmen, ist entweder schon etwas verletzt worden oder kurz davor, verletzt zu werden. Unser Körper kann verletztes Gewebe heilen, und er kann lernen, Funktionsstörungen zu beheben. Alles, was er dazu braucht, ist Ihre Zuwendung und Hilfe – also Entlastung bei bestimmten Arbeiten und spezielle Übungen zur aktiven Regeneration.
Kleine Tricks gegen den Schmerz
Da unser Nervensystem Schmerzen wahrnimmt, können wir darüber auch Schmerzen beeinflussen. Denn die Nerven sind auch für andere Empfindungen und Sinneseindrücke zuständig. Dazu gehören das Wahrnehmen von Berührungen (mechanische Reize wie Druck oder auch Zug oder Reibung), das Wahrnehmen von Bewegungen und letztlich das Fühlen von Temperaturunterschieden (thermischer Reize, wie kalt oder warm).
Da unser Körper nicht alle Reize gleichzeitig und im gleichen Maß empfinden kann, liegt genau darin eine gute und einfache Möglichkeit, die Wahrnehmung von Schmerzreizen zu reduzieren. Und zwar, indem wir auf andere Empfindungen fokussieren. Wenn wir unserem Körper z. B. verstärkt mechanische Berührungsreize anbieten, reduziert das die Schmerzwahrnehmung. Auch Kälte ist dazu hervorragend geeignet.
Mechanische Reize
Schmerz mechanisch zu überlagern, gelingt bereits durch einfache Berührung an der Problemstelle. Deshalb: Reiben oder klopfen Sie über die schmerzhafte Stelle am Kniegelenk. Das kann kreisförmig, von oben nach unten oder auch von rechts nach links geschehen. Kneten Sie die Muskeln sanft durch oder heben Sie die Haut vorsichtig etwas ab, bis der Schmerz nachlässt. Vermutlich wird der Schmerz daraufhin nicht komplett beseitigt sein, aber er steht zumindest für eine Weile nicht mehr so stark im Vordergrund.
Bewegungsreize
Genauso verfahren Sie mit Bewegungen. Bewegen Sie Ihr Bein so, dass keine zusätzlichen Schmerzen entstehen. Machen Sie anfangs eher kleine und langsame Bewegungen und steigern Sie sich langsam. Suchen Sie für die Bewegung eine Ausgangsposition, in der Sie keine Schmerzen haben – so haben Sie die bestmögliche Kontrolle über das Kniegelenk und können die Bewegung gut steuern.
Thermische Reize
Eine weitere effektive Möglichkeit, die Schmerzen zu reduzieren, sind thermische Reize. Also Kälte (Eispackung, Gelpack aus dem Kühlschrank) oder Wärme (Kirschkernsäckchen, Bettflasche, Heizkissen, Rotlichtlampe usw.) Kälte und Wärme haben primär denselben Effekt: Sie provozieren eine Mehrdurchblutung an der Stelle, an der die Reize einwirken. Das können Sie auch sehr schön an der auftretenden Rötung erkennen, die sowohl bei Kälte- als auch bei Wärmeanwendung auftritt.
Eine pauschale Empfehlung, ob Kälte oder Wärme für Sie effektiver ist, gibt es nicht. Probieren Sie einfach aus, welche Form Ihnen in der momentanen Situation am besten hilft – das spüren Sie sofort.
Lagerung als Hilfe
Selbst bei akuten Knieschmerzen lässt sich eine Körperhaltung für das betroffene Gelenk finden, in der die Schmerzen nachlassen. Testen Sie verschiedene Beugepositionen des Kniegelenks aus und kombinieren Sie sie mit unterschiedlichen Fußpositionen (dadurch kann der Unterschenkel im Kniegelenk nach innen oder außen gedreht werden). Haben Sie damit noch nicht den gewünschten Erfolg, nehmen Sie Lagerungsmaterial, z. B. Kissen oder auch Decken zu Hilfe. Lagern Sie Ihr Knie bequem, etwa mit einem Kissen unter der Kniekehle. Zudem kombinieren Sie die Lagerung mit einem Coolpack.
Starke Übungen für Ihr Knie
Wichtige Tipps zum Training
Beachten Sie bei allem, was Sie tun, folgende Aspekte: Achten Sie bei allen Übungen auf das Verhalten Ihrer Symptome. Was machen die? Lassen Ihre Symptome durch die Übung nach (weniger Schmerz, mehr Beweglichkeit), dann sind Sie bereits auf dem besten Weg. Haben Sie das Gefühl, Ihre Symptome "zieren" sich noch etwas, dann passen Sie die Übungen an Ihre Probleme an: Verändern Sie die Bewegungsgröße (kleiner oder größer), verändern Sie die Bewegungsgeschwindigkeit (langsamer oder schneller). Das machen Sie so lange, bis Sie die Übung auf Ihre Bedürfnisse eingestellt haben und sich die gewünschten Effekte einstellen.
Standwaage [Körpergefühl verbessern]

