Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat den Nutzen eines generellen laboranalytischen Lipidscreenings zur Früherkennung familiärer Hypercholesterinämie bei Kindern und Jugendlichen untersucht. Mit folgenden Ergebnissen:
- Auf Basis der vorliegenden Studien kann kein Nutzen eines allgemeinen Screenings aller Kinder und Jugendlichen abgeleitet werden.
- Allerdings zeigen Daten, dass es sinnvoll ist, Kinder und Jugendliche mit familiärer Hypercholesterinämie und hohem kardiovaskulärem Risiko zu identifizieren.
- Eine rechtzeitige Behandlung mit lipidsenkenden Statinen verringert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in dieser besonders gefährdeten Gruppe.
Hypercholesterinämie kann früh zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen
Die familiäre Hypercholesterinämie ist eine erblich bedingte, angeborene Fettstoffwechselstörung. Betroffene haben bereits in der Kindheit erhöhte LDL-Cholesterin-Konzentrationen im Blut. Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie haben ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, teilweise schon im jungen Erwachsenenalter.
Um das Risiko zu verringern bzw. hinauszuzögern, können diese Kinder und Jugendlichen frühzeitig mit Statinen behandelt werden.
Niederländische Studie zum Nutzen früher Statintherapie
Das IQWiG hat bei seiner weltweiten Recherche keine Studien gefunden, die ein generelles Screening mit anschließender Behandlung bei allen Kindern und Jugendlichen untersuchten. Daher hat es nach Studien zur Vorverlagerung einer lipidsenkenden Therapie gesucht.
Eine niederländische Arbeitsgruppe um Ilse Luirink hat untersucht, welchen Effekt eine frühe Gabe von Statinen tatsächlich hat: 214 Personen mit familiärer Hypercholesterinämie erhielten ab durchschnittlich 14 Jahren Statine. 20 Jahre später war bei nur einer Person dieser Gruppe ein kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten. Bei deren Eltern hingegen hatte etwa ein Viertel bis Ende 30 bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten.
„Bemerkenswert ist, dass die Kinder trotz Statin-Behandlung nicht die in manchen Leitlinien empfohlenen LDL-Cholesterin-Zielwerte erreichten – und dennoch ohne kardiovaskuläres Ereignis blieben“, sagt Stefan Sauerland vom IQWiG. „Somit stützen die Ergebnisse der Luirink-Studie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht den Je-niedriger-desto-besser-Ansatz, der teilweise propagiert wird, sondern legen nahe, dass eine feste mittlere Dosis eines Statins als Standardtherapie für die kardiovaskuläre Protektion ausreicht.“
Kaskadenscreening auf Hypercholesterinämie empfohlen
Das IQWiG empfiehlt, über die Einführung eines Kaskadenscreenings zu beraten. Ein Kaskadenscreening geht von Familienmitgliedern (insbesondere Eltern) aus, bei denen nach einem kardiovaskulären Ereignis oder bei Gesundheitsuntersuchungen eine familiäre Hypercholesterinämie diagnostiziert wurde.
Dieser Ansatz biete den Vorteil, dass schwerer verlaufende Subtypen der familiären Hypercholesterinämie identifiziert werden. Denn Personen, deren Familienangehörige von einer besonders frühen oder besonders schweren Symptomatik betroffen sind, erhalten eher medizinische Versorgung und sind einem solchen Screening ohne zusätzliche Einladung zielgerichtet zugänglich. In ähnlicher Weise wäre auch die Therapie auf die besonders therapiebedürftigen Personen konzentriert.
In Deutschland gebe es mit den Gesundheitsuntersuchungen bereits eine allgemein verfügbare Möglichkeit, junge Erwachsene mit familiärer Hypercholesterinämie zu identifizieren. „Hierüber sowie über bereits bekannte Erkrankungen könnten weitere betroffene Familienmitglieder gefunden und behandelt werden – insbesondere Kinder und Jugendliche“, sagt Michaela Eikermann vom IQWiG.
Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen