SchlafstörungenMelatonin & Co. für erholsamen Schlaf

Erholsamer Schlaf beeinflusst nachhaltig unsere Lebensqualität und Schlafstörungen können auch krank machen. Kann das Schlafverhalten durch Nahrungsergänzungsmittel optimiert werden?

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Frau liegt im Bett und drückt auf den Wecker.
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Wir schlafen ein Drittel unserer Lebenszeit – nur so können wir zwei Drittel unserer Lebenszeit wach bleiben. Schlafen und Wachsein bedingen sich gegenseitig. Wach zu sein, ohne geschlafen zu haben, ist biologisch nicht möglich, und wenn die Balance zwischen Wach- und Schlafzustand gestört ist, werden wir krank. 6–10 % der Menschen in Deutschland haben eine behandlungsbedürftige Insomnie [1]. Dabei handelt es sich um Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder zu frühes Erwachen mit negativen Auswirkungen auf das Tagesbefinden. Nach der Internationalen Klassifikation von Schlafstörungen (ICSD) [2] handelt es sich um eine chronische Insomnie, wenn die Symptomatik über 3 Monate anhält und mindestens 3 × pro Woche auftritt. Von den medizinisch definierten Schlafstörungen zu unterscheiden sind Schlafprobleme, die häufiger auftreten und auch die Lebensqualität beeinträchtigen.

Therapie von Schlafstörungen

Therapie der Wahl bei der chronischen Insomnie ist die kognitive Verhaltenstherapie [1]. Da die diesbezüglichen Therapieangebote begrenzt sind, wird bei vielen Patientinnen und Patienten eine medikamentöse Therapie eingesetzt. Bei einer Langzeitbehandlung sind insbesondere Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die Halbwertszeiten der einzelnen Medikamente relevant sind, da insbesondere bei langen Halbwertszeiten aufgrund von Hangover-Effekten mit Beeinträchtigung der morgendlichen Leistungsfähigkeit zu rechnen ist. Diese Beeinträchtigung kann sich negativ auf die Fahrtüchtigkeit, die Arbeitsfähigkeit und das psychosoziale Leistungsvermögen auswirken. Unabhängig davon ist auf Interaktionen mit anderen Medikamenten zu achten und auf mögliche Auswirkungen in Bezug auf zusätzlich bestehende Erkrankungen. Die kognitive Verhaltenstherapie könnte künftig eine breitere Anwendung erfahren, wenn eine verordnungsfähige digitale Gesundheitsanwendung (Somnio-App) häufiger zum Einsatz käme.

Was passiert im Schlaf?

Neben der leitliniengerechten Therapie der Schlafstörungen stellt sich jedoch die Frage, inwieweit präventive und supportive Maßnahmen erholsamen Schlaf fördern können.

Wir durchschlafen jede Nacht mehrere Schlafzyklen, bestehend aus Leichtschlaf, Tiefschlaf (Non-REM-Schlaf) und dem sog. Traumschlaf (REM-Schlaf), wobei im REM-Schlaf die intensivsten Träume stattfinden, wir aber auch im Non-REM-Schlaf träumen. Für unsere Gedächtnisbildung sind alle Phasen relevant. Im Tiefschlaf findet unsere energetische Regeneration statt, im REM-Schlaf werden emotionale Erlebnisse abgespeichert. Im Schlaf werden neuronale Netzwerke gebildet und strukturiert. Des Weiteren dient der Schlaf dazu, Abbauprodukte des Hirnstoffwechsels zu entsorgen.

Die innere Uhr

Unser Schlaf-Wach-Rhythmus wird durch unser inneres Uhrensystem gesteuert. Es besteht aus der Masterclock in den Nuclei suprachiasmatici im Gehirn und den peripheren Uhren in Geweben und Organen. Beeinflusst wird unser Schlaf-Wach-Rhythmus durch das Licht. Das natürliche Morgenlicht fördert die Ausschüttung von Serotonin und blockiert das sog. Schlafhormon Melatonin. Serotonin wird aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan gebildet und in Melatonin umgewandelt, das mit der Dunkelheit ausgeschüttet wird.

