
Neuroprothesen könnten bald die Parkinson-typischen Gangstörungen verbessern.
Die Zukunft der Parkinson-Therapie könnte von Technologien wie Neuroprothesen geprägt sein. Ziel ist, die typischen Gangstörungen bei Parkinson zu verbessern. Prof. Alexander Storch präsentierte neue Ansätze auf dem Deutschen Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2024 in Rostock.
Pilotstudien zu Neuroprothesen bei schweren Gangstörungen
Auf dem Kongress wurden die ersten Erkenntnisse zur Implantation von epiduralen Elektroden (epidurale elektrische Stimulation, EES) bzw. einer Neuroprothese bei schweren Gangstörungen, wie Freezing of Gait präsentiert:
Die TEES (Targeted Epidural Spinal Stimulation) wurde anhand eines Primaten-Modells entwickelt und nun erstmals an einem 61-jährigen Parkinson-Patienten untersucht. Dieser Patient war bereits seit 30 Jahren an Parkinson erkrankt und entwickelte im Laufe der Zeit u.a. ein schweres Freezing of Gait, das mehrfache Stürze pro Tag provozierte [3]. Zur Reduktion seiner schweren motorischen Symptomlast wurden die TEES und etablierte Verfahren wie eine Tiefe Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus angesetzt und seine dopaminerge Medikation optimal ausgeschöpft.
„Mit diesem kombinierten Ansatz konnten wesentliche Gangparameter gebessert bis normalisiert werden. Seine Sturzfrequenz sank dramatisch, was sich ebenfalls positiv auf die Lebensqualität auswirkte. Die Symptome des Freezing of Gait waren mit TEES nahezu verschwunden“, zitierte Storch [3, 4].
Aktuell läuft eine größere Studie (STIMO-PARK, NCT04956770) zur Wirksamkeit der TEES über einen Follow-up-Zeitraum von 3 Jahren. „Die Ergebnisse aus STIMO-PARK werden mit Spannung erwartet, da das Verfahren möglicherweise den bestehenden hohen therapeutischen Bedarf bei Freezing of Gait adressieren könnte“, kommentierte Storch.
In Bezug auf Freezing of Gait wird aktuell ein weiterer, roboterassistierter Ansatz mit soften Prothesen untersucht. In einer Proof-of-Concept-Studie mit einem Parkinson-Probanden (männl., 73 Jahre alt) wurden relevante Verbesserungen der Gangquantität und -qualität über mehrere Tage hinweg beobachtet [5].
„Beide Ansätze deuten darauf hin, dass technologiebasierte Lösungen in Zukunft einen Wendepunkt in der Behandlung des Freezing of Gait einleiten werden“, schlussfolgerte Storch.
App-gestütztes Symptom-Tracking
Im Verlauf der Zeit entwickeln viele Menschen mit Parkinson motorische und nicht motorische Schwankungen unter einer konventionellen oralen Levodopa-Therapie. Dabei sind nach 5 Jahren etwa 50 % und nach 10 Jahren sogar 90 % betroffen.
Storch betonte die Bedeutung des Erfassens dieser Schwankungen für die Therapieoptimierung. Bisherige Monitoring-Strategien könnten jedoch lückenhaft sein. Daher untersuchte Storch mit seiner Arbeitsgruppe in einer prospektiven Studie (VALIDATE-PD), ob eine sensorgestützte Dokumentation motorischer Fluktuationen genauer ist als Tagebuchaufzeichnungen. Die Studie nutzte ein Akzelerometer-System ähnlich einer Smartwatch, um Daten über einen bestimmten Zeitraum zu sammeln.
Die Ergebnisse zeigten eine moderate Validität für die Detektion von motorischen Off-Phasen und dyskinetischen Phasen, während die Erkennung plötzlicher motorischer Schwankungen schwächer war [1]. Weitere Untersuchungen mit anderen Wearables ergaben ähnliche Ergebnisse, wobei Tremor am besten von den verfügbaren Geräten erfasst wurde [2].
Robotikgestützte Ansätze zur Verbesserung des Ganges
Ein weiterer Ansatz zur Behandlung von Freezing of Gait ist die Verwendung von roboterassistierten Prothesen. In einer Proof-of-Concept-Studie wurde bei einem Parkinson-Patienten eine signifikante Verbesserung der Gangquantität und -qualität festgestellt. Diese Ansätze könnten die Behandlung von Freezing of Gait unterstützen [5].
Stammzelltherapie als restaurative Behandlungsoption
Die Stammzelltherapie erlebt eine Renaissance in der Parkinson-Behandlung. Besonders innovativ sind Ansätze mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) und embryonalen Stammzellen. Eine Phase-I-Studie mit dem pluripotenten Stammzellkandidaten Bemdaneprocel zeigt ermutigende Ergebnisse. Darunter eine Verbesserung der Motorik ohne Dyskinesien.
Eine Phase-II-Studie zur weiteren Untersuchung von Bemdaneprocel wird in Kürze beginnen, was bedeutet, dass diese Therapieoption bald Realität werden könnte [6].
Zukunft der Parkinson-Therapie
Die Zukunft der Parkinson-Therapie ist von Technologien und innovativen Behandlungsansätzen geprägt. Neuroprothesen, Stammzelltherapie und roboterassistierte Lösungen könnten das Leben von Parkinson-Patient*innen verbessern. Es bleibt zu beobachten, wie diese Technologien in den kommenden Jahren in der klinischen Praxis eingesetzt werden und welchen Beitrag sie zur Behandlung dieser komplexen Erkrankung leisten können.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen
Literatur
[1] Löhle M et al. Application of single wrist-wearable accelerometry for objective motor diary assessment in fluctuating Parkinson’s disease. npj Digit Med 2023; https://doi.org/10.1038/s41746-023-00937-1
[2] Lipsmeier F et al. Reliability and validity of the Roche PD Mobile Application for remote monitoring of early Parkinson's disease. Sci Rep 2022; https://doi:10.1038/s41598-022-15874-4
[3] Milekovic T et al. A spinal cord neuroprosthesis for locomotor deficits due to Parkinson’s disease. Nat Med 2023; https://doi.org/10.1038/s41591-023-02584-1
[4] Mizrahi-Kliger A et al. Spinal stimulation for unfreezing gait in Parkinson’s disease. Nat Med 2023; https://doi.org/10.1038/s41591-023-02604-0
[5] Kim J et al. Soft robotic apparel to avert freezing of gait in Parkinson’s disease. Nat Med 2024; https://doi.org/10.1038/s41591-023-02731-8
[6] Blue Rock Therapeutics. Phase I clinical trial for Parkinson’s disease continues to show positive trends at 18 months. 2024; www.bluerocktx.com