AyurvedaĀyurveda-Medizin: Behandlung des M. Parkinson

In der Āyurveda-Medizin haben sich Behandlungsansätze, wie die Samen der Juckbohne (Mucuna pruriens), zur Behandlung des M. Parkinson bewährt.

Eine Handvoll Juckbohnen auf einem Holztisch.
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von Ananda Samir Chopra

Inhalt

Parkinson

M. Parkinson im Āyurveda

Ernährung

Arzneimitteltherapie

Parkinson

Als der englische Arzt James Parkinson (1755–1824) im Jahre 1817 seinen Aufsatz über die „Schüttellähmung“ (Shaking Palsy) veröffentlichte, ahnte er wohl nicht, dass sein Name dereinst als Teil einer Krankheitsbezeichnung weit verbreitet sein würde [14]. Parkinson beschrieb ein Krankheitsbild, das insbesondere durch Tremor, eine auffällige Bewegungsstörung und posturale Instabilität gekennzeichnet ist. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde dieses Krankheitsbild dann zunehmend differenzierter beschrieben und abgegrenzt. Insbesondere Jean-Martin Charcot (1825–1893), der große Wegbereiter der modernen Neurologie, lieferte eine klinische Definition dieses Krankheitsbildes, die in großen Teilen noch heute gilt. Er etablierte wohl auch die Bezeichnung Morbus Parkinson für diese Erkrankung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden dann die neuroanatomischen und -physiologischen Grundlagen dieses Krankheitsbildes deutlicher und vor allem die Therapie mit L-Dopamin gewann an Bedeutung. Die besondere Leistung von James Parkinson und seinen Nachfolgern liegt darin, dass sie aufgrund klinischer Beobachtung eine bei diesem Krankheitsbild gemeinsam auftretende pathognomonische Kombination von Tremor, Akinese und posturaler Instabilität aufzeigen konnten.

M. Parkinson im Āyurveda

Entgegen einer häufig anzutreffenden Behauptung wird ein solches Krankheitsbild in der historischen āyurvedischen Literatur nicht beschrieben! Der Āyurveda ist ein umfassendes medizinisches System, das seit mindestens zweitausend Jahren im indischen Kulturbereich entwickelt und praktiziert wird. Die āyurvedische Medizin blickt auf eine sehr umfangreiche Fachliteratur aus den vergangenen zweitausend Jahren zurück, die auch heute noch eine wichtige Orientierung für Lehre, Praxis und Forschung im Āyurveda darstellt. In Indien ist der Āyurveda heutzutage ein eigenständiges medizinisches System neben der modernen naturwissenschaftlichen Medizin. Āyurvedische Ärzte durchlaufen ein eigenes Hochschulstudium und sind in eigenen Ärztekammern organisiert. Wie zu jeder medizinischen Wissenschaft gehört auch zum Āyurveda eine differenzierte Krankheitslehre.

Selbst bei oberflächlicher Betrachtung stellt man allerdings fest, dass sich moderne Krankheitsbezeichnungen in der Regel nicht direkt mit āyurvedischen Krankheitsbildern gleichsetzen lassen. So werden im Āyurveda zwar schon seit alter Zeit verschiedene Arten des Tremors (meist mit den Sanskritbezeichnungen Vepathu, Kampa) und auch von Rigor, Akinese sowie anderen häufigen Symptomen des (idiopathischen) Parkinson-Syndroms beschrieben und differenziert. Die pathognomonische Kombination von Tremor, Bradykinese und Rigor sowie posturaler Instabilität in einem Krankheitsbild findet sich in der klassischen āyurvedischen Literatur jedoch nicht. Erst in einem relativ späten Lehrbuch des 17. Jahrhunderts, dem sogenannten Basavarājīyam („Werk des Basavarāja“) wird eine Erkrankung erwähnt, welche dem idiopathischen Parkinson-Syndrom nahekommt. Unter der Bezeichnung Kampavāta wird dort nämlich ein Krankheitsbild beschrieben, das durch Tremor der Extremitäten und Schwierigkeiten bei der Körperbewegung kombiniert mit Schlafstörung und demenzieller Symptomatik gekennzeichnet ist [13]. Doch diese kurze Beschreibung verdeutlicht schon, dass wir auch hier noch entfernt sind von der spezifischen Symptomatik des M. Parkinson.

In der heutigen āyurvedischen Praxis empfiehlt es sich daher, die jeweilige Symptomatik nach āyurvedischen Kriterien differenziert und individuell zu betrachten und nicht vorschnell einem einzelnen āyurvedischen Krankheitsbild zuzuordnen. Auf dieser Basis kann dann eine umfassende āyurvedische Therapie erfolgen. Ein solches differenziertes Eingehen auf die jeweils individuelle Ausprägung der Symptomatik des einzelnen Patienten ermöglicht dann auch eine individuelle Behandlung.

Dem Āyurveda liegt eine eigene Systematik zugrunde, die sich sowohl in einem eigenen Verständnis von Bau und Funktion des menschlichen Organismus als auch im diagnostischen Vorgehen niederschlägt. So unterscheidet man, vereinfacht ausgedrückt, zwei Anteile im menschlichen Organismus: Auf der einen Seite kennt man strukturelle Anteile des menschlichen Organismus wie etwa verschiedene Gewebe (Muskelgewebe, Fettgewebe etc.) und Organsysteme. Auf der anderen Seite wirken im Organismus auch funktionelle Komponenten. Zu diesen funktionellen Komponenten zählt der sogenannte Agni, die „Verdauungs- und Stoffwechselkraft“, welche die intestinale Verdauung und den gesamten Stoffwechsel reguliert. Wenn der Agni normal ausgeprägt ist, sind nicht nur Appetit und Stuhlgang gleichmäßig, sondern auch die einzelnen Gewebe angemessen ausgeprägt und die Sinne können ihre normalen Funktionen erfüllen. Bei einem geschwächten Agni werden einerseits die Gewebe nicht angemessen genährt und andererseits entstehen Ablagerungen auf unterschiedlichen Ebenen.

Moderne āyurvedische Gelehrte verstehen auch die bei bestimmten Formen des Parkinson-Syndroms zu findenden Ablagerungen von Alpha-Synuclein als Folge einer Schwäche der Verdauungs- und Stoffwechselkraft. Auch werden bei einem geschwächten Agni die Wirkstoffe von Arzneien nicht sachgerecht aufgenommen und verwertet. Außer dem Agni zählen zu den funktionellen Komponenten des menschlichen Organismus vor allem die sogenannten drei Doṣa-s (sprich: Dohscha) Vāta, Pitta und Kapha. Diese stellt man sich vor wie Kräfte, die im Menschen wirksam sind und sich in unterschiedlicher Hinsicht im Menschen auswirken. Die drei Doṣa-s regulieren physiologische Funktionen.

  • So ist Vāta, der erste Doṣa, im Menschen für Prozesse der Bewegung und Beweglichkeit verantwortlich. Dazu zählen Atembewegung, Muskelbewegung und Darmmotilität ebenso wie geistige Beweglichkeit und Begeisterungsfähigkeit.

  • Pitta reguliert Prozesse der Umwandlung und Verwertung wie etwa den Verdauungsprozess, aber auch Lernprozesse und Durchsetzungskraft.

  • Kapha, der dritte Doṣa, ist verantwortlich für Struktur und Stabilität, also einen festen Körperbau, geschmeidige Haut und Schleimhäute ebenso wie geistige Stabilität und Geduld.

Wie diese kurze Übersicht deutlich macht, sind in jedem Menschen prinzipiell alle drei Doṣa-s wirksam. Für die āyurvedische Diagnose ist aber ein zweiter Aspekt der Doṣa-Lehre von fundamentaler Bedeutung: Man geht nämlich davon aus, dass jeder Mensch bereits bei Geburt eine besondere Konstellation dieser drei Doṣa-s mitbringt.

Diese individuelle Konstitution äußert sich in einer Vielzahl von Merkmalen:

  • Menschen mit einer Vāta-dominierten Konstitution neigen etwa ein Leben lang zu einer trockenen Haut und kalten Gliedmaßen, sie sind geistig beweglich, kreativ und neigen zu Verstopfung, Einschlafstörung und innerer Unruhe.

  • Eine Pitta-dominierte Konstitution zeigt sich in warmen Gliedmaßen, regelmäßigem starkem Appetit, stabilem Körpergewicht, Zielstrebigkeit sowie einer Neigung zu Reizbarkeit, Oberbauchbeschwerden und entzündlichen Erkrankungen.

  • Bei einer Kapha-dominierten Konstitution neigt der Mensch zu Übergewicht, hat ein gutes Langzeitgedächtnis und lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen, er neigt zu schleimigen Erkrankungen der Atemwege und Übergewicht.

Jeder Mensch verfügt von Geburt an über ein individuelles Mischungsverhältnis dieser drei Doșa-s, bei dem meist Merkmale von zwei dieser Doșa-s stärker zum Ausdruck kommen. Die Feststellung der individuellen Grundkonstitution ist ein wesentlicher Bestandteil der āyurvedischen Diagnose.

Aufgrund verschiedener ätiologischer Faktoren können die Doṣa-s nun aber ins Ungleichgewicht geraten. Sie werden also stärker oder schwächer, als es ihrem individuellen Normalzustand entspricht, oder es kommt zu einer Dysfunktion. Dieses anfängliche Stadium der Krankheitsentwicklung äußert sich in Symptomen des Unwohlseins, die jeweils spezifisch für einzelne Doṣa-s sind. In der āyurvedischen Pathophysiologie geht man nun davon aus, dass die aus dem Gleichgewicht geratenen Doṣa-s in der Folge auch Organe und Gewebe affizieren und so eine manifeste Erkrankung auslösen.

Betrachtet man nun die aktuelle Standarddefinition des idiopathischen Parkinson-Syndroms [16], so stellt man fest, dass dessen pathognomonischen Symptome, nämlich Bradykinese, Tremor, Rigor und auch die posturale Instabilität, hauptsächlich den Symptomen einer Vāta-Störung entsprechen. Auch die fakultativen Begleitsymptome wie etwa Hyposmie, Obstipation oder kognitive Einschränkungen sind typische Symptome einer Vāta-Störung ebenso wie einer Schwäche der Verdauungs- und Stoffwechselkraft. Rigor und Akinese sind vor allem Symptome einer Schwäche des Agni, der Verdauungs- und Stoffwechselkraft. Man kann also allgemein feststellen, dass der M. Parkinson aus āyurvedischer Sicht durch eine Vāta-Störung und eine Schwächung der Stoffwechselkraft gekennzeichnet ist.

Für das diagnostische Vorgehen im Āyurveda sind zunächst einmal die genaue Betrachtung der Erkrankung und der Grundkonstitution des Patienten von fundamentaler Bedeutung. Darüber hinaus soll aber auch eine Einschätzung des jeweiligen Stadiums einer Krankheit erfolgen. Nach klassischer Anschauung unterscheidet man insgesamt sechs Krankheitsstadien, wobei im sechsten Krankheitsstadium eine Chronifizierung der jeweiligen Erkrankung besteht. Das therapeutische Vorgehen muss dem jeweiligen Krankheitsstadium entsprechen.

Die āyurvedische Auffassung von Krankheitsbehandlung ist umfassend und immer auf das Individuum und seine Konstitution bezogen. Allgemein gesprochen, beginnt āyurvedische Therapie mit Empfehlungen zu Ernährung und Lebensstil, bei denen sowohl die Krankheit als auch die Konstitution berücksichtigt werden müssen. Erst dann folgt die Therapie im engeren Sinne. Hierzu gehören vor allem eine vielfältige und differenzierte Arzneimitteltherapie sowie intensive Verfahren zur Ausleitung und Regulation, wie etwa das Pañcakarma.

Da beim idiopathischen Parkinson-Syndrom vor allem eine Störung des Vāta und eine Schwächung der Stoffwechselkraft bestehen, gilt es allgemein, den Doṣa Vāta zu regulieren und den Agni zu stärken.

Ernährung

In Bezug auf die Ernährung wird allgemein zu einer leicht verdaulichen und nahrhaften Ernährung geraten. Gewürze wie Ingwer, Knoblauch und schwarzer Pfeffer regen nach āyurvedischer Anschauung in besonderem Maße die Verdauungskraft an und regulieren den Doṣa Vāta. Je nach Konstitution und Verträglichkeit werden diese Gewürze in verschiedenen Zubereitungsformen (angedünstet, roh, als Tee etc.) und individuell angepassten Mengen empfohlen. Kreuzkümmel, Anis und Fenchel sind ebenfalls zur Regulierung des Vāta geeignet. Von besonderer Bedeutung ist der Asant (Asafoetida, „Stinkasant“), ein Gewürz, das als besonders Vāta-regulierend gilt und bei Störungen des Nervensystems allgemein empfohlen wird. Bei Obstipation, die ja ein häufiges Früh- und Begleitsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms darstellt, ist Asant ebenfalls nützlich. Doch die āyurvedische Ernährungslehre berücksichtigt nicht nur Nahrungsmittel und ihre Zusammensetzung, sondern auch die Art und Weise der Nahrungsaufnahme allgemein, die Umgebung und Gemütsverfassung des Einzelnen werden berücksichtigt. Zur Regulation eines gestörten Vāta und zur Stärkung der Verdauungskraft ist zu empfehlen, regelmäßige Mahlzeiten zu genießen. Abends sollte eher warm und leicht gegessen und darauf geachtet werden, dass man in angenehmer Umgebung und in Ruhe essen kann. Auch bei den Empfehlungen zur allgemeinen Lebensweise wird empfohlen, auf regelmäßige Tagesabläufe zu achten. Morgendliche Selbstölmassagen mehrmals wöchentlich werden allgemein zur Gesundheitsprophylaxe empfohlen, insbesondere auf Tremor und Rigor sollen sie einen positiven Effekt haben. Körperliche Bewegung, vor allem moderate Ausdauerbewegung, reguliert Vāta und stärkt die Verdauungskraft. In der Praxis muss bei all diesen Empfehlungen aber stets die individuelle Konstitution des jeweiligen Menschen berücksichtigt werden.

