Inhalt
Einleitung
Viele arzneilich verwendete Pflanzen wurden zwischen 1976 und 1993 von der ehemaligen Kommission E am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Form von über 300 Monografien kritisch aufgearbeitet. Circa 30% der untersuchten Pflanzen wurden neutral oder negativ bewertet. Von den positiven Monografien entfielen 25 auf dermatologisch relevante Pflanzen wie Kamille, Hamamelis und Ringelblume. Von den positiven Monografien erreichten jedoch die meisten nur ein niedriges Evidenzlevel, da nur wenige gute Studien zu diesen Arzneipflanzen durchgeführt wurden [1] [2]. Zahlreiche heute in der Dermatologie etablierte Wirkstoffe stammen ursprünglich aus Pflanzen, z. B. das 8-Methoxypsoralen (aus der Knorpelmöhre), die Salicylsäure (aus der Weidenrinde) oder die Gerbstoffe (aus Eichenrinde, Schwarztee oder Hamamelisrinde).
Dieser Beitrag geht vorwiegend auf neuere klinische Studien mit dermatologischen pflanzlichen Kosmetika und Arzneimitteln für entzündliche Dermatosen ein [3]. Es werden Johanniskraut, Süßholz, Blutwurz, Enzian, Nachtkerze, Silberweide, Ararobabaum, Knorpelmöhre, Mahonie, Indigo, Kurkuma, Weihrauch, Grüntee, Quassiaholzbaum, Teebaum und Hopfen besprochen. Für einen vollständigen Überblick über Phytotherapeutika in der Dermatologie sei auf ein umfassendes Review verwiesen [4].
Atopische Dermatitis (Neurodermitis)
Die atopische Dermatitis (AD) ist eine chronische, juckende, entzündliche Hauterkrankung, die mit einer gestörten Hautbarriere einhergeht. Dermatologen verschreiben Patienten häufig Glukokortikoide, aber Patienten und Eltern von Kindern mit Neurodermitis machen sich Sorgen über deren Nebenwirkungen, insbesondere bei einer Langzeittherapie. Sie fragen nach pflanzlichen Therapien, weil sie eine ähnliche Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen erwarten. Wegen der großen Nachfrage nach Phytotherapeutika bei AD ist bei dieser Indikation die Zahl experimenteller und klinischer Studien am höchsten. Ein umfassender, evidenzbasierter Review zur Phytotherapie bei AD erschien 2016 [5]. Einige dieser Studien werden hier besprochen.
Johanniskraut (Hypericum perforatum)
Seit Jahrhunderten wird Johanniskraut ([Abb. 1]) zur äußerlichen Behandlung von Wunden und Verbrennungen hauptsächlich in Form des Johanniskrautöls eingesetzt [6].
Der lipophile Hauptwirkstoff des Johanniskrauts, das Phloroglucin-Derivat Hyperforin, besitzt antibakterielle, antiinflammatorische und differenzierungsfördernde Eigenschaften, die in einem Review von 2014 ausführlich beschrieben werden [7]. In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie im Halbseitenvergleich wurde z. B. die Wirkung einer Creme mit einem hyperforinreichen Johanniskraut-Extrakt (1,5%) an 21 Patienten mit subakuter atopischer Dermatitis untersucht. Das Verum mit Johanniskraut war dem Vehikel signifikant überlegen [8]. In einer weiteren Studie mit 117 Probanden mit atopischer Diathese zeigte sich nach einer 4-wöchigen Anwendung einer Johanniskrautcreme und -lotion eine gute Verträglichkeit und statistisch signifikante Verbesserung bzgl. des Hydratationseffektes, des transepidermalen Wasserverlustes und der Schuppung der Haut [9]. Derzeit gibt es kein Präparat mit Johanniskrautextrakt mehr auf dem Markt.
