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Überblick: Hydrotherapie bei Spannungskopfschmerzen und Migräne
Kopfschmerzen sind eines der häufigsten Krankheitssymptome und Beschwerden von Menschen überhaupt. Ob als Begleiterscheinung von Erkältungen und Infektionen oder als Folge von Stress, Wetterwechsel oder anderen Ursachen. Als meist funktionelle Störungen sind sie stark von der Lebensweise der Betroffenen abhängig und können daher gut mit natürlichen Maßnahmen behandelt werden. Hydrotherapie kann bei Spannungskopfschmerzen und Migräne durch die Anwendung von Wasser in verschiedenen Formen, wie warmen oder kalten Güssen, Wickeln, Bädern oder Duschen, Linderung verschaffen. Die Wärme fördert die Durchblutung und entspannt verspannte Muskulatur, während Kälte Entzündungen reduzieren und Schmerzen betäuben kann. Zudem kann die Hydrotherapie Stress abbauen und das allgemeine Wohlbefinden steigern, was ebenfalls zur Verringerung der Häufigkeit und Intensität von Kopfschmerzattacken beitragen kann.
Kopfschmerzen und Migräne sind zwei der häufigsten Beschwerden, unter denen Menschen leiden. Als Reaktion darauf greifen viele sehr schnell zu ASS, Ibuprofen oder Paracetamol. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ihnen andere Möglichkeiten nicht bekannt sind und auch nicht geboten werden. Komplementäre schmerztherapeutische Klassiker wie Akupunktur, Neuraltherapie und Manuelle Therapien haben den Nachteil, dass sie immer wieder fremde Hilfe erfordern. Daher bieten die Anleitung und Durchführung hydrotherapeutischer Maßnahmen eine wertvolle Alternative, deren Nutzen auch zunehmend wissenschaftlich belegt werden kann.
Epidemiologie und Klassifikation von Kopfschmerzen
Nach Daten einer Querschnittsbefragung im Auftrag des Robert Koch-Instituts berichten 57,5 % der Frauen und 44,4 % der Männer in Deutschland, mindestens einmal im Jahr an Kopfschmerzen zu leiden. Dabei erfüllen 14,8 % der Frauen und 6,0 % der Männer die kompletten diagnostischen Kriterien der International Classification of Headache Disorders für Migräne und 10,3 % der Frauen und 6,5 % der Männer die für Spannungskopfschmerzen [17].
Gleichzeitig ergab die Untersuchung, dass diese beiden Kopfschmerzarten vorwiegend im erwerbsfähigen Alter auftreten und mit zunehmendem Alter stetig abnehmen. Dabei geht Migräne häufig mit Begleiterkrankungen wie depressiven Symptomen und Angststörungen einher. Zudem zeigte sich, dass nur eine Minderheit der Betroffenen pro Jahr ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt. Gemäß der aktuellen Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen (ICHD-3) gibt es ca. 300 Formen von Kopfschmerzen. Neben einer Vielzahl von sekundären Kopfschmerzen zählen Migräne und Spannungskopfschmerz zu den wenigen primären Kopfschmerzformen [12].
Diagnostik von Kopfschmerzen
Da sich dieser Beitrag speziell auf die Therapie von Spannungskopfschmerzen und Migräne bezieht und bereits an anderer Stelle die allgemeine Diagnostik von Kopfschmerzen ausführlich beschrieben ist [9], [12], soll hier nur kurz auf das Thema Lebensstilfaktoren als mögliche Ursache bzw. Auslöser eingegangen werden. Da nach den Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft IHS die Diagnose von Kopfschmerzen in erster Linie klinisch und vor allem anhand der Anamnese gestellt werden soll, gilt es speziell bei den primären Formen, für die es offensichtlich keine (erkennbare) organische Ursache gibt, den Lebensstil der Betroffenen zu eruieren. Langes Sitzen und einseitige Belastungen, z. B. durch Computerarbeit am Schreibtisch, übermäßiger Stress, aber auch Ess- und Ernährungsfehler wie zu schnelles, zu häufiges und/oder zu spätes Essen können in Folge der Fehlverdauung und Entstehung von schädlichen Stoffwechselprodukten wie Indol, Skadol, Cadaverin und Schwefelwasserstoffen sowohl zu Regulationsstörungen der Gefäße als auch zu Übersäuerung im Gewebe mit nachfolgenden unterschwelligen Entzündungen und gesteigerter Schmerzempfindlichkeit führen.
