Inhalt

Das Gewebe zwischen den Muskeln rückt zunehmend in den Fokus von Fachleuten. Die aktuelle Forschung zeigt die Bedeutung der Faszien für die Sportmedizin und die Entstehung von Rückenschmerzen
Hintergrund
In den letzten Jahren haben Faszien in der Medizin und Naturheilkunde erhebliche Aufmerksamkeit erlangt. Von der Steigerung athletischer Spitzenleistungen bis zum Straffen einer lästigen Cellulite wurden Faszien nicht nur im Fitness- und Wellness-Bereich, sondern auch darüber hinaus als neu entdeckte Schlüsselstruktur im menschlichen Körper angepriesen. Doch wie verhält es sich tatsächlich? Dieser Artikel soll eine nüchterne Einschätzung der wichtigsten Erkenntnisse der aktuellen Faszienforschung als mögliche nachhaltige Bereicherung der modernen Komplementärmedizin bieten.
Exemplarisch werden hierzu 3 Forschungsbereiche näher diskutiert: der mögliche Beitrag der menschlichen Thorakolumbalfaszie bei idiopathischen Rückenschmerzen, die Rolle von unterschiedlichen Hyaluronan-Bindungen in der faszialen Matrix bei Repetitive Strain Injuries sowie die zunehmende Anerkennung faszialer Einflussfaktoren in der Sportmedizin.
Die „Wiederentdeckung“ der Faszien zu Beginn des aktuellen Millenniums
Das fasziale Bindegewebe war bereits in der klassischen Medizin, z. B. bei anatomischen Präparationen, ein unübersehbares Gewebe. Lange Zeit räumte man diesem faserigen und scheinbar wenig strukturierten Gewebe jedoch in der klassischen Schulmedizin nur eine begrenzte Bedeutsamkeit ein. Meist wurde es in den anatomischen Präparationen fein säuberlich entfernt, um die davon umhüllten eigentlichen Strukturen besser zu analysieren. Natürlich gab es eine ganze Reihe von klugen Pionieren, die es besser wussten, wie z. B. Andrew T. Still (Begründer der Osteopathie), Elisabeth Dicke (Bindegewebsmassage) oder Ida Rolf (Rolfing-Methode). Doch deren Einsichten über eine wesentlich fundamentalere Bedeutung des angeblichen Hüllengewebes für die menschliche Gesundheit schafften es nicht in die Ausbildungslehrinhalte der meisten Mediziner.
Das änderte sich erst spürbar – aber dann recht rasant – mit der technologischen Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden. Diese ermöglichen eine quantifizierte Messung faszialer Parameter deutlich besser als der bis dahin von Osteopathen und Naturheilpraktikern vorwiegend praktizierte palpatorische Tastbefund. Dazu trug z. B. die moderne Ultraschall-Diagnostik bei, mit der heute bereits Dickenunterschiede von nur 0,1 mm bei Faszienmembranen erfasst werden können. Diese Entwicklung führte zu dem 1. internationalen Fascia Research Congress, der im Jahr 2007 im Konferenzzentrum der Harvard Medical School in Boston stattfand und der nicht nur in einer unmittelbar nachfolgenden Nature-Publikation ein besonders positives Echo auslöste [9], sondern auch in zahlreichen anderen Medien.
Zusammenfassung
Faszien waren lange Zeit ein wenig beachtetes Gewebe, bis um sie ein regelrechter Hype entstand. In der Forschung verdeutlicht sich ihre Bedeutung für die Gesundheit des Bewegungsapparates. So zeigt es sich, dass Faszien eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Beschwerden wie Rückenschmerzen oder bei Zerrverletzungen spielen. In der Sportmedizin ist der Blick auf die Faszien ein wichtiger Pfeiler bei der Verletzungsprophylaxe.
Das wurde wenig später von mehreren populären Fernsehsendungen sowie kurz danach von einem Großteil der – stets für einen neuen Trend offenen – Fitness- und Wellness-Szene dankbar aufgegriffen. Zu dieser Entwicklung trug unter anderem die Popularisierung der sogenannten Faszienrollen bei, die binnen weniger Jahre in einen Großteil aller Fitness-, Pilates- und Yogastudios einzogen. Diese enorme Popularisierung führte zu einer Vereinfachung bzw. Komplexitätsreduktion der von den Protagonisten entwickelten Narrative zu den Wirkungsmechanismen der vertretenen faszialen Therapien. Zu Recht wurde in Bezug auf diese intellektuelle Verflachung mancherorts nicht nur von einem neuen Trend, sondern sogar schon von einem Hype gesprochen.
