von Ilse Zündorf, Robert Fürst
Verdauungsprobleme gehören zu den Indikationen, bei denen die Betroffenen gerne zu pflanzlichen Arzneimitteln greifen. Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider: Magen- und verdauungsfördernde Mittel standen im Jahr 2018 mit einem Umsatz von 148 Millionen Euro an vierter Stelle der 10 umsatzstärksten Indikationsgruppen bei Phytopharmaka. Dieser Beitrag beleuchtet die Frage, welche Rationale dahintersteckt und was man genau von den pflanzlichen Präparaten erwarten kann.
Inhalt
Silybi mariani fructus, Mariendistelfrüchte (Ph. Eur.)
Cynarae folium, Artischockenblätter (Ph. Eur.)
Curcumae longae rhizoma, Curcumawurzelstock (Ph. Eur.)
Curcumae zanthorrhizae rhizoma, Javanische Gelbwurz (Ph. Eur.)
Absinthii herba, Wermutkraut (Ph. Eur.)
Taraxaci officinalis herba cum radice, Löwenzahnkraut mit Wurzel (Ph. Eur.)
Millefolii herba, Schafgarbenkraut (Ph. Eur.)
Fumariae herba, Erdrauchkraut (Ph. Eur.)
Boldi folium, Boldoblätter (Ph. Eur.)
Menthae piperitae folium, Pfefferminzblätter (Ph. Eur.)
Menthae piperitae aetheroleum, Pfefferminzöl (Ph. Eur.)
Einigen Arzneipflanzen wird eine cholagoge, also gallenflussfördernde Wirkung, und einigen auch eine hepatoprotektive Wirkung zugeschrieben. Neben einem anregenden Effekt auf den Gallenfluss können Arzneipflanzen die Symptomatik bei Verdauungsstörungen auch durch spasmolytische, karminative, antiphlogistische und antibakterielle Effekte lindern. Unter den Monografien des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, HMPC) bei der Europäischen Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency) finden sich einige Drogen und Zubereitungen, die bei Leiden der Galle, Leber und des Pankreas empfohlen werden:
Mariendistelfrüchte
Artischockenblätter
Curcumawurzelstock
Javanische Gelbwurz
Wermutkraut
Löwenzahnkraut mit -wurzel
Schafgarbenkraut
Erdrauchkraut
Boldoblätter
Pfefferminzblätter
Pfefferminzöl
Nur das Pfefferminzöl wurde vom HMPC in die Kategorie „well-established use“ eingeordnet und kann eine entsprechende Zulassung erhalten. Alle anderen wurden als „traditional use“-Drogen eingestuft.
Well-established use
- Darunter fallen diejenigen Drogen bzw. Extrakte, die länger als 10 Jahre in der EU genutzt und ihre Wirksamkeit in klinischen Studien gezeigt haben.
Traditional use
- Diese Drogen und Extrakte müssen länger als 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in der EU verwendet worden sein und können allein auf der Basis ausreichender Sicherheitsdaten und einer plausiblen Wirksamkeit registriert werden.
Für alle nachfolgend beschriebenen Drogen und Extrakte gilt bei der Anwendung, dass für Schwangere und Stillende sowie für Jugendliche unter 18 Jahren (Ausnahmen: unter 12 Jahren für Artischockenblätter und Schafgarbenkraut sowie unter 4 Jahren für Pfefferminzblätter) keine Daten zur Sicherheit vorliegen, weshalb diesen Personengruppen die Einnahme nicht empfohlen wird. Außerdem sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden, falls die Symptome während der Therapie weiter bestehen oder sich verschlimmern. Kontraindikationen bestehen bei Überempfindlichkeiten gegenüber den jeweiligen Inhaltsstoffen der entsprechenden Drogen; bei Drogen aus der Familie der Asteraceae ist eine Überempfindlichkeit gegenüber Korbblütlern allgemein eine Kontraindikation. Das betrifft hier 5 der 11 Drogen. Des Weiteren sollen die Drogen üblicherweise nicht angewendet werden bei einer Gallenwegsobstruktion, Cholangitis, Lebererkrankungen, Gallensteinen und allen anderen Gallenwegserkrankungen, die einer ärztlichen Abklärung bedürfen.
Silybi mariani fructus, Mariendistelfrüchte (Ph. Eur.)