Die durchschnittliche Schlafdauer liegt bei uns zwischen 7 und 8 Stunden pro Nacht. Wie viel Schlaf jeder Einzelne braucht, hängt wiederum von dessen innerer Uhr ab. Sie bestimmt, ob man Kurz- oder Langschläfer ist. Entscheidend ist, ob man erholsam schläft, weniger, wie lange man schläft.

Nahrungsergänzungsmittel für einen erholsamen Schlaf

Bezogen auf die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Schlaf ist entscheidend, wann wir was essen und trinken, also der Zeitpunkt und die Art der Nahrungsaufnahme. Denn auch unsere Stoffwechselprozesse unterliegen biologischen Rhythmen, die bedingen, dass die Stoffwechselaktivität im Verlauf unseres Schlaf-Wach-Rhythmus variiert. Die Koordination unseres inneren Uhrensystems erfolgt durch die Masterclock, wodurch unser inneres Uhrensystem synchronisiert wird. Der Leberstoffwechsel variiert aber auch in Abhängigkeit von der Art und Menge der aufgenommenen Nahrung sowie von der Zeit der Nahrungsaufnahme. Wenn wir also schwere und reichhaltige Mahlzeiten zu uns nehmen, zu Zeiten, in denen unser inneres Uhrensystem bereits in den Ruhe- oder Schlafmodus übergegangen ist, wird über die verstärkte Stoffwechselaktivität der Leber das Uhrensystem desynchronisiert. Gestörter Schlaf ist die Folge. Durch unsere Ernährung wird auch unser Mikrobiom beeinflusst, die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm. Die Zusammensetzung unseres Mikrobioms ist individuell unterschiedlich und hängt davon ab, was wir essen und trinken. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung begünstigt den positiven Einfluss unseres Mikrobioms auf den Organismus. So besteht ein direkter Zusammenhang zwischen unserem Mikrobiom und dem Tryptophanmetabolismus.

Unser Mikrobiom beeinflusst den Tryptophanmetabolismus.

Tryptophan als essenzielle Aminosäure ist, wie bereits erwähnt, das Substrat für die Serotoninbildung. Die Verabreichung von Lactobacillus johnsonii und tierexperimentell auch von Bifidobacterium infantis führte zu erhöhten Tryptophanserumspiegeln [3]. Kofaktoren im Rahmen der Serotoninsynthese aus Tryptophan sind Eisen, BH4 und Vitamin B6. Ein Mangel der Kofaktoren führt zu einer Hemmung des Tryptophanmetabolismus. Der Stoffwechselweg von Tryptophan über Serotonin zu Melatonin ist in [Abb.1] ersichtlich. Bei der Synthese von Melatonin aus Serotonin gilt Magnesium als förderliches Substrat.

Die biochemischen Prozesse zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und ernährungsbedingten Faktoren einerseits und dem Schlaf-Wach-Verhalten andererseits. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine Supplementierung durch Nahrungsergänzungsmittel im Hinblick auf erholsamen Schlaf und ein unbeeinträchtigtes Wachverhalten zu empfehlen ist.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass unter normalen Bedingungen bei ausgewogener Ernährung die Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln nicht erforderlich ist. Hinzu kommt, dass Nahrungsergänzungsmittel bei zu hoher Zufuhr gesundheitliche Störungen verursachen können (Überdosierung). Deshalb sollte jeder, der Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, sich darüber informieren, wie hoch die zugeführte Dosis einzelner Wirkstoffe ist. Das gilt auch für angereicherte Lebensmittel. Problematisch ist es, wenn man mehrere Produkte gleichzeitig einnimmt und sich damit einzelne Wirkstoffe addieren. Die für Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherter Lebensmittel unbedenklichen Dosen hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [4] zusammengestellt. Bezogen auf einen gesundheitlichen Mehrwert durch die Aufnahme einzelner Substanzen ist eine individuelle Betrachtungsweise in Kenntnis der ernährungsphysiologischen Kriterien zugrunde zu legen. Die wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine personalisierte Ernährung sind noch unzureichender als die einer personalisierten medizinischen Behandlung, wobei für beides eine Schnittmenge im therapeutischen Nutzen [Abb. 2] besteht.

Um bei der personalisierten Ernährung einen gesundheitlichen Benefit zu erzielen, sind die individuelle Stoffwechselsituation einschließlich eventueller Imbalancen und die individuelle Reagibilität zu berücksichtigen.

Nahrungsergänzungsmittel können physiologische und biochemische Prozesse im Organismus optimieren und dadurch auch mit vergleichsweise geringen Substanzmengen eine Verbesserung der Lebensqualität bewirken. Auf der anderen Seite können Nahrungsergänzungsmittel Defizite, die zu gesundheitlichen Störungen führen, ausgleichen und damit einen therapeutischen Nutzen erzielen.

Mikronährstoffe bei Schlafstörungen

Bezüglich der Störungen des Schlaf-Wach-Verhaltens gibt es bestimmte Mikronährstoffe und pflanzliche Stoffe, an denen man sich orientieren kann.

Magnesium

Magnesium kann beispielsweise die Schlafqualität verbessern. Im Schlaf kommt es zur Regeneration von Muskelzellen. Magnesium unterstützt zum einen die normale Muskelfunktion und trägt damit auch zu deren Entspannung bei. Zum anderen unterstützt Magnesium die normale Funktion des Nervensystems. Für einen erholsamen Schlaf ist dies eine wichtige Grundvoraussetzung. Magnesium ist ein essenzieller Wirkstoff für mehr als 300 Prozesse in unserem Körper. Es fördert ein gesundes Immunsystem und reguliert die Muskel- und Nervenfunktionen. Magnesium spielt auch eine Rolle in der Schlafregulation. Auf die Förderung der Melatoninsynthese durch Magnesium wurde bereits hingewiesen. Bei älteren Menschen mit chronischen Schlafstörungen konnte durch eine Magnesiumtherapie eine Verbesserung erreicht werden. In einem systematischen Review und einer Metaanalyse ergab sich zwar, dass die Qualität der einbezogenen Studien unzureichend ist, um fundierte Empfehlungen zur Anwendung von oralem Magnesium bei älteren Erwachsenen mit Insomnie abzugeben. Es wurde jedoch die Verabreichung von oralen Magnesiumpräparaten (weniger als 1 g elementares Magnesium pro Tag in 2 oder 3 täglichen Dosen) bei Insomniesymptomen im höheren Lebensalter befürwortet [5]. Damit liegt die in der Studie genannte therapeutisch wirksame Magnesiummenge deutlich über der vom BfR genannten Supplementierungsmenge als Nahrungsergänzungsmittel für Magnesium von 250 mg/Tag.

Vitamin B

Auch B-Vitamine gelten als förderlich für einen guten Schlaf. Die Bedeutung von Vitamin B6 für die Serotoninsynthese wurde bereits beschrieben. Die vom BfR genannte Supplementierungsmenge als Nahrungsergänzungsmittel liegt für Vitamin B6 bei 3,5 mg/Tag. Die direkten Zusammenhänge zwischen den B-Vitaminen und Schlaf sind jedoch noch nicht hinreichend erforscht. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Zufuhr von Multivitaminprodukten auch die gegenseitigen Wechselwirkungen der einzelnen Vitamine untereinander berücksichtigt werden müssen. So hat eine Studie ergeben, dass die Vitaminzufuhr sogar zu Verschlechterungen des Schlafes führen kann. Die Einnahme eines Multivitaminpräparats oder mehrerer einzelner Vitamine war im Vergleich zu Personen, die keine Vitaminpräparate einnahmen, mit einer schlechteren Schlafqualität verbunden. Es gab eine Tendenz, dass Vitaminkonsumenten während der Nacht häufiger aufwachten, insgesamt mehr Wachzeit während der Nacht hatten, häufiger Schlafmittel einnahmen und eine höhere Insomnierate aufwiesen als Nichtkonsumenten [6]. Es gilt also erst einmal festzustellen, ob ein Mangel vorliegt, und dann gezielt zu substituieren. Vitaminmangelzustände können entstehen bei Resorptionsstörungen, z. B. bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, durch Medikamente bedingt, insbesondere bei älteren Menschen, aber auch bei chronischem Alkoholkonsum und bei Mangelernährung, einschließlich veganer Ernährung. Auch Leistungssportler*innen benötigen häufig Nahrungsergänzungsmittel, um den größeren Bedarf zu decken.