Süßholz (Glycyrrhiza glabra)
Die entzündungshemmende Wirkung von Süßholz (Glycyrrhiza glabra und G. uralensis) ist gut untersucht und in einer aktuellen Übersicht zusammengefasst [10]. Von den vielen Inhaltsstoffen des Süßholzes sind die Triterpene Glycyrrhizin und Glycyrrhetinsäure am besten an Hautzellen untersucht [10] [11] [12] [13]. Aber auch andere Inhaltsstoffe wie das Flavonoid Isoliquiritigenin [14] und das Chalcon Licochalcon A wirken entzündungshemmend [15] [16] [17]. Eine Creme mit Glycyrrhetinsäure, Weinlaub-Extrakt, Telmestein und Allantoin wurde in einer multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 281 Erwachsenen mit leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis geprüft. Nach einem Behandlungszeitraum von 5 Wochen zeigte sich eine hochsignifikante Überlegenheit der Kombination (Besserung des Schweregrades um 80%) gegenüber dem Vehikel (Besserung um 10%) [18]. Das Prüfpräparat wird derzeit als Medizinprodukt zur kortisonfreien Behandlung der atopischen Dermatitis in Deutschland vertrieben. Eine Creme mit Licochalcon A als entzündungshemmenden Zusatz zeigte sich in einer kontrollierten Studie bei 26 Erwachsenen mit AD als wirksam und im Halbseitenvergleich dem Vehikel signifikant überlegen [19]. Das Produkt ist als medizinisches Pflegeprodukt im Handel (AtopiControl®).
Ein Körperbalsam mit Glycyrrhizin zeigte in einem placebokontrollierten UV-Erythemtest mit 42 Probanden eine signifikante Reduktion der UVB-induzierten Entzündung der Haut. Die entzündungshemmende Wirkung entsprach der Wirkung von 1% Hydrokortisonacetat. Das Körperbalsam führte in einer nicht kontrollierten klinischen Studie mit 10 Probanden bereits nach einwöchiger Anwendung zu einer signifikanten Reduktion des Atopie-Scores im Testareal und wurden sehr gut vertragen [20].
Gerbstoffe aus der Blutwurz (Potentilla erecta)
Gerbstoffe aus Schwarztee (Camellia sinensis), Zaubernuss (Hamamelis virginiana) und Eichenrinde (Quercus-Arten) werden schon lange wegen ihrer adstringierenden und entzündungshemmenden Eigenschaften verwendet. Sie werden in Form kalter oder fett-feuchter Umschläge zur Linderung akut nässender Ekzeme eingesetzt. Neuerdings wurde eine Creme mit Gerbstoffen aus dem Rhizom der Blutwurz (Potentilla erecta, [Abb. 2]) untersucht. Eine antientzündliche Wirkung der Blutwurz, die mit der Wirkung von Hydrokortison vergleichbar ist, konnte in vitro und in vivo gezeigt werden. In einem okklusiven Patchtest zeigte sich, dass der Blutwurz-Extrakt, ähnlich wie Hydrokortison, zu einer Vasokonstriktion an der Haut führt [21]. Im Rahmen einer prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit 40 Probanden wurde im UV-Erythemtest eine antiinflammatorische Wirkung nachgewiesen, die der von 1% Hydrokortisonacetat entsprach. In einer nicht kontrollierten Anwendungsstudie bei 24 Atopikern mit leichter Neurodermitis führte die Creme nach 1 und 2 Wochen zu einer raschen und signifikanten Verbesserung des Atopie-Scores im Testareal [22] (Dr. Hauschka Med Akutcreme Potentilla).
