AlzheimerLecanemab zur Behandlung von Alzheimer zugelassen

Die Europäische Kommission hat Lecanemab zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Fachgesellschaften sehen darin Chancen und Herausforderungen.

Illustration: Amyloid-Plaques im Gehirn bei Alzheimer
Artur/stock.adobe.com

Lecanemab ist ein technisch hergestellten Antikörper. Er attackiert die Amyloid-Proteine, die sich bei einer Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ansammeln.

Die Europäische Kommission hat entschieden, den Wirkstoff Lecanemab (Handelsname: Leqembi) zur Behandlung von Alzheimer zuzulassen. Vorausgegangen war ein monatelanger Entscheidungsprozess. Bereits im November hatte der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen. 

Behandlung im Frühstadium 

Lecanemab ist der erste zugelassene Wirkstoff, der nachweislich den Krankheitsprozess im Gehirn bei einer Alzheimer-Erkrankung verlangsamt. Es handelt sich um einen technisch hergestellten Antikörper. Dieser attackiert die sog. Amyloid-Proteine, die sich bei einer Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ansammeln. Damit kann das Fortschreiten der Symptome der Alzheimer-Krankheit etwas gebremst werden. Das Medikament wird alle 2 Wochen intravenös verabreicht.

Allerdings ist Lecanemab nur für die Behandlung von Menschen in einem frühen Krankheitsstadium genehmigt. Vor Beginn der Behandlung mit Lecanemab müssen Betroffene mit einem Gentest daraufhin untersucht werden, ob und in welcher Form sie das Risikogen ApoE4 für die Alzheimer-Krankheit in sich tragen. 

Nur Personen ohne oder mit nur einer Kopie des ApoE4-Gens sollen die Therapie mit Lecanemab erhalten können. Bei ihnen ist das Risiko für Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Hirnblutungen deutlich geringer als bei Trägern von 2 Kopien des ApoE4-Gens. Potentielle Nebenwirkungen müssen aber bei allen Personen, die mit Lecanemab behandelt werden, engmaschig kontrolliert werden, etwa mit mehreren Kernspinuntersuchungen des Gehirns im Behandlungsverlauf.

Eine gute Nachricht für Menschen mit Alzheimer

Prof. Gabor Petzold vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen kommentiert die aktuelle Entwicklung: „Lecanemab bietet eine neuartige Behandlungsoption, die bei einem wichtigen Mechanismus der Alzheimer-Erkrankung ansetzt. Die Zulassung dieses Medikaments ist eine gute Nachricht für Menschen mit Alzheimer in Europa. Damit kommen wir in die Lage, die Alzheimer-Erkrankung an einer ihrer Wurzeln zu packen. Das ist ein echter Fortschritt.“

Mit der Zulassung in Europa müssen nun auch die Zulassungsbehörden in Deutschland die Rahmenbedingungen festlegen, wie Patient*innen von dem Medikament profitieren können. Es ist unklar, wie lange dies dauern wird. Prof. Janine Diehl-Schmid von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, sagt dazu: „Wegen der doch begrenzten Wirksamkeit von Lecanemab kann aktuell allerdings nicht von einem echten Durchbruch in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit gesprochen werden. Es ist sehr wichtig, potenzielle Nebenwirkungen und damit die Patientensicherheit im Auge zu behalten.“

Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze fördern

Große Herausforderungen sieht die Deutsche Alzheimer Gesellschaft im Bereich der mit Diagnostik und Behandlung verbundenen, notwendigen Infrastruktur. Diehl-Schmid: „Der Frühdiagnostik der Alzheimer-Krankheit kommt nun mit der Möglichkeit einer entsprechenden Behandlung ein besonderer Stellenwert zu. Unklar ist aktuell, wo diese Frühdiagnostik geleistet werden soll. Auch ungeklärt ist, an welchen Einrichtungen die doch sehr komplexe Therapie mit Lecanemab durchgeführt werden kann.“

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft weist darauf hin, dass die Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren An- und Zugehörigen in jedem Krankheitsstadium weiterhin unverzichtbar bleibt. Die Arzneimittelforschung ist darüber hinaus gefordert, wirksamere und verträglichere Medikamente zu entwickeln. Und zwar nicht nur für die frühen Krankheitsstadien, sondern auch für die fortgeschrittene Alzheimer-Demenz und für andere Demenzursachen. Gleichzeitig müssen nicht-medikamentöse Behandlungsansätze in der Forschung eine stärkere Berücksichtigung finden.

Auch Petzold sagt: „Für unser Gesundheitssystem und die Forschung bleibt überdies noch viel zu tun. Die Früherkennung von Demenz muss besser werden und wir benötigen Medikamente, die noch wirksamer sind. Für die Gesundheit des Gehirns und ein selbstbestimmtes Altern gibt es vermutlich nicht nur den einen, einzelnen Königsweg. Wollen wir die Häufigkeit von Alzheimer und anderer Demenzerkrankungen nachhaltig verringern, müssen wir an vielen Stellen ansetzen. Angesichts von rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz hierzulande, Tendenz steigend, stehen wir vor einer enormen Aufgabe.“

Quellen: Deutsche Alzheimer Gesellschaft/Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen