HeilpflanzeArtischocke: Potente Heilkraft bei Magen-Darm-Beschwerden

Die Artischocke ist ein traditionelles Arzneimittel zur symptomatischen Behandlung bei gastrointestinalen Störungen.

Frische Artischocken mit Kapseln aus grünem Pulver.
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Artischockenextrakt kann eine Linderung von Verdauungsbeschwerden bewirken.

 

von Sigrun Chrubasik-Hausmann

Die Artischocke, Cynara scolymus L. (Synonym: C. cardunculus), aus der Familie der Korbblütler, auch Französische, Grüne oder Kugel-Artischocke genannt, wird vor allem in Europa und den USA wegen ihrer essbaren knospigen Blütenstände angebaut [6]. Arzneilich verwendet werden die Blätter [22].

Botanischer Steckbrief

Mehrjährige, bis zu 2 m hohe, krautige, distelartige Pflanze mit kurzem, ausdauerndem Wurzelstock. Laubblätter 1- bis 2-fach fiederschnittig, Unterseite graufilzig behaart. Eiförmiger bis kugeliger Hüllkelch (bis 7 × 8 cm). Gegessen werden der fleischige Blütenstandsboden und die fleischigen Hüllblätter. Werden die Blütenstände nicht geerntet, bilden sich violette Röhrenblüten [6].

Inhaltsstoffe

Sesquiterpenlactone mit Bitterstoffcharakter, Hydroxyzimtsäuren (bis 4,2 % Ortho-Dihydroxyphenole berechnet als Kaffeesäure, bis 1,4 % Phenolcarbonsäuren berechnet als Cynarin (1,5-Dicaffeoylchinasäure)). Abhängig von Standort und Kultivierung ausgeprägte Gehaltsschwankungen. Cynarin ist in der Artischocke nicht enthalten, es entsteht aus 1,3-Dicaffeoylchinasäure je nach Verarbeitung der Blätter [6]. Außerdem Flavonoide wie Luteolinglykoside, Inulin, Phytosterole, Tannine, Enzyme etc. [23].

Bitterwerte:

  • Droge mit 1 % Cynaropikrin: 11 500

  • Extractum Cynarae fluidum (1 : 2): 3000–4000

  • Tinctura Cynarae (1 : 5): 1000–2000 [6]

Indikationen

Gemäß der European Medicines Agency (EMA) ist die Artischocke ein traditionelles Arzneimittel zur symptomatischen Behandlung bei gastrointestinalen Störungen wie zum Beispiel Dyspepsie, Völlegefühl, Meteorismus oder Flatulenz [22].

Tagesdosis (TD)

Einzeldosis (ED) 1,5–3 g getrocknete zerkleinerte oder pulverisierte Blätter in je 150 ml kochendem Wasser als Tee (TD bis 6 g).

Extrakt aus getrockneten Blättern (Solvent Wasser, DEV 2–7, 5 : 1, ED bis 640 mg, TD bis 1320 mg; Solvent 20% Ethanol, DEV 2,5–3, 5 : 1, ED 0,7 g, TD 2,1 g).

Extrakte aus frischen Blättern (Solvent Wasser: DEV 15–35 : 1, ED bis 900 mg, TD bis 2700 mg, DEV 15–30 : 1, ED bis 600 mg, TD bis 1800 mg) [22].

Pharmakologische Wirkungen

Cynarin, Kaffee- und Chlorogensäure sowie Luteolin sind wirksamkeitsmitbestimmend für die antioxidative und zellschützende Wirkung. Chlorogensäure stimuliert dosisabhängig die Gallensekretion und die Cholesterinausscheidung mit der Galle. Die antidyspeptische Wirkung wird vor allem auf die choleretische Wirkung zurückgeführt [23].

  • blutfettsenkend und antiatherogen [3], [4], [23]

  • spasmolytisch und karminativ [23]

  • antioxidativ [25] und organprotektiv [23]: Leber [4], [7], Magen [15], [22], Niere [5], [17], Herz [3], Gehirn [27]

  • appetitanregend (aufgrund des Bitterstoffgehalts) und antiemetisch [23]

  • blutzuckersenkend [1],[9], [27]

  • antientzündlich [2], [3]

  • antiproliferativ [12], [18], [23]

  • antimikrobiell [23], [24] und antiviral [8]

Wirksamkeitsevidenz

Obwohl die derzeitige Datenlage die Wirksamkeit von Präparaten aus der Artischocke bei Magen-Darm-Beschwerden nicht belegt, beurteilte die EMA ihre Wirksamkeit als plausibel [23]. Auch an der cholesterinsenkenden (9 Studien) und choleretischen (2 Studien) Wirkung des Artischocken-Wirkstoffs besteht gemäß EMA kein Zweifel [23].

Santos et al. [26] haben die lipidsenkende Wirksamkeit von Zubereitungen aus der Artischocke anhand von Studien, die zwischen 2000 und Juni 2018 veröffentlicht wurden, beurteilt. In 12 Studien wurden Patienten mit Hypercholesterinämie, metabolischem Syndrom, Übergewicht, Diabetes Typ 2, nicht alkoholischer Fettleber bzw. Steatohepatitis eingeschlossen, die verschiedene Extrakte, Saft, Pulver und Kombinationspräparate in unterschiedlichen Dosen erhalten hatten.

