AtemwegserkrankungenGrippaler Infekt: Therapieoptionen aus der TCM

Ob Husten oder Sinusitis: Die Traditionelle Chinesische Medizin bietet eine Reihe von Therapieoptionen. Atemwegsinfekte lassen sich durch Akupunktur, scharfe Speisen und Co. lindern.

Inhalt
Frau isst eine Hühnersuppe.
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Eine scharf-heiße Hühnersuppe fördert sanft die Schweißbildung.

Die TCM beschreibt mit anschaulichen Bildern ihre Theorie der Immunabwehr und unterscheidet verschiedene Phasen eines grippalen Infekts und dessen Komplikationen.

Bei gesunden Menschen fließt in den äußeren Körperschichten ein abwehrendes, energetisches Fluid, das Wei Qi, auch Abwehr-Qi genannt. Da es wärmend und energievoll in der äußeren Körperschicht fließt, kann es den Organismus vor dem Eindringen sogenannter äußerer pathogener Faktoren wie Wind, Kälte und Nässe schützen. Zusätzlich wärmt, befeuchtet und nährt es auch teilweise die oberflächliche Schicht der Haut und die Schicht darunter zwischen Haut und Muskeln und reguliert durch die Weit- und Engstellung der Poren die Schweißsekretion und dadurch auch die Körpertemperatur [3] [4].

Das Abwehr-Qi wird vom Lungen-Qi kontrolliert. Deshalb kann eine Schwäche des Lungen-Qi auch eine Schwächung des Abwehr-Qi zur Folge haben. Aber auch durch das Verhalten der Patienten kann das Abwehr-Qi vorübergehend geschwächt werden, z. B. durch schweißtreibende Tätigkeit bei kaltem Wind oder Nieselregen, Frieren mit feucht-kalten Füßen bei feucht-kaltem Wetter, Frieren bei ungenügend warmer Bekleidung usw. [3] [4].

In der TCM bestand zwar ein Verständnis für Erreger bestimmter Infektionsgeschehen wie Parasiten usw. Was wir heute über die Entstehung von viralen Infekten wissen, war damals jedoch nicht bekannt. Es wurde aber anhand von Krankheitsverlaufsbeobachtungen und erfolgreichen Maßnahmen im Rahmen der Heilung in Theorien gefasst, die auch heute noch sehr hilfreich in der Therapie aller Stufen des grippalen Infekts und seiner Komplikationen sind. Während meines China-Aufenthalts konnte ich beobachten, dass die TCM ausübenden Ärzte dort keinerlei Scheu vor einer sog. Cross-over-Medizin haben, also wenn notwendig durchaus verantwortungsvoll den Einsatz von Antibiotika erwägen, Ernährungsempfehlungen genauso abgeben wie zum richtigen Zeitpunkt den Einsatz von CAT.

Zusammenfassung

Grippale Infekte und ihre Komplikationen sind ein häufiger Grund, warum Patienten Arztpraxen aufsuchen. Die Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), aber auch die Chinesische Arzneitherapie (CAT) können bei solchen Krankheitsbildern den Infekt verkürzen, Symptome lindern und auch antientzündlich und abheilend den Krankheitsprozess günstig regulieren. Neben der Akupunktur spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle, die Beschwerden in der akuten Krankheitsphase, aber auch im Anschluss an den Infekt verringern kann.

Akute Krankheitsphase

In der akuten Phase des grippalen Infekts zeigen sich ein Krankheitsgefühl seit wenigen Stunden bis 1–2 Tagen mit Frösteln und allenfalls leichtem Fieber, Schweißlosigkeit, verstopfte Nase, leichte Kurzatmigkeit bei Belastung, Kopf- und Gliederschmerzen, dünner weißer Zungenbelag und gespannter Puls.

In dieser Phase wird bevorzugt versucht, die durch ein vorübergehendes Versagen des Wei Qi (s. o.) eingedrungenen pathogenen Faktoren Wind, Kälte und Nässe auszuleiten. Im Denken der TCM wird durch die eingedrungenen pathogenen Faktoren das Abwehr-Qi blockiert und muss wieder befreit werden. Die pathogenen Faktoren sitzen wie Korken in den Poren und verursachen die typischen Infektsymptome, die in diesem Stadium beschrieben werden. Therapieziel ist es, das Qi so anzuregen, dass es die in den Poren sitzenden pathogenen Faktoren wie Sektkorken durch Schweißbildung rausschießt und so die Genesung eingeleitet wird. Sehr gute Erstmaßnahmen sind heiß-scharfe Lebensmittel wie das Ingwerwasser (siehe Kasten „TCM-Rezepte“). Auch ein warmes Vollbad – und anschließend warm eingepackt für 30 Minuten ins Bett – unterstützt den schweißtreibenden Ausleitungsprozess.

