Welt-Adipositas-TagAdipositas muss entstigmatisiert und als Erkrankung anerkannt werden

Jede*r 5. Deutsche gilt als adipös. Adipositas sollte endlich entstigmatisiert, als Volkskrankheit medizinisch und gesellschaftlich anerkannt und entsprechend versorgt werden, fordert der Verband der Diabetes-Berater*innen.

Übergewichtige Frau steht auf der Waage
Africa Studio/stock.adobe.com. Stockphoto - Posed by a Model.

Neuere Studien zeigen, dass viele Betroffene eine genetische Veranlagung für Adipositas haben – besonders Frauen.

Anlässlich des Welt-Adipositas-Tages fordert der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD), Adipositas endlich zu entstigmatisieren, als Volkskrankheit medizinisch und gesellschaftlich anzuerkennen und entsprechend zu versorgen. In Anbetracht stetig steigender Fallzahlen sei das Disease Management Programm (DMP) Adipositas, das voraussichtlich im April in Kraft treten wird, ein erster wichtiger Schritt.

Adipositas hat häufig multifaktorielle Genese

Jeder fünfte Mensch in Deutschland gilt als adipös [1]. Im Vergleich zu Normalgewichtigen haben stark übergewichtige Menschen ein erhöhtes Risiko Herzkreislauf-Beschwerden zu entwickeln oder an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken.

Hyperkalorische Ernährung und Bewegungsmangel seien für Übergewicht und Adipositas verantwortlich, aber nicht die alleinigen Ursachen, so die Oecotrophologin Theresia Schoppe vom VDBD. Adipositas habe häufig eine multifaktorielle Genese: Neuere Studien zeigen, dass viele Betroffene darüber hinaus eine genetische Veranlagung für Adipositas haben – besonders wohl Frauen [2]. So sei eine Fehlfunktion der Hunger- oder Sättigungsregulation im Gehirn für die Gewichtszunahme verantwortlich.

Adipositas als komplexe Erkrankung anerkennen

Adipositas sollte als komplexe Erkrankung anerkannt und gezielt und strukturiert bekämpft werden, um Folgeerkrankungen zu vermeiden, fordert Schoppe. Und Betroffene sollten nicht stigmatisiert werden.

Denn: Adipositas versiebenfacht beispielsweise das Risiko für einen Prädiabetes oder einen Diabetes mellitus Typ 2. Und sie gilt als Auslöser und Risikofaktor für mehr als 60 weitere Begleit- und Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck und Herzkreislauf-Erkrankungen [3][4].

Bei Adipositas müsse ein intensiver Austausch zwischen Betroffenen und Behandelnden stattfinden. „Es reicht nicht aus, lediglich auf die Notwendigkeit von mehr Bewegung und besserer Ernährung hinzuweisen“, erläutert Schoppe. Das werde der Komplexität der Erkrankung nicht gerecht. „Doch eine Ernährungs- und Bewegungstherapie sind derzeit im GKV-Katalog nicht abgebildet und werden folglich erstmal nicht finanziert.

Es bestehe jedoch die Möglichkeit, Ernährungsberatung außerbudgetär zu nutzen. Zudem könnten Menschen mit Adipositas digitale Gesundheitsanwenungen (DiGA) nutzen. Allerdings müsse man sie darauf aufmerksam machen und sie anleiten, so die Oecotrophologin. Bedauerlicherweise werden DiGA noch zu zurückhaltend verschrieben [5].

Geplante Disease Management Programme hilfreich

Bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 helfen von den Kassen finanzierte Disease Management Programme (DMP) weiter. Diese strukturierte Behandlungsprogramme sorgen zudem für mehr Sensibilität für die Erkrankung sowohl bei Behandelnden als auch bei Betroffenen. Gleichzeitig ermöglichen sie eine interdisziplinäre Behandlung.

Ein entsprechendes DMP Adipositas soll im April durch das Bundesgesundheitsministerium freigegeben werden. Dies sei ein wichtiger Schritt, Adipositas strukturiert zu therapieren, zu enttabuisieren und den gesellschaftlichen Umgang mit der Erkrankung zu verbessern, so Dr. Gottlobe Fabisch vom VDBD. Es sei allerdings sehr bedauerlich, dass die Ernährungsberatung Stand heute im DMP Adipositas nicht zu Regelversorgung gehören wird.

Quelle: Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland

Literatur

[1] Schienkiewitz A et al. Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland – Ergebnisse der Studie GEDA 2019/2020-EHIS. Journal of Health Monitoring 2022; doi: 10.25646/10292

[2] Lechner L et al. Early-set POMC methylation variability is accompanied by increased risk for obesity and is addressable by MC4R agonist treatment. Sci Transl Med 2023; doi: 10.1126/scitranslmed.adg1659

[3] Clodi M et al. Adipositas und Typ-2-Diabetes (Update 2023). Wien Klin Wochenschr 2023; doi: 10.1007/s00508-023-02184-6

[4] Bundesministerium für Bildung und Forschung. https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/adipositas-wenn-uberzahlige-pfunde-krank-machen-16079.php

[5] Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung. BARMER Arztreport 2024. Pressekonferenz 27.2.2024. https://www.bifg.de/publikationen/reporte/arztreport-2024