KneippGesunder Schlaf durch Hydrotherapie nach Kneipp

Wasseranwendungen nach Kneipp haben sich bei Schlafstörungen bewährt. Zum Beispiel in Form von kalten Güssen oder warmen Fußbädern.

Inhalt
Kaltes Fußbad in weißer Keramikschüssel auf Holzboden.
K. Oborny/Thieme

Sanfte Hilfe bei Schlafstörungen: Ein warmes Fußbad nach Kneipp kann entspannen und den Schlaf fördern.

Kurz gefasst

Schlafstörungen sind ein recht häufiges Problem in der täglichen Praxis, über das insbesondere ältere Menschen klagen. Nicht zuletzt aufgrund möglicher Nebenwirkungen und der Gefahr der Gewöhnung oder gar Abhängigkeit sollten vor der Verordnung von Schlafmitteln nichtmedikamentöse Verfahren zum Einsatz kommen. Einige bewährte Verfahren wie kalte Abwaschungen oder warme Fußbäder entstammen der Kneipp’schen Hydrotherapie, deren Durchführung und Wirkung, aber auch wissenschaftliche Evidenz Gegenstand dieses Beitrags sind.

Schlafstörungen bzw. im engeren Sinne Insomnien sind recht häufige Beschwerden, über die insbesondere ältere Menschen klagen. Doch nicht jeder scheinbar zu kurze oder schlechte Schlaf beruht auf einer Schlafstörung.

Was ist also eine echte nichtorganische Schlafstörung oder Insomnie?

Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie zu diesem Thema versteht man unter Insomnie eine Schlafstörung, bei der die Betroffenen seit mindestens einem Monat Ein- und/oder Durchschlafstörungen haben, die mit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit oder Befindlichkeit am Tag einhergehen, wobei die Symptomatik nicht durch eine andere körperliche oder psychiatrische Störung bedingt ist [21].

Epidemiologie von Insomnien

Wie aus der Erhebung der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) hervorgeht, gaben 69,7 % der befragten Personen zwischen 18 und 79 Jahren an, mindestens einmal im letzten Jahr Insomnie-Symptome gehabt zu haben. Bei 30,3 % der Befragten traten die Symptome sogar mindestens dreimal pro Woche auf. Eine Kombination mit schlechter Schlafqualität gaben immerhin noch 21,9 % an. Über eine zusätzliche klinisch relevante Tagesbeeinträchtigung wie Müdigkeit oder Erschöpfung klagten schließlich noch 5,7 % der Befragten und erfüllten damit die Screening-Diagnose einer Insomnie [22].

Behandlung von Schlafstörungen

Liest man in der gerade (am 31.12.2022) abgelaufenen und derzeit in Überarbeitung befindlichen S3-Leitlinie zur Behandlung von Schlafstörungen weiter, wird man als ganzheitlich denkender und handelnder Arzt etwas enttäuscht. Während die Hinweise zur Ätiologie, Diagnostik und Differentialdiagnostik sehr hilfreich sind, fallen die Empfehlungen zur Therapie recht monoton aus. Abgesehen von Hinweisen zu Allgemeinmaßnahmen wie regelmäßiger körperlicher Aktivität, jeden Morgen zur gleichen Zeit aufzustehen, tagsüber nicht zu schlafen, keine koffeinhaltigen Getränke ab dem Nachmittag und keine schweren Mahlzeiten am Abend zu sich zu nehmen, keine Anstrengungen vor dem Zubettgehen, abends nur zu Bett gehen, wenn man schläfrig ist, das Schlafzimmer ruhig und dunkel zu gestalten und Alkohol keinesfalls als Schlafmittel einzusetzen, kommt da nicht viel.

Wörtlich heißt es in dieser Leitlinie: „Es wird empfohlen, dass alle Patienten als erste Behandlungsmaßnahme die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie erhalten. Wenn diese Behandlung nicht ausreichend wirksam ist, wird empfohlen, dass Patienten und Ärzte gemeinsam entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung ausprobiert wird“ [21].

