PTBSPosttraumatische Belastung nach Bergunfall

Etwa ein Fünftel der Menschen leidet nach einem Bergunfall auch nach 6 Monaten noch unter PTBS-Symptomen. Das zeigt eine Befragung.

Berglandschaft: Blick vom Ellmauer Tor
A. Niklas/Thieme

Ein Bergunfall setzt Betroffenen mitunter noch lange schwer zu, auch wenn er glimpflich ausgeht.

Rund 20 Prozent der unfallchirurgisch behandelten Patient*innen leiden 6 Monate nach einem Alpinunfall unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Zu diesem Ergebnis kommt ein interdisziplinäres Forscherteam der Med Uni Innsbruck mit dem Bozner Forschungszentrums Eurac Research erhoben.

PTBS-Symptome nach Bergunfall

Die Forschenden gingen in ihrer Studie dem Auftreten von PTBS nach Alpinunfällen nach. Ziel war es herauszufinden, wie diese Patient*innen das Ereignis psychisch verarbeitet haben.

Sie luden erwachsene, deutschsprachige Patient*innen einige Monate nachdem sie aufgrund eines Alpinunfalls an der Uniklinik Innsbruck behandelt worden waren, zu einer Online-Befragung ein.

Die insgesamt 307 Studienteilnehmer*innen hatten leichte (37 Prozent), moderate (35 Prozent) und schwere (28 Prozent) Verletzungen erlitten. Die meisten dieser Unfälle waren beim Skifahren oder Snowboarden auf gesicherten Pisten (knapp 60 Prozent), gefolgt von Fahrradfahren und Wandern passiert.

Ergebnisse

  • Nur 1,3 Prozent der Studienteilnehmer*innen entwickelten das Vollbild einer PTBS.
  • 20 Prozent zeigten 6 oder mehr Monate nach dem Alpinunfall einzelne Symptome einer PTBS.

"Unmittelbar nach dem Unfall spricht man von einer akuten psychischen Belastungsreaktion. Es ist normal, unruhig zu sein, sich wie betäubt zu fühlen oder schlecht zu schlafen. Das hört nach ein paar Tagen meist wieder auf. Von einer posttraumatischen Belastungsstörung ist die Rede, wenn die Symptome bestehen bleiben oder erst einige Wochen bis Monate später auftreten“, erklärt Prof. Katharina Hüfner von der Klinik für Psychiatrie.

Wer Flashbacks hat, alles vermeidet was an die Situation erinnern könnte, Stimmungsschwankungen oder Stressreaktionen wie Reizbarkeit oder Schlafstörungen zeigt, könnte laut der Expertin Symptome haben, die auf eine PTBS hindeuten. „Die bei dem Unfall durchlebte Angst und Hilflosigkeit wird nicht als Erinnerung abgespeichert, sondern bleibt im Jetzt.“

Ein Drittel geht gestärkt aus dem Unfall hervor

Die Wissenschaftler*innen verwendeten für die Auswertung der Fragebögen einen Machine Learning Algorithmus. Damit konnten die Studienteilnehmer*innen 3 Gruppen von psychischen Reaktionsmustern zugeordnet werden:

  • Ein Drittel der Patient*innen zeigte keinerlei PTBS-Symptome und war auch sonst psychisch gesund.
  • Ein weiteres Drittel der Patient*innen, das im Schnitt jünger war als die restlichen Teilnehmer*innen, zeigte Symptome, die auf eine PTBS hindeuten können und gleichzeitig Symptome von Depression, Panik und Angst. Diese Personen berichteten auch von einer schlechten Lebensqualität und litten oft noch unter körperlichen Folgen des Unfalls. Viele von ihnen hatten schon einmal psychische Beschwerden in der Vergangenheit, wie depressive Episoden oder Anzeichen eines „Burn-Outs“.
  • Das charakteristische Merkmal der dritten Gruppe war das sog. posttraumatische Wachstum: „Das bedeutet, dass man nach einem schlimmen Ereignis, eine gewisse Kraft für sein Leben ziehen und sich daraus positiv entwickeln kann. Man sieht beispielsweise, dass man gute Freunde hat, sich unterstützt fühlt oder bestimmte Dinge mehr schätzt, die man zuvor als selbstverständlich angesehen hatte“, sagt Erstautorin Dr. Hanna Salvotti.

Sensibilisierung für psychische Symptome nach Bergunfall

In einem künftigen Projekt soll es darum gehen, prognostische Werkzeuge zu ermitteln. Sie sollen ermöglichen, das PTBS-Risiko der Patient*innen einzuschätzen, um ihnen von vornherein gezielt Unterstützung anbieten zu können.

Der Einfluss der Schwere der Verletzung darauf ist offenbar nicht so wichtig: „Man kann auch unverletzt aus einer Lawine geborgen werden und trotzdem eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln“, so der Alpinmediziner Hermann Brugger.

In der Zwischenzeit wird gemeinsam mit den Kolleg*innen an der Univ.-Klinik für Orthopädie und Traumatologie noch mehr Augenmerk auf die Aufklärung der Patient*innen über psychische Symptome nach einem Unfall gelegt. „Wichtig ist es, Informationen bereitzustellen und dafür zu sensibilisieren, welche Symptome nach einem Alpinunfall ,normal‘ sind, was man selber beitragen kann damit es einem bald wieder besser geht und wann man sich Hilfe holen sollte. Die posttraumatische Belastungsstörung ist jedenfalls eine Erkrankung, die behandelt werden kann“, betont Hüfner.

Quelle: Medizinische Universität Innsbruck