Ganzheitliche Therapie von Kopfschmerzen
Wie bei nahezu allen Erkrankungen und Beschwerden steht – entsprechend den Ergebnissen der vorangegangenen Diagnostik – die Verbesserung des Lebensstils an erster Stelle: regelmäßige Bewegung, Stressabbau, genügend Schlaf, besseres Ernährungsverhalten und bekömmliche Nahrungsmittel [7], [9]; bei Schreibtisch- bzw. Computerarbeit z. B. auch regelmäßige Bewegungspausen. Danach folgen vorrangig nicht medikamentöse spezifischere Therapiemaßnahmen wie Entspannungsverfahren, Yoga oder eben hydrotherapeutische Anwendungen [1], [3], [9], [10].
Wirkung der Hydrotherapie auf das vegetative Nervensystem bei Kopfschmerzen und Migräne
Immer mehr Untersuchungen deuten darauf hin, dass das gestörte autonome Nervensystem eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Migräne spielt. Ebenso, dass thermische Therapien diese Veränderungen modulieren und die Schmerzen lindern können [18].
Erhöhter Muskeltonus und daraus folgende Spannungskopfschmerzen sind ebenso wie Migräne Ausdruck eines überaktiven Sympathikus. Durch die Stimulation der Thermorezeptoren beeinflussen hydrotherapeutische Anwendungen das vegetative Nervensystem sowie das Hypophysen-Nebennierenrinden-System und können so bei wiederholter Anwendung dazu beitragen, dass es zu einer Regulationsverbesserung und einem Ausgleich kommt. Werden diese Reize regelmäßig appliziert, erfolgt ein Anpassungseffekt, bei dem es durch die Down-Regulation von Adrenalin zu einer dauerhaften Minderung des Sympathikotonus und einer Regeneration des Regelmechanismus kommt. Durch das regelmäßige Gefäßtraining wird die Vasomotion gefördert und die Endothelfunktion regeneriert [4], [9].
Hydrotherapie nach Kneipp: aktueller wissenschaftlicher Stand
Gibt man in die Datenbank PubMed den Suchbegriff „hydrotherapy“ ein, finden sich dazu 21 855 wissenschaftliche Publikationen zu den unterschiedlichsten Therapieverfahren, die mit Wasser zu tun haben (Stand: 01.08.2024). Ergänzt und verfeinert man die Suche mit dem Begriff „Kneipp“, lassen sich gerade noch 77 Beiträge ausmachen, ein Großteil davon aus den 1950er und 1960er Jahren. Doch auch in den letzten Jahren ist wieder eine verstärkte wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema festzustellen.
Fügt man zu „hydrotherapy“ und „Kneipp“ den Begriff „headache“ hinzu, erhält man lediglich einen einzigen Beitrag, den von Härtel und Volger [11]. 2003 führten Härtel und Volger eine deutschlandweite repräsentative Querschnittsbefragung an Personen im Alter von 18–69 Jahren zur Inanspruchnahme und Akzeptanz von 21 verschiedenen Behandlungsmethoden durch [11]. Dabei fanden sie heraus, dass 70 % der Frauen und 54 % der Männer in den letzten 12 Monaten vor der Befragung mindestens eine klassische natürliche oder alternative Heilmethode verwendet hatten. Eine der am häufigsten verwendeten Methoden war die Hydrotherapie, die 24 % der Frauen und 17 % der Männer nutzten. Bei den am häufigsten berichteten gesundheitlichen Problemen, weswegen natürliche Therapien angewendet wurden, standen Kopfschmerzen mit 19 % an dritter Stelle [11].
