Alzheimer-KrankheitDemenz vorbeugen und behandeln: Rolle der Ernährung

Noch immer gibt es keine effektive Therapie, um eine manifeste Demenz zu behandeln. Auf der Suche nach einem wirksamen Heilmittel geraten die Ernährung sowie ein gesunder Lebensstil zunehmend in den Fokus und geben Grund zur Hoffnung.

Inhalt
Holzpuppe hält sich die Hand an den Kopf.
K. Oborny/Thieme

Demenzielle Erkrankungen sind die vermutlich größte gesundheitliche Herausforderung, die durch das demografische Älterwerden der Bevölkerung in den industrialisierten Nationen entsteht. Bislang gibt es keine erfolgreichen medikamentösen Ansätze zur Prävention und Therapie der Demenz, vor allem nicht der Alzheimer-Demenz. Alle bisher zugelassenen Medikamente zeigen sehr schwache und letztlich nicht klinisch relevante Wirkungen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es immer schwierig bleiben, eine bereits manifeste Demenz zu behandeln, während sich für die Prävention die stärksten Optionen ergeben.

Denn: Eine Demenz ist auch bis ins höchste Alter keine zwingende Folge des Alterungsprozesses. Entgegen früheren Hypothesen bleiben über 95 % der Gehirnzellen bis ins höchste Lebensalter funktionell intakt. Bei Studien zu den sogenannten „Super-Centenarians“ (Menschen im Alter von 100 bis 110 und darüber) wie in den Blue Zones wird deutlich, dass mentale und kognitive Gesundheit einen integralen Bestandteil des gesunden Alterns („healthy aging“) darstellt.

Grundsätzlich sind die wissenschaftlich anerkannten präventiven Maßnahmen zur Risikoabsenkung kardiovaskulärer Erkrankungen auch in der Prävention der Alzheimer-Demenz wirksam, zumindest partiell. So ist ein erhöhtes LDL-Cholesterin mit einem eindeutigen Alzheimer-Risiko verbunden und eine diätetische oder medikamentöse Absenkung erwirkt Vorteile. Entsprechend reduzierte auch eine Absenkung erhöhter Blutdruckwerte in einigen Blutdruckstudien das Auftreten einer später auftretenden beginnenden kognitiven Einschränkung.

Bezüglich der Ernährung zeigen zahlreiche epidemiologische Studien, dass traditionelle und pflanzenbetonte Ernährungsformen mit einem reduzierten Alzheimer-Risiko verbunden sind [5]. Global gesehen findet sich, unter Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren, die niedrigste Alzheimer-Erkrankungsrate im ländlichen Indien, wo die Bevölkerung sich überwiegend lakto-vegetarisch ernährt und reichlich Hülsenfrüchte, Gemüse, Grünblättriges, Vollkorngetreide, Obst und damit sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe verzehrt.

Heidelbeeren und andere Beeren

Unter den Nährstoffen scheinen auf Basis epidemiologischer Untersuchungen einzelne Mikronährstoffgruppen besonders relevant zu sein: In Kohortenstudien zeigte sich, dass der Verzehr von in Blaubeeren sowie anderen dunklen Beeren und Obst enthaltenen Anthozyanen mit einer niedrigen Alzheimer-Rate verbunden ist [3]. Auch in vitro zeigen Anthozyane eine Schutzwirkung auf Nervenzellen im Alzheimer-Modell. In ersten kleineren klinischen Studien konnte eine positive Wirkung von Wild-Blaubeeren/-Heidelbeeren bzw. von entsprechenden Extrakten auf die kognitive Funktion bestätigt werden. Zu beachten ist, dass die Studien jeweils mit Wild-Heidelbeeren durchgeführt wurden. Diese haben im Vergleich zu den meist bei uns angebotenen Kulturheidelbeeren einen 7–10-fach höheren Anthocyan-Gehalt. Andere Studien fanden auch Evidenz für schwarze Johannisbeeren, Brombeeren sowie Erdbeeren, wenngleich auch sich hierbei die Studienlage in geringerer Quantität und Qualität darstellt als in Bezug auf Heidelbeeren.