Melatonin

Melatonin ist in Lebensmitteln wie Bananen, Walnüssen oder Pistazien enthalten, allerdings nur in sehr kleinen Mengen. Der Körper kann Melatonin aber über mehrere Zwischenschritte selbst herstellen. Dazu wird die Aminosäure Tryptophan als Baustein benötigt sowie zusätzlich Eisen, BH4, Vitamin B6 und Magnesium [Abb. 1]). Tryptophanreiche Lebensmittel sind z. B. Sojabohnen, Käse, Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte, Nüsse und Eier. Gute Vitamin-B6-Lieferanten sind Fleisch und Fisch, aber auch Kartoffeln und Vollkornprodukte. Magnesium ist z. B. reichlich in Nüssen, Haferflocken und grünem Gemüse enthalten. Mineralien, B-Vitamine und Tryptophan sind auch in Datteln enthalten.

Melatonin wird verallgemeinernd als Schlafhormon bezeichnet. Die Aktivität der Serotonin-N-Acetyltransferase, die die Umwandlung von Serotonin in Melatonin katalysiert, wird durch die Dunkelheit aktiviert. Damit kommt es zur Melatoninausschüttung aus der Glandula pinealis. In den frühen Morgenstunden werden maximale Melatoninkonzentrationen erreicht. Daraus resultiert die Zuordnung des Melatonins als Schlafhormon. Melatonin wird allerdings auch bei nachtaktiven Tieren in der Dunkelheit ausgeschüttet. Demzufolge hat Melatonin keine unmittelbare schlaffördernde Wirkung.

Melatonin beeinflusst unsere biologischen Rhythmen, insbesondere unseren zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus und unsere saisonalen Rhythmen.

Durch die Gabe von Melatonin kann es zu einer Vorverlagerung unseres Schlaf-Wach-Rhythmus kommen. Die schlaffördernde Wirkung beim Menschen beruht dabei möglicherweise auf einer Adenosinerhöhung. Die Zunahme der Adenosinkonzentration erhöht den Schlafdruck und verursacht Schläfrigkeit. Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Zusammenhang zwischen Melatonin und der Körperkerntemperatur. Die Melatoninausschüttung bei Dunkelheit geht mit dem Abfall der Körperkerntemperatur einher, wodurch beim Menschen das Einschlafen induziert wird. Darüber hinaus wird dem Melatonin eine antioxidative Wirkung zugeschrieben.

Die zunehmende Zahl freiverkäuflicher Melatoninpräparate führt zu der Frage nach dem Einsatz von Melatonin bei Menschen mit Schlafproblemen. Diese Produkte gelten als Nahrungsergänzungsmittel und sind von den zugelassenen melatoninhaltigen Arzneimitteln zu unterscheiden. Nahrungsergänzungsmittel bedürfen keiner klinischen Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimittel belegen. Sie dürfen die normale Ernährung ergänzen, jedoch keine arzneiliche Wirkung haben.

Die physiologischen Melatoninspiegel unterliegen deutlichen interindividuellen Schwankungen. Möglicherweise ist der Melatoninbedarf interindividuell unterschiedlich. Das erschwert die Festlegung von allgemeingültigen Normwerten. Bekannt ist jedoch, dass niedrige Melatoninspiegel mit zunehmendem Alter, Stimmungsstörungen und Autismus in Verbindung gebracht werden. Insgesamt sind die Zusammenhänge zwischen Melatonin und Schlaf beim Menschen noch nicht hinreichend erforscht. Daher ist es auch nur bedingt möglich, die Indikation zur Melatoninbehandlung zu stellen. Die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse sprechen dafür, dass die Wirkung von Melatonin zur Behandlung von Schlafstörungen indirekt erfolgt.

Melatonin wirkt demnach primär als Chronotherapeutikum, nicht als Schlafmittel.

Die genannten Kriterien sind insbesondere bei der unkontrollierten Einnahme von Melatonin zu berücksichtigen. Aus schlafmedizinischer Sicht sollte auch die Nutzung von Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel ärztlicherseits begleitet werden. Insbesondere sollte vor der Nutzung von Melatonin die Ursache einer möglichen Schlafstörung abgeklärt und entschieden werden, ob andere Maßnahmen prioritär eingesetzt werden sollten, wie die kognitive Verhaltenstherapie bei der chronischen Insomnie. Gemäß BfR seien Melatoninprodukte bereits ab einer täglichen Dosis von 0,5 mg aufgrund der pharmakologischen Wirkung als Funktionsarzneimittel einzustufen. Denn in der Dosierung zwischen 0,5 und 5 mg zeigte Melatonin „einen signifikanten Effekt bei Schlafstörungen wie auch bei Jetlag“. Dabei seien Wirkmechanismus und Ausmaß bei Gesunden und Erkrankten vergleichbar [7]. Ein Effekt auf den Schlaf-Wach-Rhythmus kann bereits ab Melatonindosen ab 0,3 mg erreicht werden.

Retardiertes Melatonin ist für die Monotherapie von Insomnien ohne organische und psychische Ursachen bei Erwachsenen ab 55 Jahren zugelassen. Weiterhin ist das Medikament zugelassen für die Behandlung der Insomnie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2–18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und beim Smith-Magenis-Syndrom, einer genetisch bedingten Erkrankung mit ausgeprägter Tagesschläfrigkeit und nächtlichen Schlafstörungen, wenn andere Therapiemaßnahmen nicht wirksam sind.

Mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist bei gut einem Drittel der Patienten zu rechnen. Aufgelistet werden u. a. Kopfschmerzen, gastrointestinale Symptome, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, allgemeine Schwäche, Nasopharyngitis/Sinusitis. Aufgrund der Melatoninmetabolisierung über Cytochrom-P450–1A-Enzyme können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten die Spitzenkonzentrationen von Melatonin im Serum deutlich erhöhen und die Nebenwirkungsrate steigern. Zigarettenrauchen kann die Melatoninspiegel aufgrund der Induktion von CYP1A2 senken und zum Wirkverlust von Melatonin führen.

Die sedierenden Wirkungen von Benzodiazepinen und Benzodiazepinrezeptoragonisten können durch Melatonin verstärkt werden. Melatonin kann Schläfrigkeit hervorrufen. Daher ist das Arzneimittel mit Vorsicht anzuwenden, wenn die Auswirkungen von Schläfrigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, z. B. beim Bedienen von Maschinen und im Straßenverkehr. Unter Berücksichtigung der Beeinflussung des zirkadianen Rhythmus durch Melatonin sollte deshalb die Einnahme ausschließlich vor der Schlafenszeit erfolgen und nicht während der Nacht oder am Morgen, damit es nicht zu einer Verschiebung von Schlaf und Schläfrigkeit in den Tagesverlauf kommt. Im Zusammenhang mit unseren saisonalen Rhythmen ist darauf hinzuweisen, dass das Sonnenlicht einen direkten Einfluss auf die Melatoninausschüttung hat, indem es sie blockiert. In Jahreszeiten mit reduzierter Sonnenlichtwirkung wie Herbst und Winter ist daher von einem höheren Melatoninspiegel auszugehen als im Frühjahr und im Sommer. Das ist bei der Medikation mit Melatonin individuell angepasst zu berücksichtigen. Während das morgendliche Sonnenlicht die Melatoninausschüttung blockiert, fördert es die Serotoninausschüttung. Da Serotonin bei Dunkelheit in Melatonin umgewandelt wird, empfiehlt sich ein morgendlicher Aufenthalt im Sonnenlicht, um hinreichend Ausgangssubstrat zur Melatoninbildung am Abend zur Verfügung zu haben.

Melatonin gilt als wirksam bei Einschlafstörungen als Folge von Jetlag, besonders bei Erwachsenen, die über 5 oder mehr Zeitzonen in östlicher Richtung fliegen, wodurch die Wirkung von Melatonin als Chronotherapeutikum untermauert wird.

Eisen

Über Eisen als Kofaktor bei der Umwandlung von Tryptophan in 5-Hydroxytryptophan [Abb. 1]wurde bereits berichtet. Um die Zusammenhänge zwischen Eisen und Schlafverhalten zu vertiefen, bedarf es der Kenntnis über die Bedeutung von im Gehirn gespeichertem Gewebseisen für den Dopaminstoffwechsel.

Eisen gilt als Kofaktor bei der Dopaminsynthese.

Im Unterschied zum Häm-Eisen ist das Gewebseisen eine intrazelluläre Verbindung mit dem Protein Ferritin. Es findet sich im Gehirn, in Nervenzellen und in Gliazellen. In diesen Zellen wirkt Eisen als Kofaktor für viele basale neuronale Prozesse, so auch für die Tyrosinhydroxylase, die als essenzielles Enzym der Dopaminsynthese [Abb.3] wirkt [8].

Die Zusammenhänge zwischen Dopamin und Schlaf liegen dem Restless-Legs-Syndrom (RLS) zugrunde. Dabei kommt es abends und nachts im Sitzen oder Liegen zu ausgeprägtem Bewegungsdrang und Missempfindungen in den Beinen. Die Symptomatik lässt sich nur durch heftige motorische Aktivitäten bessern. Der Schlaf wird dadurch gestört und das Tagesverhalten beeinträchtigt. Die Prävalenz liegt bei 5–10 %.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt, Laboruntersuchungen mit Bestimmung des Ferritins immer durchzuführen, wenn ein RLS diagnostiziert wird. Die Ferritinrichtwerte zur Substitution von Eisen bei RLS-Patienten sind nicht evidenzbasiert, allgemein wird ein Richtwert von < 50 µg/l als Grenzwert benannt.

Unabhängig davon wird die Behandlung mit Dopaminagonisten als Therapie der Wahl beim RLS genannt, wobei es durchaus zu einer Beschwerdezunahme (Augmentation) unter der Therapie kommen kann, obwohl auch eine alleinige Eisentherapie die Symptomatik positiv beeinflussen kann [9]. Die Eisentherapie bedarf der ärztlichen Begleitung und der Kontrolle des Ferritinspiegels, dessen Zielwert mit 100 μg/l angegeben wird.

Der Einsatz von Eisen bei Dopaminmangelzuständen ist bedingt durch die Bedeutung von Eisen als Kofaktor bei der Dopaminsynthese.

Bei der Labordiagnostik ist der Ferritinspiegel ausschlaggebend, nicht der Fe-Spiegel, der das gespeicherte Eisen nicht abbildet. Bei der Bewertung des Ferritinspiegels ist zu berücksichtigen, dass die unteren Normwerte, die häufig mit < 20 μg/l angegeben werden, den Speichereisenbedarf bei Menschen mit RLS und anderen Dopaminmangelzuständen nicht widerspiegeln. Des Weiteren ist zu bedenken, dass erhöhte Ferritinspiegel krankheitsbedingt (z. B. im Rahmen von Infekten) auftreten und dann zu Fehlinterpretationen führen können.