Mariendistelfrüchte sind die reifen, vom Pappus befreiten Achänen von Silybum marianum (L.) Gaertn. aus der Familie der Asteraceae [Abb. 1] mit einem Gehalt von mindestens 1,5 % Silymarin, berechnet als Silibinin und bezogen auf die getrocknete Droge.
Zahlreiche präklinische Untersuchungen haben sich mit den pharmakologischen Eigenschaften des Silymarins beschäftigt, sodass einige Wirkmechanismen aufgeklärt werden konnten: Silibinin reduziert den intrazellulären oxidativen Stress (antioxidative Wirkung), verringert die Neubildung von Kollagen (antifibrotische Wirkung) und besitzt entzündungshemmende Eigenschaften (z. B. indem es die TNF-Freisetzung aus T-Zellen reduziert).
Leichte gastrointestinale Symptome wie Mundtrockenheit, Übelkeit, Magenverstimmung, Magenreizungen und Durchfall können als unerwünschte Wirkungen ebenso auftreten wie Kopfschmerzen und allergische Reaktionen (Dermatitis, Nesselsucht, Hautausschlag, Juckreiz, Anaphylaxie, Asthma).
Wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe sind die sogenannten Flavonolignane, wobei das im Arzneibuch aufgeführte „Silymarin“ ein Gemisch aus verschiedenen Flavanonol-Derivaten wie z. B. Silibinin, Silichrystin und Silidianin ist. Weitere erwähnenswerte Inhaltsstoffe in der Pflanze sind verschiedene Flavonoide, fettes Öl und β-Sitosterol.
Leichte gastrointestinale Symptome wie Mundtrockenheit, Übelkeit, Magenverstimmung, Magenreizungen und Durchfall können als unerwünschte Wirkungen ebenso auftreten wie Kopfschmerzen und allergische Reaktionen (Dermatitis, Nesselsucht, Hautausschlag, Juckreiz, Anaphylaxie, Asthma).
Wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe sind die sogenannten Flavonolignane, wobei das im Arzneibuch aufgeführte „Silymarin“ ein Gemisch aus verschiedenen Flavanonol-Derivaten wie z. B. Silibinin, Silichrystin und Silidianin ist. Weitere erwähnenswerte Inhaltsstoffe in der Pflanze sind verschiedene Flavonoide, fettes Öl und β-Sitosterol.
Tab.1 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Mariendistelfrüchte und ihre Dosierung. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
zerkleinerte Früchte | Einzeldosis: 3–5 g in 100 ml kochendem Wasser, 2–3 x tgl., vor den Mahlzeiten |
pulverisierte Früchte | 2–3 x tgl. 300–600 mg Pulver, Tagesdosis: bis zu 1800 mg, vor den Mahlzeiten |
Trockenextrakt (DEV 20–70:1), Extraktionsmittel Aceton | 2–3 x tgl. 82–239 mg Trockenextrakt, Tagesdosis bis zu 478 mg, vor den Mahlzeiten |
Trockenextrakt (DEV 30–40:1), Extraktionsmittel Ethanol 96 % (V / V) | 1 x tgl. 200 mg Trockenextrakt |
Trockenextrakt (DEV 20–35:1), Extraktionsmittel Ethylacetat | 3–4 x tgl. 162,5–250 mg Trockenextrakt |
Trockenextrakt (DEV 26–45:1), Extraktionsmittel Ethylacetat | 3–4 x tgl. 123–208,3 mg Trockenextrakt |
Trockenextrakt (DEV 36–44:1), Extraktionsmittel Ethylacetat | 3 x tgl. 173,0–186,7 mg Trockenextrakt |
Trockenextrakt (DEV 20–34:1), Extraktionsmittel Methanol 90 % (V / V) | 3 x tgl. 70 mg Trockenextrakt |
Dickextrakt (DEV 10–17:1), Extraktionsmittel Ethanol 60 % (V / V) | 2 x tgl. 392 mg Dickextrakt |
Cynarae folium, Artischockenblätter (Ph. Eur.)
Bei Artischockenblättern handelt es sich um die getrockneten und zerkleinerten Laubblätter von Cynara cardunculus L. (Familie: Asteraceae) mit mindestens 0,8 % Chlorogensäure. Zusätzlich sind noch weitere Caffeoylchinasäuren, Flavonoide und bittere Sesquiterpenlactone enthalten.
