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„Die Haut oder das Fell an den Tieren erstreckt sich über alle Glieder, damit die Versammlung so vieler Glieder mit einer Decke zusammengebunden sei. Des Menschen Fell ist dünn und kann leicht verletzt werden. Das kommt daher, weil der Mensch – im Gegensatz zum Tier – sich selbst eine zweite Decke (die Kleidung) machen kann, mit der er sich schützt. Galenius (der antike Arzt Galen von Pergamon) sagt, dass die Haut am Menschen von unterschiedlicher Beschaffenheit ist, an manchen Stellen ist sie dünn, an anderen dick. Wo die Haut dünn ist, da ist sie weich, wo sie dick ist, da fühlt sie sich hart und rau an. Die trockene Haut ist rau und die fettige ist sanft.“
Mit diesen Worten beschreibt der gelehrte Konrad von Megenberg (1309–1374), Leiter der Domschule zu Wien, die Haut in seinem „Buch der Natur“ von 1348. Dieses Werk war einer der ersten größeren deutschen Texte zur Anatomie überhaupt. Seine anatomische Beschreibung weist richtige Beobachtungen zur unterschiedlichen Beschaffenheit der Haut auf. Was die Physiologie und Pathophysiologie der Haut angeht, wich die Vorstellung unserer Vorfahren jedoch deutlich von unserer heutigen ab.
Hautreaktion als Heilkrise
Über viele Jahrhunderte hinweg wurde die Haut als ein Ausscheidungsorgan interpretiert. Man stellte sich vor, dass durch das Schwitzen schädliche Stoffe aus dem Körper entfernt würden. Die Funktion der Haut wurde deshalb bei jenen Erkrankungen für besonders wichtig gehalten, bei denen man vermutete, dass Ausscheidungsorgane wie Darm und Nieren nur eingeschränkt funktionierten. Im Kampf des Körpers mit der Erkrankung war eine sichtbare Beteiligung der Haut mit entsprechenden Ausschlägen keineswegs ein unerwünschtes Zeichen. Man deutete solche Hautreaktionen sogar positiv im Sinne der sogenannten Heilkrise. Die Krankheit sei in dieser Phase prinzipiell überwunden, und nun müsse nur noch die Ausscheidung der Reste der Krankheitsstoffe erfolgen. Diese Hautreaktionen zu unterdrücken, galt sogar als gefährlich, da damit die Krankheit auf die empfindlicheren Organe zurückgedrängt werden könnte.
Heute wird die Haut durchaus als Barriere zwischen innen und außen, dem Fremden und dem Eigenen gesehen – genauso wie die Schleimhäute der Atemwege und des Magen-Darm-Systems.
Hautheiler von Beinwell bis Wegerich
In der Behandlung von Hauterkrankungen und Wunden sind bis heute traditionelle Heilpflanzen von so großer Bedeutung wie in nur wenigen weiteren Therapiegebieten. Auch wenn die Ursachen der Erkrankungen heute ganz anders gesehen werden, haben sich entsprechende Pflanzen wie Beinwell, Hafer oder Wegerich sogar in klinischen Studien bewährt.
Was ist ein Ekzem?
Der Begriff „Ekzem“, zu Deutsch Juckflechte, bezeichnet eine entzündliche nicht-infektiöse Hauterkrankung. Ekzeme verlaufen charakteristisch: Sie beginnen mit Hautrötung und Juckreiz, dann bilden sich Bläschen, nässende Wunden und schließlich Schuppen und Krusten. Häufig ist ein Ekzem die Folge einer allergischen Reaktion, aber auch Stressbelastungen können Ekzeme auslösen. In vielen Fällen sind jedoch keine konkreten Ursachen auszumachen. Die Wahrscheinlichkeit, zumindest einmal im Leben an einem Ekzem zu erkranken, liegt bei nahezu 100 %.
Ekzem Behandlung
Die Therapie umfasst:
- Rückfetten der Haut, denn eine gefettete Haut juckt weniger (Kratzen bei Juckreiz verstärkt die Entzündung)
- Hemmen der Entzündung zum Beispiel mithilfe von Kamillenblüten
- Desinfektion und Fördern der Wundheilung unter anderem durch Gerbstoffe (Eichenrinde), Allantoin und Schleimstoffe (Beinwellwurzel)
Kurz gefasst
In der Antike und im Mittelalter betrachtete man die Haut als Ausscheidungsorgan. Heute weiß man auch um ihre Barrierefunktion.
