Psychiatrische ErkrankungenPhytotherapeutika in der psychiatrischen Behandlung

Der Einsatz von Phytotherapeutika hat in der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen an Bedeutung gewonnen. Stellen sie eine gute Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Psychopharmaka dar?

Inhalt
Hypericum perforatum or St Johns wort flowers in the meadow.
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Bei der Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Episoden ist Johanniskraut evidenzbasiert und gut verträglich. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sollten unbedingt beachtet werden.

Eine narrative Übersichtsarbeit zur aktuellen Forschung

Hintergrund: Der Einsatz von Phytotherapeutika hat in den letzten Jahren auch in der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen erheblich an Bedeutung gewonnen.

Methodik: Dieser narrative Überblick fasst die bisherige Evidenzlage zu Wirkungen und Nebenwirkungen pflanzlicher Arzneimittel bei der Behandlung von depressiven Störungen, Angstzuständen, Schlafstörungen und Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen auf Basis von Metaanalysen und systematischen Übersichtsarbeiten zusammen.

Ergebnisse: Bei der Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Episoden ist Johanniskraut evidenzbasiert und gut verträglich. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sollten unbedingt beachtet werden. Für andere Phytotherapeutika ist die Datenlage bisher weniger ausreichend, um konkrete Aussagen treffen zu können.

Schlussfolgerungen: Phytotherapeutika stellen in der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen möglicherweise eine gute Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Psychopharmaka dar. Sie sind im Vergleich oft nebenwirkungsärmer, gut verträglich und haben eine große therapeutische Breite. Weitere randomisiert kontrollierte Studien sind allerdings dringend indiziert.

Einleitung

Phythotherapie gehört zu den ältesten medizinischen Therapien und beschreibt die Anwendung von Pflanzen, Pflanzenteilen oder deren Zubereitungen als Arzneimittel zur Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten [7]. Diese Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs werden Phytotherapeutika oder Phytopharmaka genannt. Der Ursprung der Phytotherapie liegt in der Naturheilkunde, sie stellt heutzutage jedoch auch eine wichtige Ergänzung und Erweiterung bewährter Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin dar [7],[13],[23]. Darüber hinaus wird Phytotherapie in Deutschland vergleichsweise häufig zur Selbstmedikation herangezogen [13],[23].

Bei psychiatrischen Erkrankungen bestehen häufig Vorbehalte gegenüber synthetischer Medikation wie Antidepressiva und Benzodiazepinen, beispielsweise aufgrund von Sicherheitsbedenken, Abhängigkeitsrisiken oder Vorerfahrungen mit Nebenwirkungen. Dies kann sich negativ auf die Therapieadhärenz auswirken, ein wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg. Hier stellen Phythotherapeutika möglicherweise eine gute Alternative oder ergänzende Maßnahme dar. Angesichts der zunehmenden Popularität und Anwendung von Phytotherapeutika ist es wichtig, diese Therapieformen hinsichtlich ihrer Wirkung und Risiken zu beurteilen. Diese narrative Übersichtsarbeit stellt die bisherige Evidenzlage verschiedener Phytotherapeutika bei ausgewählten psychiatrischen Erkrankungen vor.

Evidenzlage von Phytotherapeutika in der psychiatrischen Behandlung

Bei der Behandlung von depressiven Störungen mit pflanzlichen Arzneimitteln liegen Studien zu Johanniskraut (Hypericum perforatum), Safran (Crocus sativus), Gelbwurz (Curcuma longa), Lavendel (Lavandula angustifolia), Kaukasischem Natternkopf (Echium amoenum) und Rosenwurz (Rhodiola rosea) vor.

Für Angstzustände liegen Studien zu Kava-Kava (Piper methysticum), Lavendel (Lavandula angustifolia), Passionsblume (Passiflora incarnata), Kamille (Matricaria chamomilla) und Rosenwurz (Rhodiola rosea) vor. Baldrian (Valeriana officinalis), Melisse (Melissa officinalis) und Hopfen (Humulus lupulus) finden als traditionelle Phytopharmaka ebenfalls häufig Anwendung bei Angstpatienten, wurden bisher jedoch noch nicht hinreichend wissenschaftlich untersucht.

Bei der Behandlung von Schlafstörungen wurden unter anderem Passionsblume (Passiflora incarnata), Melisse (Melissa officinalis), Baldrian (Valeriana officinalis), Kamille (Matricaria chamomilla), Rosmarin (Rosmarinus officinalis), Hopfen (Humulus lupulus) und Lavendel (Lavandula angustifolia) wissenschaftlich untersucht.

Außerdem liegen Studien zur Wirkung des Kleinen Fettblatts (Bacopa monnieri), Ginkgo (Ginkgo biloba), Passionsblume (Passiflora incarnata), Melisse (Melissa officinalis) und Baldrian (Valeriana officinalis) bei Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen vor.

Die pflanzlichen Arzneimittel und ihre Wirkung werden nun im Einzelnen genauer erläutert.

Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Johanniskraut ist bereits seit Jahrhunderten für seine stimmungsaufhellende und ausgleichende Wirkung bekannt und findet in einer Vielzahl von Arzneimitteln Anwendung. Bei der Behandlung von Depressionen liegt für Johanniskraut die dichteste Studienlage vor. Systematische Übersichtsarbeiten fanden eine antidepressive Wirkung bei leichten bis mittelgradig depressiven Episoden. Insgesamt waren die in den Studien getesteten Johanniskrautextrakte dem Placebo signifikant überlegen, ähnlich wirksam wie Standardantidepressiva (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, tri- und tetrazyklische Antidepressiva) und wiesen ein geringeres Nebenwirkungsprofil als Standardantidepressiva auf [3],[18]. Allerdings umfassten die meisten Studien nur einen kurzen Untersuchungszeitraum. Johanniskraut zählt zu den nicht-hierarchischen Vielstoffgemischen. Das bedeutet, dass keine Wirkstoffkomponente anteilig nennenswert überwiegt. Gleichzeitig bergen die vielen Komponenten jedoch ein erhöhtes Risiko für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, wie z. B. hormonale Kontrazeptiva, Psychopharmaka oder Zytostatika. Die Einnahme sollte daher erst nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen.

Neben seiner bekannten Wirkung bei Depressionen wurde Johanniskraut auch auf seine Wirkung bei Angststörungen hin untersucht. Einzelne Fallberichte und offene Studien zeigten eine Verbesserung der Angstsymptome [4]. Kontrollierte Studien, in denen die Wirkung von Johanniskraut bei der Behandlung von Angstzuständen untersucht wird, fehlen jedoch noch, sodass keine Schlussfolgerungen über seine Wirksamkeit bei Angstzuständen gezogen werden kann.

Kurkuma (Curcuma longa)

Curcumin, ein pflanzliches Polyphenol mit starken entzündungshemmenden, antioxidativen und neuroprotektiven Eigenschaften, erfreut sich ebenfalls zunehmenden Interesses als pflanzliches Antidepressivum. Erste Studien, welche die Anwendung von Kurkuma bei depressiven Patienten mit Placebo verglichen, zeigen, dass die Behandlung sicher und wirksam zu sein scheint und gut vertragen wird [22]. Größer angelegte randomisiert-kontrollierte Studien über einen längeren Untersuchungszeitraum sind jedoch erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen.

Safran (Crocus sativus)

Safran ist ebenfalls seit Tausenden von Jahren in der natürlichen Medizin bekannt für seine stimmungsaufhellende und nervenstärkende Wirkung. Bisherige Ergebnisse klinischer Studien einer iranischen Forschungsgruppe zeigen, dass Safran gegenüber Placebo depressive Symptome bei Erwachsenen signifikant verbessern kann, vergleichbare Wirkungen erzielt wie Antidepressiva und dabei geringere Nebenwirkungen aufweist [11]. Größere klinische Studien, durchgeführt von Forschungsteams außerhalb des Irans mit Langzeitmessungen, sind erforderlich, bevor Schlussfolgerungen hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit von Safran bei der Behandlung depressiver Symptome gezogen werden können.

Eine weitere randomisierte, doppelblinde placebokontrollierte Studie untersuchte außerdem die antidepressive Wirkung einer kombinierten Verabreichung von Curcumin und Safran. Unterschiedliche Dosisverabreichungen von Curcumin und Kombinationen von Curcumin und Safran zeigten sich als ähnlich wirksam bei der Verringerung depressiver Symptomatik, eine additive Wirkung der beiden Arzneipflanzen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden [19].

Lavendel (Lavandula angustifolia)

Lavendel ist ebenfalls seit Jahrhunderten bekannt für seine beruhigende und stressreduzierende Wirkung. Eine systematische Übersichtsarbeit untersuchte neben Johanniskraut noch weitere pflanzliche Arzneimittel zur Behandlung von Depressionen und fand unter anderem Studien zu Lavendel. Lavendel erwies sich in Kombination mit dem Antidepressivum Imipramin als signifikant wirksamer als Imipramin allein [8].

Des Weiteren konnte in einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse eine anxiolytische Wirkung von Lavendelöl bei generalisierten Angsterkrankungen (GAD) nachgewiesen werden. Die Studie ergab eine Überlegenheit von Lavendel gegenüber Placebo [5]. Zudem untersuchte eine weitere Metaanalyse die Wirkung von Lavendelöl auf subsyndromale Angststörungen, also Angststörungen, die nicht den konkreten Einschlusskriterien der GAD entsprechen. Hier wurde ebenfalls gezeigt, dass Lavendelöl bei der Behandlung von 221 Patienten mit subsyndromalen Angststörungen gegenüber Placebo signifikant überlegen war [20]. In zwei einzelnen randomisiert kontrollierten Studien bei Patienten mit generalisierter Angststörung konnte außerdem eine Überlegenheit und bessere Verträglichkeit gegenüber dem Antidepressivum Paroxetin [14] sowie eine therapeutische Äquivalenz im Vergleich mit Benzodiazepinen [25] nachgewiesen werden. Es ergaben sich keine Hinweise auf Abhängigkeitsphänomene und die Einnahme wurde gut vertragen.

Die bereits erwähnte Metaanalyse zur Wirkung von Lavendelöl bei subsyndromalen Angststörungen fand sekundär zur anxiolytischen Wirkung auch eine positive Wirkung auf den Schlaf, ohne dabei Tagesmüdigkeit zu verursachen, sowie eine verbesserte gesundheitsbezogene Lebensqualität [20].

Kaukasischer Natternkopf (Echium amoenum)

Der Natternkopf ist in ganz Europa und Westasien heimisch. Für medizinische Anwendungen in Deutschland findet er jedoch wenig Beachtung. In einer systematischen Übersichtsarbeit konnten im Vergleich zu Placebo signifikante Verbesserungen der depressiven Symptomatik nachgewiesen werden. Hinweise auf schwere Nebenwirkungen gab es nicht [8].

Rosenwurz (Rhodiola rosea)

Rosenwurz, auch als „Goldene Wurzel“ bekannt, ist in den arktischen Regionen Europas und Asiens beheimatet und bereits seit Jahrhunderten in der Medizintradition Skandinaviens und Russlands bekannt für seine gesundheitsfördernde, stimulierende Wirkung. Rosenwurz gehört zu den pflanzlichen Adaptogenen, welche Pflanzen mit anpassungsfähigen Eigenschaften beschreiben. Sie sind nicht auf eine spezielle Art der Wirkung festgelegt, sondern gleichen ebenso Defizite aus wie sie Überfunktionen regulieren. Somit sorgen sie für ein Gleichgewicht und erhöhen die Widerstandsfähigkeit und Stresstoleranz. Die Datenlage zur Wirksamkeit adaptogener Pflanzen ist bisher jedoch noch sehr begrenzt. In Bezug auf Depressionen konnte eine bereits erwähnte systematische Übersichtsarbeit für Rosenwurz im Vergleich zu Placebo signifikante Verbesserungen der depressiven Symptomatik nachweisen [8].

Eine einzelne Pilotstudie untersuchte außerdem die Wirkung von Rosenwurz bei der Behandlung von generalisierter Angststörung bei 10 Patienten [4]. Die Hälfte der Teilnehmer dieser Studie berichteten einen signifikanten Rückgang von mindestens 50 % der Angstsymptomatik auf der Hamilton-Angst-Skala und 4 von ihnen erreichten eine Remission.

Kava-Kava (Piper methysticum)

Zu den pflanzlichen Sedativa zählt Kava-Kava, welches im Zusammenhang mit Angstzuständen bisher am häufigsten untersucht wurde. Die Pflanze (meist sind es Zubereitungen aus dem Wurzelstock) wird häufig als zeremonielles Stammesgetränk auf den Pazifikinseln verwendet und ihr wird eine beruhigende Wirkung zugesprochen. Mehr als ein Dutzend veröffentlichte Studien haben die Wirksamkeit von Kava bei der Behandlung von Angstzuständen untersucht, mit einer Mehrzahl an placebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudien. Verschiedene Metaanalysen zeigten im Vergleich zu Placebo einen signifikanten anxiolytischen Effekt, unabhängig von Art und Schwere der Symptome der Angsterkrankung [4]. Außerdem konnte bei der Behandlung von generalisierter Angststörung eine therapeutische Äquivalenz von Kava im Vergleich zu Buspiron und Venlafaxin nachgewiesen werden. Auch bestehen keine Hinweise auf Abhängigkeitsphänomene im Vergleich zu Benzodiazepinen. Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit wurden Kava-Medizinprodukte aufgrund ihrer potenziellen Hepatotoxizität seit 2001 in Kanada, Großbritannien und der Europäischen Union vom Markt zurückgezogen. Basierend auf den obigen Befunden sollte die Toxizität genauer untersucht werden. Jüngste Studien haben gezeigt, dass wässriger Kava-Extrakt möglicherweise nicht toxisch ist [4].

Passionsblume (Passiflora incarnata)

Die Passionsblume wurde als Volksheilmittel gegen Angstzustände und Schlaflosigkeit eingesetzt. Ihre anxiolytische Wirkung wurde bisher überwiegend in Tierversuchen nachgewiesen, klinische Studien am Menschen fehlen noch. Eine Studie untersuchte die Wirksamkeit von Passionsblume im Vergleich zu Oxazepam bei der Behandlung von Patienten mit generalisierter Angststörung. Passionsblume zeigte eine ähnliche Wirksamkeit wie Oxazepam, die Wirkung setzte jedoch langsamer ein und hatte weniger Einfluss auf die Funktion der Patienten [4].

Für die Behandlung von Schlafstörungen empfiehlt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) unter anderem Passionsblume [9]. Die Wirkung von Passionsblumentee auf den Schlaf wurde bei klinisch relevanter Insomnie jedoch noch nicht untersucht. Eine zweiwöchige randomisiert-kontrollierte Studie untersuchte ihre Wirkung bei einer gesunden Probandengruppe. Es wurden signifikante Verbesserungen der subjektiven Schlafqualität berichtet, jedoch keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf polysomnografische Befunde [4].

Bei starken Unruhezuständen, wie sie bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vorkommen, können pflanzliche Sedativa wie die Passionsblume möglicherweise ebenfalls indiziert sein. So fand eine systematische Übersichtsarbeit zur Anwendung von Passionsblumenextrakt bei Kindern mit ADHS beispielsweise vergleichbare Effekte bei der Reduktion hyperkinetischer Symptome wie Methylphenidatpräparate [2]. Zudem wurde das pflanzliche Sedativum besser vertragen [Abb. 1].

Kamille (Matricaria chamomilla)

Getrocknete Blütenköpfe der Kamille werden ebenfalls seit Langem als traditionelles Kräuterheilmittel verwendet, um Entspannung und Ruhe zu fördern. Eine klinische Studie untersuchte die Wirkung von Kamille bei Patienten mit generalisierter Angststörung. In einer achtwöchigen Studie zeigte die Behandlungsgruppe, welche Kamillenextrakt erhielt, eine signifikante Verringerung der Angstwerte im Vergleich zur Placebogruppe und es wurden keine signifikanten Nebenwirkungen berichtet [4].

Die Wirkung von Kamille auf Insomnie wurde bisher nur in einer kleinen placebokontrollierten randomisierten Pilot-Studie bei Patienten mit Schlafstörungen untersucht. Kamille zeigte kleine bis mäßige Effektgrößen in Bezug auf die Verbesserung der Schlaflatenz, des nächtlichen Erwachens und der Schweregrade der Müdigkeit; für andere Parameter, wie z. B. die Schlafqualität und Schlafeffizienz, wurden jedoch keine signifikanten positiven Auswirkungen gefunden. Zudem wurden die Effekte nur innerhalb der Interventionsgruppe nachgewiesen, es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zur Placebogruppe [26]. Eine Studie bei einer älteren Patientengruppe mit geringer Schlafqualität untersuchte die Wirkung von Kamillepräparaten über einen Zeitraum von 4 Wochen im Vergleich zu Placebo und fand signifikante Gruppenunterschiede in Bezug auf die Schlafqualität nach der Behandlung zugunsten der Interventionsgruppe [1].

Melisse (Melissa officinalis)

Melisse wird als traditionelles Phytopharmakon aufgrund seiner beruhigenden, antibakteriellen Wirkung geschätzt und findet häufig Anwendung bei Angstpatienten sowie bei Schlafproblemen. Die Wirksamkeit von Melisse in psychiatrischen Populationen wurde bisher jedoch noch nicht hinreichend wissenschaftlich untersucht. Es liegt eine offene Studie vor, welche die Wirkung von Melisse in Kombination mit Baldrian bei Kindern mit Unruhe und Schlafproblemen untersuchte. Es wurden signifikante Verbesserungen der Symptomatik berichtet [4]. Objektive Messungen wurden jedoch nicht vorgenommen und es fehlen randomisierte und kontrollierte klinische Studien, welche diese Ergebnisse bestätigen.

Eine bereits erwähnte systematische Übersichtsarbeit zur Anwendung von Phytotherapeutika bei Kindern mit ADHS fand kleine, aber signifikante Effekte von Melisse auf die Aufmerksamkeitsproblematik [2].

Hopfen (Humulus lupulus)

Hopfen findet ebenfalls häufig Anwendung bei Angst- und Schlafstörungen und seine sedierende Wirkung auf das Nervensystem wurde in präklinischen Studien bereits nachgewiesen [4]. Randomisiert-kontrollierte Studien hierzu wurden jedoch noch nicht durchgeführt. Lediglich die Wirkung von Hopfen in Kombination mit Baldrian bei Schlafstörungen wurde in 2 randomisiert-kontrollierten Studien untersucht. Es zeigten sich signifikante Verbesserungen bei objektiven Parametern [4]. Eine weitere Studie mit einem Hopfen enthaltenden Nahrungsergänzungsmittel zeigte jedoch keine signifikanten Auswirkungen von Hopfen auf Schlafstörungen und den Melatoninstoffwechsel gegenüber einem Placebo [4].

Baldrian (Valeriana officinalis)

Baldrian ist bereits seit über 1000 Jahren aufgrund seiner beruhigenden Wirkung fester Bestandteil der traditionellen Pflanzenheilkunde. Es liegen bisher jedoch kaum Daten zu Angstpatienten vor und die Ergebnisse sind inkonsistent.