Bitterstoffe
Als verdauungsanregende und tonisierende Heilmittel spielen Bitterstoffe aus verschiedenen Pflanzen seit Begründung der ayurvedischen Medizin vor 5000 Jahren bis in die heutige Zeit in der Geschichte der Phytotherapie eine wichtige Rolle [23]. Erst in den letzten Jahren wurde die molekulare Struktur der Bitterstoff-Rezeptoren entschlüsselt. Mittlerweile wurden diese auch in Hautbiopsien und primären Keratinozyten nachgewiesen [24]. Bitterstoffe wie Salicin aus der Weidenrinde und Amarogentin aus dem Gelben Enzian binden an Bitterstoff-Rezeptoren der Haut. Es kommt in den Keratinozyten zu einem Einstrom von Kalzium und zur Bildung von Proteinen, die an der Ausbildung der Hautbarriere beteiligt sind, u. a. Filaggrin [24]. Bitterstoffe regen auch die Synthese von Lipiden in der Haut an. In einem doppelblinden, placebokontrollierten Halbseitenvergleich mit 33 Probanden zeigte ein Extrakt aus dem Gelben Enzian eine signifikante Steigerung der Lipidsynthese im Strateum corneum [25]. Interessanterweise entsprechen die Lokalisationen, an denen die Lipide ausschließlich von epidermalen Zellen gebildet werden, den Prädilektionsstellen der Neurodermitis (Armbeugen, Kniekehlen). Somit sind hier Externa mit Bitterstoffen besonders wirksam [26]. Über die Proteinbildung und die Lipidsynthese regen Bitterstoffe den Stoffwechsel der Haut an und fördern die Regeneration der Hautbarriere. Dies stellt ein neues Wirkprinzip dar und wird bereits in der Dermokosmetik für die Basispflege von Patienten mit trockener oder zu Neurodermitis neigender Haut genutzt.
Nachtkerze (Oenothera biennis)
Das fette Öl aus den Samen der Nachtkerze besitzt aufgrund des hohen Anteils an γ-Linolensäure eine günstige Wirkung auf die Haut des Atopikers. Es kann sowohl in Form von Salben als auch innerlich angewendet werden. Insgesamt ist die Anzahl guter Studien zur Anwendung von Nachtkerzenöl bei der atopischen Dermatitis recht gering. Eine neuere Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass ein zwar positiver, aber nur moderater Einfluss des Öls auf Juckreiz, Schuppung und Krustenbildung besteht [27].
Psoriasis vulgaris
Die Psoriasis ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die durch verdickte, gerötete und schuppende Plaques gekennzeichnet ist. Pflanzliche Wirkstoffe spielen auch bei der Behandlung der Psoriasis eine Rolle. Vor kurzem erschienen zwei ausführliche, systematische Reviews, die die Studien zu diesem Thema analysieren und bewerten [28], [29].
Silberweide (Salix alba)
Durch ihre exfoliativen Eigenschaften auf hyperkeratotische Psoriasisplaques sind salicylsäurehaltige Salben seit langer Zeit ein unentbehrlicher Bestandteil der Basistherapie der Psoriasis. Salicylsäure wurde ursprünglich aus der Rinde der Silberweide gewonnen, wird heute allerdings preiswert synthetisch hergestellt. Salicylsäure ist die am stärksten keratolytisch wirksame therapeutisch verwendete Substanz [30].
Ararobabaum (Vataireopsis araroba)
Eine der bis heute wirksamsten topischen Psoriasistherapien ist das Cignolin (Anthralin, Dithranol), das heutzutage ebenfalls synthetisch hergestellt wird. Ursprünglich wurde es aus dem Chrysarobin gewonnen, einem Bestandteil der Rinde des Araroba- oder Goabaums Vataireopsis araroba, der im Regenwald des Amazonas wächst. Cignolin hemmt die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und das Wachstum von Keratinozyten. In einer randomisierten multizentrischen Studie mit 106 Psoriasispatienten erwies sich Cignolin gegenüber Calcipotriol als signifikant überlegen (Creme mit 1% Dithranol und Creme mit 0,5% Dithranol) [31].
Knorpelmöhre (Ammi majus)
Die ursprünglich aus der Knorpelmöhre isolierten Psoralene hemmen die Keratinozytenproliferation und die kutane Entzündung in Kombination mit UVA-Bestrahlung (PUVA). Zahlreiche klinische Studien wiesen die antipsoriatische Wirksamkeit von PUVA bei innerlicher Anwendung [32], aber auch in Form von Bädern [33] oder Cremes [34] nach.
Mahonie (Mahonia aquifolium)
Die Berberitzenart Mahonia aquifolium stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde bereits von den Indianern zur Behandlung der Psoriasis verwendet. In einer randomisierten, vehikelkontrollierten Doppelblindstudie mit 200 Psoriasispatienten konnte gezeigt werden, dass eine Mahonia-Creme mit 10% Urtinktur (z. B. Rubisan®) eine Wirkung mit signifikanter Reduktion des PASI (Psoriasis Area and Severity Index) hat und gut verträglich ist [35].
Indigo (Baphicacanthus cusia)
In der traditionellen chinesischen Medizin ist Indigo naturalis ein verbreitetes Heilmittel. Es handelt sich um ein blaues Pulver, das durch Zerkleinerung, Fermentation und Beimischung von Kalk aus der Pflanze Baphicacanthus cusia hergestellt wird. In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie wurden 42 Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis über einen Zeitraum von 12 Wochen mit einer indigohaltigen Salbe behandelt. Unter deren Anwendung kam es zu einer Verbesserung der Symptomatik bei 81% der Patienten, wogegen das Placebo lediglich eine Verbesserung bei 26% der Patienten erzielte. Als Nebenwirkung trat bei 4 Patienten Juckreiz auf [36]. In einer weiteren randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie zeigten Patienten mit moderater Psoriasis nach Anwendung einer indigohaltigen Salbe eine signifikante Abnahme des PASI im Vergleich zu Placebo (56,3% mit PASI 75 in der Verumgruppe versus 0% mit PASI 75 in der Placebogruppe). Im Rahmen dieser Studie wurden vor Beginn und nach 8 Wochen Hautbiopsien aus läsionaler und nichtläsionaler Haut entnommen und die Genexpression untersucht. Die Hautproben wiesen die bei Psoriasis bekannte Hochregulation des IL-17-Reaktionsweges auf. Mit Indigo behandelte Hautareale zeigten eine Normalisierung der Hautläsionen und eine Herunterregulierung von IL-17 [37].
Unverarbeitetes Indigo naturalis verursacht aufgrund seiner blauen Farbe bei lokaler Anwendung Fleckenbildung auf der Haut und Kleidung, sodass die Compliance bezüglich einer Langzeittherapie reduziert wird. 2008 gelang es erstmals, die blaue Farbe durch eine Extraktion zu entfernen; die resultierende, patentierte Formulierung, bestehend aus Indirubin und Indigo, wurde in mehreren klinischen Studien auf seine Wirkung bei Psoriasis untersucht. In einer kürzlich publizierten, randomisierten, doppelblinden Studie mit 100 Patienten mit Psoriasis vulgaris konnte die dosisabhängige Wirksamkeit der Formulierung nach einer zweimal täglichen Anwendung von 8 Wochen gezeigt werden. Die beste Wirksamkeit zeigte sich in der Gruppe mit der höchsten Konzentration von 200 µg/g, hier zeigte sich eine Reduktion des PASI von 69,2%. Auch bei einer Konzentration von 50 µg/g zeigte sich eine Reduktion des PASI von 50,3%. Als kutane Nebenwirkungen traten bei wenigen Patienten Erytheme auf. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Die hier zitierten Studien wurden mit asiatischen Probanden durchgeführt [38]. Ob die Wirkung von Indigo naturalis bei Kaukasiern mit Psoriasis vergleichbar ist, kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. In Deutschland ist derzeit kein Produkt mit Indigo verfügbar.
Kurkuma (Curcuma longa)
Kurkuma wird seit Langem in der traditionellen chinesischen Medizin und in der ayurvedischen Medizin angewendet. In vitro zeigte der Inhaltsstoff Curcumin antiinflammatorische, antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften [39].
Zudem wurden in den letzten Jahren mehrere Studien publiziert, die das Potenzial von Kurkuma bzw. Curcumin in der topischen Therapie der Psoriasis vulgaris hervorheben. Hier scheinen verschiedene Mechanismen, wie die Inhibition der Phosphorylase-Kinase [40] [41], das Herunterregulieren von proinflammatorischen Zytokinen (wie beispielsweise von IL-17 und von TNF-α sowie die Stärkung der Barrierefunktion der Haut durch das Hochregulieren von Involucrin und Filaggrin in vitro eine Rolle zu spielen [42]. Es werden jedoch weitere, placebokontrollierte klinische Studien benötigt, bevor eine Empfehlung zur Anwendung topischer und oraler Kurkuma-Präparate in der Psoriasis ausgesprochen werden kann [43].
Weihrauch (Boswellia serrata)
Weihrauchzubereitungen wurden in der griechisch-römischen Antike von Hippokrates, Celsus, Galen und Dioskurides als Salben bei Brandwunden und Frostbeulen, Schuppenflechte oder Warzen, als Pulver zum Reinigen und Desinfizieren von Wunden und zur Blutstillung empfohlen [44].
In einer multizentrischen, offenen Phase-III-Studie wurden 200 Probanden mit milder bis moderater Psoriasis über 12 Wochen mit einer Weihrauch-haltigen Creme mit 5% 3-O-Acetyl-11-keto-β-boswelliasäure (AKBBA) behandelt. Es wurden klinisch Änderungen des PASI und labordiagnostisch die Reduktion von Biomarker-Konzentrationen vor Beginn und nach 12 Wochen Lokaltherapie gemessen. Die Biomarker, die gewählt wurden, spielen bei chronischen Entzündungsprozessen eine wichtige Rolle: Leukotrien B4 (LTB4), Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-α), Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) und Prostaglandin E2 (PGE2).
Bereits bei der ersten Studienvisite nach 3 Wochen zeigte sich eine signifikante Reduktion des PASI im Vergleich zur Baseline, die bei allen weiteren Visiten und auch bei der Abschlussvisite nach 12 Wochen weiterhin signifikant war. Auch alle o.g. Biomarker zeigten eine signifikante Reduktion im Serum nach 12 Wochen. Nebenwirkungen traten bei 13 Patienten auf, hierbei handelte es sich hauptsächlich um moderate kontaktallergische Reaktionen der Haut [45]. Die in der Studie verwendete Creme ist nicht auf dem Markt erhältlich.
Johanniskraut (Hypericum perforatum)
Keratinozyten von Psoriasispatienten zeigen eine verstärkte Zellproliferation, eine gestörte Differenzierung, Entzündungsreaktionen sowie eine reduzierte Expression von Kationenkanälen wie z. B. TRPC6. Neben der entzündungshemmenden Wirkung konnte gezeigt werden, dass Hyperforin in Keratinozyten den Einstrom von Kalzium fördert [46]. Eine erhöhte Kalziumkonzentration durch Hyperforin kann diese Kanäle aktivieren, die Proliferation der Keratinozyten hemmen und eine geordnete Differenzierung fördern [47]. In einer vehikelkontrollierten, einfach verblindeten Pilotstudie an 10 Patienten mit Plaque-Typ-Psoriasis führte eine topische Behandlung mit Johanniskrautextrakt (5%) nach 4-wöchiger Anwendung zu einer signifikanten Reduktion aller Parameter des PASI einschließlich Erythem, Plaquegröße und Dicke der Haut [48]. Eine kürzlich veröffentlichte placebokontrollierte Doppelblindstudie mit intraindividuellem Vergleich an 20 Psoriasispatienten mit milder bis moderater Plaque-Psoriasis zeigte ebenfalls eine Reduktion des PASI nach 4-wöchiger Behandlung mit einer Creme mit 5% Johanniskrautextrakt. Außerdem führte die Behandlung zu einer Reduktion des TNF-α-Levels im Psoriasisgewebe [49]. Derzeit gibt es kein Präparat mit Johanniskrautextrakt auf dem Markt. Man könnte sich allerdings eine Salbe mit Johanniskrautextrakt selbst herstellen.
Hopfen (Humulus lupulus)
Die Bittersäuren des Hopfens Lupulon und Humulon zeigen eine strukturelle Ähnlichkeit zu dem Hyperforin des Johanniskrautes. In einem In-vitro-Screening von traditionell verwendeten Pflanzenextrakten zur Behandlung von Psoriasis aus der ayurvedischen Medizin, der traditionellen chinesischen Medizin, der traditionellen nordamerikanischen Medizin und der abendländischen Klostermedizin war Hopfenextrakt neben dem Johanniskrautextrakt der vielversprechendste Extrakt. Hopfen wirkte schon bei niedrigen Konzentrationen antiproliferativ und entzündungshemmend. Somit ist Hopfen ein interessanter Kandidat für die topische Behandlung von Psoriasis, wie erste Anwendungsbeobachtungen zeigten. Allerdings stehen klinische Studien zur Wirksamkeit noch aus [50].
Rosazea
Die Rosazea ist eine entzündliche Hauterkrankung des Gesichts, die sowohl Talgdrüsen als auch kleine oberflächliche Hautgefäße betrifft. Die einzelnen Subtypen präsentieren erythematöse, papulo-pustulöse und teleangiektatische Hautveränderungen. 2015 erschien ein ausführlicher, systematischer Review zur Datenlage der Wirksamkeit von Phytotherapeutika bei Rosazea [50] [51].
Grüntee (Camellia sinensis, unfermentiert)
Grüntee-Extrakt enthält große Mengen oligomerer Proanthocyanidine wie Epigallocatechingallat (EGCG). Dies ist ein potentes Antioxidans mit photoprotektiven Eigenschaften. Es konnte gezeigt werden, dass eine EGCG-haltige Creme den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF und den Hypoxie-induzierten Faktor (HIF-1α) hemmt, zwei Verbindungen, die die Angiogenese stimulieren. Die Autoren vermuten, dass die EGCG-haltige Creme den Verlauf der Rosazea verzögern oder gar aufhalten kann. In einer Studie, die über 6 Wochen mit 4 Probanden durchgeführt wurde, konnte jedoch kein signifikanter Unterschied in dem klinischen Erythem im Vergleich zu Placebo objektiviert werden und auch in Biopsien keine Reduktion der Vaskularisierung gezeigt werden [52]. Ggf. ist dies jedoch auf die geringe Fallzahl zurückzuführen, es müsste eine größere Probandenzahl untersucht werden, um weitere Schlüsse ziehen zu können. Zudem könnte die Dauer der Applikation zu kurz gewesen sein.
Da Sonnenexposition einen der Triggerfaktoren der Rosazea darstellt, könnten Grüntee-Extrakt-haltige Externa auch über ihren photoprotektiven Effekt präventiv eine Rolle in der Therapie spielen.
