HeilpflanzenporträtHoodia gordonii (Masson) Sweet ex Decaisne

Hoodia gordonii hat eine lange Verwendungstradition bei den Ureinwohnern des südlichen Afrikas. Die Nutzung und Vermarktung dieser Pflanze war aufgrund von Fragen zu den „intellectual property rights“ und zum sog. „benefit sharing“ sehr umstritten.

Inhalt
Hoodia gordonii mit Blüten.
Roger de la Harpe/stock.adobe.com

Bild von H. gordonii. Auffallend sind die großen Blüten.

In diesem Beitrag wird über eine sukkulente, kaktusartige Pflanze berichtet, die eine lange Verwendungstradition bei den Ureinwohnern des südlichen Afrikas, den Khoisan, hat und in den letzten Jahren wiederholt im Mittelpunkt von Diskussionen stand, insbesondere hinsichtlich der Frage, wie indigene Völker, deren traditionelles Wissen von internationalen (Pharma-)Konzernen zur kommerziellen Entwicklung von modernen Wirkstoffen bzw. Produkten verwendet wird, an Gewinnen aus der Vermarktung von Produkten beteiligt werden.

Verbreitung und Botanik

Die Gattung Hoodia Sweet ex Decaisne (oder Sweet ex Decne.) umfasst 13 Arten, die nach einer neueren botanischen Klassifikation der Familie der Apocynaceae, Unterfamilie Asclepiadoideae, zugerechnet wird [3], [10]. Der Name dieser Gattung, Hoodia, ist auf den britischen Arzt und Sukkulentensammler William Chamberlain Hood (1790–1879) zurückzuführen und wurde ab 1830 von dem britischen Botaniker Robert Sweet (1783–1835) verwendet [3], [32]. Hoodia-Arten sind in Südafrika, Namibia, Botswana und Angola beheimatet [29]. Es handelt sich um Stammsukkulenten, die von der Basis ausgehend verzweigt sind. Als Vertreter der (Apocynaceae-)Unterklasse Stapeliinae, der Aasblumen, verströmen die Blüten dieser Gattung einen intensiven Aasgeruch, der Insekten anlockt.

Hoodia gordonii (Masson) Sweet ex Decaisne kommt von Namibia (bei Brandberg) bis nach Süden zur Kap-Provinz in Südafrika, besonders in der Great Karoo bis zur Tanqua Karoo im Südwesten und dem Prince Albert District im extremen Süden und östlich bis nach Kimberley vor; seltener ist H. gordonii im Namaqualand anzutreffen [3]. H.-gordonii-Vorkommen werden auch aus Botswana berichtet [29]. Die Standorte befinden sich an sehr trockenen Stellen, an felsigen Orten oder auf sandigen Plätzen in Flussbetten [3]. 1779 wurde eine Hoodia-Art von Robert Gordon (1743–1795) gesammelt und 1797 von dem schottischen Botaniker Francis Masson (1741–1805) als „Stapelia gordonii Masson“ veröffentlicht. Später wurde diese Pflanze der Gattung „Gonostemon Haw.“ und „Monothylaceum G. Don.“ zugeordnet, bevor 1844 der französische Botaniker Joseph Decaisne (1807–1882) die heute gültige botanische Bezeichnung etablierte [31], [32].

Bei H. gordonii handelt es sich um eine dornige Sukkulente mit graugrünen bis graubraunen, aufrechten Trieben bzw. Stämmen, die bis zu 0,75 m hoch werden und von der Basis ausgehend verzweigt sind; die Pflanze kann bis zu 0,5 m breit sein. Die einzelnen Stämme sind 25–50 mm dick und tragen auf der Oberfläche Tuberkel (Knötchen bzw. Auswüchse), die in 11–17 Rippen angeordnet sind. Jeder Tuberkel endet mit einem 6–12 mm langen Dorn [3]. Die Blüten stehen in Gruppen von 1–4 Einzelblüten und haben einen kurzen Blütenstiel. Die Kelchblätter sind 5–6 mm lang und 2–4 mm breit. Auffallend ist die Blütenkrone, die Durchmesser von (40–) 50–100 mm aufweist und kreisförmig bis fünflappig ist. Die Kronblätter sind charakteristisch blass fleischfarben oder purpurfarben mit dunkler Nervatur gefärbt [3], [2]). Die Früchte von H. gordonii sind 90–115 mm lang und enthalten 180–190 Samen [3]. Hinsichtlich der Blütenfarbe und der Größe der Blüten weist H. gordonii Variationen auf [3]. H. gordonii wächst langsam, sodass ein Anbau schwierig ist [31]. Eine Kultivierung über Samen, Gewebekulturen und Stecklinge ist möglich [15], [29].

Phytochemie

Genaue phytochemische Untersuchungen der oberirdischen Teile von H. gordonii liegen erst seit den 1990er-Jahren vor, bedingt durch das weltweite Interesse an dieser Pflanze. Charakteristische Inhaltsstoffe sind die bisher isolierten ca. 40 Steroidglykoside mit 6-Desoxyzuckern (z.B. Thevetose, 3-O-Methyl-6-deoxyallose) und 2,6-Didesoxyzuckern (z.B. Cymarose, Oleandrose, Digitoxose), die als Aglyka Hoodigogenin A, Isoramanon und Calogenin sowie Hoodistanal und Dehydrohoodistanal haben. Bekannteste Verbindung ist die Verbindung „P57“, auch als „H.g.-12“ oder „P57AS3“ bezeichnet, die ein Triglykosid des Pregnansteroid-Aglykons Hoodigogenin A ([Abb. 1]) ist und erstmals 2007 als Inhaltsstoff von H. gordonii und einer anderen Hoodia-Art, H. pilifera (L.f. Plowes), beschrieben wurde [30]. „P57“ und Hoodigogenin A tragen eine Tigloyl-Gruppe in Position 12β ([Abb. 1]). In den Jahren 2007 bis 2009 erschienen zahlreiche Arbeiten, in denen über weitere Steroidglykoside berichtet wurde, die als Hoodigosid A–U und Gordonosid A–L bezeichnet wurden [6], [22], [23], [27], [30].

Traditionelle und volksmedizinische Verwendung im südlichen Afrika

Aufgrund des bitteren Geschmacks wurden die oberirdischen Teile von H. gordonii („bitterghaap“) nur selten als Lebensmittel roh oder gekocht verzehrt [14], [15]. Die Bezeichnungen „muishondghaap“ und „jakkalsghapp“ für H. gordonii weisen darauf hin, dass diese Pflanze als nur für Tiere (Maushund und Fuchs) geeignet angesehen wurde [31]. Berichtet wird jedoch, dass die lokale Bevölkerung in Botswana H. gordonii als Gemüse verzehrt [29]. Die Ureinwohner, die Khoisan der Kalahari-Wüste, kannten H. gordonii („IIhoba“) seit tausenden von Jahren; sie kauten Stammstücke von H. gordonii während längerer Jagdreisen, um Hunger zu stillen und den Durst zu löschen [5], [29].

Volksmedizinisch spielte H. gordonii bei den Khoisan keine Rolle; andere Hoodia-Arten („ghaap“) wurden als Heilmittel bei Bauchkrämpfen, Hämorrhoiden, Tuberkulose, Verdauungsstörungen, Bluthochdruck und bei Diabetes angewendet [32].

Kommerzielle Entwicklung von H. gordonii als Schlankheitsmittel

1936 wurde erstmals die Verwendung von H. gordonii zur Unterdrückung des Appetits, basierend auf den Angaben der Khoisan dokumentiert. Ab 1963 erfolgten durch den Council for Scientific and Industrial Research (CSIR) mit Sitz in Pretoria im Rahmen eines großen Screening-Programms zur Sicherheit von pflanzlichen Stoffen, die als Lebensmittel verzehrt werden, erste Untersuchungen an Hoodia-Arten. Nach der Isolierung der Substanz „P57“ aus H. gordonii und H. pilifera, die als das wirksame Agens angesehen wurde, wurde H. gordonii für eine kommerzielle Nutzung entwickelt, d.h. zur Gewichtsreduktion bei Übergewicht ([Tab. 1]). Die Wahl zur weiteren Entwicklung, so wird berichtet, sei auf H. gordonii gefallen, da im Vergleich zu H. pilifera relativ gesehen größere Vorkommen dieser Pflanze vorhanden waren, die Pflanze größer (und damit ertragreicher) war und schneller wuchs [15]. Das 2003 geschlossene „Benefit-Sharing-Abkommen“ zwischen dem CSIR und den Khoisan war seinerzeit das erste dieser Art, das den indigenen Einwohnern, die das geistige Eigentum besaßen („intellectual property“), Gewinne aus der Vermarktung eines zukünftigen H. gordonii-basierten Wirkstoffs bzw. Produkts zusicherte [5], [15], [18], [31]. Bisher erfolgten nur geringe Zahlungen an die Khoisan [5]. In neuerer Zeit wird ein Inhaltsstoff von H. gordonii, Gordonosid F, der synthetisch hergestellt wird, zur Anwendung bei metabolischen Störungen entwickelt; ein Patent hierzu wurde in China angemeldet [33].

Derzeitiges Marktgeschehen

Alle Hoodia-Arten unterliegen dem internationalen Artenschutz und sind in der CITES-Liste in Appendix II (kontrollierter Handel, um die Art vor zu starker Dezimierung zu schützen) aufgeführt und sind überdies in Südafrika, Namibia und Botswana gesondert geschützt [15], [18], [29]. In Produkten, die laut Deklaration H. gordonii enthalten sollen, sind Verfälschungen mit anderen Hoodia-Arten oder Opuntia ficus-indica (Feigenkaktus) wiederholt gefunden worden [32]; die Identitäts- bzw. Authentizitätsprüfung ist durch die Kombination von chromatographischen Verfahren, der Mikroskopie und eines PCR-Tests möglich [14], [32]. Nur in einem Arzneibuch, der African Herbal Pharmacopoeia, ist zu Hoodia gordonii eine Monografie enthalten, in der auch die Prüfung auf Identität und Reinheit angegeben ist [2].

Gemäß der (nicht rechtsverbindlichen) Stofflisten des Bundes und der Länder [4] werden H. gordonii und eine andere Hoodia-Art, H. parviflora, in Lebensmitteln als neuartige Lebensmittel(-zutat) im Sinne der Verordnung (EU) 2015/2283 eingestuft. Das getrocknete Pulver von H. parviflora ist in Nahrungsergänzungsmitteln nach einer Sicherheitsbewertung mit Beschränkungen zugelassen worden (Infobox EFSA-Beurteilung).

EFSA-Beurteilung

Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) führte im Auftrag der Europäischen Kommission eine Sicherheitsbewertung im Rahmen der Zulassung von Hoodia parvifolia N.E. Br. (Pulver der oberirdischen Teile) als neuartige Lebensmittelzutat gemäß Verordnung (EU) 2015/2283 durch. Sicherheitsbedenken bestanden hinsichtlich der vorgesehenen täglichen Aufnahmemenge [9]. Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 der Kommission ist die Anwendung von H. parviflora (getrocknet, oberirdische Teile) in Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt, sofern der Höchstgehalt von 9,4 mg pro Tag nicht überschritten wird. Bei H. parvifolia handelt es sich ebenfalls um eine sukkulente Apocynaceae mit Dornen, die im südlichen Afrika vorkommt, 0,3–2,2 m hoch wird und Blüten mit einem Durchmesser von 3,0–5,5 cm hat, die außen weißlich und innen gelb bis bräunlich sind [3]. In H. parvifolia sind auch „P57“ und weitere Steroidglykoside wie die Hoodigoside O und L enthalten [9].

Biologische Aktivitäten

Zahlreiche Publikationen beschäftigten sich mit dem Wirkmechanismus und der Wirksamkeit von H. gordonii bzw. davon hergestellten Extrakten und Einzelstoffen für die Anwendung zur Gewichtsreduktion bei Übergewicht.

In-vitro-Untersuchungen zum Wirkmechanismus

In humanen adrenokortikalen Karzinomzellen (H295R-Zellen), die Kortikoide und alle hierfür notwendigen Enzyme bilden, konnte gezeigt werden, dass ein H.-gordonii-Extrakt zu einer dosisabhängigen Hemmung der Forskolin-induzierten und basalen Steroidfreisetzung führte. Dabei werden Enzyme der Steroidsynthese (u.a. CYP21A2 und CYP 11B1) gehemmt [16]. In weiteren Studien wurde nachgewiesen, dass ein H.-gordonii-Extrakt eine Hemmung der α- und β-Glucosidasen, insbesondere der α-Glucosidase, bewirkt und aus Sicht der Autoren an einem Abnehmeffekt beteiligt sein könnte [24].

Der Einzelstoff „P57“ aktivierte selektiv zwei Bitterstoff-Rezeptoren, TAS2R7 und TAS2R14, wie anhand von HEK293-Zellen, die jeweils einen bestimmten Bitterstoff-Rezeptor exprimieren, gezeigt werden konnte; für die Wirkung war die Tigloyl-Gruppe in 12β-Position ([Abb. 1]) von besonderer Bedeutung. In Ex-vivo-Untersuchungen am Rattendarm wurde eine erhöhte Cholezystokinin-Sekretion beobachtet. In weiteren Versuchen an HuTu-80-Zellen, einer humanen endokrinen Zelllinie, die nur den Bitterstoff-Rezeptor TAS2R14 exprimiert, wurde ebenfalls Cholezystokinin freigesetzt. Da zentrale Effekte von Cholezystokinin bei der Appetitunterdrückung u.a. bei Nagern bekannt sind, nehmen die Autoren an, dass die durch „P57“ verursachte Cholezystokinin-Freisetzung durch eine Aktivierung des Bitterstoff-Rezeptors TAS2R14 vermittelt sein könnte [17]. In einer Ex-vivo-Studie wurden am Rattenuterus für einen H.-gordonii-Extrakt sympathomimetische Effekte mit starker Beteiligung der β-Rezeptoren festgestellt, was nach Ansicht der Autoren kardiovaskuläre Nebenwirkungen am Menschen, die nach der Anwendung eines Nasensprays mit einem H.-gordonii-Extrakt aufgetreten waren, erklären; ebenso sei bekannt, dass die Stimulation von β-Rezeptoren zu einer verringerten Nahrungsaufnahme und zu Anorexie führe [25].

Tierexperimentelle Untersuchungen mit Extrakten

In einer Studie erhielten Ratten über 5 Tage peroral täglich einen Extrakt in Dosierungen von 50–150 mg/kg Körpergewicht. Dabei wurde in den höheren Dosierungen eine Appetitunterdrückung festgestellt, die nach Absetzen des Extraktes reversibel war. Die Konzentrationen von Peptiden, die an der Regulation des Appetits beteiligt sind, waren verändert (z.B. Verringerung von Neuropeptid Y und Insulin-like growth factor IGF-1, Erhöhung von Cholezystokinin und Leptin). Die Thyroidhormon-Konzentrationen waren erhöht, ebenso auch die Konzentration der mitochondrialen Palmitoyltransferase (CPT-1), ein Enzym der Fettsäureoxidation [12]. In einer weiteren Studie der gleichen Autoren wurde in einem dreiarmigen Studiendesign, bestehend aus einer Kontrollgruppe (Placebo), einer Vergleichsgruppe mit kalorienreduzierter Ernährung sowie einer Behandlungsgruppe mit kalorienreduzierter Ernährung in Kombination mit einem H.-gordonii-Extrakt, gezeigt, dass die Gewichtsabnahme nach 5-tägiger Studiendauer nicht durch den H.-gordonii-Extrakt bedingt war. Auffällig in dieser Studie war, dass die AMP-Kinase (AMPK), die Enzyme bei zellulärem Energiemangel reguliert, in der Behandlungsgruppe im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen signifikant erhöht war [13]. In einer Studie an mageren und übergewichtigen Ratten konnte in Extrakt-Dosierungen von 160 oder 320 mg/kg Körpergewicht und Tag gezeigt werden, dass im Vergleich zu unbehandelten Ratten bei allen mit einem Extrakt behandelten Ratten eine signifikante Verringerung des Körpergewichts im Studienzeitraum von 14 Tagen eintrat, allerdings waren an diesem Effekt Fettzellen und auch Skelettmuskelzellen beteiligt [28].

Tierexperimentelle Untersuchungen mit Einzelstoffen

An weiblichen Ratten wurde in einer placebokontrollierten Studie für „P57“ in Dosierungen von 6,25–50,0 mg/kg Körpergewicht pro Tag nach 8-tägiger Gabe im Vergleich zu Placebo eine verringerte Nahrungsaufnahme und eine reduzierte Körpergewichtszunahme festgestellt [30]. In einer weiteren placebokontrollierten Studie an männlichen Ratten wurde der Wirkstoff „P57“ intracerebrovaskulär den Versuchstieren injiziert und dabei beobachtet, dass „P57“ die Bildung und/oder den Gehalt an ATP in Neuronen des Hypothalamus erhöhte, woraus die Autoren schließen, dass ein entscheidender Mechanismus für die Regulierung der Nahrungsaufnahme im Hypothalamus eine veränderte Konzentration von ATP ist [19]. Diese Ergebnisse wurden in späteren Arbeiten infrage gestellt, da Magdula et al., 2010 [20], in ihrer pharmakokinetischen Studie den Wirkstoff „P57“ nach peroraler Applikation eines H.-gordonii-Extrakts nicht im Gehirn nachweisen konnten [25], [33].

Ein anderes Steroidglykosid aus H. gordonii, Gordonosid F ([Abb. 1]), stand im Mittelpunkt der In-vitro- und In-vivo-Versuche an Mäusen, bei denen der G-gekoppelte Rezeptor 119 (GPR119) als Target identifiziert wurde. Eine Aktivierung von GPR119 ist verbunden mit einer Stimulation der Insulinfreisetzung aus den β-Zellen des Pankreas und einer Freisetzung von GLP-1 (Glucagon-line peptide 1) aus dem Darm, wobei GLP-1 wiederum ein Hormon ist, das Insulin freisetzt und den Appetit unterdrückt. Interessanterweise zeigt „P57“ keine Wirkung an GPR119 [33].

Jain et al., 2013 [12], wie auch Zhang et al., 2014 [33], schließen aus ihren In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen, dass unterschiedliche Stoffe in H.-gordonii-Extrakten mit verschiedenen Wirkmechanismen für die appetitunterdrückende Wirkung beteiligt sein dürften. Nach jetzigem Kenntnisstand bewirken ein Extrakt von H.-gordonii bzw. Einzelstoffe („P57“, Gordonosid F) einen appetitunterdrückenden Effekt durch Beeinflussung von Rezeptoren (Bitterstoff- und β-Rezeptoren, GPR119), von Enzymen (α-, β-Glucosidase, Enzyme der Steroidsynthese) und von Peptiden (u.a. Neuropeptid Y, IGF-1, Cholezystokinin, Leptin, Thyroidhormone).

Klinische Studien

In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit eines aufgereinigten H.-gordonii-Extrakts an gesunden, übergewichtigen Frauen (jeweils n=25 in der Verum- und der Placebogruppe) in Dosierungen von 2×1110 mg pro Tag (Anwendung als Joghurt-Drink) in Kombination mit standardisierten Menüs, die damit eine genaue Bestimmung der Nahrungsaufnahme ermöglichten, untersucht. Nach einer Run-in-Phase von 4 Tagen (alle Teilnehmerinnen erhielten eine Placebozubereitung) wurde in einer 15-tägigen Studie der Effekt in beiden Gruppen ermittelt. Hierbei wurden keine signifikanten Unterschiede in beiden Gruppen bezüglich der Nahrungs- bzw. Energieaufnahme und des Körpergewichts festgestellt; bei ausschließlichem Vergleich zwischen den entsprechenden Werten vor Beginn der Studie und bei Studienende war eine signifikante Verringerung in beiden Gruppen feststellbar. Jedoch war der Extrakt schlechter verträglich als die Placebozubereitung, da in der Verumgruppe Nausea, Emesis und Hautempfindungsstörungen neben weiteren unerwünschten Wirkungen auftraten. Zudem waren in der Verumgruppe der Blutdruck, die Herzfrequenz, der Puls sowie die Konzentrationen an Bilirubin und der alkalischen Phosphatase im Serum erhöht [1].