Die Wirkung von Baldrian wurde überwiegend bei Patienten mit Schlafproblemen untersucht. Hier liegt eine Vielzahl an Studien vor. Es ist jedoch schwierig, die Ergebnisse dieser Studien direkt zu vergleichen, da Zubereitungen, Dosierungen und Behandlungsdauern variierten. Drei Metaanalysen fanden minimale signifikante Unterschiede im Vergleich zur Placebogruppe [6],[10],[17]. Die eingeschlossenen Studien wiesen jedoch überwiegend methodische Mängel auf. Kontrollierte Studien von guter methodischer Qualität sind daher notwendig, um Aussagen zur Wirksamkeit von Baldrian bei Schlafproblemen treffen zu können. Die meisten Studien haben Baldrianzubereitungen als sicher eingestuft, mit vereinzelt berichteter erhöhter Tagesmüdigkeit als unerwünschtem Ereignis.

Auch bei der Behandlung von ADHS-Symptomen bei Kindern konnten Studien mit Präparaten aus Baldrian vielversprechende Ergebnisse vorlegen [2].

Rosmarin (Rosmarinus officinalis)

Rosmarin, bereits seit langer Zeit im mediterranen und asiatischen Raum bekannt und weltweit als Gewürzpflanze kultiviert, findet auch aufgrund seiner medizinischen Wirkung bei einer Reihe von Beschwerden Anwendung. Eine iranische randomisierte Doppelblindstudie untersuchte unter anderem, wie sich Rosmarin auf die Schlafqualität von Studenten auswirkt [21]. Dafür erhielt eine Gruppe über einen Monat täglich zweimal 500 mg Rosmarin in Kapselform, die andere Gruppe erhielt stattdessen ein Placebo. Nach Ablauf der Intervention wurde eine signifikante Verbesserung der Schlafqualität in der Interventionsgruppe gegenüber Placebo festgestellt. Die Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da die Studienqualität einige Mängel aufwies.

Kleines Fettblatt (Bacopa monnieri)

Das Kleine Fettblatt ist eine ursprünglich aus Südasien stammende Pflanze, die in der ayurvedischen Medizin als Heilpflanze genutzt wird. Das häufig unter dem indischen Namen Brahmi zu findende Kraut enthält Saponine, die die Leistung des Gehirns steigern und einen positiven Einfluss auf das Denk- und Lernvermögen haben können [16]. Brahmi beeinflusst die kognitiven Funktionen des Gehirns, weshalb es zu den Nootropika zählt. In den letzten Jahren wurde außerdem die Wirkung von Bacopa monnieri bei der Behandlung von hyperkinetischen und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen untersucht. Einige Studien, durchgeführt bei Kindern und Jugendlichen, zeigten signifikante Verbesserungen in verschiedenen Bereichen der Hyperaktivität und Aufmerksamkeit mit kleinen bis mittleren Effektgrößen [15]. So konnte beispielsweise eine Verringerung der Unruhe und Verbesserung der Selbstkontrolle erzielt werden. Auch bei Erwachsenen konnte eine positive Wirkung, wie beispielsweise eine verbesserte kognitive Leistungsfähigkeit und Reaktionszeit, nachgewiesen werden [16]. Die Behandlung wurde außerdem sehr gut vertragen und es wurden in wenigen Fällen nur leichte Nebenwirkungen berichtet.

Ginkgo (Ginkgo biloba)

Ginkgo ist ein lebendes Fossil, das ursprünglich in China beheimatet ist. Der Baum wird seit der Antike in großem Umfang kultiviert und verwendet. Ginkgoblattextrakt wird seit Langem als kognitiver Verstärker verwendet und Studien zeigten eine positive Wirkung auf kognitive Beeinträchtigungen und Demenz, insbesondere bei Patienten mit neuropsychiatrischen Symptomen [24]. Bei der Behandlung von Kindern mit ADHS war die Wirkung des pflanzlichen Arzneimittels jedoch sehr begrenzt [2].