Mittlerweile hat sich das Interesse der Fitness-Szene anderen Themen zugewandt, während eher konservative Institutionen und Gesellschaftsbereiche begonnen haben, sich für das Thema zu öffnen. Ein Beispiel dafür ist die Publikation zweier exzellenter anatomischer Atlanten zum menschlichen Fasziennetzwerk [20] [23] sowie die verstärkte Einbeziehung faszialer Inhalte in das Curriculum der Rückenschullehrer-Verbände.
Gut zwei Dutzend universitärer Forschungslabore weltweit haben sich zwischenzeitlich der Faszienforschung verschrieben und publizieren fast im wöchentlichen Rhythmus neue Studien und Einsichten über das ehemalige „Aschenputtel-Organ“, das kollagene faserige Bindegewebe. Letzteres wird hierbei meist mit dem seit dem Harvard-Kongress zunehmend gebräuchlichen funktionellen Faszienbegriff beschrieben („the fascial system“), der – inspiriert vom Tensegrity-Modell der Architektur – neben mehrdirektionalen derben Bindegewebsmembranen (den klassischen Faszien der Terminologia Anatomica) auch Bänder, Sehnen, Sehnenplatten, intramuskuläre Bindegewebe, Gelenk- und Organkapseln sowie lockere Bindegewebe und meningeale Strukturen einbezieht [2].
Im Folgenden werden exemplarisch 3 einzelne Bereiche dieser neuen Forschungsbeiträge vorgestellt. Für einen umfassenderen Überblick wird auf die neue Auflage des Lehrbuches „Fascia – The Tensional Network of the Human Body“ verwiesen [18].
Faszien als Quelle von idiopathischen Rückenschmerzen
Laut einer neuen Publikation des Biomechanik-Departments der McGill University trägt die Struktur der menschlichen Thorakolumbalfaszie (TLF) zu einem wesentlich höheren Ausmaß zur Stabilität der Lendenwirbelsäule bei, als dies bei der hochdosierten Aktivierung der paraspinalen Muskulatur oder bei einer optimalen Erhöhung des von ventral stützenden Intraabdominaldrucks der Fall ist [6]. Dieses Ergebnis war für zahlreiche Vertreter der klassischen muskuloskelettalen Medizin überraschend, hatte sich jedoch für Kenner schon in den bekannteren Beiträgen zur „Flexion Relaxation“ angedeutet, welche beschreibt, wie bei rückenschmerzfreien Patienten bei einer vorbeugenden lumbalen Flexion die Rückenstrecker ab einem Winkel von 200–300° in eine passive Entspannung übergehen, während die paraspinalen faszialen Gewebe zunehmend eine Haltefunktion übernehmen. Bei den meisten Rückenschmerzpatienten ist die graduelle Funktionsübertragung der Haltearbeit zwischen Muskulatur und Faszien hingegen bei dieser vorbeugenden Bewegung gestört [8].
Interessanterweise konnte eine umfangreiche Studie von Helene Langevin zeigen, wie die TLF auf Höhe von L2/L3 bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine deutlich andere Morphologie und Funktionalität als bei Gesunden aufweist. Diese Faszie weist im Kontakt mit der darunter liegenden Muskulatur nicht nur eine verringerte Scherbeweglichkeit (bzw. vermehrte Adhärenz) als bei Gesunden auf, sondern erscheint auch überwiegend deutlich verdickt und mit weniger kontrastreichen oder „ausgefransten“ Rändern [10]. Eine neuere Studie unserer Arbeitsgruppe konnte eine ähnliche Adhärenzvermehrung („Verklebung“?) der TLF von Rückenschmerzpatienten auch am lateralen Übergang zum Latissimus-dorsi-Muskel dokumentieren [4].
Wie eine weitere Studie von Helene Langevin an Schweinen zeigte, kann eine solche Adhärenzzunahme sowohl durch eine Verletzung der TLF als auch durch chronischen Bewegungsmangel derselben ausgelöst werden [3]. In beiden Fällen könnte dies jedoch zu einer veränderten propriozeptiven Mechanosensitivität führen, die wiederum über die Wide-Dynamic-Range-Neurone im Rückenmark eine vermehrte nozizeptive Empfindsamkeit im selben Innervationssegment verursachen könnte [11].
