HypertonieBluthochdruck bei Kindern nicht unterschätzen

Etwa 400.000 Kinder und Jugendliche leiden hierzulande unter Bluthochdruck. Welche Maßnahmen Kinder schützen, erklärt Kinderherzspezialist Prof. Robert Dalla Pozza.

Erwachsener hält Kinderhände, die ein Stoffherz halten.
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Nicht immer ist eine Behandlung mit Medikamenten bei Bluthochdruck notwendig: Eine ausgewogene Ernährung und mehr Bewegungen können bereits ausreichen.

Die Volkskrankheit Bluthochdruck (= arterielle Hypertonie) betrifft in Deutschland nach Expertenschätzungen 20-30 Millionen Erwachsene. Von den Kindern und Jugendlichen in Deutschland leiden rund zwei bis drei Prozent unter Bluthochdruck, das sind etwa 400.000 Betroffene. „Von großer gesundheitlicher Bedeutung für die einzelnen Patienten ist die Tatsache, dass der Bluthochdruck im Kindesalter das Blutdruckniveau des Erwachsenen bestimmt“, erklärt Prof. Robert Dalla Pozza, leitender Oberarzt der Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin im LMU Klinikum München.

Risiken erkennen und minimieren: frühzeitiger Blutdruck-Check

Insbesondere Übergewicht/Adipositas, chronische Nierenerkrankungen sowie die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Psychopharmaka), Rauchen (auch Passivrauchen) und Drogenmissbrauch sind die häufigsten Risikofaktoren für den primären Bluthochdruck im Kindes- und Jugendalter.

Um die Gefahr für Herz und Gefäße rechtzeitig einzudämmen und Komplikationen im Erwachsenenalter frühzeitig zu verhindern, rät der Kinderkardiologe bereits im Kleinkindalter den Blutdruck regelmäßig zu beobachten. „Eine Blutdruckmessung sollte bei jedem Kind ab dem vierten Lebensjahr stattfinden. Bei Kindern mit Risikofaktoren für Bluthochdruck sollte sie bereits ab dem dritten Lebensjahr durchgeführt werden.“

Besonders bei Kindern, die mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt kommen und außerdem mit Gefäßdefekten wie Hauptschlagaderverengung (= Aortenisthmusstenose) geboren werden, muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass der Blutdruck im unbedenklichen Bereich liegt. Das gilt auch für frühgeborene Kinder, die nach der Geburt intensivmedizinisch behandelt worden sind.

Blutdruck messen bei Kindern: Worauf sollte man achten?

  • Die Blutdruckmessung sollte am rechten Oberarm nach einer etwa fünfminütigen Ruhepause erfolgen.
  • Die Messungen sollten dreimal wiederholt werden.
  • Bei älteren Kindern sollte im Sitzen, bei Säuglingen und kleineren Kindern im Liegen gemessen werden.
  • Die Größe der Manschette korrekt wählen: Der aufblasbare Teil sollte gut am Arm anliegen, gegebenenfalls eine Kindermanschette wählen.
  • Die Messung sollte man noch zweimal im Abstand von ein bis zwei Minuten wiederholen: Wiederholungsmessungen fallen meist niedriger aus. Den Mittelwert der letzten beiden Messungen notieren.
  • Messungen mit vollautomatischen, sogenannten oszillometrischen Geräten, sind mittlerweile auch bei Kindern üblich.
  • Weiterhin gilt die auskultatorische Messung, also die manuelle Blutdruckmessung mit Hilfe eines Stethoskops, als Goldstandard.
  • Die Messwerte sollten mit den entsprechenden Normwerten, die für Kinder ab einem Jahr zur Verfügung stehen, verglichen werden.

