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Seit der Steinzeit (bis etwa 10.000 v. Chr.) haben tiefgreifende Veränderungen stattgefunden. Betrachten wir die Ernährung, so hat die fortschreitende Industrialisierung auch zur Entwicklung hochverarbeiteter, günstiger und leicht verfügbarer Nahrungsmittel geführt.
Das ist einerseits praktisch;– auch hinsichtlich der wachsenden Erdbevölkerung. Auf der anderen Seite begünstigt der Verzehr dieser hochverarbeiteten Lebensmittel Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, Krebs oder Herzprobleme. Grundlegende Änderungen in der Ernährung und im Lebensstil können helfen, diesem Kreislauf zu entkommen bzw. ihn gar nicht erst entstehen zu lassen.
Ganz nach der Devise Back to the Roots hat sich in den letzten Jahrzehnten die Paleo-Diät zu einer der beliebtesten Ernährungsformen entwickelt. Hierbei wird auf Fertiggerichte, Süßigkeiten & Co verzichtet. Dafür werden natürliche und unverarbeitete Lebensmittel auf die kulinarische Tagesliste gesetzt.
Doch was genau verbirgt sich hinter dem Paleo-Trend? Und ist er wirklich so gesund?
Die Paleo-Philosophie
Im Grunde gestaltet sich die Paleo-Diät relativ einfach: Essen wie unsere Vorfahren aus der Alt-Steinzeit (Paläolithikum). Diese ernährten sich hauptsächlich von Nahrung, die direkt aus der Natur stammt.
Der Gedanke der paläolithischen Diät ist in den 1970er-Jahren entstanden. Es folgten wissenschaftliche Publikationen in den 1980er-Jahren, in denen beschrieben wurde, dass unsere Gene bis heute noch nicht genügend Zeit hatten, sich an die moderne Nahrung der Landwirtschaft anzupassen: Als Beispiele werden Getreide, Zucker, Hülsenfrüchte und Milchprodukte genannt.
Auch die Veröffentlichung des Buches The Paleo Diet: Lose weight and get health by eating the foods you were designed to eat von Loren Cordain in den 2000er-Jahren heizte das Interesse der Öffentlichkeit weiter an. Heutzutage finden sich unzählige Kochbücher und Ernährungstipps mit angeblich steinzeittauglichen Rezepten. Verfechter der Paleo-Diät sind davon überzeugt, dass die aktuell häufig auftretenden gesundheitlichen Probleme wie Diabetes, Übergewicht oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen maßgeblich durch die moderne Ernährung verursacht wird.
Aktuelle Erkenntnisse
Aktuelle Erkenntnisse über die paläolithische Ernährung zeigen, dass sich unsere Vorfahren höchstwahrscheinlich von Pflanzen, Tieren, Meeresfrüchten und Insekten bzw. deren Produkten ernährt haben, die regional und saisonal zur Verfügung standen. Ganz im Gegensatz zu heute. Denn jetzt können wir zu jeder Jahreszeit alle möglichen Lebensmittel erwerben.
Neben archäologischen Funden ziehen die Wissenschaftler*innen auch aktuelle Untersuchungen bei noch lebenden Stämmen, die jagen und sammeln, heran. Generell wurden in der pflanzlichen Sparte u.a. Samen, Nüsse, Knollen, wilde Gerste und Blumen verzehrt. Vermutlich konnten die Menschen aus der Steinzeit ihre Nahrung auch durch bestimmte Steinwerkzeuge und die Nutzung des Feuers bearbeiten und kochen.
Was die Verwendung von Fleisch angeht, scheint v.a. Kleinwild als Nahrungsquelle gedient zu haben. Schätzungsweise machte der Fleischanteil damals nur einen kleinen Prozentteil der aufgenommenen Nahrung aus. Da Tiere noch nicht domestiziert wurden, waren Milchprodukte kein Nahrungsbestandteil. In den Küstenregionen wurden Schalentiere und kleine Fische gejagt und verzehrt. Interessanterweise dienten wohl auch Insekten und ihre Produkte wie Honig als Nahrungsquelle.
Inzwischen sind Insekten auch heutzutage wieder als Fleischersatz populär. Die Paleo-Ernährung beinhaltet demnach nur Lebensmittel, die vor dem Ackerbau und der Viehzucht verspeist wurden. Dazu zählen also:
- Fisch und Meeresfrüchte,
- Wildfleisch,
- Insekten,
- Eier,
- Frucht- und Knollengewächse,
- Blattgemüse,
- Nüsse und Samen.
Wie sich die paläolithische Nahrung tatsächlich zusammengesetzt hat, ist jedoch nur teilweise untersucht – zumal sie auch von unterschiedlichen regionalen und klimatischen Voraussetzungen abhängig war.
Vorteile der Paleo-Diät
Das Augenmerk der Paleo-Diät liegt auf frischen saisonalen Lebensmitteln, die abwechslungsreich in den Alltag integriert werden. Überwiegend pflanzliche Nahrung zu verzehren wird auch heute empfohlen. Die Palette reicht von bunten Salaten, bis hin zu entsprechenden Smoothies.
Mindestens 5 Portionen Gemüse und Obst täglich werden von der deutschen Gesellschaft der Ernährung (DGE) angeraten. Die Variabilität der Speisen führt in der Regel zu einer ausreichenden Nährstoffaufnahme – hier ist die Ausgewogenheit wichtig. Mageres Fleisch sollte bevorzugt werden und die von der DGE empfohlene Höchstmenge maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche eingehalten werden. Fetter Seefisch wie Lachs oder Makrele sollten auf der Speisekarte stehen, denn sie enthalten gesundheitsförderliche Omega-3-Fettsäuren. Letztere findet man auch in pflanzlichen Fetten, z.B. in Nuss-Sorten wie Wal- oder Paranüssen, sowie in hochwertigen Pflanzenölen wie Oliven- oder Leinöl.
Auch die Zufuhr von ausreichend Flüssigkeit ist wichtig. Hier bieten sich Wasser oder ungesüßter Kräutertee an.
Bei der Paleo-Diät spielt zudem die Qualität der Lebensmittel eine große Rolle – z.B. hochwertiges Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren und Bio-Lebensmittel. Statt Milch werden ggf. auch die im Trend liegenden pflanzlichen Alternativen wie Mandelmilch eingesetzt.
Die Paleo-Diät ist proteinreich und besitzt eine hohe Nährstoffdichte für die meisten Mikronährstoffe – darunter Vitamine und Mineralstoffe. Der Verzicht auf verarbeitete Lebensmittel, Alkohol, Fast Food, Süßigkeiten und Zusatzstoffe ist generell als gesundheitsförderlich zu bewerten.
Wissenschaftliche Studien
In Studien zeigten sich durch die Diät Verbesserungen des Körpergewichts der Studienteilnehmer*innen sowie der Biomarker, die mit Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und dem metabolischen Syndrom in Verbindung gebracht werden. Um die langfristigen gesundheitlichen Wirkungen der Diät zu bestimmen, sind jedoch noch längerfristige klinische Studien nötig.
In weiteren Studien zeigt sich z.B., dass, obwohl die Paleo-Diät zur Verbesserung der Darmgesundheit beworben wird, bei der langfristigen Umsetzung ein erhöhter TMAO-Spiegel beobachtet wurde. Der TMAO-Wert ist ein Biomarker zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und spielt eine wichtige Rolle im Cholesterinstoffwechsel. Hier wird diskutiert, ob verschiedene Ballaststoffe, die auch in Vollkorn vorkommen, für die Darm- sowie Herz-Kreislauf-Gesundheit womöglich essenzielle Bestandteile darstellen.
Genau an diesem Punkt setzen kritische Stimmen an.
Kritik an der Paleo-Ernährung
So wird z.B. der Verzicht auf bestimmte nährstoffreiche Lebensmittelgruppen wie Vollkornprodukte bemängelt. Weitere Kritikpunkte sind zudem das mögliche Risiko eines Mangels an Kalzium und Vitamin D, die für die Knochengesundheit wichtig sind.
Durch einen hohen Fleischkonsum werden weitaus mehr gesättigte Fette und Proteine (Richtwert 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht) aufgenommen als empfohlen. Dies erhöhe wiederum das Risiko von Nieren- und Herzerkrankungen sowie für bestimmte Krebsarten. Betrachtet man die Folgen des Fleischkonsums für die Umwelt und das Klima, so ist diese Ernährungsform – wenn der Fleischkonsum hoch ist und nicht auf regionale und saisonale Speisen gesetzt wird – belastend und keineswegs nachhaltig. Lebensmittel mit dem größten CO2-Fußabdruck sind u.a. rotes Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und Geflügel.
Die DGE gibt zudem zu bedenken, dass der komplette Verzicht auf Getreideprodukte (Ballaststoffe, B-Vitamine) und Hülsenfrüchte (hochwertiges Protein, Ballaststoffe, B-Vitamine) Nährstoffmängel verursachen kann. Auch die Annahme, dass unsere genetische Ausstattung unveränderlich sei, ist umstritten. Kritiker weisen darauf hin, dass es wahrscheinlich keine typische Steinzeiternährung gab, sondern dass der Mensch sich in puncto Ernährungsweise jeweils an seine Umgebung angepasst hat.
Vor- und Nachteile der Paleo-Diät auf einen Blick
Vorteile
- Die Paleo-Diät ist proteinreich und besitzt eine hohe Nährstoffdichte für die meisten Mikronährstoffe – darunter Vitamine und Mineralstoffe.
- Der Verzicht auf verarbeitete Lebensmittel, Alkohol, Fast Food, Süßigkeiten und Zusatzstoffe ist generell als gesundheitsförderlich zu bewerten.
Nachteile
- Verzicht auf nährstoffreiche Lebensmittelgruppen wie Vollkornprodukte
- mögliches Risiko eines Kalzium- oder Vitamin-D-Mangels (Knochengesundheit)
- hoher Fleischkonsum mit weitaus mehr gesättigten Fetten und Proteinen als empfohlen
- kompletter Verzicht auf Getreideprodukte und Hülsenfrüchte kann Nährstoffmängel verursachen (Ballaststoffe, B-Vitamine, hochwertiges Protein)
Fazit
Auch wenn einige Studien die kurzfristigen Auswirkungen der Paleo-Ernährung als gesundheitlich positiv bewerten, gibt es bisher noch keine gesicherte Studienlage vor allem auch im Hinblick auf langfristige gesundheitliche Entwicklungen.
Wichtig zu wissen ist, dass unsere Vorfahren in der Steinzeit einen komplett anderen Alltag praktizierten, als wir ihn derzeit leben. Hier spielte die tägliche Bewegung eine große Rolle. Wie viele andere Diäten, hat auch die Paleo-Diät ihre Vor- und Nachteile. Generell ist in unserer modernen Welt eine ausgewogene, nährstoffeiche und qualitativ hochwertige Ernährung mit wenig verarbeiteten Lebensmitteln zu empfehlen.
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Autorin
Johanna Zielinski ist Diplom-Ökotrophologin (Ernährungswissenschaften) und absolviert derzeit eine Weiterbildung im Bereich Psychologie. Journalistische Stationen erfolgten beim WDR sowie einem privaten Radiosender. Sie ist als Ernährungsberaterin sowie als freie Autorin und Sprecherin tätig.