Knapp 20 Jahre später, 2022, führten Jeitler und Mitarbeiter eine ähnliche, jedoch onlinebasierte Querschnittsstudie durch [13]. Dabei gaben zwar 69,6 % der Teilnehmenden an, bereits naturheilkundliche Verfahren angewendet zu haben, jedoch nur 31,8 % innerhalb der letzten 12 Monate. Allerdings berichteten 10,9 % der Befragten, dass sie täglich oder mehrmals pro Woche diese Verfahren nutzen, weitere 9,3 % immerhin noch mehrmals pro Monat. Gefragt nach den Verfahren, gehörte die Hydrotherapie zwar nicht zu den bekanntesten, mit ca. 40 % jedoch immerhin zu den recht gut bekannten natürlichen Heilverfahren. Bei der Frage zum Grund der Anwendung dieser Behandlungen waren nach Schmerzen am Bewegungsapparat und Allergien Kopfschmerzen mit 12,2 % erneut die dritthäufigsten Beschwerden, weshalb natürliche Heilmethoden eingesetzt wurden [13].
Studien zur Hydrotherapie nach Kneipp bei Migräne
Bereits 1999 führte Bachmann eine nicht kontrollierte prospektive Interventionsstudie mit 60 Migränepatienten durch, die über 3–4 Wochen eine stationäre Kneippkur absolvierten. Neben Hydro- und Thermotherapie erhielten die Patienten auch Ernährungstherapie (Heilfasten, Elektrolytzufuhr, ovolactovegetabile Diät), Bewegungs- und Entspannungstherapie. Protokolliert wurden die Anfallshäufigkeit, die Anfallsdauer, die Anfallsintensität sowie der Medikamentenverbrauch. Am Ende der Behandlungsphase zeigte sich im Vergleich zu der Zeit vor dem Behandlungsbeginn am Ende der Kneipptherapie bei allen 4 getesteten Parametern eine deutliche Reduktion der Beschwerden [2]. Da in dieser Untersuchung nicht nur die Wirkung der Hydrotherapie, sondern einer kompletten Kneippkur bewertet wurde, können die Ergebnisse nicht alleine auf die Hydrotherapie zurückgeführt werden.
2023 führten Onan et al. eine Metaanalyse zur Wirksamkeit von Physiotherapie und Rehabilitationsmaßnahmen bei chronischer Migräne durch [16]. Bei ihrer Untersuchung führte Hydrotherapie in Kombination mit Medikamenten sowohl zu einer stärkeren Besserung der Intensität und Häufigkeit der Kopfschmerzen als auch der allgemeinen Lebensqualität im Vergleich zu Medikamenten alleine.
Eine sehr interessante Untersuchung zum Einfluss hydrotherapeutischer Verfahren auf die Beschwerden und die Funktion des vegetativen Nervensystems bei Migränepatienten führte eine indische Forschergruppe durch [18]. Sie randomisierten 40 Patienten mit chronischer Migräne gemäß ICHD-Kriterien in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe. Während die Kontrollgruppe nur eine konventionelle pharmakologische Behandlung bekam, erhielt die Interventionsgruppe zusätzlich zur konventionellen Medikation 45 Tage lang täglich 20 Minuten ein heißes Arm- und Fußbad sowie eine Eismassage am Kopf. Vor und nach der Interventionsphase wurden die Patienten anhand des Kopfschmerz-Impact-Tests (HIT), der visuellen Analogskala für Schmerzen und der autonomen Herzfunktion mittels Herzfrequenzvariabilität (HRV) untersucht. Obwohl es in beiden Gruppen zu einem signifikanten Rückgang des HIT-Scores, der Häufigkeit und der Intensität der Kopfschmerzen kam, war der Effekt in der Gruppe mit zusätzlicher Hydrotherapie stärker als in der Kontrollgruppe. In der Hydrotherapiegruppe war zudem eine signifikante Verbesserung der HRV-Parameter festzustellen. Daher schlussfolgerten die Forscher, dass die Hydrotherapie in der Lage ist, den Vagustonus zu erhöhen und die Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzen bei Migränepatienten zu reduzieren [18].
Studien zur Hydrotherapie nach Kneipp bei Kopfschmerzen
Zu komplementären und integrativen Therapiemethoden bei der Behandlung von Kopfschmerzen veröffentlichten Millstine und Mitarbeiter ein Review [15]. Dabei befanden sie die Qualität der Wirknachweise für diese Verfahren als gering bis mäßig. Hydrotherapie bewerteten sie jedoch als potenziell hilfreich.
Praktische Anwendung der Hydrotherapie nach Kneipp bei Kopfschmerzen und Migräne
Da sowohl die Grundlagen als auch die praktische Durchführung hydrotherapeutischer Maßnahmen in dieser Zeitschrift wie auch an anderer Stelle bereits mehrfach ausführlich beschrieben wurden [1], [6], [7], [8], [9], [10], sollen hier nur die wichtigsten und durch Studien belegten Anwendungen zur Therapie von Spannungskopfschmerzen und Migräne noch einmal vorgestellt werden. Diese können die Patienten auch leicht zu Hause selbst durchzuführen.
Kalter Gesichtsguss
Sehr einfach durchzuführen ist der kalte Gesichtsguss, den Kneipp als „Schönheitsguss“ bezeichnete [14]. Er wirkt reflektorisch auf die gesamte Kopfregion und ist sowohl bei Kopfschmerzen als auch bei Erschöpfungszuständen und nachlassender Sehkraft indiziert. Vorschriftsmäßig wird er mit einem Schlauch durchgeführt, indem man den Wasserstrahl am nach vorne gebeugten Kopf zunächst von der rechten Schläfe über die Stirn zur linken Schläfe führt und anschließend erst die rechte, dann die linke Gesichtshälfte in Auf- und Abwärtsbewegungen und zum Schluss das Gesicht kreisförmig umrundend begießt. Schneller und noch einfacher geht es unter einem Wasserhahn: Dazu streckt man das Gesicht einfach unter das laufende Wasser und lässt es zunächst über die Stirn, dann die Augen und schließlich das ganze Gesicht laufen. Danach das Wasser nur leicht abtupfen, den Rest trocknen lassen [3], [9].
Ansteigender Nackenguss
Eine wahre Wohltat für verspannte und schmerzhafte Muskeln speziell im Rücken- und Nackenbereich und bei Spannungskopfschmerzen sind (temperatur-)ansteigende Güsse. Diese wirken entspannend, entkrampfend und durchblutungssteigernd auf das behandelte Muskelareal und reflektorisch auf die segmental zugeordneten Brust-, Bauch- und Beckenorgane. Dadurch werden diese Gebiete wieder besser mit Sauerstoff versorgt, abgelagerte Stoffwechselschlacken abtransportiert und damit die schmerzauslösenden Ursachen beseitigt. Kontraindikationen sind lediglich akute Entzündungen in dem zu behandelnden Bereich. Ist eine entsprechende physikalische Einrichtung vorhanden, kann die Anwendung dort durchgeführt werden. Andernfalls kann auch der Patient angeleitet werden, diese Anwendung zu Hause selbst durchzuführen [7], [9].
Für den Nackenguss sollte sich der Patient am besten mit dem Oberkörper über die Badewanne beugen, während eine zweite Person den weichen Wasserstrahl im Bereich der unteren Hals- und oberen Brustwirbelsäule langsam hin und her, auf und ab bewegt. Die Wassertemperatur sollte anfangs etwa 34 °C betragen, also weder als warm noch als kalt empfunden werden, und ganz langsam, im Verlauf von 10–15 Minuten, immer wärmer bis zur Verträglichkeitsgrenze von etwa 43 °C hochreguliert werden. Dadurch ist die Wärmeaufnahme des Körpers wesentlich größer, als wenn das heiße Wasser direkt auf die Haut appliziert würde, und der Effekt dementsprechend deutlich besser. Die Anwendung wird so lange durchgeführt, bis eine kräftige Rötung (Hyperämie) erreicht ist. Anschließend sollte sich der Patient gründlich abtrocknen und in entspannter Haltung (Unterschenkel erhöht) ruhen. Kontraindiziert ist dieser Guss bei arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz NYHA III und IV, Hyperthyreose, Glaukom und Katarakt [1], [3].
Warmes Fußbad, Wechselfußbad
Bei Kopfschmerzen und Migräne sind vor allem warme Bäder angezeigt, die eine vagotonisierende Wirkung haben. Als Ausdruck vegetativer Fehlregulation im Allgemeinen und Störung des Gefäßtonus im Besonderen leiden nahezu alle Migränepatienten an kalten Füßen. Deshalb können warme und Wechselfußbäder hierbei oftmals wahre Wunder wirken. Besonders bewährt bei Patienten mit Migräne und chronisch kalten Füßen haben sich 38–40 °C warme Fußbäder über 10–20 Minuten, denen man etwa 4 Esslöffel Ingwerpulver zusetzt. Der Ingwerzusatz verstärkt den Wärmeeffekt und wirkt sich so auf den gesamten Körper aus.
Bei beginnender akuter Migräne empfehlen sich warme Fußbäder, denen 4 EL Senfmehl zugesetzt werden. Diese üben einen starken Reizeffekt auf die Haut an den Füßen aus und führen so zu einer Gegenregulation, die die Migräne stoppen kann [9].
Für das Wechselfußbad werden 2 Gefäße, eines mit etwa 38 °C warmem und eines mit kaltem Wasser, und etwa 10 Minuten Zeit benötigt. Begonnen wird mit dem Warmbad, in das beide Füße etwa 5 Minuten lang hineingestellt werden. Anschließend folgt etwa 15 Sekunden lang das Kaltbad. Danach wiederholt man beide Teile, 5 Minuten warm und 15 Sekunden kalt, streift das Wasser ab und fühlt schnell einen wohltuenden Effekt. Zur Wirkungsverstärkung können dem warmen Wasser wieder Badezusätze wie Rosmarinextrakt oder Ingwerpulver zugegeben werden.
Dabei ist zu beachten, dass bei Fußbädern nicht nur die Füße, sondern möglichst die gesamten Unterschenkel bis knapp unter die Knie im Wasser stehen. Hierfür benötigt man tiefere Wannen, die im Fachhandel erhältlich sind. Zur Not tut es auch ein sauberer 20-Liter-Eimer. Ausnahme sind Patienten mit ausgeprägten Krampfadern. Diese sollen tatsächlich nur die Füße bis zum Knöchel in das warme Wasser stellen [9].
Kaltes Armbad, Wechselarmbad, temperaturansteigendes Armbad
Praktisch identisch zu den Fußbädern kann man mit einem Armbad verfahren, das auch im täglichen Wechsel mit einem Fußbad durchgeführt werden kann. Am einfachsten durchzuführen ist das kalte Armbad, für das schon eine Wanne oder ein tieferes Waschbecken mit möglichst kaltem Wasser reicht. Hier werden beide Arme etwa 30 Sekunden lang möglichst weit eingetaucht, abgestreift und es wird für Wiedererwärmung gesorgt [9]. Wie bei allen Kaltanwendungen ist auch hierbei darauf zu achten, dass der Körper warm ist und der Patient nicht friert.
Das Wechselarmbad wird identisch zum Fußbad mit 2 passenden Wannen durchgeführt.
Mit ebenfalls nur einem Gefäß kommt das temperaturansteigende Armbad aus, allerdings werden dafür etwas mehr Zeit und eine Wasserablaufmöglichkeit benötigt. Es beginnt mit einer indifferenten Temperatur von 33–34 °C und wird durch langsames Zulaufen von heißem Wasser innerhalb von 15–20 Minuten auf etwa 42 °C erhöht. Dies führt zu einer besonders schonenden Vasodilatation und ist sowohl bei Herz-Kreislauf-Krankheiten als auch bei vasomotorischen Kopfschmerzen angezeigt. Wichtig ist speziell bei dieser Methode eine mindestens 20-minütige Nachruhe [1], [5], [9].