Ernährung

Gut ist auch die scharfe und heiße Hühnersuppe mit reichlich Ingwer und Chilischoten. Erwähnt sei auch der Brei mit Frühlingszwiebeln [6]. In der Chinesischen Arzneitherapie wird in diesem Stadium bei sonst gesunden Patienten ein Dekokt aus Ephedrakraut (Herba Ephedrae, Meerträubel) verordnet. Herba Ephedrae ist scharf und warm und öffnet die Poren, leitet den pathogenen Faktor raus, die scharf-warmen Zweige des Zimts (Ramulus Cinnamomi Cassiae) unterstützen diesen Ausleitungsprozess, mit bitteren Aprikosensamen (Semen Pruni Armeniacae) wird das Lungen-Qi reguliert, und Uralsüßholzwurzel (Radix Glycyrrhizae uralensis) in Honig gebraten unterstützt das Milz-Qi und fördert die Bekömmlichkeit der Abkochung. Die Abkochung wird getrunken, bis es zu einer leichten Schweißbildung kommt, dann wieder ab ins Bett, Ruhe und gut zudecken, das Schwitzen zulassen.

Ziel bei all den oben beschriebenen Maßnahmen ist es, die sanfte Schweißbildung zu fördern und mit dem Schweiß die pathogenen Faktoren auszuleiten [1] [2] [3].

Akupunktur

Ist der grippale Infekt zeitlich etwas weiter fortgeschritten und der Patient klagt zudem über klare oder weiße, schleimige Sekrete aus Rachen oder Nase mit leichtem oder stärkerem Fieber, dann ist Akupunktur hilfreich. Fürs Ausschwitzen der pathogenen Faktoren ist es jetzt zu spät, die Faktoren sind nach dem Denken in der TCM bereits etwas tiefer eingedrungen.

  • Dickdarm 4 hilft, die pathogenen Faktoren auszuleiten, und macht den Kopf und die Nase frei.
  • Milz 6 und Magen 36 stärken das Milz-Qi, welches wiederum Qi für das Abwehr-Qi und das Lungen-Qi zur Verfügung stellt und somit zusammen mit Lunge 7, Lunge 9 oder 10 und Blase 13 die Abwehrkräfte unterstützt.
  • Zur Befreiung der Nase sind Dickdarm 20, Yintang und Blase 2 hilfreich. Bei Husten wird zusätzlich Lunge 5 eingesetzt. Hitze und Fieber kann mit Dickdarm 11 begegnet werden [3] [4].
  • Steht als Leitsymptome bei einem Infekt kalter Schleim (weißklar-schleimiger Husten, weißklarer Schleim bei Schnupfen oder Sinusitis) im Vordergrund, wird zum oben beschriebenen Konzept auch Magen 40 mit eingesetzt (wandelt Schleim um in eine ausscheidungsfähige Form und besänftigt die gestörte Atmung).

Der Schleimlösungsprozess wird zudem durch vorübergehendes Weglassen von Milchprodukten in der Ernährung begünstigt. Deutlich schleimlösend bei Kälte und kaltem Schleim in der Lunge wirkt der Saft von schwarzem Rettich (siehe Infobox).

Eine zunehmende Gelbfärbung der Zunge weist auf ein mögliches bakterielles Geschehen bzw. den Beginn einer Pneumonie hin. Der Einsatz von Antibiotika muss erwogen werden.

Sinusitis

Hat sich der Infekt in eine Sinusits weiterentwickelt, wird neben der allgemeinen Stärkung des Milz- und Lungen-Qi (Mi 6, Ma 36, Lu 7, Kg 6, Kg 17, siehe oben) die Nase mit Punkten wie Dickdarm 4 und 11 sowie lokal Dickdarm 20, Blase 2, Magen 2 und Magen 3 im Sinne der Schleimausleitung und Schleimhautabschwellung 2- bis 3-mal wöchentlich behandelt. Der Lymphbelt nach Jochen Gleditsch [5] und evtl. noch zusätzlich Gallenblase 20 fördern den Lymphabfluss, lindern die Verquellung im Gesicht und wirken befreiend auf Kopf und Nase. Zusätzlich wirkt eine Wärme mittels der in der Akupunktur häufig eingesetzten Carbonlampe auf den oberen Thorax wohltuend, genauso wie häusliche Anwendung von Rotlicht im Bereich der Nasennebenhöhlen sowie die Befeuchtung und Pflege der Nasenschleimhaut durch NaCl-haltige Nasensprays. Chinesische Arzneitherapie individuell eingesetzt kann helfen, den schorfigen Schleim oder das eitrige festgebackene Sekret zu lösen.