Zusätzlich konnten die Arbeitsgruppen um Siegfried Mense und Andreas Schilder an der Universität Mannheim zeigen, wie eine chemische oder elektrische Reizung der TLF zu wesentlich stärkeren und nachhaltigeren Schmerzempfindungen führt als die der Rückenmuskeln. Der fasziale Rückenschmerz wird – gegenüber einem primär muskulären – nach diesen Untersuchungen typischerweise als brennend, pochend und stechend sowie mit einer höheren affektiven Komponente beschrieben [17].
Der fasziale Rückenschmerz wird – gegenüber einem primär muskulären – nach diesen Untersuchungen typischerweise als brennend, pochend und stechend sowie mit einer höheren affektiven Komponente beschrieben.
Aktuell ist noch keine allgemein verfügbare Untersuchungsmethode bekannt, mit der ein primär faszialer Rückenschmerz eindeutig diagnostiziert werden kann. Bei einer weiteren rapide fortschreitenden Entwicklungsdynamik auf diesem Feld wäre es jedoch nicht überraschend, wenn dies bereits in wenigen Jahren der Fall ist. Erste MRT-Studien zu diesem Thema [1] sowie auch die Verwendung der Elastografie [5] dürften hier vermutlich eine wegbereitende Rolle spielen.
Die Rolle von Hyaluronan in der extrazellulären Matrix
Dass Faszien zu ca. ⅔ aus Wasser bestehen, hatten bereits Pischinger und Heine umfangreich betont und darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Verbindungsarten des Wassers mit den Proteoglykanen der Grundsubstanz einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit haben dürften [15]. Hier spielt das Glucosaminoglykan Hyaluronan mit seiner enormen Wasserbindungsfähigkeit (bis zum 100-Fachen seines Eigengewichts) eine wesentliche Rolle. Wie eine Studie der Universität Padua offenbarte, die eine hoch entwickelte Methode moderner Histochemie anwandte, befindet sich umso mehr Hyaluronan in einer Faszie, je mehr diese mit regelmäßigen Scherbewegungen im Alltag stimuliert wird [7]. In einem neutralen pH-Milieu wirkt diese Substanz wohl wie ein Schmiermittel, das die Geschmeidigkeit einer Bewegung förderlich beeinflusst. In einer proentzündlichen und/oder sauren Umgebung verändert sich jedoch ihre Bindungsform in einen hochmolekularen Zustand, der mit einer verringerten Wasserbindung sowie einem vermehrt viskösen Verhalten und höherem Reibungswiderstand verbunden ist [16].
Eine solche Veränderung der Grundsubstanz mit einem eher zähflüssigen Hyaluronan scheint offenbar bei Repetitive Strain Injuries wie einem Tennisellenbogen oft eine wichtige Rolle zu spielen. Jedenfalls legen dies moderne Ultraschallstudien nahe, bei denen man diese Pathologien vom Erscheinungsbild eindeutig von fibrotischen Pathologien (wie bei Morbus Dupuytren oder Frozen Shoulder) abgrenzen kann [21].
Viel Aufsehen hat hierzu die Entdeckung eines neuen ortsständigen Zelltyps in faszialen Geweben ausgelöst. Die von Carla Stecco und ihrem Team an der Universität Padua entdeckten rundlichen Zellen, denen sie den neuen Namen „Fasciazyten“ verliehen, finden sich vermehrt an Übergängen zwischen lockeren und festen faszialen Geweben und scheinen auf die Produktion von Hyaluronan spezialisiert zu sein [22].
Interessanterweise neigen sie bei Stimulation ihrer Endocannabinoid-Rezeptoren zu einer deutlich vermehrten Expression von Hyaluronan. Wie eine Studie von Antonio Stecco zeigen konnte, kann man die zunehmend visköse Bindungsform des Hyaluronan bei Repetitive Strain Injuries mit der T1-rho-MRI-Bildgebungsdiagnostik deutlich dokumentieren [12]. Ebenso konnte er mit dieser neuen Diagnostik zeigen, wie eine mehrminütige kräftige manuelle Mobilisationsbehandlung diese jetzt mit dem neuen Fachbegriff „Densifizierung“ gekennzeichnete Verdichtung der Grundsubstanz teilweise wieder rückgängig machen konnte. Nach einem neuen Modell, das erstmals von Antonio Stecco auf dem Fascia Research Congress 2022 vorgestellt wurde, entstehen viele fibrotische Pathologien als eine zeitlich nachgeschaltete Weiterentwicklung einer zuvor bestehenden Densifizierung an derselben Stelle [19]. Ob dies in der Mehrheit der Fälle oder nur gelegentlich der Fall ist, dürfte vermutlich erst in weiteren Studien geklärt werden.
