GendermedizinFrauenaugen werden anders krank

Gründe dafür sind u.a. anatomische und hormonelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen. 

zwei Einzeldosen Augentropfen
K. Oborny/Thieme

Frauen reagieren oft sensibler auf bestimmte Medikamente oder konservierende Zusatzstoffe in Augentropfen.

Die Gendermedizin spielt auch in der Augenheilkunde eine Rolle. Zu den Unterschieden zwischen Männern und Frauen in der Augenheilkunde gehören:

  • Anatomie und hormonelle Gegebenheiten bei den Hormonen sind bei Frauen anders als bei Männern. Diese beeinflussen die Häufigkeit von Augenerkrankungen.
  • Frauen reagieren oft empfindlicher auf Medikamente und Kontaktlinsen, zeigen jedoch bessere Behandlungsergebnisse.

Frauen verlieren häufiger ihr Sehvermögen

So tragen Frauen in den USA ein um 15 Prozent höheres Risiko als Männer, an Erblindungen oder Sehbehinderungen zu leiden. Das belegen Daten der IRIS Registry, der weltgrößten Datenbank für Augenheilkunde.

  • Frauen sind beispielsweise weltweit 2- bis 4-mal häufiger vom Engwinkelglaukom betroffen, einer Form des Grünen Stars. „Das liegt zum Teil an anatomischen Unterschieden, da Frauen oft kleinere Augen und engere Vorderkammerwinkel haben“, erläutert Augenärztin Prof. Maya Müller.
  • An einer endokrinen Orbitopathie leiden Frauen ebenfalls 4- bis 5-mal häufiger als Männer. Diese Erkrankung macht sich durch stark hervortretende Augen bemerkbar. „Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass autoimmune Schilddrüsenerkrankungen wie Morbus Basedow bei Frauen viel häufiger auftreten“, so Müller. 

Weibliche Hornhaut ist dünner und sensibler

  • Auch den Grauen Star entwickeln Frauen weltweit in vielen Regionen bis zu 1,7-mal häufiger, insbesondere nach der Menopause. „Hier könnte der Rückgang von Östrogen als Schutzfaktor gegen oxidativen Stress im Auge eine Rolle spielen“, erläutert die Expertin.
  • Schließlich unterscheidet sich auch die Hornhaut, sie ist bei Frauen dünner und sensibler – was ebenfalls an den Hormonen liegen könnte, da Östrogen die Funktion der Nerven in der Hornhaut beeinflussen kann.

„Die erhöhte Sensibilität führt möglicherweise zu einer größeren Neigung zu Augentrockenheit, einer typischen Augenerkrankung der Frau, und Unbehagen, das sich etwa beim Tragen von Kontaktlinsen bemerkbar macht“, betont Müller. 

Geschlechterunterschiede bei Augentropfen

Hinzu kommen Geschlechterunterschiede bei der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Therapien. „Wir wissen, dass Frauen häufig sensibler auf bestimmte Medikamente oder konservierende Zusatzstoffe in Augentropfen reagieren“, erklärt die Augenärztin.

Andererseits schlagen Therapien oft besser an, weil Frauen ihre Behandlung konsequenter umsetzen. „Frauen wenden Glaukomtropfen regelmäßiger an und benötigen weniger Kontrolluntersuchungen bei der altersabhängigen Makuladegeneration“, erläutert Müller. Somit spielen auch psychosoziale Faktoren eine Rolle.

Genderspezifische Ansätze in Therapie und Prävention fehlen

Es sind also viele Aspekte, die geschlechterspezifische Unterschiede in der Ophthalmologie aufzeigen. Doch die Umsetzung dieser Erkenntnisse im klinischen Alltag gestaltet sich schwierig. „Viele Augenärzt*innen sind nicht ausreichend geschult, geschlechtsspezifische Faktoren einzubeziehen“, sagt Müller.

Vor allem aber sei noch nicht genügend erforscht, was das konkret für Therapie und Prävention bedeutet. „Es fehlen detaillierte Langzeitstudien, die Unterschiede in Bezug auf Häufigkeit, Krankheitsverlauf und Therapieergebnisse analysieren“, kritisiert Müller. „Kurz: Es fehlen uns Richtlinien, die geschlechterspezifische Therapieansätze vorschlagen.“ 

Hoffnungen setzt die Züricher Augenärztin in Big Data und künstliche Intelligenz. „Sie ermöglichen präzisere Auswertungen“, meint Müller. Am Ende würden beide Geschlechter von einer optimierten, personalisierten Therapie profitieren. 

Gendermedizin in der Augenheilkunde wird u.a. Thema auf dem diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft sein.

Quelle: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft