AdipositasAbnehmspritze echte Therapieoption für adipöse Jugendliche

Jugendliche mit extremer Adipositas können mit GLP-1-​Rezeptoragonisten ihre Gewichtszunahme stoppen und den BMI senken. Das zeigt eine kleine Studie der Uni Ulm.

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Die Abnehmspritze senkt das Hungergefühl und führt zu einem besseren Sättigungsempfinden.

Abnehmspritze setzt an biologischen Mechanismen an

Verhaltenstherapeutische Maßnahmen mit Fokus auf mehr Bewegung und Reduktion der Energiezufuhr zeigen bei adipösen Jugendlichen oft keine dauerhafte Wirkung. Der Grund: Die molekularen und zentralnervösen Mechanismen der extremen Adipositas lassen sich so kaum beeinflussen.

Mit den GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid (Abnehmspritze) sind nun medikamentöse Therapieoptionen verfügbar, die gezielt an diesen biologischen Mechanismen ansetzen.

Ulmer Forschende haben nun die Effekte in einer Verlaufsbeobachtung bei 8 Jugendlichen untersucht - mit vielversprechenden Ergebnissen.

Studie: Weniger Hunger, reduzierter BMI

8 Jugendliche mit extremer Adipositas wurden über einen Zeitraum von bis zu 16 Monaten mit GLP-1-Rezeptoragonisten behandelt. Es gab keine Kontrollgruppe, der Vergleich erfolgte individuell. Erfasst wurden: 

  • Veränderung von BMI und Körpergewicht (Vergleich mit Vorjahresgewicht) 
  • Patient*innenbericht zu Hunger- und Sättigungsgefühl
  • Berichte über Nebenwirkungen
  • Dokumentation der Regelmäßigkeit der Injektionen

„Bei diesen Jugendlichen, die bereits seit der frühen Kindheit eine massive Zunahme ihres Körpergewichts aufweisen, beobachten wir unter der Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten erstmals eine Stagnation der Gewichtszunahme und sogar eine signifikante Reduktion des BMI“, erklärt Dr. Stephanie Brandt-Heunemann.

„Zudem berichten die Jugendlichen von einem deutlich verringerten Hungergefühl und einem verbesserten Sättigungsempfinden – zwei Schlüsselfaktoren, die ihnen helfen, empfohlene Lebensstilmaßnahmen nun endlich dauerhaft in ihren Alltag zu integrieren. Viele sind erleichtert, dass sie nun keine Magenverkleinerung benötigen.“

Magenverkleinerung kann vermieden werden

Die Ergebnisse zeigen jedoch auch strukturelle Herausforderungen: Die Kostenübernahme für die GLP-1-Rezeptoragonisten-Therapie wird von den Krankenkassen häufig mit Verweis auf § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V (sog. Lifestyle-Paragraf) abgelehnt. Dadurch kann die Behandlung in vielen Fällen nicht fortgeführt werden.

„Bei einem langjährig von uns betreuten Patienten zeigte sich unter der GLP-1-Rezeptoragonisten-Therapie ein hervorragendes Ergebnis: Das Hungergefühl ließ nach, der Lebensstil verbesserte sich, und das Gewicht sank deutlich“, berichtet Prof. Martin Wabitsch. „Nachdem die Krankenkasse die weitere Kostenübernahme abgelehnt hatte, musste die Behandlung beendet werden. In der Folge stieg der BMI wieder deutlich an – der Jugendliche hatte die frühere schwere Erkrankung wieder.“

Aus Sicht der Autor*innen ist die Kombination von medikamentöser Therapie und strukturierter Lebensstil-Intervention für Jugendliche mit extremer Adipositas eine Therapieoption von hoher klinischer Relevanz. Eine operative Magenverkleinerung könne so abgewendet werden.

Hintergrund: Adipositas bei Jugendlichen

In Deutschland leben rund 200.000 Jugendliche mit extremer Adipositas – teils mit einem Körpergewicht von mehr als 120 kg. Häufig sind diese jungen Menschen von schweren adipositasassoziierten Folgeerkrankungen wie Typ 2 Diabetes, Schlaf-Apnoe-Syndrom und Depression sowie funktionellen Einschränkungen betroffen. Dies beeinträchtigt nicht nur ihren Alltag und ihre Lebensqualität. Auch die Lebenserwartung sinkt erheblich.

Quelle: Universitätsklinikum Ulm