von Emilia Spajic
Anovulation, Androgenwert und Sonografie sichern die Diagnose
Endokrinologie: LH- und Androgen Überschuss bestimmen das Geschehen
Klinik: Hirsutismus, Akne, Amenorrhö, Insulinresistenz
Westliche Therapie: Hormonelle Fertilisation mit ungewissen Aussichten
Stagnation und Mangel: Pathophysiologie in der TCM
Ernährung: Zucker schädigt Milz-Qi und Follikel
Chinesische Kräutertherapie: Glukose senken, Milz stärken
Leber-Qi-Stagnation und Leber-Blut-Yin-Mangel
Akupunkturpunkte: drainieren, aktivieren, tonisieren
Kurz gefasst
Das Polyzystische Ovarialsyndrom PCOS betrifft 5-10 % der Frauen im reproduktiven Alter und geht aufgrund einer erhöhten Androgenproduktion der Ovarien mit tendenzieller Anovulation, Amenorrhö, Hirsutismus und Fertilitätsstörung einher.
Während für die westliche Medizin die Hormontherapie im Vordergrund steht, behandelt die TCM insbesondere NierenYang-, Milz-Qi-, Leber-Yin- oder Nieren-Yin-Mangel sowie Leber-Qi- oder Blut-Stagnation.
Wenngleich sich die TCM-Behandlung über ein Jahr und länger erstrecken kann, bietet sie in Form bewährter Kräuterrezepturen und Akupunkturkonzepte erfolgversprechende Methoden zur Unterstützung der Fertilität und Lebensqualität.
Die Therapie der Anovulation (Ausbleiben des Eisprungs) führt meist nur bei polypragmatischen und individuellen Ansätzen zum Erfolg. Dies gilt insbesondere bei einem Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS). Akupunktur und chinesische Kräutermedizin zählen hierbei zu den wichtigsten Behandlungssäulen in der Naturheilpraxis. So wurde die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) in der PCOS-Therapie Forschungsgegenstand zahlreicher Studien und wissenschaftlicher Publikationen.
Anovulation, Androgenwert und Sonografie sichern die Diagnose
PCOS betrifft 5-10 % der Frauen im reproduktiven Alter [[1]] und ist damit die häufigste hormonelle Störung in dieser Gruppe. Es manifestiert sich meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr und tritt familiär gehäuft auf. Die Ursache ist unbekannt. Man vermutet eine verringerte Aromataseaktivität in den Granulosazellen der Eierstöcke in Verbindung mit FSH-Mangel und LH-Überschuss. Laut den Rotterdam-Kriterien von 2003 müssen für die Diagnose mindestens zwei der folgenden drei Voraussetzungen vorliegen:
chronische Anovulation (Oligo- beziehungsweise Amenorrhö)
polyzystische Ovarien (sonografisch feststellbar)
Hyperandrogenismus
Merke
Die Bezeichnung „polyzystisch“ lässt fälschlich an Zysten denken, also mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen mit epithelialem Häutchen. Bei PCOS handelt es sich hingegen um unreife Eizellen, die sich perlenkettenartig im Eierstock ansammeln, da sie nicht zum Eisprung kommen.
Als Differenzialdiagnosen auszuschließen sind insbesondere androgenbildende Tumoren, das Adrenogenitale Syndrom, Morbus Cushing und andere hormonelle Anomalien bis hin zu Hypothyreose und Nebenwirkungen medikamentöser Hormontherapien.
Endokrinologie: LH- und Androgen Überschuss bestimmen das Geschehen
Die Hypophyse produziert unter anderem das Luteinisierende Hormon (LH) und das Follikelstimulierende Hormon (FSH). Wird - insbesondere durch eine gestörte Funktion der Hypophysen-Ovarien-Achse beziehungsweise der Ausschüttung von GnRH - zu viel LH ausgeschüttet, produzieren die Ovarien verstärkt Androgene und Östrogene. Diese beiden Hormongruppen verursachen im Überschuss unter anderem Akne, Hirsutismus (gesteigerter Haarwuchs am Körper), Alopezie (Haarverlust am Kopf) und nicht selten eine maskuline Erscheinung der Frau.
Hintergrundwissen
Referenzbereiche LH-Werte (ab 15 Jahre)
Follikelphase: 2,4-12,6 U/ml
Ovulationsphase: 14,0-95,6 U/ml
Lutealphase: 1,0-11,4 U/ml
Schwangerschaft: < 1,5 U/l
Postmenopause: 7,0- 58,5 U/ml
Männer ab 15 Jahre: 1,7- 8,6 U/ml
Hingegen bewirkt die verminderte Ausschüttung von FSH im Hypophysenvorderlappen (meist aufgrund verschiedener Enzymfehlfunktionen) eine Stagnation der Eibläschen, die nicht mehr (ausreichend) heranreifen können. Daher sammeln sich diese unreifen Follikel in den Ovarien und sind im Ultraschall in Form einer „Perlenkette“ aufgereiht zu sehen.
Durch diesen Stau unreifer Follikel wird das Ovar jedoch zu schwer. Es droht eine Torsion (Verdrehung) oder sogar das Absterben (Nekrose), was die Frau in Lebensgefahr bringen könnte. Zusätzlich unterliegt die Patientin der ständigen Gefahr eines Endometriumkarzinoms: Das Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) kann aufgrund des fehlenden Eisprungs nicht abgestoßen werden. Der Prozess der sekretorischen Umwandlung entfällt hier.
Merke
Serologisch hohe LH- und niedrige FSH-Werte sind ein wegweisendes Indiz für das PCO-Syndrom. Um die Diagnose PCOS zu bestätigen, ist zusätzlich ein intravaginaler Ultraschall erforderlich.
Androgene wie DHEA (Dehydroepiandrosteron), DHEAS (De-hydroepiandrosteronsulfat), Androsteron und Testosteron sind serologisch stark erhöht - man spricht von Hyperandrogenämie -, während sich das Sexualhormonbindende Globulin (SHBG) vermindert.
Klinik: Hirsutismus, Akne, Amenorrhö, Insulinresistenz
PCOS-Patientinnen klagen oft über Haarausfall und männliche Behaarung (Hirsutismus) unter anderem an Oberlippe, Nacken, Beinen und Rücken. Dazu gesellen sich häufig eine Akne im Gesicht und eine eher männliche Figur. Doch die Betroffenen leiden nicht nur unter ihrem Erscheinungsbild, sondern auch unter einer ausbleibenden oder verringerten Menstruationsblutung: Von Oligo-menorrhö spricht man bei weniger als neun Zyklusblutungen pro Jahr, von (sekundärer) Amenorrhö, wenn die letzte Periode länger als drei Monate zurückliegt.
Die meisten Frauen hegen im Lauf ihres Lebens einen Kinderwunsch. Dem steht bei PCOS die meist fehlende Ovulation entgegen. Denn ohne Follikelreifung im Ovar und Eisprung ist eine natürliche Befruchtung nicht möglich. Dies ist für die Familienplanung von essenzieller Bedeutung.
Trotz hormoneller Modulation kommt es häufig nicht zum Eisprung. Dies bedeutet neben den körperlichen Symptomen eine starke seelische Belastung. Schlafstörungen, Gereiztheit und Depressionen können die Folge sein.
Des Weiteren entwickeln betroffene Frauen gehäuft eine Insulinresistenz. Die Ursachen hierfür sind bis heute unbekannt. Jedoch konnte man beim PCOS eine Veränderung des Stoffwechsels beobachten, der diese Anomalie begünstigt. Der BMI ist hierbei nicht maßgebend.
So wird PCOS zwar oft bei Frauen mit Übergewicht beschrieben, das Phänomen ist jedoch bei Betroffenen mit unterschiedlichsten Profilen zu beobachten. Sehen sich die einen mit Insulinresistenz und Adipositas konfrontiert, so sind viele andere sehr schlank, drahtig und haben eher Probleme, ihr Gewicht zu steigern und auf übermäßigen Sport zu verzichten.
Westliche Therapie: Hormonelle Fertilisation mit ungewissen Aussichten
Besteht kein Kinderwunsch, werden ärztlich meist Ovulationshemmer und Glukokortikoide verordnet. Ansonsten gestaltet sich die medizinische Therapie langwierig und nur begrenzt aussichtsreich: Oft haben Betroffene bereits eine Odyssee an Fertilisationsversuchen hinter sich. In der Medikamentenanamnese fallen bekannte Wirkstoffnamen wie Clomifen (Antiöstrogen), Letrozol (Aromatasehemmer), FSH oder Ganirelix (GnRH-Antagonist). Allerdings zählt Infertilität selbst zu den Nebenwirkungen dieser Arzneimittel. Bei Diabetes mellitus kommen zudem Antidiabetika wie das bekannte Metformin zum Einsatz. Es hat sich in zahlreichen Studien bewährt und fördert durch den verbesserten Zuckerstoffwechsel zusammen mit einer Hormonbehandlung den Eisprung.
Stagnation und Mangel: Pathophysiologie in der TCM
In der TCM behandelt man kein PCOS, sondern die dafür typischen Zustände wie:
Nieren-Yang-Mangel
Milz-Qi-Mangel
Leber-Yin-Mangel
Leber-Qi-Stagnation
Blut-Stagnation
Hitze aufgrund von Nieren-Yin-Mangel
Merke
Unter Yin ordnet man in der TCM alle Körperflüssigkeiten wie Hormone, Lymphe, Schleim, Tränenflüssigkeit oder Speichel ein. Bei Nieren-Yin-Mangel (was zum Beispiel bei Östrogenmangel vorkommen kann) entwickelt die Patientin einen Hitze-Zustand (Yang überwiegt), zum Beispiel mit Unruhe, trockener Haut, trockener Scheide, Hitzewallungen und Gereiztheit.
Unter dem Aspekt der TCM ist die fehlende Reifung der Eizelle mit einem Nieren-Yang-Mangel assoziiert: Die Nierenessenz (Nie-ren-Jing) reicht nicht aus, um den Eisprung herbeizuführen.
Ernährung: Zucker schädigt Milz-Qi und Follikel
Frauen mit PCOS weisen oft Übergewicht (siehe Abbildung 2) und einseitige Ernährungs- und Lebensgewohnheiten auf: zu viele Kohlenhydrate, zu viel Zucker und wenig Bewegung. Dies schädigt das Milz-Qi. Die Milz kann Flüssigkeiten im Körper nicht mehr verteilen, wodurch sich Nässe in den Ovarien anlagert. Gynäkologen bestätigen oft im Ultraschall das Vorhandensein von minimaler Flüssigkeit rund um die Follikel.
Kohlenhydratreiche Ernährung führt zu einem ständig erhöhten Blutzuckerspiegel sowie Dyslipidämie, Übergewicht und hohem Blutdruck. Adipöse Patientinnen entwickeln verstärkt eine Insulinresistenz und gelangen somit noch seltener zum Eisprung. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich ein angepasster TCM-Ernährungsplan. Dieser enthält unter anderem viel Gemüse, Fisch, qualitativ gutes Fleisch und kaum Kohlenhydrate. Da es vielen Patientinnen schwerfällt, ihre gewohnten Essgewohnheiten umzustellen und insbesondere auf Kohlenhydrate zu verzichten, bietet sich zunächst Trennkost an.
Insulin stimuliert die Schlüsselenzyme der Androgensynthese und hemmt die Produktion von SHBG in der Leber, das unter anderem Testosteron im Blut bindet. Somit kommt es zur Anovulation, einem Ausbleiben der Ovulation in Ovarien.
Tab 1 Rezeptur-Zutaten nach Kategorien bei PCOS
Kategorie | Zutat(en) | Eigenschaften |
neutral | Mu Li (Concha ostrea), Long gu (Fossil. masto-idi) | bei Hitze-Zustand, Nieren-Yin-Mangel |
kühl | Fu Xiao Mai (Fructus levi titrici), Gou Teng (Uncariae ramulus cum uncis) | Leber-Qi-Stagnation, Leber-Yin-Mangel |
süß und warm | Gui Zhi (Ramulus cinnamomi), Ren Shen (Radix ginseng) | Nieren-Yang-Mangel, Kälte, Milz-Qi-Schwäche |
süß und kalt | Sheng Di Huang (Radix rehmanniae), Bai He (Bulbus lilii) | Yin-Mangel, Hitze-Zustand |
bitter und kalt | Huang Lian zhi (prepar. Rhizoma coptidis), Lian Qiao (Fructus forsythiae) | klärt Hitze und Feuchte |
Chinesische Kräutertherapie: Glukose senken, Milz stärken
Im Fall einer Insulinresistenz kommt in der Gynäkologie das Antidiabetikum Metformin zur Anwendung, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Um dessen Nebenwirkung wie wochenlangen Durchfall zu reduzieren, bietet sich die chinesische Kräutermischung Bu zhong yi qi Tang („Mitte stärken und Qi anheben De-kokt“) sehr gut an, mit den Zutaten: Radix astragali, Radix ginseng, Radix glycyrrhizae prep., Radix angelicae sinensis, Rhizoma cimicifugae, Radix bupleuri (jeweils 12 g) sowie Rhizoma atracty-lodis macrocep und Pericarpium citri ret. (jeweils 15 g). Die Tagesdosis liegt bei ca. 200 ml abgekochtem Sud (Dekokt). Ziel dieser Medizineinnahme ist, die Milz zu stärken: Sie wird durch das Antidiabetikum stark geschwächt.
Merke
In der TCM spielt die Milzfunktion für die Fertilität der Frau eine zentrale Rolle. Sie ist für die Blutbildung zuständig und sorgt für die optimale Blutversorgung in der Plazenta, auch nach der Einnistung des befruchteten Eis.
Patientinnen, die kein Metformin nehmen, übergewichtig sind, einen hohen Bauchfettanteil und eine ungünstige Ernährung aufweisen, verordne ich zusätzlich das Mittel Amitamin Ovarifert (4 g - morgens und abends 2 Kps., Fa. Active Bio Life Science; Wirkstoffe: Myo-Inositol, D-chiro-Inositol, Ascorbinsäure, Alpha-Liponsäure, Betain, Pinienrindenextrakt, D-Alpha-Tocopherylacetat, Cholecalciferol). Das enthaltene Myo-Inositol wirkt ähnlich glukosesenkend wie Metformin. Mit dieser Konstellation der MilzSchwäche mit Nässe- und Feuchte-Ansammlung im Unteren Erwärmer erhält die Patientin den Dekokt Cang Fu Dao Dan Tang, 3 x tgl. 200 ml Sud 1 Stunde vor den Mahlzeiten über 3 Monate, mit den Zutaten (zu gleichen Teilen):
Xiang Fu (Rhizoma cyperi ), reguliert Qi
Cang Zhu (Rhizoma atractylodes), stärkt die Milz, trocknet aus
Chen Pi (Pericarpium citri reticulatae), reguliert Magen-Qi
Chuan xiong (Rhizoma Chuanxiong, Szechuan), reguliert und belebt Blut
Dang gui (Radix angelicae sinensis), tonisiert und bildet Blut
Fu Ling (Poria cocos), trocknet Feuchte
Gan Cao (Radix glycyrrhizae), tonisiert Qi
Gan Jiang (Rhizoma zinziberis), wärmend, regulierend
Zhi Ban xia (Rhizoma pinellia praeparat.), wärmend, schleimreduzierend
Zhi Ke (Fructus aurantii), reguliert Qi
Hierbei geht es darum, Feuchte beziehungsweise Nässe aus dem Unteren Erwärmer zu drainieren und die Milz zu stärken. Sollte hierbei eine Periodenblutung einsetzen, nimmt die Patientin die Rezeptur vom 5.-14. Zyklustag ein. Diese wird nicht nur bei einer Insulinresistenz oder bei Metformineinnahme angewandt, sondern auch, wenn die Patientin Anzeichen von Nässe im unteren Erwärmer zeigt wie: dicker, weißer Zungenbelag (verstärkt im Zungengrund), teigige Haut, Lymphödeme oder Durchfall.
Im Fall einer Amenorrhö mit Anzeichen eines Nieren-Yang-Mangels (Antriebslosigkeit, weiche Stühle, kalte Extremitäten) verordne ich die Einnahme von Cang Fu Dao Tan Tang (Dosierung wie Cang Fu Dao Dan) über zwei Wochen. Um das Nieren-Yang anzuregen, nimmt die Patientin anschließend über zwei Wochen die Rezeptur You gui wan (Nieren-Yang-tonisierend) ein, mit den Zutaten: Radix rehmanniae, Cortex eucommiae, Rhizoma dioscoreae, Semen cuscutae, Fructus lycii chinensis, Fructus corni, Radix an-gelicae sinensis, Cortex cinnamomi, Ramulus cinnamomi.
Alle genannten Rezepturen sind modifizierte Mischungen, passend zum Körpergewicht und dem momentanen psychischem Zustand der Frau. Bei den Kräutermischungen wähle ich individuell einzelne Substanzen aus bestimmten Kategorien (siehe Tabelle) aus, die für das Beruhigen des Shens (Geistes) wichtig sind. Die einzelnen Substanzen werden den Grundrezepturen beigemischt und als Dekokt zubereitet.