Das HMPC hat den Artischockenblättern und daraus hergestellten Extrakten im März 2018 den Status traditional use zugewiesen [Tab. 2]. Sie können oral zur symptomatischen Linderung von Verdauungsstörungen wie Dyspepsie, Völlegefühl und Blähungen angewendet werden.
Als unerwünschte Wirkungen können leichter Durchfall mit Krämpfen sowie Sodbrennen auftreten.
Etliche klinische Studien zu Artischockenblätter-Extrakten belegten eine Wirkung bei Verdauungsbeschwerden, Hyperlipidämie und Hypercholesterinämie sowie zur Steigerung des Gallenflusses. Allerdings waren weder Patientenzahlen noch die Studiendauer ausreichend, um eine Well-established-use-Kategorisierung zu rechtfertigen. Die beobachteten therapeutischen Effekte wurden vor allem dem Cynarin zugeschrieben, das in In-vitro-Testsystemen und auch in Tiermodellen eine hepatoprotektive sowie hepatoregenerative Wirkung zeigte.
Tab.2 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Artischockenblätter und ihre Dosierung. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
zerkleinerte getrocknete Blätter für Kräutertee | 1,5 g der zerkleinerten, getrockneten Blätter in 150 ml kochendem Wasser als Tee 4 x tgl. oder 3 g der zerkleinerten, getrockneten Blätter in 150 ml kochendem Wasser als Kräutertee 1–2 x tgl. |
pulverisierte getrocknete Blätter | Tagesdosis: 600–1500 mg, aufgeteilt in 2–4 Einzeldosen |
Trockenextrakt aus getrockneten Blättern (DEV 2–7,5:1), Extraktionsmittel Wasser | Einzeldosis: 200–640 mg Tagesdosis: 400–1320 mg |
Trockenextrakt aus frischen Blättern (DEV 15–35:1), Extraktionsmittel Wasser | Einzeldosis: 200–900 mg Tagesdosis: 600–2700 mg |
Dickextrakt aus frischen Blättern (DEV 15–30:1), Extraktionsmittel Wasser | Einzeldosis: 600 mg Tagesdosis: 1800 mg |
Dickextrakt aus getrockneten Blättern (DEV 2,5–3,5:1), Extraktionsmittel Ethanol 20 % (V / V) | Einzeldosis: 0,7 g (3 x tgl.) Tagesdosis: 2,1 g |
Curcumae longae rhizoma, Curcumawurzelstock (Ph. Eur.)
Curcumawurzelstock ist das durch siedendes Wasser oder heißen Wasserdampf gebrühte und getrocknete, geschälte und von den Wurzeln befreite Rhizom von Curcuma longa L. (syn. Curcuma domestica Valeton) aus der Familie der Zingiberaceae mit mindestens 25 ml/kg ätherischem Öl und mindestens 2 % Dicinnamoylmethan-Derivaten, berechnet als Curcumin und bezogen auf die wasserfreie Droge.
Im September 2018 wurde der Droge und Zubereitungen daraus vom HMPC der Traditional-use-Status zugeteilt [Tab. 3]. Traditionell angewendet wird der Curcumawurzelstock zur Linderung von Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, verzögerter Verdauung und Blähungen.
Als unerwünschte Wirkungen traten leichte Symptome von Mundtrockenheit, Blähungen und Magenreizungen auf.
Die wirksamkeitsrelevanten Inhaltsstoffe sind die Curcuminoide mit dem Hauptbestandteil Curcumin und das ätherische Öl mit Monoterpenen wie α-Phellandren, Sabinen, Cineol und Borneol sowie Sesquiterpenen wie z. B. Zingiberen.
In einem Versuch an Mäusen steigerte eine wässrige Suspension aus Curcumawurzelstock die Gallenansammlung in der Gallenblase in einem ähnlichen Ausmaß wie Verapamil.