Faszien in der Sportmedizin
Der deutsche Sportwissenschaftler Jan Wilke konnte bereits 2015 zeigen, dass ein Teil der von dem amerikanischen Bestseller-Autor Thomas Myers propagierten myofaszialen Zugspannungsketten in der Tat eine evidenzbasierte anatomische Basis hat, während dies bei anderen Aspekten dieses weitverbreiteten hypothetischen Models nicht der Fall ist. Beispielsweise hat die oberflächliche Rückenlinie – welche von der Plantarfaszie bis zur Galea aponeurotica reicht – eine besonders hohe Evidenz, während sich eine Bestätigung der Spirallinie aus anatomischer Sicht nur für den Bereich oberhalb des Beckenkamms (und nicht unterhalb davon) finden lässt [24].
Aufbauend darauf konnte die Gruppe um Jan Wilke in mehreren exzellent gemachten Studien den Einfluss von faszialen Steifigkeitsveränderungen an der Beinrückenseite auf den ganzen rückseitigen Rumpfbereich in vivo dokumentieren. Zusätzlich gelang es Jan Wilke in einer aufsehenerregenden systematischen Überblicksarbeit zu zeigen, dass es sich bei myofaszialen Zerrverletzungen im Sport (strain injuries) nur in einer Minderheit von 12,7 % der Fälle genau betrachtet um Verletzungen von Muskelfasern handelt, während bei der überwiegenden Mehrheit die Verletzung im intramuskulären oder tendinösen Bindegewebe stattfindet, auch wenn zuvor die offizielle sportärztliche Diagnose „Muskelfaserriss“ oder „Muskelfaserbündelriss“ lautete [25].
Ultraschallgestützte Studien derselben Arbeitsgruppe untersuchten fasziale Veränderungen beim sogenannten Muskelkater (Delayed Onset Muscle Soreness). Es gelang ihnen zu dokumentieren, dass dieser mit einer Verdickung sowie Steifigkeitserhöhung in der faszialen Muskelhülle (Epimysium) der betroffenen Muskelgewebe einhergeht [26]. Möglicherweise etwas verfrüht haben bereits etliche Sporttherapeuten daher begonnen, den Begriff „Faszienkater“ als Zusatzbezeichnung für Delayed Onset Muscle Soreness einzuführen.
Zu diesem – für zahlreiche Experten überraschenden – neuen Befund passt sehr gut die ergänzende Forschungsarbeit der Gruppe um Adamantios Arampatzis, die zeigen konnte, dass die große Verletzungshäufigkeit jugendlicher Spitzensportler zumindest teilweise damit zusammenhängt, dass bei diesen Personen die Zunahme der Sehnenfestigkeit weitaus weniger an die zeitgleich stattfindende Zunahme an Muskelkraft im Laufe mehrere Monate angepasst ist, als dies bei gleichaltrigen Jugendlichen der Fall ist, die weniger sportlich aktiv sind.
Daraufhin wurde von dieser Gruppe ein systematisches Training zur Steigerung der Kollagensynthese in den Sehnen entwickelt, das sich ganz spezifisch von den üblichen Belastungsdosierungen und Intervallen beim Muskelkräftigungstraining unterscheidet. Damit wurde auch das noch zu Anfang des Millenniums von zahlreichen Sportwissenschaftlern propagierte plausible Argument entkräftet, dass Faszien und Muskeln eine untrennbare funktionelle Einheit bilden und dass daher ein spezifisches Faszien- oder Sehnentraining ein nicht nur unnützes, sondern auch unmögliches Unterfangen seien. Offenbar hat die mechanoadaptive Anpassungseigenschaft beider Gewebe sowohl andere Schwellenwerte für eine ausreichende Wachstumsförderung als auch eine andere Anpassungsdynamik bezüglich der Frage, welche Wiederholungszahlen pro Einzelbelastung die optimale Anregungswirkung zeigen.