Leber-Qi-Stagnation und Leber-Blut-Yin-Mangel
Die Rezeptur Xue Fu Zhu yu Tang („Blutstase lösen und Blut nähren“) nimmt die Patientin täglich für einen Zeitraum von vier Wochen ein. Sie setzt sich wie folgt zusammen:
Dang gui (Radix angelicae sinensis), blutbildend
Chi shao (Radix paeoniae rubrae), Leber-Blut nähren
Hong Hua (Flos carthami tinct.), löst Blutstase
Chuan Xiong (Rhizoma chuanxion), Leber-Blut nährend
Sheng di Huang (Radix rehmanniae), nährt Leber-Yin
Tao Ren (Semen persicae), löst Blutstase
Chai Hu (Radix bupleuri), leicht kühl, bewegt Blut
Zhi Ke (Fructus aurantii), reguliert Qi
Niu Xi (Radix achyranth bid.), reguliert und nährt Blut
Jie Geng (Radix platycodi), transformiert Nässe, warm
Gan Cao (Radix glycyrrhizae), tonisiert Qi
Sollte keine Periodenblutung eintreten, begutachtet man erneut die Zunge und den Puls, stellt die neuen Pathologiemuster fest und entscheidet dann wieder, welche Rezepturmischung notwendig ist. Beispiel für ein Pathologiemuster: weniger Leber-Qi-Stag-nation (hellrote Zungenränder), mehr Milz-Qi-Mangel (Zunge geschwollen, blass, dünner weißer Belag) oder Nieren-Yang-Mangel (dicker weißer Belag im unteren Zungengrund, geschwollen). An dieser Stelle sollte man eine neue Medizin verordnen.
Akupunkturpunkte: drainieren, aktivieren, tonisieren
Folgende Akupunkturpunkte stehen bei PCOS besonders im Fokus:
Nässe:
San Yinjiao (Mi 6)
Yinlingquan (Mi 9)
Fenglong (Ma 40)
Milz stärken:
Taibai (Mi 3)
Gongsun (Mi 4)
Zu Sanli (Ma 36)
Zhongwan (Ren 12)
Pi-Shu (Bl 20)
Wei-Shu (Bl 21)
Qi und Blut regulieren:
ZhongJi (Ren 3)
Shimen (Ren 5)
Qi Hai (Ren 6)
Suifen (Ren 9)
Youmen (Ni 21)
Tianshu (Ma 25)
Gui Lai (Ma 29)
Ligou (Le 5)
Ququan (Le 8)
Dai Mai aktivieren:
Waiguan (Sj 5) und Zu Linqi (Gb 41)
Daimai (Gb 26) und Wu-Shu (Gb 27)
Nieren-Yang tonisieren
Tai Xi (Ni 3)
Fu Liu (Ni 7)
ZhongJi (Ren 3)
Guanyuan (Ren 4)
Qi Hai (Ren 6)
Shen Shu (Bl 23)
Mingmen (Du 4)
Da He (Ni 12)
Qi Xue (Ni 13)
Postnatales Qi und Blut stärken:
Zu Sanli (Ma 36)
Sanyin Jiao (Mi 6)
Xuehai (Mi 10)
Zhonwan (Ren 12)
Leber-Qi-Stagnation lösen:
„Vier Tore“ Le 3 und Di 4
Yanglingquan (Gb 34)
Zu Linqi (Gb 41)
Zhongdu (Le 6)
Zhangmen (Le 13)
Qi Men (Le 14)
Tian Shu (Ma 25)
Qi Hai (Ren 6)
Chong Mai aktivieren:
Gongsun (Mi 4)
Neiguan (PC 6)
Die Akupunkturbehandlung wird auf fünf Sitzungen im Monat festgelegt, sofern keine Regelblutung einsetzt. Ansonsten aku-punktiere ich vier Mal vor dem Eisprung und zwei Mal in der Eisprungzeit.