Da die Artischocken-Wirkstoffe nicht identisch waren, ist eine Aussage zur Wirkgröße nicht möglich. Je eine Studie untersuchte Patienten mit Hepatitis C und einem hochdosierten Blätterextrakt, mit geringer Hypercholesterinämie und einem Kombinationspräparat, mit geringem Bluthochdruck und Konzentrat-Kapseln mit geringer Wirkstoffmenge, mit Übergewicht und Knospenextrakt und Sportler mit Blattextrakt. Die Autoren vermuten, dass die luteolin- und chlorogensäurereichen Blattextrakte in einer Dosis von 2–3 g pro Tag wirksamer sind als Saft oder gekochte, faser- bzw. inulinreiche Artischockenherzen (100 g/Tag).

Trotz der Heterogenität der Artischocken-Präparate wurde die Wirksamkeit von Artischocken-Saft, -Pulver, -Extrakten und -Kombinationspräparaten in unterschiedlichen Dosierungen auf Blutdruck, anthropometrische Daten und den Glukose-Stoffwechsel in Metaanalysen evaluiert. Die Ergebnisse sind deshalb nur grob hinweisgebend.

Eine Abnahme des Blutdrucks fand sich nur in der Subgruppe der Hypertoniker (systolisch um 3 mmHg, diastolisch um 2 mmHg, diastolisch aber erst nach einer Mindestbehandlungszeit von 12 Wochen) [20]. Der Taillenumfang hatte sich um etwa 1 cm verringert, ohne dass Gewicht und BMI beeinflusst wurden [14]. Ebenso hatte der Nüchtern-Blutzucker um 5 mg/dl abgenommen, ohne Beeinflussung der Nüchtern-Insulinkonzentration, der HOMA-Insulinresistenz und des HbA1c [16]. Für eine konkrete Schlussfolgerung sind weitere Studien mit einem konfirmatorischen Design und längerer Studiendauer erforderlich.

Volkstümliche Anwendung

Schon die alten Ägypter, Griechen und Römer kultivierten Artischocken. Anfang des 15. Jahrhunderts wurden sie aus Italien nach Frankreich und England eingeführt, etwa 400 Jahre später auch nach Amerika. In den Gärten des französischen Landadels waren sie als Zeichen von Reichtum und vornehmer Lebensart geschätzt [6]. In der traditionellen Medizin Europas wurden Zubereitungen aus der Artischocke bei Magen-Darm-Beschwerden und als Leber- und Galletonikum genutzt [23].

Unerwünschte Wirkungen

Artischockenpräparate werden seit mehr als 30 Jahren in der EU bei Magen-Darm-Beschwerden angewendet, ohne dass schwerwiegende unerwünschte Ereignisse aufgetreten sind [23]. Gelegentlich kommen geringer Durchfall mit Bauchkrämpfen sowie gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit oder Sodbrennen vor. Ihre Häufigkeit ist nicht bekannt. Sehr selten sind allergische Reaktionen [22].

Kontraindikationen

Verschluss der Gallenwege, Cholangitis und andere Gallenwegserkrankungen, Lebererkrankungen, Gallensteine. Überempfindlichkeit gegen Korbblütler [22].

Aufgrund unzureichender Datenlage wird die Anwendung von Präparaten aus der Artischocke bis zum Alter von 12 Jahren und bei Schwangeren und stillenden Frauen nicht empfohlen [22].

Interaktionen

Interaktionen mit Medikamenten sind nicht bekannt [22], mit Coumarinderivaten aber möglich (es sollte engmaschig kontrolliert werden). In vitro interagiert der Artischocken-Wirkstoff mit CYP3A4 und CYP2D6 [10].

Toxizität

Orale LD50 bei Ratten für hydroalkoholischen Extrakt standardisiert auf 20 % Chlorogensäure > 2000 mg/kg, LD50 intraperitonal > 1000 mg/kg. Geringe Toxizität ist auch für einen auf 46 % Chlorogensäure standardisierten Extrakt und für Cynarin beschrieben. Die topische Applikation bis 3 g/kg über 21 Tage wurde gut vertragen [23]. Intramuskulär bei Ratten verabreicht, schützte ein Extrakt vor toxischen Hodenfunktionsschäden und einer Beeinträchtigung der Spermienqualität [19].

Nur bei hochdosiertem Artischockenextrakt traten genotoxische Veränderungen auf, geringere Dosen wirkten protektiv gegen Schäden. Systematische Studien zur Genotoxizität, Karzinogenität und Teratogenität liegen nicht vor [23]. Eine Studie bei trächtigen Ratten weist auf eine Beeinträchtigung der fetalen Entwicklung nach dem Füttern mit Artischockenextrakt hin [11]. Die vorliegenden Daten lassen beim Menschen keine Schädigungen durch Einnahme von Zubereitungen aus der Artischocke erkennen [6], [23].

Fazit

Die Wirksamkeit von Zubereitungen aus der Artischocke bei dyspeptischen Beschwerden wurde von der EMA als plausibel eingestuft. Kein Zweifel besteht auch an der choleretischen und cholesterinsenkenden Wirkung. Allerdings lässt sich aus der derzeitigen Studienlage eine Evidenz für Wirksamkeit nicht ableiten. Beweisend angelegte Studien mit Präparaten, die auf wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe standardisiert sind, müssen nun die Wirkgröße bei Dyspepsie und Stoffwechselstörungen ermitteln.

Prof. Dr. med. Sigrun Chrubasik-Hausmann
Fachärztin für Allgemeinmedizin mit den Zusatzbezeichnungen „Ärztliches Qualitätsmanagement“ und „Spezielle Schmerz-Therapie“

Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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