Um die Diagnose Bluthochdruck zu sichern beziehungsweise den Erfolg einer Behandlung zu prüfen, sollte auch bei Kindern eine 24-Stunden-Langzeitblutdruckmessung erfolgen. „Eine Bestätigung der Diagnose muss von einem Facharzt durch mehrere Blutdruckmessungen im Abstand von einigen Tagen bis Wochen erfolgen“, betont Pozza. Steht die Diagnose arterieller Bluthochdruck fest, folgen u.a. Ultraschalluntersuchungen von Herz und Nieren. Beim Augenarzt gibt eine Spiegelung des Augenhintergrunds Auskunft über Gefäßveränderungen (Gefahr der Arteriosklerose).

Je jünger ein Kind ist, desto wahrscheinlicher ist ein sekundärer Bluthochdruck. Im Säuglingsalter handelt es sich immer um einen sekundären Bluthochdruck, wobei angeborene Nieren- und Herzerkrankungen als Ursachen im Vordergrund stehen. „Bei älteren Kindern ist ein primärer Bluthochdruck wahrscheinlicher. Dabei handelt es sich in vielen Fällen um eine familiär gehäuft vorkommende arterielle Hypertonie ohne erkennbare Ursache“, erklärt Prof. Dalla Pozza.

Mehr Bewegung und eine gesunde Ernährung können ausreichen

Fast die Hälfte der Kinder in Deutschland bewegt sich zu wenig. Laut einer Forsa-Umfrage im Mai 2022 ist jedes sechste Kind in Deutschland dicker geworden und fast ein Drittel der Kinder isst mehr Süßes [1]. Im Vergleich zu Kindern mit normalem Gewicht haben fettleibige Kinder ein mehr als zehnfach erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, warnen Kinder- und Jugendmediziner [2].

Um den Blutdruck zu senken, eignen sich für Kinder ebenso wie für Erwachsene Ausdauersportarten, die den Blutdruck stärker senken als Krafttraining:

Täglich 60 Minuten moderate bis intensive körperliche Aktivität werden zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen.

Extrem zuckerhaltige Getränke, Drinks mit Koffeingehalt und Alkohol steigern den Blutdruck und sollten unbedingt vermieden werden. Eine abwechslungsreiche Ernährung ist ebenfalls zur Vorbeugung von Risikokrankheiten wie Bluthochdruck wichtig. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt die Mittelmeerküche: Sie besteht vorwiegend aus ballaststoff- und proteinreichen Lebensmitteln. Reichen diese Behandlungsmöglichkeiten nicht aus, empfehlen Mediziner*innen zusätzlich eine medikamentöse Therapie.

Behandlung mit Medikamenten

Problem sind die noch nicht ausreichenden Studienergebnisse für Präparate im Kindesalter, so dass auch sogenannte Off-Label-Produkte mit ausführlicher Risiko-Nutzen-Aufklärung eingesetzt werden. Wegen ihrer ungünstigen Nebenwirkungen werden Betablocker Kindern eher selten verschrieben. Erstes Mittel der Wahl sind ACE Hemmer (Angiotensin-Converting-Enzyme-Hemmer), die an Enzymen und Hormonen des RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) ansetzen. Das RAAS besteht aus Enzymen und Hormonen, die entscheidend mitwirken an der Regulation des Blutdrucks und des Flüssigkeitshausaltes.

Ähnlich blutdrucksenkend wie ACE-Hemmer und oft besser verträglich sind AT1-Rezeptorblocker (hemmen u.a. die Bildung des Hormons Angiotensin2, das Blutgefäße verengt und als Folge steigt der Blutdruck). Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Wasseransammlungen in den Beinen haben Kalziumantagonisten. Sie zählen dennoch zu den sehr wirksamen Präparaten zur Behandlung des gefährlichen Bluthochdrucks.

Literatur

[1] Pressemeldung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. „forsa-Umfrage zeigt Folgen der Corona-Krise für Kinder: Gewichtszunahme, weniger Bewegung, mehr Süßwaren – Jedes sechste Kind ist dicker geworden“ vom 31.05.2022 (abgerufen am 12.04.2023)

[2] Wühl, E. Hoher Blutdruck schadet schon Kindern, in: Deutsche Herzstiftung (Hg.), Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen. 2021

Quelle: Deutsche Herzstiftung

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