Hintergrundwissen
Zubereitung eines Dekokts: Kochanleitung für alle Rezepturmischungen
Die Kräutermischung wird in einem emaillierten Topf mit 21 kaltem Wasser 30 min eingeweicht. Nach dieser Zeit wird der Topf auf dem Herd bei mittlerer Hitze zum Köcheln gebracht. Dieser Vorgang dauert circa 40 min. Danach werden die fertig gekochten Kräuter abgesiebt. Der Sud aus diesem Kochvorgang wird in 6 gleiche Portionen zu je ca. 150 ml in Glasflaschen aufgeteilt. Dies entspricht jeweils einer Tagesportion zum Einnehmen. Die Flüssigkeitsmenge ist nicht bei jedem Kochvorgang gleich, da es von der Patientin abhängt, wie stark sie das Wasser kochen lässt und wie viel Wasser somit verdampft.
Nicht jede Zutat aus der Rezepturmischung wird eingeweicht. Ausgeschlossen sind: Blüten und pulverisierte Bestandteile wie Ostra concha oder Fossil. mastoidi. Diese werden dem fertigen Sud zum Ziehen beigemischt.
Man sollte bei jedem Praxisbesuch die momentane psychische Verfassung der Patientin berücksichtigen. Sie wird bedarfsweise mit zusätzlichen Punkten akupunktiert, die ihre Unruhe oder Schaflosigkeit mildern, zum Beispiel: Shen Ting (Du 24), An Mian (Ex dorsal von 3-Erw am Proc. mastoideus), Bai Hui (Du 20), Shen Men (He 7), Ohr Shen Men oder Si Shen Cong (Ex KH 1).
Beispiel einer Akupunkturbehandlung (mindestens 30 min) bei Nieren-Yang-Mangel mit Leber-Qi-Stagnation und Schlafstörungen: Ren 3, Ren 4, Ren 6, Mi 6, Ma 36, Ni 3, PC 6, Le 3, Di 4, Gb 34, Shen Ting (Du 24), An Mian (Extrapunkt), Si Shencong (Ex KH 1).
Immer an emotionale Unterstützung denken
Auch die emotionale Unterstützung der Patientinnen spielt eine zentrale Rolle in der Therapie. Denn sie leiden sehr häufig unter den sichtbaren Symptomen des PCOS wie Akne, maskulin geprägter Erscheinung oder Behaarung. Die psychische Belastung steigert sich bei unerfülltem Kinderwunsch mit jedem Zyklus. Häufig warten Betroffene bereits jahrelang auf eine regelmäßige Periode und/oder eine Schwangerschaft. Die daraus folgende angespannte bis depressive Grundstimmung kann sich auch auf die Compliance auswirken. Hier ist Feingefühl angesagt - und zugleich die klare Information, dass die Behandlung ein Jahr oder länger dauern kann. Viele meiner Patientinnen sind jung. Das Durchschnittsalter liegt bei 33 Jahren. Meiner Meinung nach begeben sich Frauen viel zu schnell in Kinderwunschzentren: Dies kann zusätzlichen Druck aufbauen.
Fazit: Mehr TCM bei gynäkologischen Problemstellungen wagen
Meist entscheiden sich PCOS-Patientinnen erst nach langwierigen, unbefriedigenden oder gescheiterten medikamentösen und hormonellen Therapien und jahrelangem Warten auf eine Schwangerschaft für eine deutlich schonendere TCM-Behandlung.
Im Sinne der Betroffenen wäre es eine große Bereicherung, die TCM in Kinderwunschzentren und gynäkologischen Praxen in das Therapieregime zu integrieren. Die daraus resultierenden Erfolge würden nicht nur die Akzeptanz der TCM in der westlichen Medizin erhöhen, sondern deren Potenzial neu beleuchten und die Übernahme entsprechender Leistungen durch die Krankenversicherung in den Raum stellen.
Die Therapie bei Kinderwunsch und gynäkologischen Erkrankungen gestaltet sich ebenso anspruchsvoll wie, im Fall eines Therapieerfolgs, befriedigend. Daher möchte ich alle Kollegen und Kolleginnen dazu ermutigen, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Autorin
Emilia Spajic
Heilpraktikerin, Master of Medicine (Univ. Cuangxi/China) und Doktorandin an der Universität Cuangxi Nanning/ China.
Literatur
[1] Zhou K, Zhang J, Xu L, Wu T, Lim CE. 2016 Chinesische Kräutermedizin für subfertile Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom Cochrane-Da-tenbank für systematische Übersichten, 10 (10), CD007535. doi: doi.org/10.1002/14651858.CD007535.pub3