Diskussion

Phytotherapeutika erfreuen sich in der traditionellen Erfahrungsheilkunde bereits seit hunderten von Jahren großer Beliebtheit und werden häufig als Selbstmedikation bei unterschiedlichen Beschwerden angewandt. Auch die klinische Forschung verzeichnet ein zunehmendes Interesse an der Untersuchung verschiedener Phytotherapeutika. Die bisherige Evidenzlage zur Anwendung von Phytotherapeutika bei ausgewählten psychiatrischen Erkrankungen ist jedoch noch sehr begrenzt. Bestehende Studien weisen außerdem größtenteils methodische Mängel auf, sodass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind.

Bei leichten bis mittelschweren Depressionen liegen vielversprechende Ergebnisse für die Anwendung von Johanniskraut vor. Hier konnten in Bezug auf die Behandlung depressiver Symptome vergleichbare Ergebnisse erzielt werden, wie mit konventionellen Antidepressiva, und es zeigte sich eine bessere Verträglichkeit im Vergleich zu Psychopharmaka. Hier sind Interaktionen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten jedoch unbedingt zu berücksichtigen, damit die Wirksamkeit nicht negativ verändert wird. Mit Ausnahme von Johanniskraut ist die Datenlage für andere pflanzliche Arzneimittel bisher weniger überzeugend.

Sollte Johanniskraut (Hypericum perforatum) aufgrund möglicher Neben- und vor allem Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten nicht infrage kommen, kann die Anwendung von Safran (Crocus sativus), Gelbwurz (Curcuma longa), allgemein auch Kurkuma genannt, dem Kaukasischen Natternkopf (Echium amoenum) und Rosenwurz (Rhodiola rosea) erwogen werden.

Bei leichteren Angststörungen kann neben der Passionsblume (Passiflora incarnata) und Lavendel (Lavandula angustifolia) auf Kamille (Matricaria chamomilla) und ggf. Rosenwurz (Rhodiola rosea) zurückgegriffen werden. Kava-Kava (Piper methysticum) ist trotz seiner nachgewiesenen anxiolytischen Wirkung aufgrund seiner schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht zu empfehlen.

Bei Schlafstörungen wird ebenfalls auf Pflanzenheilmittel zurückgegriffen. Für klinisch relevante Schlafstörungen ist die Evidenzlage bisher nicht ausreichend, in leichteren Fällen aber können neben dem häufiger eingesetzten Baldrian (Valeriana officinalis) auch Rosmarin (Rosmarinus officinalis) sowie Kamille (Matricaria chamomilla) versucht werden.

Außerdem kann bei Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen eine Behandlung mit dem Kleinen Fettblatt (Bacopa monnieri) versucht werden, insbesondere dann, wenn die chemisch definierten Therapieoptionen mit zu viel Nebenwirkungen behaftet scheinen.

Entgegen der Annahme, dass „natürlich“ zwangsläufig „nebenwirkungsfrei“ bedeutet, bestehen bei Phytotherapeutika grundsätzlich ähnliche Risiken wie bei allen Arzneimitteln, wie unerwünschte Wirkungen, Gegenanzeigen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, welche Sorgfalt und Vorsicht erfordern. Sie weisen aber im Allgemeinen eine gute Verträglichkeit auf und bergen ein großes Potenzial mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. In der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen stellen sie möglicherweise eine gute Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Psychopharmaka dar und können in Einzelfällen möglicherweise sogar zur besseren Therapieadhärenz beitragen. Die Wirkung von Phytotherapeutika als hochwirksame Arzneimittel sollte daher nicht unterschätzt, potenzielle Nebenwirkungen aber ebenso wenig außer Acht gelassen werden. Weitere randomisiert-kontrollierte Studien von guter methodischer Qualität sind daher indiziert, um die Anwendung von Phytotherapeutika auf Basis einer überzeugenden Datenlage beurteilen zu können.

Prof. Dr. G. Dobos hat im Rahmen eines Studienprojektes Drittmittel von der Firma Dr. Willmar Schwabe erhalten. Alle anderen Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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