Fette

Komplex ist die Wirkung von Fetten und den verschiedenen Fettsäuren auf die kognitive Hirnfunktion. So ist die ketogene Ernährung bei kindlicher und jugendlicher therapieresistenter Epilepsie mit positiven Wirkungen belegt. Demgegenüber zeigen klinisch-experimentelle Studien, dass bereits eine einzelne fettreiche, ketogene Mahlzeit (mit viel gesättigten Fetten) Stunden später zu einer reduzierten kognitiven Funktion führen kann. Es wird hypothetisiert, dass gesättigte Fette zu inflammatorischen Wirkungen im Gehirn führen. Zudem zeigten kürzlich experimentelle Studien, dass eine ketogene Ernährung mit stärkerer Zellalterung verbunden ist. Während eine extrem fettreiche Ernährung damit nicht zu empfehlen ist, finden sich einige epidemiologische Studien, die sowohl für Omega-3-Fettsäuren als auch für den Verzehr von Nüssen sowie für die einfach ungesättigten Fettsäuren in Nüssen und Olivenöl Vorteile für den Erhalt der kognitiven Leistung und das Risiko einer Demenz dokumentierten [8] [12].

Die bislang größte epidemiologische Studie zum Thema Olivenöl und Demenz untersuchte 92 383 Teilnehmer (65 % Frauen) mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren bei Studienbeginn. Während der Nachbeobachtungszeit von 28 Jahren traten 4751 demenzbedingte Todesfälle auf. Wie schon in zahlreichen Studien zuvor zeigte sich, dass Personen, die homozygot für das Apolipoprotein-ε4(APOE ε4)-Allel waren, ein deutlich erhöhtes Risiko hatten, an Demenz zu erkranken und zu sterben. Insgesamt aber zeigte sich eine signifikante Schutzwirkung durch den Verzehr von Olivenöl. Die Zufuhr von mindestens 7 g Olivenöl pro Tag war mit einem bis zu 28 % geringeren Risiko für demenzbedingte Todesfälle verbunden [12].

Gewürze

Ebenso gibt es Belege, dass einzelne Gewürze die kognitive Funktion günstig beeinflussen können. Für Rosmarin zeigte sich in kleineren Studien eine solche Wirkung, sowohl in Form der Aromatherapie als auch beim Verzehr kleiner bis mittlerer Portionen (1–2 Teelöffel Rosmarin am Tag). Auch für Salbei und Zitronenmelisse fanden sich in kleinen Studien Hinweise auf eine Verbesserung der kognitiven Funktion. Ob dies am Ende auch das Alzheimer-Risiko senkt, kann aber aus diesen kleineren Untersuchungen nicht abgeleitet werden. Eine bessere Studienlage ergibt sich für Kurkuma. Hier haben aber die bisher durchgeführten randomisierten Studien keine klinische Wirksamkeit ergeben.

Safran

Das bestuntersuchte Gewürz im Bereich der Alzheimer-Forschung ist Safran. Hier fanden insgesamt 4 randomisierte Studien einen günstigen Effekt der Einnahme bzw. des Verzehrs von Safran auf die kognitive Funktion [1]. Die Dosierungen variierten deutlich, allerdings besteht ein grundsätzliches Interesse, eine niedrige Dosis einzunehmen, da Safran das teuerste Gewürz der Welt ist. Einschränkend muss gesagt werden, dass alle 4 Studien aus dem Iran stammen. Hier besteht also ein ökonomischer Interessenkonflikt, denn der Iran ist der Hauptproduzent von Safran weltweit.

Grünblättriges Gemüse

Unter den weiteren spezifischen Nahrungsmitten fällt in der wissenschaftlichen Übersicht Grünblättriges wie Salat, Spinat, Mangold, Grünkohl auf. Grünblättriges ist eine der Hauptquellen für Folsäure. Es gibt vor allem epidemiologische Evidenz, die zeigt, dass die reichliche Aufnahme von Folsäure durch die Ernährung zu einer Absenkung von erhöhtem Homocystein im Blut führt und dies konsekutiv das Demenzrisiko senkt. Homocystein kann auch durch eine Reduktion der Aufnahme der Aminosäure Methionin abgesenkt werden. Methionin findet sich vor allem in Eiern, Wurst und Fleisch. Daher ist eine pflanzenbasierte Ernährung mit viel grünblättrigem Gemüse vermutlich mit besonderen Vorteilen verbunden. Allerdings ist es bei allen veganen und pflanzenbetonten Ernährungsformen notwendig, auf eine ausreichende Vitamin-B12-Zufuhr zu achten, da es sonst zu einem konträren Homocystein-Anstieg kommen kann und Vitamin-B12-Mangel ein grundsätzlicher Risikofaktor für eine Demenz darstellt.

Grundsätzlich ist der reichliche Verzehr von Gemüse und Obst mit einem reduzierten Alzheimer-Risiko assoziiert. Besonders aussagekräftig sind vorliegende Daten aus Registerstudien mit Zwillingen, da hier die genetischen Risikoanteile nicht ins Gewicht fallen. Aktuelle Metaanalysen der publizierten epidemiologischen Studien errechneten, dass jede Portion von 100 g zusätzlichem Obst oder Gemüse pro Tag mit einer 13 %igen Reduktion des Risikos für kognitive Beeinträchtigung oder Demenz assoziiert ist.

Kreuzblütler

Einige epidemiologische Studien ergaben Hinweise, dass der Verzehr von Kreuzblütlern, also von Gemüsesorten wie Brokkoli, Kohl, Rosenkohl, Blumenkohl, Rucola oder Grünkohl, mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden ist.

Kaffee und Tee

Experimentelle wie epidemiologische Studien fanden deutliche Hinweise darauf, dass das regelmäßige Trinken sowohl von Kaffee als auch von grünem Tee mit einer Schutzwirkung auf die Demenz verbunden ist. Bei grünem Tee gilt das darin enthaltene Epigallocatechingallat (EGCG) als Hauptwirkstoff, bei Kaffee hingegen steht die Gesamtwirkung des Extraktes mit seinen zahlreichen Kaffeesäuren, des Koffeins und weiteren sekundären Pflanzenstoffen im Vordergrund.

Komplexe Ernährungsformen

Einzelne Nährstoffe oder spezifische Nahrungsmittel spiegeln nicht die komplexe Wirksamkeit dessen wider, was im vielschichtigen Ernährungsalltag mit seinen individuellen Verdauungs- und Stoffwechselprozessen, dem Mikrobiom mit prä- und postbiotischen Wechselwirkungen und der Interaktion mit dem übrigen Lebensstil stattfindet. Daher ist es medizinisch von herausgehobener Bedeutung, die Wirksamkeit von komplexen Ernährungsformen auf das Risiko, an Demenz zu erkranken, und/oder die Wirkung auf die kognitive Funktion und beginnende demenzielle Prozesse in der Bildgebung zu evaluieren. Erste Studien wurden dazu in den letzten Jahren veröffentlicht.

Die Finger-Studie

Eine erste große randomisierte Studie, die eine komplexe Ernährungstherapie auf der Basis einer „gesunden“ Ernährung in Kombination mit einem Lebensstilprogramm untersuchte, war die aus Finnland stammende „Finger-Studie“ (Finish geriatric intervention study to prevent cognitive impairment and disability). Sie wurde 2015 publiziert [7]. Mehr als 1000 Frauen und Männer im Alter zwischen 60 und 80 Jahren wurden zu diesem Lebensstilprogramm oder einer Kontrollgruppe ohne Intervention randomisiert.

Nach 2 Jahren war die Kognition in der Gruppe mit dem Ernährungs- und Lebensstilprogramm statistisch signifikant besser, der Effekt an sich war allerdings nicht sehr ausgeprägt. Einschränkend ist auch zu kommentieren, dass die Finger-Studie in ihrer Ernährungsberatung nicht sehr weit ging. Die Empfehlung bestand darin, 4 Portionen Gemüse oder Obst täglich zu essen und Low-Fat-Milchprodukte sowie mageres Fleisch zu bevorzugen. Das ist sicherlich keine umfassend gesunde Ernährungstherapie, hier ergibt sich Raum für Verbesserung.

Mediterrane Ernährung und die MIND-Diät

Die mediterrane Diät hat sich inzwischen in der Kardiologie und Diabetologie auf Basis umfangreicher epidemiologischer Evidenz sowie Daten aus randomisierten Untersuchungen wie der PREDIMED-Studie als „State of the Art“ durchgesetzt. Inzwischen konnten epidemiologische Studien auch einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr einer mediterranen Ernährung und der Absenkung des Risikos für Demenz feststellen, allerdings waren auch hier wieder die absoluten Effekte nicht sehr ausgeprägt. In einer Metaanalyse der publizierten, eher kleineren randomisierten Studien bestätigte sich der Vorteil für die mediterrane Ernährung, wobei die wichtigsten Komponenten der reichliche Verzehr von Gemüse sowie das Verhältnis von ungesättigten zu gesättigten Fettsäuren waren [5].

Auf Basis der bestehenden Evidenz zur mediterranen Ernährung und der sogenannten DASH-Ernährung (DASH – Dietary Approaches to Stop Hypertension) in der Kardiologie und Hypertensiologie wurde vor einigen Jahren eine Best-Practice-Ernährung zur möglichen Prävention der Demenz an der Universität Chicago entwickelt, die MIND-Diät.

Die MIND-Diät ist diätetisch intensiver konzipiert als die Finger-Diät. Der Verzehr von Bohnen und Nüssen wird betont, mindestens 6-mal pro Woche soll grünblättriges Gemüse gegessen werden. Beim Obst stehen Beeren im Vordergrund. Zudem sollen Frittiertes und Fastfood reduziert werden. Die MIND-Diät fand große Akzeptanz in der amerikanischen Medizin. Überraschend enttäuschend waren dann aber die Ergebnisse einer großen randomisierten Studie, die die Wirksamkeit des MIND-Konzeptes auf Kognition und Bildgebung untersuchte.

In diese Studie wurden ältere Erwachsene ohne kognitive Beeinträchtigung, aber mit Demenz in der Familienanamnese und einem Body-Mass-Index > 25 und bisher suboptimaler Ernährung eingeschlossen. Eine Gruppe der insgesamt 600 Teilnehmer sollte dann der MIND-Diät folgen, die Kontrollgruppe sollte qualitativ wie gewohnt essen, allerdings wurde bei beiden Gruppen in der Studienberatung auf eine kalorische Restriktion gesetzt. Die Ergebnisse der Studie waren schwer zu interpretieren. Das Durchschnittsalter beider Gruppen lag bei 70 Jahren und Übergewicht/Adipositas war in beiden Gruppen hoch prävalent. Die MIND-Diät wurde einigermaßen gut umgesetzt. Die Teilnehmer der Interventionsgruppe aßen mehr Gemüse und Obst als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Beide Gruppen führten die Kalorienrestriktion erfolgreich durch, es kam es zu einem Gewichtsverlust von 5 kg. Zu den Messzeitpunkten nach 12, 24 und 36 Monaten verbesserte sich in beiden Gruppen die kognitive Funktion etwas, in den Hirn-MRT-Scans gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen [1]. Offenbar war die Wirksamkeit der MIND-Diät nicht stark genug, um über den Effekt der Gewichtsreduktion hinauszukommen.

Pflanzliche Ernährung und das Ornish-Programm

Eine beeindruckende, im Juni 2024 publizierte Studie gibt neue Hoffnung für die Prävention und Frühtherapie der Alzheimer-Demenz [9]. Dean Ornish, ein Pionier der Lebensstilmedizin, hatte bereits vor vielen Jahren zeigen können, dass mit seinem Programm aus vollwertiger, pflanzlicher, fettarmer Ernährung, täglichem Walking und Meditation Verengungen an den Herzkranzgefäßen zurückgehen können und auch bei fortgeschrittenem Prostatakrebs eine Rückbildung des Tumors möglich ist.

Die Ernährung muss entscheidend verändert werden, um einen positiven Effekt in Bezug auf die kognitive Funktion und das Demenzrisiko zu erzielen.

Nun haben Ornish und Team in einer kleinen Studie 51 Patienten, die an beginnender Demenz litten, in 2 Gruppen aufgeteilt. Die eine Hälfte befolgte sein Lebensstilprogramm, die andere Gruppe sollte ihren Lebensstil wie bisher fortführen. Die Studie wurde auf 5 Monate begrenzt, um der Wartegruppe danach auch das Programm anbieten zu können und damit zu verhindern, dass diese Teilnehmer die Studie aus Enttäuschung über die Zulosung zur Kontrollgruppe verlassen oder eigenmächtig ihre Ernährung und ihren Lebensstil verändern. Nach den 5 Studienmonaten zeigte sich bereits eine deutliche Verbesserung der Gehirnfunktion, erfasst durch Testbatterien in der Interventionsgruppe.

Zwei Schlussfolgerungen sind aus der Evidenz zu dem komplexen Ernährungsprogramm zu ziehen: Das Programm von Ornish ist streng, er plädiert nicht für „ein bisschen“ Ernährungstherapie oder eine „ausgewogene“ Ernährung, sondern geht davon aus, dass die Ernährung entscheidend verändert werden muss. Offenbar hat er, wie schon bei Herzkrankheiten und Prostatakrebs, damit recht. Wenn man mithilfe der Ernährung Effekte auf die Demenz erzielen möchte, sind vermutlich umfassende Ernährungsmodifikationen notwendig.

Ein weiterer Aspekt der Ornish-Studie ist bei der Interpretation zu beachten. So wurden in der Interventionsgruppe zusätzlich Nahrungsergänzungen eingesetzt: Kurkuma, Omega-3- Fettsäuren aus Algen, Vitamin B12, Q10 und ein Probiotikum. Schließlich kam ein weiteres, ungewöhnliches Supplement zum Einsatz, der Vitalpilz „Igelstachelbart“. Ob nun alles zusammen den Effekt verursacht hat oder die Kombination aus Ernährung, Bewegung und Stressreduktion auch ohne Nahrungsergänzung wirksam gewesen wäre, bleibt offen. Aber die Studie gibt erste Hoffnung, dass durch ein intensives Ernährungs- und Lebensstilprogramm, ggf. mit zusätzlichen Supplementen, diese schicksalhafte Erkrankung beeinflussbar wird.

Ein wichtiger Aspekt für die zukünftige Prävention von Demenzerkrankungen durch die Ernährung ist aber die Frage der Umsetzung und Compliance. In Studien sind Patienten meist disziplinierter und damit erfolgreicher in der Umsetzung von Ernährungsempfehlungen als im richtigen Leben. Möglicherweise sind Online-Programme durch die leichtere Zugänglichkeit und die Möglichkeit der unkomplizierten, regelmäßigen Betreuung eine gute Option (s. Beitrag zur „Brainfit“-Studie in dieser Ausgabe auf Seite 12).

Heilfasten und Intervallfasten

Schon vor Jahrzehnten konnten Arbeiten des renommierten Hirnforschers Mark Mattson zeigen, dass durch kalorische Restriktion maßgebliche Pathomechanismen der Demenz ausgeschaltet bzw. kompensiert werden [5]. Zahlreiche Labor- und experimentelle Tierstudien anderer Forschergruppen belegten seither, dass regelmäßiges Intervallfasten oder längere Fastenperioden (Heilfasten, prolongiertes Fasten) sowie die sogenannte Fasting-Mimicking Diet („Scheinfasten“) das Risiko, an neurologisch-degenerativen und demenziellen Erkrankungen zu erkranken, drastisch reduzieren.

Fasten löst Stoffwechselvorgänge aus, die die Nervenzellen schützen.

Insgesamt löst Fasten eine Reihe von molekularen und stoffwechselabhängigen Umschaltvorgängen aus („metabolic switch“), die auch Nervenzellen schützen. Dazu zählen die Ankurbelung der Zellreinigung (Autophagie), generelle Entzündungshemmung, reduzierte Amyloidbildung sowie über die Zwischenstufe der Produktion von sogenannten Sirtuinen eine gesteigerte DNA-Reparatur sowie eine verstärkte Produktion des Schutzfaktors Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF). BDNF wird durch kalorische Restriktion und Fasten stark induziert. Fastenmediziner gehen davon aus, dass auch die bekannte stimmungsanhebende und teilweise euphorisierende Wirkung des Fastens, neben der fastenbedingten Endorphin- und Serotonin-Ausschüttung, durch den Anstieg von BDNF vermittelt wird.

Die Rolle des Mikrobioms

Interessanterweise wird BDNF in geringem Maße auch durch ausgewählte Lebensmittel induziert. Dazu zählen Obst und Gemüse mit hohen Polyphenolanteilen sowie Nüsse und Kakao. In einer Studie führte auch der Verzehr von Vollkorngetreide, vor allem von Roggenvollkorn, zum Anstieg von BDNF. Hier scheint die Erhöhung des BDNF über das Mikrobiom vermittelt zu sein, denn zunächst stieg in diesen Untersuchungen die Konzentration kurzkettiger Fettsäuren an. Wie auch bei den neurodegenerativen Erkrankungen der Multiple Sklerose und des Morbus Parkinson zeichnet sich für die Demenz eine bedeutende ursächliche Rolle des Mikrobioms ab.

Wird der Darm von Versuchstieren steril gehalten, so fördert dies massiv das sogenannte „Leaky Brain“ – die Filterfunktion der Blut-Hirn-Schranke wird stark beeinträchtigt. In experimentellen Studien wurden diese Zusammenhänge umgekehrt belegt, sodass der Stuhltransfer von einem durch fettige, ungesunde Nahrung schlechten Mikrobiom die Entstehung von Demenz bei zuvor gesunden Mäusen förderte. Während diese ursächlichen Zusammenhänge zwischen Mikrobiom und Hirnerkrankungen in der experimentellen Forschung intensiv untersucht werden, stecken die klinische Forschung und die praktische Umsetzung („Translation“) noch in den Kinderschuhen. Hier wird vermutlich nur durch Einsatz der Stuhl-Gensequenzierung, Analysen mit Künstlicher Intelligenz und Ableitung individueller Ernährungsformen sowie Probiotika mehr Präzision erreichbar.

Belegt ist inzwischen, dass auch die verschiedenen Formen des Fastens einen in der Gesamtschau günstigen Effekt auf das Mikrobiom ausüben.

Klinische Forschung zum Fasten

Ob die verschiedenen Fastenmethoden auch langfristig einer Demenz beim Menschen vorbeugen, ist noch nicht ausführlich in klinischen Studien untersucht. Durch Studien gut belegt ist ein antidiabetischer, antihypertensiver und antiinflammatorischer Effekt des Heilfastens bei Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und rheumatoider Arthritis sowie eine Verbesserung der Lebensqualität bei Multipler Sklerose.

Unter den führenden Altersforschern war es der aus Italien stammende US-Wissenschaftler Valter Longo, der die ernährungsphysiologischen Details des Fastens detailliert untersuchte und darüber hinaus eine modifizierte Fastenform entwickelte, die sogenannte Fasting-Mimicking Diet („Scheinfasten“). In seinen jahrelangen Experimenten modellierte er nicht nur die Kalorienzahl, sondern differenzierte auch zwischen der Reduktion der Aufnahme von Kohlenhydraten und Zucker, Proteinen und Fetten und der Fastenphysiologie. Er konnte zeigen, dass ein relevanter Teil der günstigen Fastenwirkungen auf der Reduktion bzw. dem Weglassen von Protein und Zuckern beruht. Bei den Proteinen waren es insbesondere die in Fleisch, Eiern und Milch enthaltene Aminosäure Methionin und die verzweigtkettigen Aminosäuren (Branched-Chain Amino Acids, BCAA), die bei reduzierter Zufuhr entzündungshemmend und über die mTor-Reduktion zudem zellprotektiv und lebensverlängernd wirkten und zelluläre Reparaturvorgänge begünstigten.

Die Fasting-Mimicking-Diät erlaubt eine höhere Kalorienzufuhr als die klassischen europäischen Fastenmethoden und ist dabei vegan und zuckerarm formuliert. Durch die spezifische Zusammensetzung können auch bei einer höheren täglichen Kalorienzufuhr von 600–800 Kalorien etwa 80 Prozent der Effekte des klassischen Fastens erwirkt werden. Ein Vorteil der Fasting-Mimicking-Diät (FMD) ist die einfachere Umsetzung im Alltag. Konkret werden 5-tägige Fastenzyklen eingesetzt, die je nach Indikation und Stoffwechselausgangslage mehrmals jährlich oder auch monatlich wiederholt werden. Bei Patienten mit (beginnender) Demenz werden in laufenden Studien teilweise noch höhere Kalorienzufuhren an einzelnen Tagen eingesetzt.

Eine kürzlich publizierte Studie des Teams um Longo untersuchte nicht direkt Parameter der Demenz, zeigte aber, dass eine monatliche FMD über jeweils 5 Tage nach 3 Monaten in einem klinisch validierten Summenscore bei Gesunden zu einer biologischen Verjüngung von etwa 2,5 Jahren führt [4]. Eine Studie der Arbeitsgruppe um Agnes Floel von der Charité Berlin gibt ebenfalls Hinweise auf mögliche günstige Effekte des Fastens. In diese Studie wurden 50 Patienten mit Übergewicht und milder kognitiver Störung eingeschlossen. Es erfolgte über 8 Wochen ein modifiziertes Fasten mit einer Trinknahrung und täglicher Nahrungsenergiezufuhr von 800 kcal. Danach erfolgte über 4 Wochen eine Erhaltungsphase. Insgesamt verloren die Patienten in der Fastengruppe 12 kg Gewicht gegenüber den Studienteilnehmern in der Kontrollgruppe. Sowohl in den psychometrischen und kognitiven Testungen als auch in den MRT-Messungen der grauen Substanz im Frontallappen und Hippocampus ergab sich nach den 3 Monaten ein Vorteil für die Fasten- bzw. Gewichtsreduktionsgruppe [10].

Hinweise auf eine günstige Wirkung des Fastens bei Demenz und beginnenden kognitiven Einschränkungen liefert auch eine kürzlich publizierte Metaanalyse zum Intervallfasten. Die für die Analyse berücksichtigten Studien waren eher klein und die kognitiven Parameter meist sekundäre Endpunkte, aber in der zusammenfassenden Analyse zeigte sich ein günstiger Effekt des Intervallfasten auf die kognitive Funktion sowie auf die mentale Gesundheit [11].

Fazit

Zusammenfassend ergibt sich in der Forschung zu den Möglichkeiten der Ernährung und des Fastens für die Prävention und Therapie der Demenz Licht und Schatten. Vermutlich sind die Heilwirkungen beider Maßnahmen nicht so ausgeprägt wie bei den kardiovaskulären Erkrankungen, entzündlich-rheumatischen Erkrankungen oder Diabetes Typ 2. Auf der anderen Seite finden sich Belege sowohl für die Wirksamkeit einzelner Nahrungsmittel als auch komplexer Ernährungsformen. Es zeichnet sich ab, dass eher intensivdiätetische Maßnahmen zur Erzielung relevanter Wirkungen notwendig sind. Die experimentelle Evidenz zum Fasten ist beeindruckend. Zukünftige klinische Studien werden klären müssen, zu welchem Grad eine Translation dieser Ergebnisse auf den Menschen besteht.

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen
Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzqualifikationen u. a. in Naturheilverfahren, Ernährungsmedizin, Physikalische Medizin und Balneologie, Mind-Body-Medizin. 

Interessenkonflikt: Der Autor ist Buchautor zu Themen des Fastens und der Enrährung und Co-Founder der Salufast GmbH.

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  2. Barnes LL, Dhana K, Liu X. et al Trial of the MIND diet for prevention of cognitive decline in older persons. N Engl J Med 2023; 389 (07) 602-611 DOI: 10.1056/NEJMoa2302368.
  3. Bonyadi N, Dolatkhah N, Salekzamani Y. et al Effect of berry-based supplements and foods on cognitive function: A systematic review. Sci Rep 2022; 12 (01) 3239 DOI: 10.1038/s41598-022-07302-4.
  4. Brandhorst S, Levine ME, Wei M. et al Fasting-mimicking diet causes hepatic and blood markers changes indicating reduced biological age and disease risk. Nat Commun 2024; 15 (01) 1309 DOI: 10.1038/s41467-024-45260-9.
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