Tab.3 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Curcumawurzelstock und ihre Dosierung. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
pulverisierter getrockneter Wurzelstock | 2–3 x tgl. 0,5–1 g |
zerkleinerter getrockneter Wurzelstock | 0,5–1 g in 150 ml kochendem Wasser als Tee 2–3 x tgl. |
Tinktur (DEV 1:10), Extraktionsmittel Ethanol 70 % (V / V) | 3 x tgl. 0,5–1 ml |
Trockenextrakt (DEV 13–25:1), Extraktionsmittel Ethanol 96 % (V / V) | tgl. 90–162 mg Trockenextrakt, aufgeteilt in 2–5 Dosen |
Trockenextrakt (DEV 5,5–6,5:1), Extraktionsmittel Ethanol 50 % (V / V) | 2 x tgl. 100–200 mg Trockenextrakt |
Tinktur (DEV 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 70 % (V / V) | 1 x tgl. 10 ml oder 3 x tgl. 5 ml in 60 ml Wasser |
Curcumae zanthorrhizae rhizoma, Javanische Gelbwurz (Ph. Eur.)
Die Javanische Gelbwurz besteht aus dem in Scheiben geschnittenen getrockneten Wurzelstock von Curcuma zanthorrhiza Roxb. (syn. Curcuma xanthorrhiza D. Dietr.) aus der Familie der Zingiberaceae [Abb. 2]. Der Habitus ähnelt dem von Curcuma longa L. Beim HMPC lautet der Titel der Monografie abweichend: Community herbal monograph on Curcuma xanthorrhiza Roxb. (C. xanthorrhiza D. Dietrich), rhizoma.
2014 erhielt die Javanische Gelbwurz den Traditional-use-Status zur Linderung von Verdauungsstörungen wie Völlegefühl, verzögerter Verdauung und Blähungen [Tab. 4]. In Indikation und unerwünschten Wirkungen gleicht die Javanische Gelbwurz dem Curcumawurzelstock.
In Versuchen an anästhesierten Ratten steigerte das peroral verabreichte ätherische Öl aus dem Gelbwurz-Wurzelstock die Gallensekretion sogar etwas stärker als das ätherische Öl aus Curcumawurzelstock, was vor allem auf den Gehalt an D-Kampfer zurückgeführt wurde.
Tab. 4 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Javanische Gelbwurz und ihre Dosierung. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
zerkleinerter getrockneter Wurzelstock | 3 x tgl. 1 g Droge in 100 ml kochendem Wasser als Tee |
Trockenextrakt (DEV 20–50:1), Extraktionsmittel Ethanol 96 % (V / V) | 3 x tgl. 8–13 mg Trockenextrakt |
Trockenextrakt (DEV 9–12:1), Extraktionsmittel Aceton | 2 x tgl. 50–100 mg Trockenextrakt |
Absinthii herba, Wermutkraut (Ph. Eur.)
Die Droge Wermutkraut ist definiert als die ganzen oder geschnittenen, getrockneten, basalen Laubblätter oder die wenig beblätterten, blühenden, oberen Sprossabschnitte oder einer Mischung der angeführten Pflanzenteile von Artemisia absinthium L. (Familie: Asteraceae). Gemäß Arzneibuch muss Wermutkraut einen Gehalt an ätherischem Öl von mindestens 2 ml/kg getrocknete Droge aufweisen.
2017 wurde der Droge und Zubereitungen daraus vom HMPC der Traditional-use-Status zur Appetitanregung bzw. bei leichten dyspeptischen und gastrointestinalen Beschwerden zugeteilt [Tab. 5]. Für die appetitanregende Wirkung soll Wermutkraut 30 min vor den Mahlzeiten eingenommen werden.
In der HMPC-Monografie wird gewarnt, dass die Einnahme von Wermutkraut eventuell die Fähigkeit zum Fahren und Bedienen von Maschinen beeinträchtigt: Das im ätherischen Öl enthaltene neurotoxische Thujon kann zu Benommenheit, Erbrechen und Bauchschmerzen führen. Deshalb sollten als Droge Chemotypen der Pflanze mit einem niedrigen Thujongehalt verwendet werden, um eine maximale Tagesdosis von 6,0 mg Thujon sicher zu unterschreiten.
Als für die Wirkung relevante Inhaltsstoffe sind vor allem Sesquiterpen-Bitterstoffe wie Absinthin, Anabsinthin, Artabsin und Matricin, aber auch Flavonoide, Tannine und Lignane zu nennen. Die in Tiermodellen beobachteten Effekte von Wermutkraut-Extrakten auf die Magensaft- und Gallensekretion wurden auf die Bitterstoffe zurückgeführt, während die hepatoprotektive Wirkung eher den enthaltenen Flavonoiden zugeschrieben wurde.
Die bisher durchgeführten, kleineren klinischen Studien zeigten teilweise ebenfalls eine unspezifische Steigerung der Gallensekretion.