Die Wirkung von bewährten Rezepturen und Anwendungen der Klostermedizin lässt sich auch auf Basis der pflanzlichen Inhaltsstoffe belegen.
Bei häufigen Erkrankungen wie dem atopischen Ekzem oder Psoriasis können Heilpflanzen wie Kamille und Beinwell Linderung schaffen.
Rückfettung und Entzündungshemmung lassen sich mithilfe eines Kamillenöls kombinieren: 1 TL Kamillenöl mit 100 ml Olivenöl mischen, Mischung mehrmals tgl. auf betroffene Stellen auftragen.
Eichenrindenbäder stabilisieren die Haut: 2 EL kleingeschnittene Eichenrinde mit 1 l Wasser übergießen, eine halbe Stunde kochen lassen, abseihen, abkühlen und die betroffenen Körperstellen darin baden. Nicht länger als 2 Wochen lang anwenden.
Die Wirkstoffe der Beinwellwurzel lassen sich topisch in Form einer Salbe anwenden: Es werden 12 g kleingeschnittene Beinwellwurzel und 100 g Wollfett (zum Beispiel Fa. Eucerin) benötigt. Das Wollfett im Wasserbad erwärmen und Wurzelstücke hineinrühren. Mehrere Tage abgedeckt ziehen lassen. Mischung erneut im Wasserbad erwärmen, bis das Fett flüssig wird. Durch feinen Filter (zum Beispiel Verbandsmull) in ein Gefäß gießen, 2- bis 3-mal tgl. dick auftragen, nicht länger als 4 Wochen lang anwenden.
Neurodermitis – atopisches Ekzem
Der Begriff Neurodermitis ist veraltet, weil es sich nicht um eine Nervenentzündung handelt, wie man im 19. Jahrhundert glaubte. Heute übliche Bezeichnungen sind „atopisches Ekzem“ oder „endogenes Ekzem“. Es handelt sich um einen entzündlichen Hautausschlag mit quälendem Juckreiz, der vor allem Hals, Handgelenke, Ellenbeugen und Kniekehlen betrifft, aber auch den ganzen Körper erfassen kann. Ein überempfindliches Immunsystem reagiert auf eigentlich harmlose Stoffe wie Hausstaub oder Kleidung (Wolle) allergisch. Durch seelische Probleme kann sich die Erkrankung deutlich verschlimmern.
Die Haut ist eher trocken und neigt zur Schuppenbildung. Durch Kratzen können nässende und blutende Hautbezirke entstehen, die anfällig sind für Infektionen durch Bakterien oder Pilze. Das atopische Ekzem ist eine der häufigsten Hauterkrankungen und tritt meist schon im Vorschulalter auf (bei 10–15 %). Bei Säuglingen zeigt sich eine Rötung und leichte Schuppenbildung im Kopfbereich.
Neurodermitis Behandlung
Wichtig ist die Grundpflege. Wie schon erwähnt, juckt und schuppt eine gefettete Haut weniger. Aggressive Waschmittel und Seifen sowie sehr heißes Duschen und Baden sollte man vermeiden, da sie die Haut austrocknen. Als sehr günstig hat sich die Klimatherapie erwiesen mit 4- bis 6-wöchigen Aufenthalten im Hochgebirge oder am Meer. Auch leichte sportliche Betätigung und eine individuelle, allergenmeidende Diät sind förderlich.
Innerlich und äußerlich gegen die Entzündung
Ein wichtiges Therapieziel ist, die Entzündung zu hemmen: Bei Neurodermitikern tritt oft eine verminderte Aktivität des Enzyms Desaturase auf, eines körpereigenen Enzyms zur Bildung wichtiger ungesättigter Fettsäuren. In der Folge können bestimmte entzündungshemmende Substanzen nicht ausreichend gebildet werden. Diesen Mangel kann man in gewissem Umfang durch die innerliche und äußerliche Aufnahme von Gamma-Linolensäure ausgleichen. Diese ist zum Beispiel in Borretschsamenöl und Nachtkerzenöl enthalten. Innerlich lässt sich Nachtkerzenöl zum Beispiel in Form von Epogam® (Fa. Strathmann) anwenden, 2 × tgl. 2–3 Kps., äußerlich etwa als Kneipp Körpermilch Nachtkerze. Borretschsamenöl ist sehr leicht verderblich, deshalb wird es zur inneren Einnahme in länger haltbaren Kapseln angeboten. Die Tagesdosis beträgt 1 g. Eine spürbare Wirkung setzt bei beiden Ölen nach etwa 3 Monaten ein.