Wie diese Berliner Gruppe um Arampatzis zeigte, kann eine gezielte Ultraschalldiagnostik eingesetzt werden, um zu erkennen, welche Sportler besonders verletzungsgefährdet sind, weil deren kollagenes Sehnengewebe ihrer maximalen Muskelkontraktionskraft nicht mehr in allen Fällen standhalten kann. Bei einer isometrischen Knie-Extension bei einem um 90° gebeugtem Knie sollte sich die Patellarsehne beispielsweise – so haben moderne Ultraschallmessungen ergeben – bei maximaler Quadrizepskontraktion optimalerweise um 4,5–9 % dehnen. Liegt der Wert unter 4,5 % der entspannten Ausgangslänge, deutet das auf eine Schwäche der lokalen Muskulatur hin, die es wert ist, adressiert zu werden. Häufig findet sich jedoch bei heranwachsenden Leistungssportlern eine maximale Verlängerung der Patellarsehne von mehr als 9 %. Dies geht statistisch mit einer vermehrten Verletzungsanfälligkeit einher und sollte als Anlass genutzt werden, um die von dieser Arbeitsgruppe in mehrjähriger Forschungsarbeit entwickelte „Berliner Methode“ eines Sehnentrainings 3-mal pro Woche über jeweils nur wenige Minuten zu absolvieren.
Erste Anwendungsstudien des hierfür empfohlenen ultraschallbasierten Diagnostik- und Trainingssystems zeigten, dass damit sowohl bei Handballern als auch bei Basketball- und Volleyball-Spielern die Verletzungswahrscheinlichkeit deutlich reduziert werden konnte [13] [14].
Fazit
Der Hype um die Faszien ist übergegangen in eine zunehmend nüchternere und nachhaltigere Erforschung des körperweiten faserigen Bindegewebsnetzwerks und dessen Einfluss auf die menschliche Gesundheit. Unterstützt von neuen Untersuchungsmethoden haben zahlreiche wissenschaftliche Teams die Erforschung auf diesem lange vernachlässigten Gebiet nachhaltig vorangetrieben und neue Einblicke in die Rolle der Faszien bei verschiedenen Gesundheitsproblemen eröffnet.
Die Werke von Experten wie Helene Langevin, Carla Stecco, Jan Wilke und Adamantios Arampatzis haben das Verständnis der Faszienanatomie und -funktion vertieft.
Faszien spielen offenbar eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Beschwerden wie Rückenschmerzen, Repetitive Strain Injuries und bei der Verletzungsprophylaxe in der Sportmedizin.
Das Verständnis der strukturellen und funktionellen Eigenschaften des Fasziengewebes ist für die Entwicklung evidenzbasierter komplementärmedizinischer Interventionen, die auf die Gesundheit der Faszien abzielen und zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen, von wesentlicher Bedeutung. Weitere Forschungen auf diesem Gebiet sind gerechtfertigt, um unser Verständnis der Faszien und ihrer Bedeutung für die Naturheilkunde zu vertiefen.
Autor
Dr. Robert Schleip
Humanbiologe und Diplom-Psychologe
Seine experimentellen Arbeiten zur aktiven Faszienkontraktitlität wurden mit dem Vladimir Janda Preis für Muskuloskeletale Medizin ausgezeichnet.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
- Adamietz B, Schönberg SO, Reiser M. et al Visualisierung des Epimysiums und der Fascia thoracolumbalis an der Lendenwirbelsäule mittels MRT. Der Radiologe 2021; 61: 49-53 DOI: 10.1007/s00117-021-00849-9.
- Adstrum S, Gil Hedley G, Schleip R. et al Defining the fascial system. J Bodyw Mov Ther 2017; 21 (01) 173-177 DOI: 10.1016/j.jbmt.2016.11.003.
- Bishop JH, Fox JR, Maple R. et al Ultrasound evaluation of the combined effects of thoracolumbar fascia Injury and movement restriction in a porcine model. PLoS One 2016; 11 (01) e0147393 DOI: 10.1371/journal.pone.0147393.
- Brandl A, Wilkner J, Egner C. et al Thoracolumbar fascia deformation during deadlifting and trunk extension in individuals with and without back pain. Front Med 2023; 10: 1177146 DOI: 10.3389/fmed.2023.1177146.
- Chen B, Zhao H, Liao L. et al Reliability of shear-wave elastography in assessing thoracolumbar fascia elasticity in healthy male. Sci Rep 2020; 10 (01) 19952 DOI: 10.1038/s41598-020-77123-w..