Für die Eisensubstitution bei Ferritinmangelzuständen im Rahmen von Erkrankungen gelten die therapeutisch wirksamen Dosierungen, wohingegen für die Eisensupplementierung als Nahrungsergänzungsmittel vom BfR eine Höchstmenge von 6 mg/Tag angegeben wird. Darüber hinaus wird empfohlen, auf eisenhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln einen Warnhinweis anzubringen, der besagt, dass Männer, postmenopausale Frauen und Schwangere Eisen nur nach ärztlicher Rücksprache einnehmen sollten.

Kreatin

Der Erholungswert des Schlafes kann auch durch Kreatin beeinflusst werden. Kreatin ist eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung, die an der energetischen Regeneration im Tiefschlaf beteiligt ist und somit den Erholungswert des Tiefschlafs beeinflusst. Tierexperimentelle Untersuchungen zeigten, dass der Schlafbedarf und der Schlafdruck unter Kreatinsupplementierung reduziert werden kann [10]. Neben den positiven Effekten auf die körperliche Leistungsfähigkeit gilt Kreatin auch als Substanz, durch die die kognitiven Funktionen verbessert werden können [11].

Kreatin gilt nicht als Schlafmittel, sondern soll dazu dienen, den Erholungswert des Schlafes und das Tagesverhalten zu verbessern.

Für die Zufuhr von Kreatin gilt grundsätzlich, auf den Flüssigkeitshaushalt zu achten. Für Kreatin wie für alle besprochenen Substanzen gilt, nicht unkritisch damit umzugehen und die empfohlenen Höchstmengen zu beachten.

Dr. med. Alfred Wiater
Kinder- und Jugendarzt, Schlafmediziner und Schlafforscher

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass er wissenschaftlicher Berater der Fa. Smart Sleep GmbH ist.

  1. Riemann D, Baum E, Cohrs S. et al. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. Somnologie 2017; 21: 2-44
  2. American Academy Of Sleep Medicine (AASM). The International Classification of Sleep Disorders 3 rd ed. (ICSD-3). 2014
  3. Gao K, Mu C, Farzi A. et al. Tryptophan metabolism: A link between the gut microbiota and brain. Adv Nutr 2020; 11 (03) 709-723
  4. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 009/2021 des BfR vom 15. März 2021. Im Internet: Zugriff am 08. Dezember 2022 unter: www.bfr.bund.de/cm/343/aktualisierte-hoechstmengenvorschlaege-fuer-vitamine-und-mineralstoffe-in-nahrungsergaenzungsmitteln-und-angereicherten-lebensmitteln.pdf
  5. Mah J, Pitre T. Oral magnesium supplementation for insomnia in older adults: A systematic review and meta-analysis. BMC Compl Med Ther 2021; 21 (01) 125
  6. Lichstein KL, Payne KL, Soeffing JP. et al. Vitamins and sleep: An exploratory study. Sleep Med 2007; 9 (01) 27-32
  7. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Melatonin als Arzneimittel zulassungspflichtig – Empfehlung der Bundesinstitute erfolgt dosisunabhängig! Gemeinsame Presseerklärung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin. 14.06.1996 Im Internet: Zugriff am 08. Dezember 2022 unter: www.bfr.bund.de/de/presseinformation/1996/13/melatonin_als_arzneimittel_zulassungspflichtig___empfehlung_der_bundesinstitute_erfolgt_dosisunabhaengig_-792.html
  8. Larsen B, Bourque J, Moore TM. et al. Longitudinal development of brain iron is linked to cognition in youth. J Neurosci 2020; 40 (09) 1810-1818
  9. Trotti LM, Becker LA. Iron for the treatment of restless legs syndrome. Coch Data Syst Rev 2019; 1 (01) CD007834
  10. Dworak M, Kim T, Mccarley RW. et al. Creatine supplementation reduces sleep need and homeostatic sleep pressure in rats. J Sleep Res 2017; 26 (03) 377-385
  11. Rae C, Digney AL, McEwan SR. Oral creatine monohydrate supplementation improves brain performance: A double-blind, placebo-controlled, cross-over trial. Proc R Soc Lond 2003; 270: 2147-2150