Süßholzwurzel (Glycyrrhiza inflata)
In einer Studie mit 62 Probanden zeigte Licochalcon A (LicA), ein Flavonoid aus der Wurzel der in Asien vorkommenden Süßholzwurzelart Glycyrrhiza inflata, in verschiedenen Grundlagen (Reinigungsprodukt, Tages- und Nachtcreme, jeweils mindestens 1-mal täglich appliziert) eine signifikante Reduktion des Gesichtserythems nach 8-wöchiger Anwendung. Die Produkte wurden zudem an 25 Probanden zusammen mit dem Antibiotikum Metronidazol angewendet; hier zeigte sich eine gute Verträglichkeit [53]. Auch die Kombination von LicA mit Trans-4-t-Butylcyclohexanol, einem Inhibitor des Kationenkanals TRPV1, wurde untersucht. Der TRPV1-Kanal ist in der Haut z. B. an der Vermittlung von Schmerz, Juckreiz und Wärme beteiligt. In einer offenen, nicht placebokontrollierten, internationalen, multizentrischen Studie mit 1221 Probanden mit sensitiver und zu Rosazea neigender Haut zeigte sich nach 4 Wochen mit 2-mal täglicher Applikation eine Besserung der untersuchten Symptome (z. B. Rötung und Erythem) [54]. Das Testprodukt wurde gut vertragen.
Quassiaholzbaum (Quassia amara)
Von den in dem Review von Fisk et al. [51] aufgeführten Phytotherapeutika war ein 4%iger Quassia-amara-Extrakt der einzige, der eine Reduktion der Teleangiektasien zeigen konnte. Es wurden 30 Probanden mit Stadium I–IV Rosazea über eine Dauer von 6 Wochen 2-mal täglich mit einem Quassia-amara-Extrakt-haltigen Gel behandelt. Die untersuchten Parameter Flush, Erythem, Teleangiektasien, Papeln und Pusteln waren alle bei der Abschlussvisite signifikant verringert. 37% der Probanden erreichten eine fast vollständige bis vollständige Remission, wobei ein besserer Therapieerfolg bei Probanden mit ausgeprägter Rosazea erzielt wurde. Es wurden keine Nebenwirkungen wie Pruritus, Ödem oder ein brennendes Gefühl beobachtet, welche bei konventionellen Lokaltherapien auftreten können. Der Grad der erreichten Symptomkontrolle war vergleichbar mit publizierten Daten von konventionellen Lokaltherapien mit Metronidazol-Creme und Azelainsäure [55]. In der Studie gab es jedoch keine Kontrollgruppe.
Blutwurz (Potentilla erecta)
In einer Patchtestreihe zeigte ein Blutwurzextrakt mit dem Ellagitannin Agrimoniin ähnlich wie Hydrokortison einen sogenannten Blanching-Effekt, worunter man das Abblassen der Haut versteht [21]. Der exakte Mechanismus dieses Effektes ist zwar nicht vollständig aufgeklärt, doch es ist bekannt, dass dafür die glatten Muskelzellen der Haut verantwortlich sind, die sich kontrahieren und dadurch den Blutfluss im Testareal reduzieren [56]. Blutwurzextrakt vermittelt die vasokonstriktorische Wirkung zumindest teilweise über die Neutralisierung von vasodilatorisch wirkenden Stickoxiden und die Hemmung der endothelialen NO-Synthase (eNOS), die konstitutiv aktiv ist. Aufgrund dieser gefäßtonisierenden Wirkung mit eNOS-inhibitorischen Eigenschaften könnte der Blutwurzextrakt auch zur Behandlung der Rosazea erythematosa eingesetzt werden, weil bei der Rosazea die Rötung der Gesichtshaut zumindest teilweise durch NO vermittelt wird. Die NO-Synthese wird, z. B. durch die Aktivierung der induzierbaren NOS (iNOS) nach einer Infektion mit Haarbalgmilben, angeregt. Dieser Ansatz wurde von Sauermann bereits mit dem topischen NO-Inhibitor L-NAME (NG-nitro-L-Arginin-Methylester) verfolgt, indem eine Creme mit 1% L-NAME 2-mal täglich für 3 Wochen bei Rosazea-Patienten angewendet wurde. Am Ende der Studie konnte eine Reduktion des Erythems gezeigt werden [57]. Eine klinische Studie, ob Blutwurzextrakt tatsächlich die Rötung bei der Rosazea reduziert, steht allerdings noch aus.
Akne vulgaris
Die Akne vulgaris ist charakterisiert durch hyperaktive Talgdrüsen, epidermale Hyperproliferation und perifollikuläre Entzündung. Zu den Pathogenen, die mit Akne assoziiert sind, zählen z. B. Propionibacterium acnes (P. acnes) und Staphylococcus aureus (S. aureus).
Teebaum (Melaleuca alternifolia)
In einer einfach verblindeten randomisierten Studie wurde 5% Teebaumöl im Vergleich zu 5% Benzoylperoxid bei 124 Aknepatienten in topischer Applikation geprüft. Nach 3 Monaten Behandlung waren die Symptome mit beiden Zubereitungen deutlich gebessert, ohne dass zwischen beiden Therapien ein Unterschied nachweisbar war [58]. Eine vehikelkontrollierte, randomisierte, über 45 Tage durchgeführte Doppelblindstudie mit 60 Aknepatienten konnte die Wirksamkeit eines Gels mit 5% Teebaumöl bestätigen [59].
Grüntee (Camellia sinensis)
Die Wirksamkeit einer Lotion mit 2% Grüntee-Extrakt konnte in einer prospektiven, nicht randomisierten Studie mit 20 Aknepatienten gezeigt werden, die diese Präparation 2-mal täglich über einen Zeitraum von 6 Wochen anwendeten [60].
Hopfen (Humulus lupulus)
Hopfenextrakt wirkt antioxidativ und antientzündlich. Im Mikrodilutionstest hemmt Hopfenextrakt außerdem das Wachstum von P. acnes und S. aureus bereits in Konzentrationen von jeweils 3,1 und 9,4 µg/ml. Ein Gel mit 0,3% Hopfenextrakt zeigte im Agardiffusionstest einen antibakteriellen Effekt gegen P. acnes und S. aureus mit einem Hemmhof von jeweils 5,5 und 3 mm. Hopfenextrakt könnte eine alternative Behandlungsoption für zu Akne neigender Haut sein [61]. Doch klinische Studien müssen diesen Effekt noch bestätigen.
Ausblick
Das Potenzial pflanzlicher Extrakte und Zubereitungen in der Behandlung von Hauterkrankungen ist sehr groß. Viele Neuentwicklungen werden im Bereich der Hautpflege, Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel gemacht, weil diese mit weniger regulatorischen Vorgaben und niedrigeren Entwicklungskosten belastet sind. Dagegen sind größere prospektive, randomisierte kontrollierte Studien, wie sie für die Zulassung von Arzneimitteln notwendig sind, eher die Ausnahme. Dementsprechend gibt es nach wie vor kaum innovative pflanzliche Arzneimittel in der Dermatologie. Dies steht der Sichtbarkeit und Akzeptanz der Phytotherapie in der akademischen Dermatologie entgegen. Deshalb werden dringend mehr gute Studien mit Phytotherapeutika in der Dermatologie benötigt.
Zitierweise für diesen Artikel
Aktualisierter Nachdruck aus Hoffmann J et al. Phytotherapie bei entzündlichen Hauterkrankungen. Akt Dermatol 2019; 45: 325–331. DOI: 10.1055/a-0881-6976
Autoren
Prof. Dr. med. Dipl. Biol. Christoph M. Schempp
Professor für Dermatologie
Apl Prof. Dr. rer. nat. Ute Wölfle
Zell- und Molekularbiologin
Julia Hoffmann
Interessenkonflikt: C. Schempp erhielt Vortragshonorare von Birken AG, Klosterfrau Healthcare und WALA Heilmittel. C. Schempp und U. Wölfle sind an einem Patent zur topischen Anwendung von Bitterstoffrezeptor-Agonisten beteiligt.
Danksagung: Das Forschungszentrum skintegral® wird gefördert durch die Sanddorf-Stiftung und die Software AG-Stiftung.
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