Für Phytopharmaka wie Baldrian wird in der Leitlinie „aufgrund der unzureichenden Datenlage keine Empfehlung zum Einsatz in der Insomniebehandlung gegeben“ [21]. Diese Empfehlung dürfte sich jedoch allein aufgrund der aktuellen Studien zu Lavendel in der Neuauflage ändern.

Thermoregulation und Schlaf

Eine Grundlagenstudie zum Ablauf und zur Bedeutung der thermoregulatorischen Kaskade von Ereignissen, die dem Einsetzen des Schlafs vorausgehen, führten Kräuchi und Mitarbeiter bereits 1999 durch. Sie konnten zeigen, dass der Grad der Erweiterung der Blutgefäße in der Haut von Händen und Füßen, der den Wärmeverlust an diesen Extremitäten erhöht, der beste physiologische Prädiktor für den raschen Beginn des Schlafs ist [16].

Mit anderen Worten: Warme Füße (denn nur die haben erweiterte Blutgefäße) und deren Tendenz, Wärme abzugeben, sind die beste Voraussetzung für ein schnelles (und gutes) Einschlafen.

Dass kalte Füße das Einschlafen behindern, ist also wissenschaftlich belegt und haben viele auch schon am eigenen Leib erfahren. Andererseits haben wohl auch die meisten schon selbst erlebt, wie eine heiße Sommernacht bzw. ein überhitztes Schlafzimmer das Ein- und Durchschlafen zur Qual werden lassen kann.

Und genau an diesen Punkten setzt die (Kneipp’sche) Hydrotherapie an, indem sie direkt wie auch indirekt die Körpertemperatur und deren Regulation zu beeinflussen vermag.

Hydrotherapie nach Kneipp

Während Personen mit notorisch kalten Händen und/oder Füßen insbesondere von einem Gefäßtraining mit regelmäßigen Wechsel-Hand- und -Fußbädern und/oder Wechsel-Arm- und -Schenkelgüssen profitieren, sind es für den akuten Einsatz eher etwas längere warme oder kurze kalte Anwendungen. Richtig dosiert bewirken zudem beide Interventionsformen eine Verschiebung des vegetativen Gleichgewichts in Richtung Parasympathikus, d. h. in Richtung Entspannung, und erreichen damit eine weitere wichtige Voraussetzung für einen guten und erholsamen Schlaf.

Doch auch wenn heutzutage die Begriffe Wasserheilkunde und Kneipp in Deutschland nahezu synonym verwendet werden, so ist das international ganz anders. Sieht man in der Datenbank PubMed unter dem Schlagwort „hydrotherapy“ nach, so finden sich dort 21 442 Publikationen (Stand: 24.01.2023). Liest man sich dann jedoch die einzelnen Beiträge durch, erkennt man sehr schnell, dass die meisten nichts mit Kneipp bzw. Kneipp’scher Hydrotherapie zu tun haben. Neben balneologischen Studien geht es da um Wassergymnastik, Eispackungen, Einläufe, Trinkkuren und alle möglichen Anwendungsarten, die irgendwie mit Wasser zu tun haben.

Zudem ist Kneipp-Therapie weit mehr als Wasserheilkunde. Sie ist ein multimodales Behandlungskonzept, das die klassischen Naturheilverfahren gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, „Ordnung halten“, pflanzliche Heilmittel und eben auch Wasseranwendungen vereinigt [3], [7], [8], [9], [10], [15]. Doch gerade die verschiedenen Möglichkeiten der Hydrotherapie mit Güssen, Bädern und Wickeln sind es, die das vegetative Nervensystem und den Hormonhaushalt regulieren und damit viele funktionelle Störungen positiv beeinflussen können [3], [4], [5], [7], [11], [12], [14].