Sind die Nasensekrete farbig, handelt es sich also um eine eitrige, unkomplizierte Sinusitis, können neben den oben beschriebenen Akupunkturpunkten auch kühlende Punkte wie Dickdarm 11 eingesetzt und kühlende, schleimlösende westliche Kräuter wie eine Kombination aus Ampfer, Eisenkraut, Gelbem Enzian, Holunderblüten und Schlüsselblume rezeptiert werden.

TCM-Rezepte

Scharf-heißes Ingwerwasser

Eine etwa 6 cm lange, geschälte frische Ingwerwurzel fein raspeln, mit 1 l Wasser im Topf ansetzen und für 20 Minuten mit geschlossenem Deckel kochen. Danach abseihen, mit etwas Honig süßen und trinken.

Dem Ingwerwasser können Frühlingszwiebeln zugesetzt werden [6].

Zur Infektvorbeugung kann noch Zitronensaft dazugegeben werden.

Bei persistierendem trockenem Husten nach einem Infekt wird die Ingwerabkochung mit reichlich Honig getrunken [6].

Scharf-heiße Hühnersuppe

Suppenhuhn mit Haut (kann auch tiefgefroren sein) mit Gemüse oberhalb der Erde (Lauch), unterhalb der Erde (Möhre, Petersilienwurzel) und dazwischen wachsend (Zwiebel, Sellerie) ca. 1,5–2 Std lang kochen. Reichlich Ingwer fein geschnitten die letzten 15 Minuten mitkochen. Rote Chili-Ringe in den letzten 5 min mitziehen lassen. Die Brühe abgießen. Das Gericht kann als Brühe oder als Suppe mit Reisnudeln, klein geschnittenem Gemüse und Koriander genossen werden.

Qi aufbauende Hühnersuppe

2 Zwiebeln vor dem Halbieren und in wenig Fett dunkel anrösten, zusammen mit einem Suppenhuhn mit reichlich Suppengemüse wie Möhren, Pastinaken, Sellerie und Petersilienwurzel 1,5–2 Std. kochen. Die letzten 30 Minuten 2 Sternanis, 4 Korianderkapseln und eine Zimtstange mitkochen.

Brei mit Frühlingszwiebeln [6]

20 Frühlingszwiebeln und 60 g Rundkornreis zu einem Brei verkochen. Etwas Essig hinzugeben. Den Brei essen, solange er noch heiß ist. Die scharf-warmen Frühlingszwiebeln wirken schweißtreibend, der Reis unterstützt das Mitten-Qi und macht die Frühlingszwiebel bekömmlicher.

Brei mit schwarzem Rettich

350 g schwarzen Rettich ungeschält mit der schwarzen Haut raspeln, mit 3–4 Esslöffel Honig oder Kandiszucker vermengen, ziehen lassen und den Saft immer wieder abgießen, am Ende den Brei gründlich in einem Tuch auspressen. Den Saft mit Wasser verdünnt mehrmals täglich trinken. Wer will, kann auch noch zum Rettich 30 g Ingwer mit in den Brei hobeln.

Husten

Bei persistierendem, trockenem Husten gilt es das Lungen-Qi abzusenken, zu beruhigen und oft auch zu stärken. Schröpfkopftherapie um die Blase-13-Region und rund um C 7 als Schröpfkopfmassage wirken hilfreich. Akupunktur bei Blase 13, dem Extrapunkt Dingchuan Ex-B1, Lunge 5, Lunge 7 und Konzeptionsgefäß 17 wirkt hustenstillend. Man beginnt mit der dorsalen Nadelung, die Nadeln werden leicht schräg bis tangential gesetzt, sodass sich der Patient anschließend noch auf den Rücken legen kann. Dann werden die oben erwähnten ventralen Punkte und die Armpunkte genadelt. Von Seiten der Ernährung ist eine Hühnersuppe mit Frühlingszwiebeln unterstützend, auch Ingwerwasser mit Honig wirkt lindernd. Zur Befeuchtung der oft trockenen Schleimhäute setze ich auch einen Fertighustensirup aus Eibischwurzel ein.