Junghaferextrakt bei Neurodermitis
In jüngerer Zeit gewinnt das Kraut vom Junghafer bei Hautkrankheiten und Problemhaut zunehmend an Bedeutung. Es wird noch vor der Blüte gewonnen und ist wesentlich reicher an vielen wichtigen Inhaltsstoffen als Haferkorn und -stroh. So übertrifft sein Gehalt an Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor, Eisen, Zink und Kupfer das Haferkorn um das Vier- bis Fünffache. Für die Wirkungen des Haferkrautes sind zwei Inhaltsstoff- Gruppen von besonderer Bedeutung: Flavonoide und Saponine. Die Flavonoide zeigen entzündungshemmende Effekte, während den Saponinen eine immunmodulierende Wirkung zugeschrieben wird. Für Allergiker ist die Tatsache wichtig, dass der eingesetzte Extrakt aus den Jungpflanzen keine allergenen Proteine enthält.
Eine multizentrische klinische Studie mit 108 Kindern, die an atopischem Ekzem leiden, zeigte positive Ergebnisse. Die Kinder wurden nach einem Entzündungsschub mit einem Dermakortikoid behandelt. Zusätzlich erhielten sie über drei Monate hinweg 2 × tgl. eine Behandlung mittels einer speziellen Creme der Marke A-Derma mit dem Extrakt des Junghafers und Omega- 6-Fettsäuren (Fa. Pierre Fabre). Im zweiten Monat konnte die Dosis des Dermakortikoids nahezu halbiert werden.
Entzündungshemmend und zugleich schmerzstillend wirkt der Bittersüße Nachtschatten (Solanum dulcamara). Hier wird – eine Besonderheit in der Pflanzenheilkunde – der Stängel verwendet. Er liefert antientzündliche Steroid-Alkaloide (COXHemmung) und immunmodulierende Steroid-Saponine, zudem Gerbstoffe gegen den Juckreiz. Zur innerlichen Anwendung stehen Cefabene® Tbl./Tr. zur Verfügung: Erwachsene nehmen 1- bis 3-mal tgl. 1 Tbl. oder 4- bis 5-mal tgl. 30–40 Tr. ein, Kinder 1 × tgl. 1 Tbl. oder die Hälfte der Tropfendosis für Erwachsene. Für die äußerliche Anwendung eignet sich Cefabene® Salbe (alle Präparate Fa. Cefak).
Bei starkem Juckreiz helfen Haferstrohbäder. Hafer, genauer der Saathafer (Avena sativa), ist ein sehr altes Mittel bei Hautkrankheiten. So schreibt Andreas Matthiolus (1501–1577), Leibarzt Kaiser Maximilians II., dass es gegen Hauterkrankungen bei Kindern kein besseres Mittel gäbe als ein Bad mit der Abkochung von Haferstroh. Anwendung: 100 g Haferstroh in 2 l kaltes Wasser geben, 15 min kochen lassen, abseihen, Absud ins lauwarme Badewasser geben, tgl. etwa 10–15 min darin baden.
Hilfreich sind die entzündungshemmenden Eigenschaften der Kamille, um den Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen zu durchbrechen: 1 EL Kamillenblüten mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen, zugedeckt 5–10 min ziehen lassen und abseihen. Ein Leinentuch in den abgekühlten Aufguss tauchen und auf die befallenen Hautstellen legen. Mit einem zweiten Tuch fixieren und 20 min einwirken lassen, tgl. 1- bis 2-mal anwenden.
Badezusatz mit Kamille: 100 g Kamillenblüten in 1 l kochendes Wasser geben, 10 min ziehen lassen, abseihen und ins körperwarme Badewasser geben, 1 × tgl. 10 min darin baden.
Da Kamillenblüten eine austrocknende Wirkung aufweisen, ist es notwendig, die Haut nach dem Bad mit einer milden Salbe oder Creme einzureiben. Gute Erfolge konnten hier mit einer Creme aus dem Junghaferextrakt erzielt werden, die auch bei Neurodermitis klinisch getestet wurde (siehe Kasten).
