Bereits im Alter von 18 Monaten ließen Kinder im Rahmen einer LMU-Studie anhand ihrer Mimik oder Äußerungen erkennen, dass sie vom Leiden einer anderen Person berührt werden.
Aus psychologischer Sicht ist das ein wichtiger Entwicklungsschritt. „Um Mitgefühl zu erfahren, muss das Kind zwischen dem Selbst und der anderen Person unterscheiden können“, sagt der Entwicklungspsychologe Prof. Markus Paulus. Diese Selbstkonzeption entsteht im Laufe des zweiten Lebensjahres. Sie lässt sich zum Beispiel auch daran beobachten, dass Kinder sich im Spiegel erkennen.
Schon früh lassen sich Kleinkinder von den Gefühlen, etwa der Angst oder Trauer, anderer anstecken. Entwicklungspsychologisch ist diese emotionale Ansteckung ein erster Schritt hin zu Mitgefühl. „Bei Mitgefühl geht es darum, die Emotion auch regulieren zu können und nicht davon überwältigt zu werden“, erklärt Markus Paulus. Mitgefühl setzt neben der affektiven Resonanz also auch kognitives Erfassen und den Perspektivenwechsel zwischen dem Selbst und der anderen Person voraus.
Studie
Die Längsschnittstudie hat die Entstehung des Mitgefühls bei Kindern untersucht. Es nahmen Kinder im Alter von 6 bis 18 Monaten teil. Insgesamt wurden 127 Mutter-Kind-Paare über einen Zeitraum von 1,5 Jahren untersucht.
Zu vier unterschiedlichen Zeitpunkten wurden in spielerischen Situationen Zeichen des Mitgefühls der Kinder erfasst. Dabei beobachteten die Kinder, wie sich eine andere Person leicht anstieß und den Schmerz zum Ausdruck brachte. Ihre Reaktion wurde zudem mit ihrem Verhalten verglichen, wenn sie sahen, wie eine andere Person lachte. Das erste Mal waren die Kinder 6 Monate alt, bei der letzten Messung 18 Monate.
Das „Selbst-Andere-Verständnis“
Die Kinder zeigten bereits im Alter von 18 Monaten Mitgefühl, wenn sie Zeichen des Leidens bei anderen erkennen. Dieser frühe Entwicklungsschritt ist von entscheidender Bedeutung und markiert eine wichtige Phase in der psychologischen Entwicklung eines Kindes.
"Um Mitgefühl zu erfahren, muss das Kind zwischen dem Selbst und der anderen Person unterscheiden können", erklärt Paulus. Diese Fähigkeit entsteht im Laufe des zweiten Lebensjahres und ermöglicht es Kindern, sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen. Mitgefühl erfordert nicht nur emotionale Resonanz, sondern auch kognitive Fähigkeiten und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel zwischen dem Selbst und der anderen Person.
Prägendes Verhalten der Bezugspersonen
Die Studie ergab auch, dass das Verhalten der Bezugsperson eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Mitgefühl spielt. Kinder, deren Mütter einfühlsam auf ihre Bedürfnisse eingehen, zeigen im zweiten Lebensjahr eine größere Fähigkeit, Mitgefühl zu zeigen. Dies unterstreiche die Bedeutung sozialer Interaktionen für die Entwicklung von Mitgefühl.
"Mitgefühl ist entscheidend für prosoziales Verhalten und motiviert uns, für andere einzutreten und ihnen zu helfen", erklärt Ko-Autorin Tamara Becher.
Die Ergebnisse dieser Studie werfen ein neues Licht auf die Entwicklung von Mitgefühl und könnten wichtige Impulse für weitere Forschungen auf diesem Gebiet liefern.
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München