Tab. 5 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Wermutkraut und ihre Dosierung bei Verdauungsproblemen. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung (Einnahme jeweils nach den Mahlzeiten) |
zerkleinertes getrocknetes Kraut | 1–1,5 g Droge in 150 ml kochendem Wasser als Tee, Tagesdosis 2–3 g |
pulverisiertes Kraut | Einzeldosis: 0,76 g; Tagesdosis: 2,28 g |
Frischpflanzenpresssaft (DEV 1:0,5–0,9) | Einzeldosis: 5 ml; Tagesdosis: 10 ml |
Tinktur (DEV 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 70 % (V / V) | Einzeldosis: 1 g; Tagesdosis: 3 g |
Taraxaci officinalis herba cum radice, Löwenzahnkraut mit Wurzel (Ph. Eur.)
Löwenzahnkraut mit Wurzel ist ein Gemisch von ganzen oder zerkleinerten, getrockneten ober- und unterirdischen Teilen von Taraxacum officinale F. H. Wigg (Familie: Asteraceae).
2009 wurde der Droge und Zubereitungen daraus vom HMPC der Traditional-use-Status zur Linderung von Verdauungsstörungen wie z. B. Völlegefühl, Blähungen und verlangsamte Verdauung sowie zur Behandlung einer vorübergehenden Appetitlosigkeit zugeteilt [Tab. 6].
Als Nebenwirkungen können epigastrische Schmerzen, Hyperazidität und allergische Reaktionen auftreten.
Löwenzahn enthält Inhaltsstoffe aus zahlreichen Stoffklassen: Sesquiterpenlacton-Bitterstoffe (z. B. Tetrahydroridentin B), Triterpene (u. a. Taraxasterol) und Sterole, zahlreiche phenolische Verbindungen und auch Schleimstoffe (in der Wurzel).
In Tierversuchen (Ratten und Hunde) wurde eine Steigerung des Gallenflusses beobachtet, klinische Studien fehlen allerdings.
Tab. 6 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Löwenzahnkraut mit Wurzel und ihre Dosierung bei Verdauungsproblemen. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung | ||
zerkleinertes getrocknetes Kraut mit Wurzel | bis zu 3 x tgl. 3–4 g als Abkochung oder 4–10 g als Aufguss | ||
Trockenextrakt (DEV 5,6–8,4:1), Extraktionsmittel Ethanol 60 % (V / V) | 2 x tgl. eine Tablette mit 300 mg Trockenextrakt oder 3 x tgl. 1–2 Tabletten mit 150 mg Trockenextrakt | ||
Flüssigextrakt (DEV 1:0,9–1,1), Extraktionsmittel Ethanol 30 % (V / V) | 3 x tgl. 90 Tropfen (= 3,15 ml = 3,31 g) | ||
Flüssigextrakt (DEV 0,7:1), Extraktionsmittel Ethanol 30 % (M / M) | 3 x tgl. 35 Tropfen (= 1 ml = 1 g) | ||
Frischpflanzenpresssaft (DEV 1:0,5–0,8) | 3 x tgl. 10 ml |
Millefolii herba, Schafgarbenkraut (Ph. Eur.)
Schafgarbenkraut besteht aus den ganzen oder geschnittenen, getrockneten, blühenden Triebspitzen von Achillea millefolium L. (Familie: Asteraceae). Die Droge muss laut Arzneibuch mindestens 2 ml pro kg ätherisches Öl enthalten und mindestens 0,02 % Proazulene, berechnet als Chamazulen und bezogen auf die getrocknete Droge.
Gegen vorübergehende Appetitlosigkeit sowie für die symptomatische Behandlung von Verdauungsstörungen wie z. B. Völlegefühl, Blähungen und verlangsamte Verdauung wurde der Droge und Zubereitungen daraus vom HMPC 2011 der Traditional-use-Status zugeteilt [Tab. 7].
In Tierversuchen an Ratten und Mäusen wurde nach Verabreichung eines Schafgarbenextraktes eine dosisabhängige hepatoprotektive Wirkung beobachtet, die mit den in der Pflanze enthaltenen Sesquiterpenen, Flavonoiden und anderen phenolischen Verbindungen in Zusammenhang gebracht wurde. Klinische Studien mit Schafgarbenkraut oder Zubereitungen daraus, die für die HMPC-Bewertung relevant sein könnten, wurden bisher nicht durchgeführt.
