Im Rahmen der BioVAT-HF-DZHK20-Studie wurde Patient*innen mit Herzinsuffizienz im Labor gezüchtetes Herzgewebe implantiert. Das sog. Herzpflaster soll das Herz dauerhaft stärken und hat Potenzial für einen neuen Therapieansatz.
8 Patient*innen Herzgewebe implantiert
In der ersten Phase der Studie wurde die maximal sichere Höchstdosis für das Herzpflaster ermittelt: 2 Lagen von jeweils 10 überlappend angeordneten Herzgeweben bestehend aus insgesamt 800 Millionen Herzzellen. Insgesamt 8 Patient*innen wurde diese Höchstdosis an gezüchtetem Herzgewebe seit April 2022 an der UMG und am UKSH implantiert.
2 Jahre nach der Implantation: Ein Patient berichtet
Einer der Studien-Patienten ist der 66-jährige Frank Teege, der am UKSH operiert wurde: „Ich wurde immer schwächer und konnte keine 50 Meter laufen, ohne Atemnot zu bekommen. Daraufhin wurde eine Herzschwäche bei mir festgestellt. Tatsächlich hatte ich nur noch eine Herzleistung von 10 Prozent.“ „Am Universitären Herzzentrum Lübeck des UKSH wurde mir auch die Möglichkeit vorgestellt, an der Herzpflaster-Studie teilzunehmen. Für mich war das der richtige Schritt. Nach der Operation mit dem Herzpflaster hat sich meine Herzleistung deutlich verbessert. Sie beträgt jetzt 35 Prozent.“
BioVAT-HF-DZHK20-Studie
Die klinische Studie BioVAT-HF-DZHK20 (Biological Ventricular Assist Tissue in terminal Heart Failure) ist Anfang 2021 gestartet. Ziel der klinischen Prüfung ist es, für den Einsatz von gezüchtetem Herzgewebe die Zulassung als Arzneimittel für neuartige Therapien zu erhalten.
In der ersten Studienphase wurden 12 Patient*innen mit dem Herzpflaster behandelt. Um die maximale sichere Dosis zu ermitteln, bekamen 2 der Behandelten Herzpflaster aus 200 Millionen Zellen, 2 weitere bekamen Herzpflaster aus 400 Millionen und 8 bekamen Herzpflaster aus 800 Millionen Zellen implantiert.
Damit wurde die höchste Dosis gemäß Studienprotokoll erreicht und die Phase 1 der BioVAT-HF-DZHK20-Studie abgeschlossen. Insgesamt wurden in der Phase der Dosisfindung 7,6 Milliarden aus pluripotenten Stammzellen abgeleitete Herzzellen implantiert.
In der aktuellen zweiten Phase wird die BioVAT-HF-DZHK20-Studie als Proof-of-Concept-Studie fortgesetzt. Eine erste Zwischenauswertung mit besonderem Augenmerk auf die Wirksamkeit erfolgt nach Behandlung von insgesamt 15 Patient*innen mit einer Dosis von 800 Millionen Zellen. Diese Daten werden für die zweite Jahreshälfte 2024 erwartet. Insgesamt sollen 35 Patient*innen in dieser Form behandelt werden.
Der Studie geht eine 25-jährige präklinische Entwicklung voraus. Die Herstellung der künstlichen Herzgewebe für die Anwendung in der BioVAT-HF-DZHK20-Studie an der UMG wird von dem Göttinger Biotechnologieunternehmen Repairon GmbH kofinanziert. Die Repairon GmbH, eine Ausgründung aus der Universitätsmedizin Göttingen, beabsichtigt eine Zulassung der Herzpflasterbehandlung zu beantragen.
Die Studie wird gemeinsam von der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) un dem Universitären Herzzentrum, Campus Lübeck, durchgeführt.
Aufbau echter Herzmuskulatur möglich
Das Forschungsteam zeigt sich zuversichtlich, mit dem Herzpflaster auf dem richtigen Weg zu sein. Das Beispiel von Frank Teege zeige: "Zwei Jahre nach der Transplantation von künstlichem Herzgewebe zeigen sich maßgebliche Verbesserungen seines Gesamtzustandes. Damit entsteht möglicherweise eine neuartige therapeutische Option für Patient*innen mit schwerer Herzmuskelschwäche. In Zukunft könnte für einige Patient*innen ein im Labor gezüchtetes Gewebetransplantat eine Alternative zu mechanischen Herzunterstützungssystemen werden", sagt Prof. Dr. Ingo Kutschka, chirurgischer Leiter der BioVAT-HF-DZHK20-Studie an der UMG.
"Erstmals konnten wir den Aufbau echter Herzmuskulatur am menschlichen Herzen beobachten. Unser Ziel ist es, das Herzpflaster als Therapieverfahren für Patient*innen mit fortgeschrittener Herzschwäche zu etablieren", sagt Studienleiter Prof. Wolfram-Hubertus Zimmermann von der UMG.
Hintergrund: Herzinsuffizienz
- Laut des Deutschen Herzberichts von 2022 führt Herzinsuffizienz in Deutschland zu rund 400.000 Krankenhauseinweisungen pro Jahr und ist damit der häufigste Grund für einen stationären Aufenthalt.
- Bei 10 Prozent der Patient*innen mit Herzschwäche ist die Erkrankung so schwerwiegend, dass sie trotz optimierter Behandlung mit einer mittleren Lebenswartung von nur 12 Monaten einhergeht.
- Aufgrund des demografischen Wandels wird die Häufigkeit von Herzinsuffizienz weiter zunehmen und dabei zum Tode von mehr Menschen führen als durch jede andere Krankheit.
- Neuartige Behandlungsoptionen für die Reparatur oder Regeneration des Herzens würden das Therapiespektrum erheblich erweitern.
Quelle: Universitätsmedizin Göttingen