- Bojairami IE, Driscoll M. Coordination between trunk muscles, thoracolumbar fascia, and intra-abdominal pressure toward static spine stability. Spine (Phila Pa 1976) 2022; 47 (09) E423-E431 DOI: 10.1097/BRS.0000000000004223.
- Fede C, Angelini A, Stern R. et al Quantification of hyaluronan in human fasciae: Variations with function and anatomical site. J Anat 2018; 233 (04) 552-556 DOI: 10.1111/joa.12866.
- Gouteron A, Tabard-Fougère A, Bourredjem A. et al The flexion relaxation phenomenon in nonspecific chronic low back pain: Prevalence, reproducibility and flexion-extension ratios. A systematic review and meta-analysis. Eur Spine J 2022; 31 (01) 136-151 DOI: 10.1007/s00586-021-06992-0.
- Grimm D. Cell Biology Meets Rolfing. Science 2007; 318 5854 1234-1235 DOI: 10.1126/science.318.5854.1234.
- Langevin HM, Fox JR, Koptiuch C.. et al Reduced thoracolumbar fascia shear strain in human chronic low back pain. BMC Musculoskelet Disord 2011; 12: 203 DOI: 10.1186/1471-2474-12-203.
- Locher H, Beyer L. Manual medicine, manual therapy. Manuelle Medizin 2021; 59: 254-266 DOI: 10.1007/s00337-021-00817-3.
- Menon RG, Oswald SF, Raghavan P. et al T1ρ-Mapping for musculoskeletal pain diagnosis: Case series of variation of water bound glycosaminoglycans quantification before and after Fascial Manipulation® in subjects with elbow pain. Int J Environ Res Public Health 2020; 17 (03) 708 DOI: 10.3390/ijerph17030708.
- Mersmann F, Domroes T, Pentidis N. et al Prevention of strain-induced impairments of patellar tendon micromorphology in adolescent athletes. Scand J Med Sci Sports 2021; 31: 1708-1718 DOI: 10.1111/sms.13979.
- Mersmann F, Laube G, Marzilger R. et al A functional high-load exercise intervention for the patellar tendon reduces tendon pain prevalence during a competitive season in adolescent handball players. Front Physiol 2021; 12: 626225 DOI: 10.3389/fphys.2021.626225.
- Pischinger A, Heine H. Das System der Grundregulation. 13. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2021
- Pratt RL. Hyaluronan and the fascial frontier. Int J Mol Sci 2021; 22: 6845 DOI: 10.3390/ijms221368410.3390/ijms22136845.
- Schilder A, Hoheisel U, Magerl W. et al Sensory findings after stimulation of the thoracolumbar fascia with hypertonic saline suggest its contribution to low back pain. Pain 2014; 155 (02) 222-231 DOI: 10.1016/j.pain.2013.09.025.
- Schleip R, Stecco C, Driscoll M, Huijing P. Hrsg Fascia – the tensional network of the human body. 2. Aufl. München: Elsevier; 2022
- Stecco A, Cowman M, Pirri N. et al Densification: Hyaluronan aggregation in different human organs. Bioengineering 2022; 09 (04) 159 DOI: 10.3390/bioengineering9040159.
- Stecco C. Functional atlas of the human fascial system. London: Churchill Livingston; 2015
- Stecco C, Stern R, Porzionato A. et al Hyaluronan within fascia in the etiology of myofascial pain. Surg Radiol Anat 2011; 33 (10) 891-896 DOI: 10.1007/s00276-011-0876-9.
- Stecco C, Fede C, Macchi V. et al The fasciacytes: A new cell devoted to fascial gliding regulation. Clin Anat 2018; 31 (05) 667-676 DOI: 10.1002/ca.23072.
- Steinke H. Atlas of human fascial topography. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag; 2018
- Wilke J, Krause F, Vogt L. et al What is evidence-based about myofascial chains: A systematic review. Arch Phys Med Rehabil 2016; 97 (03) 454-461 DOI: 10.1016/j.apmr.2015.07.023.
- Wilke J, Hespanhol L, Behrens M. Is it all about the fascia? A systematic review and meta-analysis of the prevalence of extramuscular connective tissue lesions in muscle strain injury. Orthop J Sports Med 2019; 07 (12) 2325967119888500 DOI: 10.1177/2325967119888500.
- Wilke J, Behringer M. Is „delayed onset muscle soreness“ a false friend? The potential implication of the fascial connective tissue in post-exercise discomfort. Int J Mol Sci 2021; 22 (17) 9482 DOI: 10.3390/ijms22179482.