Heublumensack
Als letzte hydrotherapeutische Anwendung sei noch auf die entspannende und schmerzlindernde Wirkung von mit Wasserdampf erwärmten Heublumensäcken hingewiesen. Sie werden auch als das „Morphium der Naturheilkunde“ bezeichnet und sind u. a. bei Spannungskopfschmerzen indiziert. Dazu gibt es im Fachhandel mit Heublumen gefüllte Beutel, die aussehen wie große Teebeutel. Diese erwärmt man etwa 20 Minuten lang über einem Topf mit kochendem Wasser und Siebeinsatz. Je nach Größe der Beutel nimmt man 1 oder 2 und legt sich vorsichtig (heiß!) mit dem Schulter-Nacken-Bereich darauf. Danach muss man sich – oder den Patienten – mit Decken gut einpacken und bleibt so etwa 45 Minuten liegen, bis der Heusack abgekühlt ist. Die intensive Wärme wirkt stark vagotonisierend und führt so zu Muskelentspannung und Vasodilatation [6], [7], [9].
Autor
Prof. Dr. med. Peter W. Gündling
ist Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur, Homöopathie, Chirotherapie, Sportmedizin, Ernährungsmediziner, Badearzt und seit 1988 in eigener Praxis niedergelassen. Seit 2006 ist er Professor für Naturheilkunde und komplementäre Medizin an der Hochschule Fresenius in Idstein, wo er als Studiendekan ein neues Masterstudium zur Naturheilkunde und komplementären Medizin für Ärzte entwickelt hat und leitet. Es ist Studiendekan für Naturheilkunde und komplementäre Medizin an der Carl Remigius Medical School sowie Lehrbeauftragter der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
- Bachmann RM, Schleinkofer GM. Die Kneipp-Wassertherapie. Stuttgart: Thieme; 1992
- Bachmann R. Konstitutionsorientierte physikalisch-diätetische Therapie der Migräne. Unveröffentlichtes Manuskript 1999
- Brenke R, Conradi E. Hydrotherapie. In: Kraft K, Stange R. Hrsg. Lehrbuch Naturheilverfahren. Stuttgart: Hippokrates; 2010: 181-208
- Fiscus KA, Kaminski TW, Powers ME. Changes in lower-leg blood flow during warm-, cold-, and contrast-water therapy. Arch Phys Med Rehabil 2005; 86 (7) 1404-1410
- Gündling PW. Brennpunkt Herz. Natürlich heilen und vorbeugen bei Herz-Kreislauf-Problemen. Baden-Baden: Aurelia; 2004
- Gündling PW. Ausleitende Verfahren in der Schmerztherapie. Biolog Med 2004; 33 (2) 61-65
- Gündling PW. Die komplementäre Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne. Naturheilkunde 2010; 87 (4) 22-25
- Gündling PW. Hydrotherapie bei Hypertonie. Erfahrungsheilkunde 2014; 63 (1) 5-13
- Gündling PW. Mit Wasser gegen Kopfschmerzen und Migräne. Erfahrungsheilkunde 2014; 63 (5) 274-280
- Gündling PW. Gesunder Schlaf durch Hydrotherapie nach Kneipp. Erfahrungsheilkunde 2023; 72 (1) 23-29
- Härtel U, Volger E. Inanspruchnahme und Akzeptanz klassischer Naturheilverfahren und alternativer Heilmethoden in Deutschland – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsstudie. Compl Med Res 2004; 11 (6) 327-334
- Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS). Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen. 3. Aufl. (ICHD-3). Im Internet: Zugriff am 08. September 2024 unter: www.ichd-3.org/wp-content/uploads/2018/01/The-International-Classification-of-Headache-Disorders-3rd-Edition-2018.pdf
- Jeitler M, Ortiz M, Brinkhaus B. Use and acceptance of traditional, complementary and integrative medicine in Germany – An online representative cross-sectional study. Front Med 2024; 11: 1372924
- Kneipp S. Meine Wasser-Kur. 50. Aufl.. Kempten: Kösel; 1988
- Millstine D, Chen CY, Bauer B. Complementary and integrative medicine in the management of headache. BMJ 2017; 16: 357 j1805
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