Allgemeine Wirkungen der Hydrotherapie

Kaltes wie auch warmes Wasser stimuliert die äußeren Thermorezeptoren, die diese Information über afferente (Aδ-)Nervenfasern an das zentrale Thermoregulationszentrum im Hypothalamus weiterleiten. Über motorische und vegetative Fasern kommt es dann durch Beeinflussung der Skelettmuskulatur und der inneren Organe zur direkten oder (nach kurzzeitiger Konstriktion) indirekten Dilatation der Gefäße. Dies führt zu einer Verminderung des Muskeltonus und zu allgemeiner Erwärmung und Entspannung. Zudem werden immunologische und hormonell-humorale Reaktionen insbesondere des Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems angeregt [4], [5], [7]. Werden die Reize regelmäßig appliziert, erfolgt ein Anpassungseffekt, bei dem es durch die Downregulation von Adrenalin zu einer dauerhaften Minderung des Sympathikotonus und einer Regeneration des Regelmechanismus kommt, was sich auch positiv auf den Schlaf-Wach-Rhythmus auswirkt [8], [9].

Einen Beleg dafür, dass die Kneipp’sche Hydrotherapie den Vagotonus erhöht und den Sympathikotonus senkt, liefern die Ergebnisse einer offenen Beobachtungsstudie von Breuss und Mosgoeller. Sie untersuchten die Wirkung Kneipp’scher Kalt-, Warm- und Wechselanwendungen bei Kneipp-Kurgästen und konnten dabei diese Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem dokumentieren. Damit liefert diese Studie auch Hinweise auf mögliche positive Wirkungen bei Schlafstörungen [6].

Wissenschaftliche Untersuchungen zur Kneipp-Therapie bei Schlafstörungen

Die Wirkung einer dreiwöchigen schlafspezifischen Kneipp-Kur bei Patienten mit nicht organisch bedingten Schlafstörungen untersucht seit einigen Jahren eine Forschergruppe um Frau Prof. Schuh [24]. Wie die Auswertungen zeigen, bewirkt die aus den fünf Elementen der Kneipp’schen Gesundheitslehre bestehende Intervention eine signifikante Verbesserung der Schlafqualität, des Wohlbefindens und des allgemeinen Gesundheitszustandes im Vergleich zu einer Wartekontrollgruppe.

Allerdings ging es in dieser Studie ganz bewusst um die Wirkung des Gesamtkonzeptes der Kneipp-Therapie und nicht nur um die Hydrotherapie, zu deren gesonderter Wirkung hiermit folglich keine Aussage getroffen werden kann.

Wissenschaftliche Untersuchungen zur Hydrotherapie bei Schlafstörungen

Bei der PubMed-Recherche unter den verknüpften Schlagwörtern „hydrotherapy“ AND „sleep“ finden sich 90 Treffer (Stand 24.01.2023), von denen sich zwar keiner der Beiträge explizit auf die Hydrotherapie nach Kneipp bezieht, einige jedoch Wasseranwendungen untersuchen, die auch zur Kneipp-Therapie zählen. Die wesentlichen Studien dazu sind nachfolgend aufgeführt.

Mit einem quasi-experimentellen Studiendesign mit nichtäquivalenter Kontrollgruppe untersuchte eine südkoreanische Arbeitsgruppe die Auswirkungen von Fußbädern mit unterschiedlichen Wassertemperaturen auf die Schlafqualität von älteren Erwachsenen in einem Pflegeheim. Die 30 Teilnehmer wurden in eine Therapie-, eine Placebo- und eine Kontrollgruppe randomisiert und die Fußbäder wurden vier Wochen lang täglich 30 Minuten lang durchgeführt. In der Verumgruppe wurde Wasser mit einer Temperatur von 40 °C verwendet, in der Placebogruppe Wasser mit einer Temperatur von 36,5 °C. Die Kontrollgruppe erhielt keine Behandlung. Gemessen wurde das Schlafmuster der Teilnehmer (Gesamtschlafmenge, Schlafeffizienz und Schlaflatenz) und das schlafgestörte Verhalten anhand der Aktigraphie und eines Schlafstörungsinventars. Im Ergebnis verbesserten die täglichen Fußbäder mit 40 °C warmem Wasser die Schlafqualität der älteren Personen signifikant im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen, insbesondere bei den Teilnehmern mit schlechter Schlafqualität. In der Nachuntersuchung nach drei Wochen Pause ließ diese Wirkung jedoch wieder nach, sodass die Untersucher empfahlen, die Therapie intervallartig mit einwöchigen Pausen weiterzuführen [13].

Eine ähnliche Untersuchung zur Wirkung warmer Fußbäder auf die Schlafqualität älterer Menschen führte eine iranische Forschergruppe in einer randomisierten kontrollierten Pilotstudie durch [2]. Auch sie teilten Männer und Frauen im Alter von über 60 Jahren nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen ein: eine Fußbadgruppe mit 40 °C warmem Wasser, eine Fußbadgruppe mit 37 °C warmem Wasser und eine Kontrollgruppe ohne Bäder. Nach der zweiten und vierten Woche wurde die Schlafqualität mittels Fragebögen gemessen und verglichen. Im Unterschied zu der vorherigen Studie führten bei ihnen sowohl die Fußbäder mit 40 °C als auch mit 37 °C warmem Wasser zu einer signifikanten Verbesserung der Schlafqualität der Teilnehmer im Vergleich zur Kontrollgruppe, während kein signifikanter Unterschied der Schlafqualität zwischen den beiden Fußbadgruppen festgestellt werden konnte.

Ebenfalls eine iranische Arbeitsgruppe untersuchte die Wirkung von Fußbädern auf die Schlafqualität von Frauen in den Wechseljahren [1]. Mittels eines Block-Randomisierungsverfahrens wurden 100 Frauen in den Wechseljahren in eine Interventionsgruppe mit Fußbad (n = 50). und eine Kontrollgruppe ohne Intervention (n = 50) eingeteilt. Die Fußbadgruppe wurde instruiert, ihre Füße täglich eine Stunde vor der üblichen Schlafenszeit 6 Wochen lang für 20 Minuten in ein 10 cm tiefes Becken mit warmem Wasser zu stellen. Zur Beurteilung der Schlafqualität wurde der Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI) und zur Bewertung des Schweregrads der Menopausensymptome die Greene-Skala verwendet. Zu Beginn der Studie schliefen 96 % der Probandinnen in der Fußbadgruppe und 94 % in der Kontrollgruppe schlecht, und bei allen Probandinnen bestand ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Wechseljahrsbeschwerden und dem Gesamtscore des PSQI (p ≤ ,001, r = ,464). Am Ende der 6 Wochen zeigten die Ergebnisse der Kovarianzanalyse eine signifikante Verbesserung der Schlafqualität und eine Abnahme des Schweregrads der Wechseljahrsbeschwerden in der Fußbadgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Eine aktuelle deutsche randomisierte kontrollierte Studie verglich die Auswirkungen von Fußbädern mit purem warmem Wasser (WW) mit solchen mit Zusatz von pulverisiertem Ingwer (6,67 g/Liter) (WW + Ingwer) auf die Schlafqualität und die Wärmeregulation bei 28 Erwachsenen (Durchschnittsalter 50,9 Jahre, 64,3 % Frauen) mit selbst berichteten Schlaflosigkeitssymptomen (durchschnittliche Dauer 11,4 Jahre) [17].

Nach zwei Wochen verbesserte sich das primäre Ergebnis, die selbst eingeschätzte Schlafqualität (Global Score des Pittsburgh Sleep Quality Index, PSQI) in beiden Gruppen (WW + Ingwer: d = 0,7, WW: d = 1,3) wie auch sekundär der Schweregrad der Schlaflosigkeit (Insomnia Severity Index, ISI) (WW + Ingwer: d = 0,8, WW: d = 1,0). Die empfundene Wärme der Füße nahm nur bei den Ingwer-Fußbädern zu. Allerdings gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen auf den PSQI, ISI und die Wärmeregulation (Herdecke Warmth Perception Questionnaire, HWPQ und 24-stündiger distal-proximaler Hauttemperaturgradient, DPG), sodass der Ingwerzusatz trotz der erhöhten Wärmeempfindung keine Verbesserung des Schlafes mit sich brachte.

Alle weiteren publizierten Studien untersuchten die Wirkung der Hydrotherapie bei Schlafstörungen als Begleiterscheinung bestimmter Erkrankungen, am häufigsten bei Fibromyalgie. So verglich eine brasilianische Arbeitsgruppe in einer randomisierten klinischen Studie über drei Wochen die Wirksamkeit von Hydrotherapie mit der von konventioneller Physiotherapie auf die Lebensqualität, Tagesschläfrigkeit und die Nachtschlafzeit bei 50 ambulanten Frauen mit Fibromyalgie. Hydrotherapie und konventionelle Physiotherapie verbessern die Gesamtschlafzeit und die Lebensqualität von Fibromyalgie-Patienten. Im Vergleich zur Physiotherapiegruppe nahm jedoch die Schlafdauer bei den Patienten mit Hydrotherapie um eine Stunde zu und die Tagesschläfrigkeit ab [18].

Sechs Jahre später untersuchte eine weitere brasilianische Forschergruppe erneut die Wirkung der Hydrotherapie auf die Schlafqualität von Patienten mit Fibromyalgie, da rund 75 % dieser Patienten unter schlechtem Schlaf leiden. Dafür wurden 60 ambulante Patientinnen mit Fibromyalgie im Alter zwischen 30 und 65 rekrutiert, von denen 30 das einstündige Hydrotherapieprogramm zweimal pro Woche über zwei Monate durchführten. Gemessen wurde mit drei Fragebögen: dem Fibromyalgia Impact Questionnaire (FIQ), dem Pittsburgh Sleep Quality Index und der Epworth Sleepiness Scale. Unmittelbar nach dem Hydrotherapieprogramm wies die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrolle im FIQ eine hochsignifikante Verbesserung in den Bereichen körperliche Funktion, Arbeitsausfall, Arbeitsfähigkeit, Schmerzintensität, Müdigkeit, morgendliche Müdigkeit, Steifheit (P < 0,0001), Angst (P = 0,0013) und Depression (P < 0,0001) auf. Und auch die Schlafqualität (P < 0,0001) und die Tagesmüdigkeit (P = 0,0003) verbesserten sich deutlich [23].

Eine ganz aktuelle, im Dezember 2022 vorab online publizierte Studie einer spanischen Arbeitsgruppe der Universität Grenada untersuchte die Wirksamkeit der Hydrotherapie auf die Schlafqualität bei Patienten mit Fibromyalgie im Rahmen einer Metaanalyse. Von den 7711 anfangs gefundenen Studien blieben letztlich nur 6 mit insgesamt 311 Teilnehmern übrig, die die Einschluss- und die Qualitätskriterien der PRISMA-Richtlinien (Preferred Reporting Items for Systematic Review and Meta-Analysis Protocols 2020) erfüllten. Der gepoolte Gesamteffekt sprach für eine Verbesserung der Schlafqualität bei FMS-Patienten durch Wassertherapie (gepoolter MD, –2,05; 95-%-KI, –4,35 bis 0,25). Die Autoren schlussfolgerten, dass die Hydrotherapie die Schlafqualität von Patienten mit FMS verbessert und eine gute Option zur Verbesserung des Schlafs darstellen kann [20].

Ganz interessant ist auch eine brasilianische Studie, die die Wirkung von Wasserphysiotherapie auf Schmerzen sowie Schlaf- und Wachzyklus bei klinisch stabilen Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 36 Wochen auf einer neonatologischen Intensivstation untersuchte. Dabei wurden mit 12 Neugeborenen 10 Minuten lang Bewegungen zur Stimulierung der Beugemuskulatur und der Haltungsorganisation in einem Wasserbecken durchgeführt. Der Schlaf-Wach-Zyklus wurde anhand der adaptierten Brazelton-Skala bewertet und die Schmerzen wurden anhand des Auftretens von Schmerzzeichen nach der Skala des Neonatal Facial Coding System (NFCS) sowie anhand physiologischer Parameter beurteilt. Nach der Intervention schliefen die Kinder signifikant ruhiger und entspannter (p < 0,001), der Wert auf der Schmerzbewertungsskala sank von 5,38 ± 0,91 auf 0,25 ± 0,46, mit p < 0,001 und die Vitalparameter blieben stabil [25].

Eine ebenfalls ganz aktuelle Studie untersuchte den Einfluss von Wechselarm- und -fußbädern auf Harnsäure, Schlaf, Schmerz, Funktionsfähigkeit und Lebensqualität bei Patienten mit Gicht [19]. Dazu wurden 120 Gichtpatienten mit einem Durchschnittsalter von ca. 60 Jahren rekrutiert und je zur Hälfte in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert. Während die Kontrollgruppe die Standardbehandlung mit Diätberatung, Physiotherapie und Medikamenten erhielt, bekamen die Patienten zusätzlich zweimal täglich 5 Zyklen von Arm- oder Fußbädern, erst 4 Minuten lang mit 38–42 °C warmem, anschließend 30 Sekunden lang in kaltem Wasser. Gemessen wurden das Schmerzniveau, Gelenkschwellung und -empfindlichkeit, das subjektive Ansprechen auf die Behandlung (PGART), die gesundheitsbezogene Lebensqualität mittels SF-36, die Schlafqualität mittels Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) sowie die Serumharnsäure (mg/dl). Nach 5 Wochen (1. Woche stationär, anschließend 4 Wochen zu Hause) verbesserten sich in der Studiengruppe die Schmerzen (p < 0,001), PGART (p = –0,01), Lebens- und Schlafqualität wie auch der Harnsäurespiegel (p < 0,01) signifikant gegenüber der Kontrollgruppe. Zudem reduzierten sich die Häufigkeit von Gichtanfällen (p < 0,001) und die Einnahme zusätzlicher Analgetika (p < 0,01) in der Bädergruppe statistisch signifikant.

Auch wenn die hydrotherapeutischen Interventionen unterschiedlich waren und an einer nicht homogenen/einer gemischten Patientenklientel durchgeführt wurden, zeigten sie allesamt eine signifikante Wirkung der Hydrotherapie auf die Schlafqualität.

Praktische Durchführung – Grundregeln zur Hydrotherapie

Entscheidend für die Hydrotherapie ganz allgemein sind die richtige Form und die adäquate Dosis. Der wichtigste Parameter einer richtig dosierten Wasseranwendung ist das Wohlbefinden des Patienten. Herzklopfen oder Schwindel nach einem Vollbad oder anhaltendes Kältegefühl nach einer kalten Anwendung sind Fehlreaktionen, die es zu vermeiden gilt. Der mildeste Reiz, der eben noch wirkt, sei der beste, betonte bereits Kneipp in seinem Buch „Meine Wasserkur“ [13]. Der häufigste Fehler, der bei der Anwendung von Wasserheilverfahren gemacht würde, sei der zu starke Reiz. Besonders zu achten ist auf die individuelle Dosierung. Dabei ist die Reizstärke zum einen abhängig von der Wasser- und Körpertemperatur. Je weiter diese voneinander entfernt sind, desto größer der zu verarbeitende Reiz. Zum anderen nimmt die Reizstärke zu mit der Größe der behandelten Körperoberfläche und der Anwendungsdauer. Nicht zuletzt ist auch die Konstitution des zu Behandelnden zu beachten. Während schlanke, schmalwüchsige Menschen stärker wärmebedürftig sind, vertragen vollblütige, eher untersetzte Menschen kräftige und größere Kaltanwendungen. Besonders vorsichtig sollte man bei körperlich starken, athletisch gebauten Menschen sein. Sie sind oft kälte- und wärmesensibler als erwartet und sollten demnach milde Reize erhalten.

