SchmerztherapieDas Fibromyalgie-Syndrom ganzheitlich behandeln

Beim Fibromyalgie-Syndrom handelt es sich um eine chronische Schmerzerkrankung. Mit Naturheilverfahren wie Heilfasten, Hydrotherapie und Bewegung lässt sich die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.

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Schriftzug Fibromyalgie auf einem Blatt, welches in ein Klemmbrett gesteckt ist.
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Beim Fibromyalgie-Syndrom ist es wichtig, gemeinsam mit dem Patienten realistische Ziele zu setzen im Sinne einer Verbesserung der Lebensqualität und Funktionsfähigkeit sowie der Erlangung eines Gefühls der Selbstwirksamkeit.

Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) gehört zu den häufigen Schmerzerkrankungen. Frauen erkranken etwa 4-mal häufiger als Männer. Im Durchschnitt beginnt die Erkrankung zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr. Die Ätiologie ist weiterhin unklar, eine Vielzahl von Auslösern kommt in Frage. Die Betroffenen geben generalisierte Schmerzen des Bewegungsapparats an, vor allem im Bereich des Achsenskeletts, die bei Belastung zunehmen. Sehnen, Bänder und Muskeln sind äußerst schmerzempfindlich. An mindestens 11 von 18 definierten Sehnenansätzen, den sog. Tenderpoints, findet sich eine Druckdolenz. Typisch ist zudem die Morgensteifigkeit. Daneben sind verschiedene funktionelle und vegetative Beschwerden zu beobachten, die auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten können. Dazu gehören Schlafstörungen, nicht erholsamer Schlaf, kalte Hände und Füße, Hyperhidrose, Müdigkeit, körperliche und geistige Erschöpfung. Allgemein ist eine vermehrte Empfindlichkeit zu beobachten; eine Überaktivierung des Schmerzsystems wird vermutet. Bei (erhöhter) Belastung tritt die Regeneration nur verlangsamt ein. Routinelabor (CRP, Blutsenkung), CK und Rheumafaktoren sind unauffällig. Stress, private und berufliche Belastungen können auslösend sein. In einigen Fällen lässt sich eine Tendenz zu Depressionen und Ängsten beobachten.

Impulse setzen beim Fibromyalgie-Syndrom

Heilfasten, pflanzenbasierte Kost, Entlastungstage

Dass die Therapieansätze bei FMS breit gefächert sein müssen und ein individuelles Vorgehen erfordern, ist hinlänglich bekannt. Die Leitlinien von 2017 (gültig bis 2022, zurzeit in Überarbeitung) [2] zeigen Möglichkeiten und Grenzen. Darüber hinaus sollen in diesem Beitrag weitere Möglichkeiten und Grundbausteine aufgezeigt werden, die sich erfahrungsgemäß in der klassischen Naturheilkunde als Grundtherapie bewährt haben. Geduld ist gefragt, oft sind kleine Therapieschritte erforderlich, um eine Besserung zu erzielen. Das fängt mit einer überwiegend pflanzlichen Ernährung an, einfach und naturbelassen. Quellen für die wichtigen Omega-3-Fettsäuren sind kaltgepresstes, naturbelassenes Leinöl (1–2 EL pro Tag), Raps-, Hanf- und Walnussöl sowie natives Olivenöl extra.

Basenreiche Ernährung ist zu empfehlen, denn Schmerzrezeptoren des Gewebes registrieren sofort ein übersäuertes Milieu. So können schon kleinste Veränderungen des pH-Wertes die Schmerzen auslösen. Ein harmonisches Säure-Basen-Gleichgewicht wirkt beruhigend auf Gewebe und Muskulatur. Auch das vegetative Nervensystem profitiert davon. Zunächst sollten entzündungsfördernde Nahrungsmittel (Arachidonsäure) wie Fleisch und Wurst weggelassen werden. Gleiches gilt für Zucker und Weißmehl.

Ideal ist Heilfasten unter therapeutischer Aufsicht. Durch das Heilfasten wird das Autophagiesystem der Zellen aktiviert, was den Rückgang entzündlicher Prozesse und Beschwerden mit erklären kann. Da Heilfasten mit dem Freiwerden von Giftstoffen aus den Fettzellen einhergeht und sich ungünstig auf den gesamten Organismus auswirken kann, werden zunehmend sanfte Varianten empfohlen, z. B. Fasten mit Gemüsebrühe und Gemüsesäften. Dadurch wird der Körper wenig belastet und zudem die sog. Fastenazidose vermieden, die vor allem durch die beim Fettabbau anfallende Harnsäure provoziert werden kann. Wenn das Heilfasten als idealer intensiver Impulsgeber für eine Umstimmung des Organismus fungiert, aus verschiedenen Gründen jedoch nicht möglich ist, sind sanfte Entlastungstage und die milde Ableitungsdiät empfehlenswert.

Wärmende Mahlzeiten, Bitterstoffe, Koenzym Q10

Entlastungstage helfen als Einstieg bei der Umstimmung auf basenreiche Ernährung und können ihr vorangehen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die nach Beschwerdebild, Verträglichkeit und Vorliebe ausgewählt werden können: Zum basischen Entlastungstag gehören klassische Basenbrühe, frische Kräuter, Kartoffeln und mild gedämpftes Gemüse mit dem basischen Hildegard-Gewürz Galgant, ohne Beschränkung, wie viel davon gegessen wird. Auch bei Gemüsebrühe, Gemüse, Wasser und Tee gibt es während der Entlastungstage keine Beschränkung. Bei FMS sind mindestens 2 warme Mahlzeiten (Frühstück und Mittagessen) pro Tag zu empfehlen, die Energie zuführen. Bitterstoffe (z. B. aus Ingwer, Galgant, Rucola, Brokkoli, Mangold, Fenchel, Artischocke, Endivie, Radicchio, Chicorée, Löwenzahn) tonisieren den Darm und den Organismus allgemein, stärken Verdauung, Leber und Galle.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Patienten mit Fibromyalgie häufiger unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten und einem empfindlichen Darmsystem leiden als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Daher sollte man Unverträglichkeiten ausschließen. Das gilt vor allem für Laktose, Gluten, Hühnereiweiß und Weizen. Daher möglichst alle Mahlzeiten frisch zubereiten, um künstliche Zusätze wie Konservierungs- und Farbstoffe zu vermeiden. Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, ist jede Woche ein Entlastungstag sinnvoll. Mit Umstellung der Ernährung verändert sich auf natürlichem Wege im positiven Sinne auch die Diversität des Darmmikrobioms.

Koenzym Q10 ist ein lebenswichtiger Katalysator für den Zellstoffwechsel. In geringen Mengen ist Koenzym Q10 in der Nahrung (z. B. Sojabohnen, Makrelen, Walnüsse, Mandeln, Weizenkeime) enthalten. Als Supplement kommt bei FMS nach persönlicher Situation auch Koenzym Q10 (100–200 mg pro Tag, z. B. Q10 Green 100 mg) in Frage, um Müdigkeit und rasche Erschöpfbarkeit bei FMS zu reduzieren.

Eine magnesiumreiche Ernährung (z. B. Weizenkeime, grünes Blattgemüse, Kakao) ist ebenfalls zu empfehlen, ggf. kann zusätzlich ein Magnesiumpräparat eingesetzt werden. Magnesium wirkt muskelentspannend und vegetativ ausgleichend.

Physikalische Therapie: aufbauende bis intensive Reize

Erfahrungsgemäß profitieren Patienten mit FMS deutlicher von Wärmeanwendungen als von kalten Anwendungen (Ausnahme systemische Kälte: Sonderfall Kältekammer). Die Wärme mildert Schmerzen und Steifheit. Anwendungen wie Infrarotkabine, Heublumensack oder Sauna wirken krampflösend und entspannen die Muskulatur. Auch durchblutungsfördernde Salben oder Öle sind hilfreich, z. B. Dolo CylÖl oder Aconit Schmerzöl. Des Weiteren kommen häusliche Anwendungen wie Moorbäder oder Externa mit Moorextrakt (z. B. Solum Öl) in Frage. Sie regen die Durchblutung an, wirken schmerzlindernd und lockern die Muskulatur. Intensiver sind naturgemäß Naturmoorvollbäder oder Moorpackungen, die etwa im Rahmen einer ambulanten Vorsorgemaßnahme (früher als „offene Badekur“ bezeichnet) in anerkannten Kurorten (z. B. Bad Aibling) seit Mitte 2021 wieder eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen sind.

Trockenes Schröpfen oder eine Schröpfkopfmassage können die Muskulatur lockern, den Lymphstrom anregen und tragen zur Entspannung bei. Geschröpft werden beispielsweise die paravertebralen Reflexzonen vom Nacken bis zum Kreuzbein mit dem Ziel einer Kräftigung und Entspannung, verbesserten Durchblutung und der Umstimmung des Organismus. Bürstenmassagen, die selbstständig durchgeführt werden, wirken ebenfalls belebend und lösen Verspannungen und Verklebungen.

Ein intensiver Reiz geht von der moderaten Ganzkörperhyperthermie aus, einem starken und vielversprechenden Regulationsimpuls. Nachweisbare Effekte sind Schmerzlinderung, Muskelentspannung und Verbesserung der Mikrozirkulation. Außerdem werden Regulationsvorgänge im Körper angeregt, die bei chronischen Krankheiten wie der FMS eine Besserung des Beschwerdebildes fördern. Zahlreiche positive Rückmeldungen dazu liegen vor. Eine Studie zur ambulanten moderaten Ganzkörperhyperthermie bei FMS startete 2022 im Krankenhaus für Naturheilweisen München [11].

In Bewegung kommen und bleiben

Bewegungsmangel und Schonhaltung verschlimmern die Schmerzen. Bewegung ohne Belastung und ohne fordernde Ansprüche fördert hingegen das Wohlbefinden. Dazu gehören Warmbaden und leichte Gymnastik im Wasser. Freies, spielerisches Tanzen zur Lieblingsmusik, Körpertherapien und Qigong verbessern den Kontakt zum Körper und können zeigen, dass Bewegung auch ohne Verschlechterung der Beschwerden möglich ist. Wichtig ist die Erfahrung, dass Bewegung auch ohne Leistungsdruck mit innerer Freude einhergehen kann. Überhaupt stehen persönliche Präferenzen im Vordergrund; die Bewegung soll ja möglichst mit einem positiven Gefühl einhergehen und Stress reduzieren.

Physiotherapie hat einen hohen Stellenwert bei FMS. Sanfte Faszien- und Stretching-Übungen helfen bei der Dehnung des Bindegewebes. Zur stufenweisen Behandlung nach Schweregrad und Erfahrungen gehört das Ausdauertraining, um die Kräftigung und Mobilität zu verbessern. Auch osteopathische Maßnahmen können hilfreich sein, um die Beweglichkeit zu verbessern.

Ständig unter Spannung – Leichtigkeit spüren

Wenn sich alles nur noch um die Krankheit dreht, Körper und Psyche unter Dauerspannung stehen, sind lösende Maßnahmen gefragt, damit Schmerzen und Erschöpfung nicht immer das Leben bestimmen. Gerade auch unorthodoxe Methoden wie das Lachyoga führen zu einer Entspannung des ganzen Körpers und zu einem Leichtigkeitsgefühl, das die chronischen Beschwerden für eine Weile vergessen lässt. Angebote für Lachyoga gibt es in Form von offenen Clubs (z. B. sonntags im Park, Westpark München) oder Online-Angeboten.

Zur besseren Stressbewältigung und zum Abbau von Spannungen sind Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson hilfreich. Wenn unbewältigte Konflikte eine wichtige Rolle spielen, ist eine weiterführende Behandlung anzustreben, z. B. Psychotherapie oder Hypnose. Da die Erkrankung erfahrungsgemäß oft auch Ausdruck einer tief verwurzelten und lang zurückreichenden Familiendynamik sein kann, kann eine systemische Familientherapie sinnvoll sein.