Tab. 7 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Schafgarbenkraut und ihre Dosierung bei Verdauungsproblemen. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
zerkleinertes getrocknetes Kraut | 3–4 x tgl. 2–4 g in 250 ml kochendem Wasser als Tee zwischen den Mahlzeiten |
Frischpflanzenpresssaft (DEV 1:0,6–0,9) | 2–3 x tgl. 5–10 ml |
Flüssigextrakt (DEV 1:1), Extraktionsmittel Ethanol 25 % (V / V) | 3 x tgl. 2–4 ml |
Tinktur (DEV 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 45 % (V / V) | 3 x tgl. 2–4 ml |
Tinktur (DEV 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 31,5 % (V / V) | 4 x tgl. 4,3 ml (= 4,2 g) |
Fumariae herba, Erdrauchkraut (Ph. Eur.)
Die Droge Erdrauchkraut besteht aus den zur Zeit der vollen Blüte geernteten, getrockneten, ganzen oder zerkleinerten, oberirdischen Teilen von Fumaria officinalis L. (Familie: Papaveraceae; [Abb. 3]). Die arzneibuchkonforme Droge muss einen Mindestgehalt von 0,4 % Gesamtalkaloiden, berechnet als Protopin, aufweisen.
2011 wurden der Droge und Zubereitungen daraus vom HMPC der Traditional-use-Status zur Erhöhung des Gallenflusses und zur Linderung von Symptomen einer Verdauungsstörung wie z. B. Völlegefühl, Blähungen und verlangsamte Verdauung zugeteilt [Tab. 8].
Als wirksame Inhaltsstoffe werden die enthaltenen Alkaloide vom Benzylisochinolin-Typ angesehen, die Droge enthält zudem auch Flavonoide, Hydroxyzimtsäure-Äpfelsäureester, Fumarsäure und Schleimstoffe.
In In-vivo-Experimenten wurde gezeigt, dass Erdrauchkraut keinen Einfluss auf die normale Cholerese besitzt, aber einen erhöhten oder verringerten Gallenfluss wieder normalisieren kann. Des Weiteren wurden krampflösende Eigenschaften beobachtet. Bisher wurden wenige klinische Studien durchgeführt, die zwar die Indikationsangabe stützen, aber in Qualität, Größe und Aussagekraft zu wünschen übrig lassen.
Tab. 8 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Erdrauchkraut und ihre Dosierung. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
zerkleinertes getrocknetes Kraut | 1–2 x tgl. 2 g Droge in 250 ml kochendem Wasser als Tee |
pulverisiertes Kraut | Einzeldosis: 220 mg Tagesdosis: bis zu 1100 mg |
Trockenextrakt (DEV 3,5–5:1), Extraktionsmittel Wasser | Bis zu 4 x tgl. eine Einzeldosis von 250 mg |
Flüssigextrakt (DEV 1:1), Extraktionsmittel Ethanol 25 % (V / V) | Einzeldosis: 0,5–2 ml Tagesdosis: 2–4 ml |
Tinktur (Verhältnis Droge zu Extraktionsmittel 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 45 % (V / V) | Einzeldosis: 0,5–1 ml Tagesdosis: 1–4 ml |
Frischpflanzenpresssaft | Tagesdosis: 3,5–4 g |
Boldi folium, Boldoblätter (Ph. Eur.)
Boldoblätter sind die ganzen oder zerkleinerten, getrockneten Blätter von Peumus boldus Molina (Familie Monimiaceae), die mindestens 0,1 % Gesamtalkaloide enthalten, berechnet als Boldin.
Boldoblätter zur Teezubereitung und ein mit Wasser hergestellter Trockenextrakt (DEV 5:1) wurden vom HMPC als traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur symptomatischen Linderung von Dyspepsie und leichten krampfartigen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes eingestuft. Die empfohlene Dosierung ist 2–3 x täglich 1–2 g Droge in 150 ml kochendem Wasser aufgebrüht oder 2 x täglich 200–400 mg des Trockenextrakts.
Als unerwünschte Wirkung wurden Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Inhaltsstoffe der Boldoblätter beschrieben.