Arzneimitteltherapie

Die Arzneimitteltherapie, insbesondere die außerordentlich reichhaltige Phytotherapie, stellt im heutigen Āyurveda eine wichtige Säule der Behandlung dar. Die arzneilich gebrauchten Pflanzen werden dabei sehr differenziert nach Qualitäten und Wirkungen eingeteilt sowie in spezifischen Zubereitungsarten verabreicht.

Hier finden sich eine Fülle von Arzneien sowohl zur Vāta-Regulierung als auch zur Anregung der Verdauungskraft und spezifischen Behandlung der Krankheit. Eine typische Kombinationsarznei zur Stärkung der Verdauungskraft ist das so genannte Trikaṭu, eine Mischung von Ingwer, schwarzem Pfeffer und langem Pfeffer (Pippalī, botanisch: Piper longum) zu gleichen Teilen. Wenn Obstipation im Vordergrund steht, und auch zur allgemeinen Regulation und Stärkung, ist die Triphalā, eine Mischung aus den getrockneten und gemahlenen Früchten von Emblica officinalis, Terminalia chebula und Terminalia bellirica außerordentlich nützlich. Diese beiden Kombinationsarzneien werden in der Praxis häufig zu Beginn der Behandlung über einige Monate eingesetzt. Wenn die Verdauungskraft damit reguliert ist, können nach āyurvedischer Anschauung auch die Wirkstoffe der spezifischen Arzneien besser verwertet werden.

Von diesen spezifischen Arzneien sollen hier nur einige wenige beispielhaft vorgestellt werden. Die Aśvagandhā (Wurzel der Withania somnifera) genannte Pflanzenarznei wird bei vielen neurologischen Störungen empfohlen. In diesem Zusammenhang gilt sie als besonders nützlich zur Regulation der posturalen Instabilität und wenn Schlafstörungen vorliegen. Brāhmī (Bacopa monnieri, die gesamte Pflanze wird hier verwendet) ist besonders nützlich, wenn auch kognitive Störungen bestehen.

Juckbohne (Mucuna pruriens)

In den vergangenen Jahrzehnten hat im Zusammenhang mit M. Parkinson besonders eine āyurvedische Pflanzenarznei für Furore gesorgt, nämlich die Samen der sogenannten „Juckbohne“, botanisch: Mucuna pruriens (Sanskrit: Ātmaguptā, Kapikacchū). In der klassischen āyurvedischen Literatur werden diese Samen vor allem zur Stärkung bei „Gebrechen des Alters“ sowie zur allgemeinen Stärkung und Förderung der (männlichen) Fertilität gebraucht, auch gelten sie als allgemein nützlich zur Regulation des Doṣas Vāta [17]. Schon in den 1930er-Jahren stellte man fest, dass die Juckbohne unter anderem L-Dopamin enthält [3]. Im heutzutage meistens verwendeten Pulver aus den geschälten Samen beträgt der Anteil rund 5 %. In den 1990er-Jahren begann man die Wirkung einer standardisierten Zubereitung aus den geschälten Samen der Juckbohne auf das idiopathische Parkinson-Syndrom zu untersuchen [9]. Dabei stellte sich in Tiermodellen zur Untersuchung von Anti-Parkinson-Medikamenten heraus, dass die Wirkung des Juckbohnenpulvers auf die Parkinson-Symptomatik stärker war, als allein durch die Dosis des L-Dopamin zu erklären.

Eine Betrachtung anderer Inhaltsstoffe der Juckbohne ergab dabei, dass etwa auch Coenzym Q10 sowie NAD in signifikanter Menge enthalten sind [10] und in vitro eine deutliche antioxidative Wirkung zu beobachten ist [4]. Zusammen mit den Beobachtungen im Tiermodell ergab sich daraus die Hypothese, dass die Juckbohnensamen auch einen neurorestorativen Effekt haben. Die bei der L-Dopamin-Therapie zu beobachtenden Nebenwirkungen, insbesondere dyskinetische Symptome, treten bei der Einnahme von Juckbohnenpulver dagegen nicht auf [8]. Bislang gibt es zwar einige kleinere klinische Anwendungsbeobachtungen ([2], [7], [9]), allerdings fehlen noch große klinische Studien zur Behandlung des idiopathischen Parkinson-Syndroms mit Juckbohnenpräparaten. Eine Fallstudie zeigt jedoch, dass man auch Carbidopa und Juckbohnenpulver wirkungsvoll kombinieren kann, mithin also Juckbohnenpräparate bei entsprechend sorgfältiger Abwägung Teil einer individualisierten, modernen Therapie des M. Parkinson sein können [15].

Diese Untersuchungen und Anwendungen von Juckbohnenpräparaten beruhen jedoch hauptsächlich auf Überlegungen der modernen Medizin. Das bedeutet, Experimente ebenso wie klinische Anwendungsbeobachtungen gehen allein von modernen naturwissenschaftlichen und neurologischen Kriterien aus. Aus āyurvedischer Sicht würde man zusätzlich zu den bereits genannten Vorgehensweisen in Bezug auf Diätetik und Arzneimitteltherapie auch das sogenannte Pañcakarma-Therapieverfahren empfehlen. Denn bei dieser Erkrankung sind ja nicht nur die funktionellen Anteile des menschlichen Organismus betroffen, sondern auch Organsysteme (nämlich das Nervensystem) und Gewebe (aus āyurvedischer Sicht Nerven- und Muskelgewebe).

Um hier eine tiefgreifende Regulation des Organismus zu erreichen, ist eine individuell geplante und durchgeführte Pañcakarma-Therapie gut geeignet. Pañcakarma bezeichnet ein komplexes Therapieverfahren, welches aus ausgleichenden Behandlungen (z. B. Öl- und Wärmeanwendungen), ausleitenden Behandlungen (z. B. ein Abführtag oder auch spezielle nasale Ölinstillationen) und krankheitsbehandelnden Maßnahmen besteht (z. B. Darmeinläufe mit medizinierten Ölen und Kräuterabkochungen) [1]. Ein Pañcakarma-Therapieverfahren muss stets individuell geplant und durchgeführt werden, idealerweise in einem geeigneten stationären Setting. Zwei recht neue Publikationen weisen darauf hin, dass therapeutische Ansätze des Pañcakarma bei M. Parkinson sehr wirksam sein können: So konnten Hegelmaier et al. [5] zeigen, dass eine klassische Folge von Darmeinläufen in Verbindung mit āyurvedisch orientierter Ernährung zu einer noch ein Jahr später anhaltenden Besserung von Parkinson-Symptomen führt. Eine Besonderheit dieser kleinen Anwendungsbeobachtung ist, dass hier auch die durch die āyurvedischen Maßnahmen bewirkten Veränderungen im Mikrobiom des Darmes untersucht wurden. Eine andere kleine Untersuchung derselben Arbeitsgruppe zeigt, dass spezifische nasale Ölinstillationen nach āyurvedischen Kriterien zu einer Besserung der durch Parkinson bedingten Hyposmie führen [12].

In der āyurvedischen Systematik ist das Pañcakarma-Therapieverfahren in der Regel mit den anderen therapeutischen Ansätzen in einen Therapieprozess eingebunden. So würde man etwa prinzipiell zuerst mittels Ernährung und Lebensweise die Verdauungskraft stärken und erst dann mit der spezifischen Arzneimitteltherapie beginnen, oder man würde zuerst eine Pañcakarma-Therapie durchführen, damit die spezifischen Arzneien danach besser wirken. In einer kleinen klinischen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass selbst die Wirkung der Juckbohne auf die Parkinson-Symptomatik stärker ist, wenn die Patienten vor Einnahme ein vierwöchiges Pañcakarma-Therapieverfahren durchlaufen haben [11].

Wie diese kleinen klinischen Untersuchungen zeigen, hat der Āyurveda bei M. Parkinson vielfältige und wirksame therapeutische Möglichkeiten anzubieten. Es ist zu hoffen, dass diese in nächster Zeit genauer untersucht werden, um den leidenden Patienten wirksame, nebenwirkungsarme Therapieangebote machen zu können.

Ananda Samir Chopra
Leitender Arzt der Ayurveda-Klinik Kassel

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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