Tipps zur Lebensführung bei Fibromyalgie-Syndrom (FMS)

  • Gestaltung des Tagesablaufs: weder Unter- noch Überforderung
  • Essen: einfach und naturbelassen, mit 2 (oder 3) warmen Mahlzeiten
  • Bewegung: möglichst viel und leichte Form, z. B. freies Tanzen, um mehr Kontakt zum Körper zu entwickeln
  • Ausdauersportarten: haben einen psychisch aufhellenden Effekt, z. B. Radfahren oder Aquajogging
  • oft in der Natur aufhalten, viel frische Luft tanken
  • Dauerspannung lösen, z. B. durch Lachyoga und Entspannungsverfahren
  • Trockenbürsten oder Bürstenmassage wirken belebend.
  • warme Bäder mit tonisierenden Zusätzen, z. B. Rosmarin, Moor
  • Sauna oder Infrarotkabine, 1 × wöchentlich, wenn keine Kontraindikationen bestehen
  • Psychotherapie als weiterführende Behandlung
  • ggf. Teilnahme in einer Selbsthilfegruppe (SHG)

Anmerkung zur Literatur

Viele der hier genannten komplementären Verfahren (Heilfasten, basenreiche Ernährung, milde Ableitungsdiät, Wärmebehandlungen, Schröpfen, Mooranwendungen etc.) sind nicht durch die Leitlinien gestützt, u. a. weil dazu keine evidenzbasierten Studien vorliegen oder es auch keine Evidenz dazu gibt, auf die ich Bezug nehmen kann. Es handelt sich hier um jahrzehntealtes Erfahrungswissen der Naturheilkunde, persönliche Erfahrungen und Rückmeldungen von Betroffenen. In der Literaturliste sind daher wenige Primärquellen genannt, sondern in erster Linie allgemeine Quellen und Bücher. Daher gibt es in diesem Text keine Referenzen.

Maria Lohmann
Heilpraktikerin und Buchautorin mit den Schwerpunkten Ernährung, Säure-Basen-Haushalt, Phytotherapie und klassische Naturheilverfahren.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  1. Bierbach E. Naturheilpraxis heute. Lehrbuch und Atlas. 6. Aufl. Urban & Fischer bei Elsevier; München: 2019
  2. Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS). S3-Leitlinie Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgie-Syndroms. Stand 2017 (in Überarbeitung). Im Internet: Zugriff am 19. Oktober 2023 unter: register.awmf.org/de/leitlinien/detail/145–004
  3. Emmelmann C. Das kleine Lachyoga Buch. Mit Lach-Übungen zu Glück und Entspannung. dtv; München: 2019
  4. Lohmann M. Therapieprinzipien in der Heilpraktikerpraxis. Dtsch Heilprakt Z 2021; 1: 30-35
  5. Lohmann M. Laborwerte verstehen. 8. Aufl. Mankau; Murnau: 2023
  6. Lohmann M. Maria Lohmanns Säure-Basen-Kochbuch. Der Klassiker mit über 140 einfachen Rezepten zum Entgiften und Wohlfühlen. 6. Aufl. Trias; Stuttgart: 2021
  7. Lohmann M. Einstieg in die Naturheilpraxis. 3. Aufl. Urban & Fischer; München: 2007
  8. Lohmann M. Der Basen-Doktor. 3. Aufl. Trias; Stuttgart: 2017
  9. Lohmann M. Gesunde Ernährung bei Erkrankungen von Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse. Alle wichtigen Regeln für eine verträgliche Ernährung. Humboldt; Hannover: 2022
  10. Rauch E, Mayr P. Die neue milde Ableitungsdiät. Trias; Stuttgart: 2021
  11. Schmidt R. Studie zur ambulanten moderaten Ganzkörperhyperthermie bei Fibromyalgie-Syndrom. EHK 2022; 71: 158-165