Der Extrapunkt Ex-B1, Dingchuan (0,5 cun lateral von Lg 14 bzw. vom Dornfortsatz von C7) sei hier nochmals extra hervorgehoben, da oft wenig bekannt, aber sehr wirksam [7]. Schon eine kutane Reizung wie Akupressur-Massage, Schröpfmassage oder selbstklebende Dauernadeln auf diesem Punkt wirken hustenstillend. Gut einzusetzen vor einem geplanten Theaterbesuch, wenn Husten eine Untersuchung stört, wie z. B. im MRT, oder auch einfach bei Reizhusten nach Infekt bei Kindern.

Ist der Patient sehr angespannt, steht er unter Druck, kann auch Pericard 6, Le 3 mit Bl 18 den Atemfluss harmonisieren.

Bei Bronchitis mit Husten, Fieber und klarem oder weißem Schleim setzt sich die Therapie aus Stärkung des Milz-Qi und des Lungen-Qi zusammen. Außerdem soll das gegenläufige Lungen-Qi abgesenkt werden bei starkem Hustenreiz, der Schleim soll in eine ausscheidungsfähige Form umgewandelt werden. Akupunkturpunkte wie Milz 6, Magen 36, Konzeptionsgefäß 6 und Lunge 7 stärken, Konzeptionsgefäß 17, Blase 13, Lunge 1, Lunge 5 und Schröpfen rund um Blase 13 und dem 7. Magen 40 wird bei Schleimproblematik eingesetzt.

Auch hier bietet sich die Verwendung westlicher Kräuter wie Thymian und Schlüsselblume an. Individuelle CAT ist ebenfalls möglich. In der Verlaufsbeobachtung sind Nachtschweiß und Schwitzen tagsüber bei geringer Belastung, wie z. B. beim Ausräumen der Spülmaschine, Staubsaugen oder beim Gehen einer kurzen Strecke, ungünstige Zeichen, die auf eine zunehmende Schwächung des Lungen-Qi im Rahmen des Infekts hinweisen. Jetzt ist eine aufbauende Nadelung mit schwachen Reizen, die Mitte stärkend und das Lungen-Qi stützend, wichtig (z. B. Milz 6, Magen 36, Konzeptionsgefäß 6 mit Moxa, Lunge 7). Eine aufbauende, nicht scharfe Hühnersuppe tut jetzt richtig gut.

Nach dem Infekt

Ist der Infekt durchlaufen, sehen wir in der Praxis häufig das Krankheitsbild der verzögerten Rekonvaleszenz mit persistierender Schwäche, Schweiß bei geringer Anstrengung und möglicherweise thoraxbetontem Nachtschweiß, mit Frieren nach dem Schwitzen und dem Wunsch, sich warm zuzudecken und trocken umzuziehen – dieser Nachtschweiß unterscheidet sich also deutlich vom Nachtschweiß der Nieren-Yin-Leere.

Die erwähnten Symptome sind als Zeichen der Lungen-Qi-Leere infolge des langandauernden Infekts zu interpretieren. Neben körperlicher Schonung und Atemübungen kommt hier die aufbauende, nicht scharfe Hühnersuppe mit reichlich Frühlingszwiebeln zum Einsatz.

Akupunktur ist hier ebenfalls erfolgreich einzusetzen. Es werden mit Milz 6 und Magen 36 (Moxibustion möglich) und Konzeptionsgefäß 6 (Moxibustion möglich) das Mitten-Qi und dadurch indirekt auch das Lungen-Qi gestärkt. Lunge 7 und 9 tonisieren das Lungen-Qi, ebenso Blase 13. Konzeptionsgefäß 17 und Niere 7 sind weitere hilfreiche Akupunkturpunkte [2] [3].

Gabriela Huemer
Ärztin, Akupunktur, TCM, Homöopathie
Vorstandsmitglied und Dozentin der DÄGfA

  1. Bensky D.. Chinesische Arzneimittelrezepte und Behandlungsstrategien. Bad Kötzing: Verlag für ganzheitliche Medizin; 1996: 29
  2. Maciocia G. Die Grundlagen der chinesischen Medizin. Bad Kötzing: Verlag für Traditionelle Chinesische Medizin; 1994: 245-49
  3. Pollmann N. Basislehrbuch Akupunktur. München: Urban und Fischer; 2002: 325
  4. DÄgfA. Skripten der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur Grundkurs 1 bis 14
  5. Mündliche, persönliche Mitteilung von Dr. med. Jochen Gleditsch, FA für HNO, Dozent und Ehrenpräsident der DÄGfA
  6. Hempen E.. Chinesische Diätetik. München: Urban und Schwarzenberg; 1997: 104-114
  7. Meng K. Die neuen Extrapunkte in der Chinesischen Akupunktur. Wien: Wilhelm Maurich; 1994: 48