Das in Boldoblättern zu 2–4 % auftretende ätherische Öl enthält die wichtigen Bestandteile p-Cymen, 1,8-Cineol und Ascaridol sowie Polyphenole und Flavonoide. Ascaridol ist wegen der im Molekül vorhandenen Endoperoxid-Funktion toxisch bzw. allergisierend, weshalb das ätherische Öl nicht angewendet werden darf. Stattdessen werden Zubereitungen mit Wasser hergestellt, in denen das eher hydrophobe Ascaridol nur in sehr geringen Mengen enthalten ist.
Bisher wurden nur sehr wenige präklinische Studien mit Boldoblätter-Extrakten und mit reinem Boldin durchgeführt. Klinische Studien gibt es gar nur eine: Hier erzielte ein ethanolischer (60 % V / V) Extrakt aus den Blättern jedoch keine schlüssigen Ergebnisse hinsichtlich einer choleretischen Wirkung. Die tägliche Verabreichung von 50 mg Boldin pro kg Körpergewicht bewirkte in Ratten eine erhöhte Gallensekretion. Vermutet wird einerseits ein osmotischer Effekt, andererseits aber auch eine durch den Farnesoid-X-Rezeptor vermittelte, gesteigerte Expression der Exportpumpe für Gallensalze, die dann wiederum die Gallensäurensekretion erhöht.
Menthae piperitae folium, Pfefferminzblätter (Ph. Eur.)
Pfefferminzblätter sind die ganzen oder geschnittenen, getrockneten Blätter von Mentha × piperita L. (Familie: Lamiaceae). Gemäß Europäischem Arzneibuch enthält die ganze Droge mindestens 12 ml und die geschnittene Droge mindestens 9 ml ätherisches Öl pro kg wasserfreier Droge.
Zur Linderung der Symptome von Verdauungsbeschwerden, vor allem bei Dyspepsie und Blähungen sowie bei einer verlangsamten Verdauung und zur Behandlung einer vorübergehenden Appetitlosigkeit erhielten die Droge und Zubereitungen daraus 2008 vom HMPC den Traditional-use-Status [Tab. 9].
Neben den üblichen Kontraindikationen sollen Pfefferminzblätter nicht bei einer Überempfindlichkeit gegen Menthol angewendet werden. Patienten, die an einer gastroösophagealen Refluxkrankheit leiden, sollten Zubereitungen aus Pfefferminzblättern meiden, da das Sodbrennen verstärkt werden könnte.
In In-vivo-Experimenten zeigten das ätherische Öl und die Flavonoide der Pfefferminze eine Erhöhung des Gallenflusses. In Ex-vivo-Experimenten (z. B. am isolierten Meerschweinchen-Ileum) wurde außerdem ein spasmolytischer Effekt beobachtet. Klinische Studien existieren nicht.
Tab. 9 Traditional-use-Zubereitungen der HMPC-Monografie Pfefferminzblätter. DEV: Droge-Extrakt-Verhältnis.
Droge bzw. Extrakt | Dosierung |
zerkleinerte getrocknete Blätter | Erwachsene: 3 x tgl. 1,5–3 g als Tee Kinder zwischen 4 und 12 Jahren: 3–5 g, aufgeteilt in 3 Einzelgaben Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren: 3–6 g, aufgeteilt in 3 Einzelgaben |
Tinktur (DEV 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 45 % (V / V) | Erwachsene: 3 x tgl. 2–3 ml |
Tinktur (DEV 1:5), Extraktionsmittel Ethanol 70 % (V / V) | Erwachsene: 3 x tgl. 2–3 ml |
Menthae piperitae aetheroleum, Pfefferminzöl (Ph. Eur.)
Pfefferminzöl wird durch Wasserdampfdestillation aus den frischen, blühenden oberirdischen Teilen von Mentha × piperita L. (Familie: Lamiaceae) gewonnen. Als Qualitätskriterium für das Öl gibt die Arzneibuch-Monografie Grenzwerte für die Prozentgehalte vieler der enthaltenen Bestandteile vor [Tab. 10].
Tab. 10 Inhaltsstoff-Gehalte für die Arzneibuch-Droge Pfefferminzöl (Ph. Eur. 9.7).