Ein hilfreicher Gast: Hamamelis
Nicht aus der Klostermedizin, sondern aus der Heilkunde der indigenen Völker Nordamerikas kommt die Zaubernuss (Hamamelis virginiana). Die wirkungsbestimmenden Inhaltsstoffe der Blätter sind Gerbstoffe, Flavonoide und ätherisches Öl. Verwendet wird zudem die Rinde, die ebenfalls Gerbstoffe (Tannine, Katechinderivate) und freie Gallussäure enthält. Blätter und Rinde haben zusammenziehende (adstringierende), entzündungshemmende und blutstillende Eigenschaften. Hamamelisrinde hat sich daher bei verschiedenen Hautkrankheiten sehr gut bewährt. Fertige Arzneimittel mit ethanolisch-wässrigen Auszügen, etwa Hamamelis-Salbe N (Fa. DHU-Arzneimittel) oder Hametum ® Wund- und Heilsalbe (Fa. Dr. Willmar Schwabe) wirken aufgetragen auf die Haut durch ihre Gerbstoffe. In Form eines Wasserdampfdestillats wirken sie durch ätherisches Öl und somit gerbstofffrei. Man kann beide Formen abwechselnd anwenden.
Schutzschild und Spiegelbild
Die Haut ist ein den ganzen Menschen umspannendes System und damit auch sein größtes Organ. Ihre Gesamtfläche umfasst ungefähr eineinhalb bis zwei Quadratmeter, und sie wiegt etwa 14 Kilogramm. Die Haut ist Schutzschicht und hochsensibles Sinnesorgan zugleich: Sie fungiert gleichermaßen als größtes Kommunikationsorgan des Menschen und darüber hinaus als Spiegelbild seiner Seele. Innere Erregungen kann sie entweder sofort wiedergeben, indem sie errötet oder die Haare – die zum Hautorgan gehören – zu Berge stehen lässt. Oder sie reagiert längerfristig mit Erkrankungen wie Neurodermitis. Zudem kann die Haut Aufschluss geben über die Verfassung der inneren Organe. So zeigt sich zum Beispiel eine Hepatitis-B-Infektion durch weiße Pickel oder Rötungen im Gesicht und am Gesäß, manchmal auch an den Extremitäten. Ebenfalls am Gesäß und am Rücken können Pickel zum Beispiel auf einen Altersdiabetes hinweisen.
Psoriasis
Bei der Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) bilden sich Oberhautzellen zu schnell neu. Der normalerweise etwa 28 Tage dauernde Prozess der Hauterneuerung verläuft dann stattdessen in 4 Tagen. Die Erkrankung äußert sich in scharf begrenzten und entzündeten roten Herden sowie silberweißen, relativ großen Schuppen. Diese treten vor allem an Ellenbogen, Knie, Kreuzbeingegend und Kopfhaut auf. In extremen Fällen breiten sie sich über den ganzen Körper aus. Werden die Schuppen etwa durch Kratzen entfernt, tritt eine dünne Hornhautschicht zutage, unter der punktförmige Blutungen sichtbar werden. Hildegard von Bingen beschreibt in „Causae et curae“ ein entsprechendes Phänomen als einen Aussatz, der „flächige Geschwüre, die wie Baumrinde aussehen“ bildet, „darunter ist das Fleisch rot.“
Ursachen können erbliche Faktoren, Infektionen, Medikamente, äußere Einwirkungen oder mechanische Reize durch Kleidung oder Sonnenbrand sein. Negative psychische Faktoren wie Stress verschlechtern den Zustand. Risikofaktoren sind Rauchen, Alkoholkonsum und Übergewicht. Eine genetische Veranlagung allein führt anscheinend noch nicht zum Ausbruch der Krankheit. Es müssen wohl noch weitere Faktoren hinzukommen.
Psoriasis Behandlung
Eine vollständige Heilung ist derzeit nicht möglich, jedoch eine Besserung und zeitweilige Beschwerdefreiheit. Neben der Vermeidung der genannten Risikofaktoren ist es wichtig, Hautreizungen etwa durch aggressive Reinigungsmittel zu vermeiden. Im Sommer, bei erhöhter moderater Sonneneinstrahlung, kann sich der Zustand bessern, da UV-Licht die körpereigene Abwehrreaktion unterdrückt. Drei bis sechs Wochen mit 15– 30 min moderatem Sonnenbaden täglich können die Symptome lindern.
Als sehr hilfreich haben sich Solebäder erwiesen. Im deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen viele Thermen mit Solebädern. Die optimale Salzkonzentration ist die des Toten Meeres (etwa 30 %), diese wird nur in wenigen Solebädern erreicht, etwa in der Frankentherme in Bad Windsheim, der Soltau-Therme in Soltau und der Spessart-Therme in Bad Soden.
Betulin hilft nicht nur der Birke
Eine alte Heilpflanze bei Hauterkrankungen und zur Wundbehandlung ist die Birke, genauer die Birkenrinde. Birkenrinde hat einen sehr hohen Anteil an Triterpenen, darunter das Betulin, das für die weiße Färbung verantwortlich ist. Außerdem besitzt sie Gerbstoffe, Flavonoide und ätherisches Öl. Betulin ist für die Birke ein wichtiger Schutzfaktor vor Umwelteinflüssen, extremen Temperaturen, Sonneneinstrahlung (durch gute Lichtreflexion der weißen Farbe) und Schädlingen. Auf der Haut wirkt sie entzündungshemmend und wundheilend und eignet sich damit zur Behandlung von Schuppenflechte, Neurodermitis und Schäden durch Sonnenlicht.
Ein hoher Betulin-Anteil ist in Imlan® (Fa. Amryt), einer apothekenpflichtigen Hautcreme, zu finden. Die Creme ist für Birkenpollenallergiker unbedenklich, da sie pollenfrei ist.
Wundbehandlung
Die Behandlung von Wunden war sicherlich eine Stärke der Medizin in Antike und Mittelalter. Es kam früher sehr viel häufiger zu Verletzungen, bedingt durch die vorwiegende Arbeit in Landwirtschaft und Handwerk und den ständigen Umgang mit Tieren. Zudem konnten die Heilkundigen das Ergebnis einer Behandlung direkt beobachten und den Erfolg zeitnah überprüfen. Sie konnten also viel Erfahrung mit der Therapie von Wunden sammeln.
Pflaster, aber nicht aus Stoff
Zu den wichtigsten Mitteln gehörten Pflaster (lateinisch Emplastrum). Hier handelte es sich nicht – wie man zunächst vermuten könnte – um Stoffverbände, sondern um eine Art Pasten- Auflage. Basis eines Pflasters waren im erhitzten Wasserbad hergestellte Mischungen aus Harzen und Wachs, manchmal auch Honig. Nach Bedarf wurden diesen Mischungen auch blutungsstillende und wundheilungsfördernde Heilpflanzen zuge geben. Die fertige Zubereitung wurde nach dem Abkühlen und Aushärten in Portionen geschnitten. Bei Bedarf konnte sie durch Erwärmung wie eine Paste auf die Wunde gestrichen werden. Sie verklebte Schnittstellen, sodass oft auf das Nähen verzichtet werden konnte. Sie hielt Schmutz und Bakterien fern und förderte den Heilungsvorgang, etwa durch die Zugabe von Beinwell oder Wegerich.
Spitzwegerich als Saft, Brei oder Tee
Dass die Wegericharten wie Breitwegerich (Plantago major) und Spitzwegerich (Plantago lanceolata) über Heilwirkungen verfügen, hat die Menschheit schon früh erkannt. Heute wird in der Pflanzenheilkunde nur noch der Spitzwegerich verwendet, weil er den anderen Wegericharten in der Wirkung überlegen ist. Die Blätter der Pflanze besitzen Iridoidglykoside (Aucubin und Catalpol), Gerbstoffe, Schleimstoffe, Flavonoide, Saponine und Kieselsäure. Die Gerbstoffe haben eine zusammenziehende Wirkung, die Schleimstoffe einen reizlindernden Effekt, und die Iridoide wirken keimhemmend. Die beste Wirkung bei Schürfwunden und kleinen Verletzungen haben die frischen Blätter: einfach die Blätter in der Hand rollen und pressen, und die Tropfen des Saftes auf die Wunde geben. Die Blätter wurden in der Volksheilkunde auch gekaut und dann als Brei auf die Wunde gelegt. Spitzwegerich kann auch als Tee oder Frischpflanzenpresssaft genutzt werden. Bei dem traditionellen Spitzwegerich-Erdkammerhonig allerdings wird das antibiotisch wirkende Aucubin durch die lange Lagerung völlig zerstört.
Hamamelis hilft auch bei Wunden
Hamamelissalben können bei Hautverletzungen, Verbrennungen und Sonnenbrand, Schrunden sowie Ekzemen verwendet werden. Auch bei milderen Formen von Hämorrhoiden kann die Zaubernuss in Form spezieller Hämorrhoiden-Salben oder -Zäpfchen helfen.
Autoren
Johannes Gottfried Mayer (†)
Medizinhistoriker, Pharmaziehistoriker und Literaturwissenschaftler
Heike Will
Apothekerin
Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.