Verbessert die Kniekontrolle und stimmt die Koordination der Beinmuskulatur ab.
Balance trainieren
Ausgangsposition: Die Standwaage sollten Sie im Stehen üben. Für die einfache Variante stellen Sie sich auf den Boden, intensiver und herausfordernder für das Gleichgewichtssystem ist diese Übung auf einem weicheren Untergrund, z. B. auf einer Trainingsmatte.
Durchführung: Sie stehen auf einem Bein und verlagern darauf Ihr gesamtes Körpergewicht. Dann strecken Sie das andere Bein nach hinten, den Oberkörper verlagern Sie als Gegengewicht nach vorn. Halten Sie diese Position für 3–5 Sekunden und kommen Sie in die Ausgangsstellung zurück. Dazu richten Sie den Oberkörper wieder auf und stellen das nach hinten gestreckte Bein wieder auf dem Boden auf. Wiederholen Sie diese Übung 15- bis 25-mal und machen Sie damit 3–5 Durchgänge.
Zu beachten: Achten Sie auf die Beinachse Ihres Standbeines. Das Knie sollte nicht nach innen oder nach außen wegknicken, sondern in einer Linie mit dem Fuß stehen.
Kniebeuger [Beugen und Strecken]

So haben Sie beste Kontrolle über Ihre Beinachsen und die Bewegung.
Beinbewegung kontrollieren
Ausgangsposition: Diese einfache Übung können Sie bequem in Bauchlage ausführen. Den Kopf legen Sie auf einer Seite ab, oder Sie legen Ihre Stirn auf beiden Händen ab.
Durchführung: Haben Sie die Position eingenommen, winkeln Sie das Kniegelenk an und führen dabei die Ferse an das Gesäß heran. Danach strecken Sie das Bein langsam wieder, bis die Zehenspitzen Kontakt zum Boden haben. So machen Sie 15–25 Wiederholungen und davon 3–5 Durchgänge mit jedem Knie.
Zu beachten: Halten Sie die Beinachse ein, führen Sie das Bein möglichst so hoch, dass der Unterschenkel nicht nach innen oder außen abweicht und zielen Sie mit der Ferse auf die Mitte der jeweiligen Gesäßhälfte.
Kniebeugung aus dem Vierfüßler [Beugen und Strecken]

Das ist eine intensive Version, um die Beugung des Knies zu üben.
Beugung mobilisieren
Ausgangsposition: Sie gehen auf Hände und Knie in die Vierfüßlerposition. Die Hände sollten knapp vor den Schultern auf dem Boden liegen und die Knie etwa hüftgelenkbreit auseinanderstehen. Ihre Faust sollte noch zwischen die Knie passen.
Durchführung: Hände und Knie sollten nun nicht mehr verrutschen, halten Sie sie fest am Platz. Schieben Sie die Hüfte nach hinten auf Ihre Fersen zu. Führen Sie die Bewegung bis zum Beginn Ihres Problems (z. B. Schmerz?) aus. Dort stoppen Sie die Bewegung und gehen zurück in die Ausgangsstellung – nun bewegen Sie sich immer wieder bis an diese Stelle der Bewegung. So können Sie die Kniebeugung mobilisieren. Machen Sie 15–25 Wiederholungen und davon 3–5 Durchgänge.
Zu beachten: Bei stärkeren Beschwerden am Ende der Beugung (wenn das Gesäß schon fast auf den Fersen sitzt) sollten Sie die Bewegung im kritischen Bereich deutlich bremsen und kontrollieren. Gehen Sie nicht mit Schwung in die Bewegung.
Knielein beug Dich [Beugen und Strecken]

Verbessern Sie die Kniebeugung auch mithilfe einer Blackroll-Mini oder einer Handtuchrolle.
Über Zug mobilisieren
Ausgangsposition: Auch in Rückenlage können Sie für Ihre Kniebeugung etwas Gutes tun. Halten Sie Ihren Unterschenkel mit beiden Händen fest – klemmen Sie eine Handtuchrolle oder eine Blackroll Mini in Ihre Kniekehle.
Durchführung: Ziehen Sie nun Ihren Unterschenkel mit beiden Händen an den Oberschenkel heran und lösen Sie die Bewegung langsam wieder auf, indem Sie den Zug langsam lösen und wieder nachlassen. Machen Sie 15–25 Wiederholungen dieser Bewegung und davon 3–5 Durchgänge mit jedem Bein. Indem Sie eine Handtuchrolle oder die Blackroll Mini in die Kniekehle klemmen, verstärken Sie den mobilisierenden Effekt auf den Unterschenkel.
Zu beachten: Führen Sie keine ruckartigen Bewegungen aus – kontrollieren Sie die Kniebeugung.
Autor
Kay Bartrow
Autor, Physiotherapeut, Dozent in der medizinischen Fort- und Weiterbildung und Gesundheitsberater