Generell sollte jeglicher Kaltreiz nur an einem warmen Körper und auf warmer Haut erfolgen. Ist der Patient oder der zu behandelnde Körperteil kalt, muss zuvor eine Erwärmung, aktiv durch Bewegung oder passiv durch warme Getränke, Kleidung oder Bettwärme, erfolgen. Das Gleiche gilt nach einer Anwendung: Wiedererwärmung, aktiv oder passiv [3], [4], [5], [7], [8], [9], [10], [11], [12], [14].

Tipps zu hydrotherapeutischen Anwendungen zur Verbesserung der Schlafqualität

Aufgrund der umfassenden Wirkungen der Hydrotherapie gibt es – je nach Auslöser und Ursache – prinzipiell sehr viele verschiedene Kneipp’sche Wasseranwendungen zur Behandlung von Schlafstörungen bzw. zur Verbesserung der Schlafqualität.

So können einige Patienten beispielsweise einfach nicht so lange im Bett liegen, weil sie Rückenschmerzen bekommen und dadurch ihr Schlaf gestört wird. Abgesehen vom Austausch der Matratze und ggf. vom Wechsel des Schlafplatzes wäre hierbei ein (temperatur-)ansteigender Lumbalguss angezeigt, der entspannend, entkrampfend und durchblutungssteigernd auf das behandelte Muskelareal und reflektorisch auf die segmental zugeordneten Brust-, Bauch- und Beckenorgane wirkt. Dadurch werden diese Gebiete wieder besser mit Sauerstoff versorgt, abgelagerte Stoffwechselschlacken abtransportiert und damit die schmerzauslösenden Ursachen beseitigt [3], [7], [11]. Sind es Magen-Darm-Beschwerden, die den Schlaf stören, können feucht-warme Abdominalpackungen helfen, die beim Zu-Bett-Gehen aufgelegt werden [10].

Neben diesen Anwendungen, die sich nur indirekt auf den Schlaf auswirken, gibt es auch solche, die direkt das Ein- und/oder Durchschlafen verbessern können. Dazu gehören z. B. die in den Studien untersuchten Fußbäder, deren praktische Durchführung auch als Wechselbäder an dieser Stelle schon mehrfach beschrieben wurde [8], [11], [12].

Vegetativ beruhigend und schlafverbessernd wirken auch warme Voll- oder Dreiviertelbäder mit Melisse, Lavendel oder Baldrian ähnlich wie das abendliche Wassertreten. Dies sind Anwendungen, die sehr leicht durchzuführen sind und ebenfalls an dieser Stelle schon mehrfach beschrieben wurden [8], [11], [12].

Kalte Waschung

Eine Wasseranwendung, die ich ebenfalls schon mehrfach beschrieben habe, möchte ich hier dennoch einmal gesondert darstellen, da sie nicht nur einfach durchzuführen, sondern auch besonders wirksam gegen Schlafstörungen ist. Wer den österreichischen Spielfilm „Der Wasserdoktor“ aus dem Jahr 1958 schon einmal gesehen hat, kennt die Szene: Infolge wiederholter Anzeigen und Beschuldigungen als Kurpfuscher wird Sebastian Kneipp von Papst Leo XIII. nach Rom zitiert. Als er abends allein in seiner kleinen Kammer sitzt, kommt ein Mann zu ihm und fordert ihn auf, mitzukommen. Der Mann führt Kneipp durch die dunklen Gassen Roms hin in das Schlafzimmer eines alten Mannes, der ihm sein Leid klagt, dass er schon seit vielen Jahren nicht mehr schlafen könne und nicht wisse, was er dagegen tun könne. Kneipp empfiehlt ihm eine kalte Abwaschung und darf wieder gehen. Am nächsten Tag bekommt Kneipp endlich eine Audienz beim Papst. Als er sich im Petersdom dem Kirchenoberhaupt nähert, erkennt er den alten Mann vom Vorabend wieder. Der Schlafgestörte war niemand anderes als Papst Leo XIII. selbst, und dieser empfängt ihn mit den Worten, dass er noch nie so gut geschlafen habe wie in der letzten Nacht.

Bei der kalten Abwaschung geht es allerdings nicht wirklich ums „Waschen“, sondern um einen kurzen milden Kältereiz. Dieser bewirkt nicht nur einen schlafanstoßenden Wärmeverlust, sondern löst gleichzeitig auch einen parasympathischen Reiz aus, der die Stresshormone Adrenalin und Cortisol verringert und so die Freisetzung von Melatonin, das von Cortisol gehemmt wird, begünstigt [6], [16].

Am einfachsten beginnt man mit einer kalten Unterkörperwaschung, die übrigens auch bei Kindern gut durchzuführen ist und wirkt. Dazu wird vor dem Einschlafen mit einem Waschhandschuh oder einem Leinentuch ein dünner Wasserfilm auf die Haut aufgetragen. Um sicherzustellen, dass der Körper auch warm genug ist und nach der Anwendung auch schnell wieder warm wird, sollte man sich vor der Waschung zunächst so lange ins Bett legen, bis dieses und man selbst sich wohlig warm anfühlt. Um die Waschung durchzuführen, steht man kurz auf, taucht das Leinentuch in kaltes Wasser, wringt es aus und beginnt am rechten Fußrücken. Fährt dann über den Außenknöchel, die Außen- und Rückseite des Unter- und Oberschenkels bis zum Gesäß und über den Beckenkamm bis zum Bauch. Zwischendurch taucht man das Tuch wieder ein, wringt es kurz aus und fährt dann auf der Beininnen- und -vorderseite wieder hinunter, bis das gesamte rechte Bein von einem Wasserfilm umhüllt ist. In der gleichen Weise wird die linke Unterkörperhälfte gewaschen: unten außen beginnen und unten innen beenden. Danach nicht abtrocknen, Schlafanzug wieder anziehen, schnell ins warme Bett und gut einpacken. Sollte die Person Probleme haben, nach der kalten Waschung warm zu werden, kann man dem Wasser einen Schuss Essig oder einen Löffel Meersalz zusetzen. Das reizt etwas die Haut und führt so zu einer intensiveren Erwärmung [3], [8], [12].

Prof. Dr. med. Peter W. Gündling
Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur, Homöopathie, Chirotherapie, Sportmedizin, Ernährungsmediziner, Badearzt.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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  2. Armat MR, Mortazavi H, Akbari D. et al. The effect of footbath on the quality of sleep in older adults: A pilot study. Geriatr Nurs 2021; Sep–Oct 42 (05) 1178-1183
  3. Bachmann RM, Schleinkofer GM. Die Kneipp-Wassertherapie. Thieme; Stuttgart: 1992
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  5. Brenke R, Conradi E. Hydrotherapie. In: Kraft K, Stange R. (Hrsg). Lehrbuch Naturheilverfahren. Hippokrates; Stuttgart: 2010: 181-208
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  9. Gündling PW. Brennpunkt Herz. Natürlich heilen und vorbeugen bei Herz-Kreislauf-Problemen. Aurelia; Baden-Baden: 2004
  10. Gündling PW. Gesundheit für Magen und Darm. Sanfte Hilfe aus der Natur. Aurelia-Verlag; Baden-Baden: 2003
  11. Gündling PW. Wasser kontra Schmerzen – Stellenwert der Hydrotherapie in der Schmerzbehandlung. Erfahrungsheilkunde 2018; 67 (03) 148-153
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