Inhaltsstoff | Gehalt [%] |
Limonen | 1,0–3,5 |
1,8-Cineol | 3,5–8,0 |
Menthon | 14,0–32,0 |
Menthofuran | 1,0–8,0 |
Isomenthon | 1,5–10,0 |
Menthylacetat | 2,8–10,0 |
Isopulegol | ≤ 0,2 |
Menthol | 30,0–55,0 |
Pulegon | ≤ 3,0 |
Carvon | ≤ 1,0 |
2007 erteilte das HMPC dem Pfefferminzöl in magensaftresistenten oralen Arzneiformen für die Indikation „symptomatische Linderung krampfartiger Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, Völlegefühl und Bauchschmerzen, insbesondere bei Patienten mit Reizdarm-Syndrom“, den Well-established-use-Status. Pfefferminzöl war in klinischen Studien anderen Spasmolytika (z. B. N-Butylscopolaminiumbromid oder Mebeverin) überlegen.
Erwachsene und Heranwachsende über 12 Jahren sollen bis zu dreimal am Tag 0,2–0,4 ml Pfefferminzöl, Kinder von 8–12 Jahren sollen bis zu dreimal täglich lediglich 0,2 ml einnehmen. Für Kinder unter 8 Jahren ist Pfefferminzöl nicht geeignet, da hierfür zu wenig Erfahrung existiert. Die Einnahme erfolgt vor den Mahlzeiten, die Anwendungsdauer beträgt üblicherweise 1–2 Wochen. Sollten die Symptome hartnäckiger sein, kann die Einnahme auf bis zu 3 Monate ausgedehnt werden.
Kontraindikationen bestehen bei einer Überempfindlichkeit gegen Menthol sowie bei Patienten, die an Achlorhydrie (verminderte Magensäureproduktion) leiden. Bei Patienten, die häufiger Sodbrennen haben oder an einer Hiatushernie leiden, kann es zu einer Verschlimmerung der Symptome nach Einnahme von Pfefferminzöl kommen, da es zu einer Relaxation des Mageneingangs kommt. In solchen Fällen sollte die Behandlung beendet werden. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder die Einnahme von Antazida können zu einer vorzeitigen Freisetzung des Pfefferminzöls aus der magensaftresistenten Zubereitung führen. Auch im Zusammenspiel mit Medikamenten, die die Magensäureproduktion hemmen (Protonenpumpenhemmer, H2-Antihistaminika), tritt eventuell eine frühzeitige Freisetzung auf, was unbedingt vermieden werden sollte.
Folgende Nebenwirkungen wurden berichtet: Urin und Fäzes können nach Menthol riechen. Außerdem wurden eine gestörte Blasenentleerung (Dysurie) und eine Entzündung der Glans penis beobachtet. Allergische Reaktionen auf Menthol können mit folgenden Symptomen einhergehen: Kopfschmerzen, Bradykardie, Muskelzittern, Ataxie, anaphylaktischer Schock, Erytheme. Auch über Sodbrennen, perianales Brennen, verschwommenes Sehen, Übelkeit und Erbrechen wurde berichtet. Eine Überdosierung des Pfefferminzöls kann sehr schwere gastrointestinale und zentralnervöse Störungen hervorrufen.
Die Wirksamkeit des Pfefferminzöls beruht auf seinen gut dokumentierten spasmolytischen Effekten auf die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts, was durch die calciumantagonistische Wirkung von Menthol erklärt werden kann. Außerdem zeigt Pfefferminzöl eine karminative (blähungstreibende) und entschäumende Wirkung und scheint die Gallenproduktion zu steigern.
Fazit
Bei leichten Leber- und Galle-Erkrankungen können pflanzliche Arzneimittel durchaus wertvolle Beiträge leisten. Die Evidenzbasis ist jedoch sehr unterschiedlich, bisher ist nur das Pfefferminzöl mit einem Well-established-use-Status klassifiziert worden. Ein bestimmter Mariendistelfrüchte-Extrakt zeigt gewisse Evidenzen als hepatoprotektives Arzneimittel. Das HMPC hat allerdings die Datengrundlage als zu gering und zu inhomogen bewertet und einen Traditional-use-Status erteilt.
Autor
Prof. Dr. Robert Fürst
Pharmazeut
Dr. Ilse Zündorf
Biologin
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
[1] Diesem Artikel liegen die jeweiligen Monografien des Europäischen Arzneibuchs und des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) sowie die dazugehörigen Beurteilungsberichte des HMPC zugrunde. Unter der Homepage der EMA. https://www.ema.europa.eu/ sind die Veröffentlichungen des HMPC abrufbar.