Wenige weitere klinische Studien wurden zuvor zu Extrakten sowie zu „P57“ durchgeführt, deren Ergebnisse jedoch bisher nicht vollständig veröffentlicht wurden, sondern nur äußerst bruchstückartig überliefert sind. So soll in einer unveröffentlichten Studie von Richards und Grover ein Extrakt bei Anwendung über 15 Tage in Tagesdosierungen von 1800 mg in einer Kapsel, eingenommen vor dem Frühstück und vor dem Abendessen zu einer um 30% verringerten Energieaufnahme im Vergleich zu einer Placebozubereitung geführt haben; auch in dieser Studie sei als unerwünschte Wirkung ein Anstieg des Bilirubin-Spiegels beobachtet worden [1]. Durch Pressemitteilungen der Firma Phytopharm gäbe es die Information, dass in einer Studie im doppelblinden, placebokontrollierten Design mit gesunden, übergewichtigen Männern eine statistisch signifikante Verringerung der täglichen Kalorienaufnahme und des Körpergewichts nach Einnahme von „P57“ nachgewiesen worden sei; zudem seien auch verringerte Blutglucose- und Triglycerid-Werte ermittelt worden [11], [32]. In einer weiteren Studie an 8 Probanden zu einem Produkt („Hoodia Supreme“), das zur Einnahme von insgesamt 800 mg H.-gordonii-Pulver pro Tag über 4 Wochen führte, sei ebenfalls eine Gewichtsreduktion und eine verringerte Kalorienaufnahme festgestellt worden. Ebenso sei für ein weiteres Produkt mit 500 mg H. gordonii („DEX-L10“) in einer Studie mit 7 Teilnehmern nach 28 Tagen u.a. eine Gewichtsreduktion nachgewiesen worden [32].

Die Studienergebnisse könnten mit der unterschiedlichen Anwendung (traditionelle Anwendung der Stammstücke von H. gordonii durch die Khoisan durch Kauen über einen längeren Zeitraum mit einer möglichen bukkalen Resorption von Wirkstoffen vs. Anwendung als Tablette oder Kapsel, d.h. einer peroralen Anwendung in den Studien) erklärbar sein [2]. Zudem entspricht die in den Studien am Menschen untersuchte Indikation nicht der traditionellen Anwendung der Khoisan (appetitunterdrückende Wirkung vs. Gewichtsreduktion bei Übergewicht).

Toxizität und Verträglichkeit

In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf gentoxische Effekte von H.-gordonii-Extrakten [26]. Mehrere Pregnanglykoside zeigten in verschiedenen Zelllinien keine Anzeichen für zytotoxische Wirkungen [22]. In Studien zur Embryonaltoxikologie an Mäusen und Kaninchen konnten keine toxischen Wirkungen in Form von morphologischen Veränderungen des Fötus nachgewiesen werden, allerdings war in höheren Dosierungen die Entwicklung der Föten bei Mäusen verzögert, was auf eine verringerte Nahrungsaufnahme der Muttertiere als Effekt von H. gordonii zurückgeführt wird [7], [8].

Unerwünschte kardiovaskuläre Wirkungen am Menschen wurden nach der Anwendung eines H. gordonii-haltigen Nasensprays berichtet, die auf sympathomimetische Effekte zurückgeführt werden [25]. In der klinischen Studie von Blom et al., 2011, traten nach Einnahme eines Extraktes ebenfalls unerwünschte Wirkungen auf [1].

Fazit

H. gordonii wird von den Khoisan seit Langem traditionell zur Stillung von Hunger und Durst während längerer Jagdreisen angewendet; dabei werden Stücke dieser Pflanze gekaut. Moderne In-vitro- und tierexperimentelle Untersuchungen belegen appetitunterdrückende Wirkungen von H. gordonii. Bisher gibt es keine klinische Studie, die valide eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht nach peroraler Anwendung von H. gordonii oder Einzelstoffen daraus belegt; es liegen Informationen zu unerwünschten Wirkungen vor. Das wissenschaftliche Interesse an dieser Pflanze des südlichen Afrikas ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Im Internet sind sog. „dietary supplements“ mit der deklarierten Zutat H. gordonii zu bestellen, allerdings gibt es – u.a. bedingt durch den Artenschutz – zahlreiche Berichte über Verfälschungen, sodass der Identitäts- bzw. Authentizitätsprüfung eine wichtige Rolle zukommt.

Dr. Klaus Peter Latté 
ist Apotheker und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pharmazeutische Biologie der FU Berlin und wurde dort 1999 promoviert.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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