AbnehmenWie kann Abnehmen gelingen?

Abnehmen ist ein Dauerthema in der ernährungsmedizinischen Praxis und wird leider oft durch Falschinformationen erschwert. Worauf kommt es an?

Inhalt
Tableau mit kleinen Gefäßen mit Lachs, Paprika, Kartoffelsalat und Dip
A. Rogge & J. Jankovic/Thieme

Abnehmen ist simple Mathematik: weniger Kalorien zu sich zu nehmen als der Körper benötigt.

Spätestens im Frühjahr fragen viele Patient*innen in meiner Praxis: Wie schaffe ich es, in kurzer Zeit abzunehmen? Was ist überhaupt möglich und wie viele Kilos im Monat kann ich generell abnehmen? Werde ich bei einer Diät satt und kann meiner Arbeit und den alltäglichen Anforderungen nachkommen? Welche Diäten gibt es? Halten Außenseiter-Diäten ihre Versprechen und bringen sie den schnellen Erfolg? Gibt es gesundheitliche Bedenken? Was ist mit Formula-Diäten oder Shakes?

Simple Mathematik

Abnehmen ist im Grunde simple Mathematik. Es gibt eine gewisse Anzahl an Kalorien, die mein Körper täglich benötigt und im Gegenzug dazu die Kalorien, die ich täglich zu mir nehme. Das sollte sich im besten Fall die Waage halten. Natürlich gibt es immer Tage, da können es mal ein paar Kalorien mehr sein. Dafür sollten es am nächsten Tag ein paar weniger sein oder ich muss sie durch vermehrte Bewegung ausgleichen.

Zur Vereinfachung nehme ich die BASAROT-Tabelle zur Hand und erkläre meinen Patient*innen genau, wie ihr aktueller Bedarf ist: Er wird bestimmt durch Geschlecht, Alter und BMI. Dieser Wert wird mit dem PAL-Faktor (der täglichen Aktivität) multipliziert und es kann einen großen Unterschied bedeuten, ob ich eine sitzende Tätigkeit habe und keinen Sport treibe oder einen aktiven Beruf mit viel Bewegung ausführe und zusätzlich Leistungssportler bin.

Hier taucht gelegentlich der Begriff „NEAT“ (Non-Excercise Actiyity Thermogenesis) auf, der die tägliche Bewegung beschreibt, die kein Sport ist. Eigentlich ganz simpel. Jede Bewegung verbraucht Energie, führt zu mehr oder den Erhalt der Muskulatur und diese benötigt Energie. Hinzu kommt, dass Muskulatur mehr Kalorien benötigt als Fettgewebe. Durch eine kräftigere Muskulatur kann ich letztendlich mehr essen. Daher wird bei Diäten immer empfohlen, sich mehr zu bewegen, auch um dem Muskelabbau entgegen zu wirken.

200 Kalorien pro Tag = 1 Kilogramm pro Monat

Eine grobe Rechnung, wie ich Gewicht verliere oder zunehme, ist:

Pro Tag 200 Kalorien mehr bedeutet, im Monat ein Kilogramm zuzunehmen und im Jahr dann 12 Kilo. 

Ein Kilo pro Monat ist den meisten natürlich zu wenig, da sie gern schneller abnehmen möchten. Daher empfiehlt es sich, eher 400 Kalorien zu reduzieren, um 2 Kilo pro Monat abzunehmen.

Wie lassen sich Kalorien reduzieren?

Ich empfehle hier, einmal ganz genau hinzuschauen, was so den ganzen Tag gegessen und getrunken wird. Dafür sind „Abnehm-Apps“ sehr gut geeignet, da die meisten Menschen gar nicht wissen, was genau in den einzelnen Lebensmitteln steckt und wie kalorienreich die Gerichte und Getränke sind, die sie täglich zu sich nehmen.

Abnehm-Apps (z.B. Yazio) sind meist kostenfrei, es gibt jedoch auch Programme, die von den Krankenkassen unterstützt werden. Mit der App kann man bei jeder Mahlzeit, jedem Getränk oder Snack rasch die Lebensmittel suchen und die Kalorien werden automatisch hinzugefügt. Nachdem ermittelt wurde, wie hoch der eigene Kalorienbedarf ist und wie viel man reduzieren möchte, kann man sein persönliches Tageslimit einstellen. So bekommt man einen guten Blick dafür, wie viel tagsüber verzehrt wurde, „was am Abend noch übrig ist“ und ob man sich noch eine Praline gönnen darf. Oft sind die Apps kombiniert mit Bewegungsmotivationen und Rezeptideen, um eine kalorienärmere Variante eines gewohnten Rezepts auszuprobieren. Das erleichtert das Kalorienzählen enorm und bietet eine gewisse Flexibilität, da früher ein Wochen-Diät-Plan erstellt wurde, der eingehalten werden musste.

Auch Weight Watchers punktet mit der Flexibilität und der freien Wahl der Rezepte und ist so erfolgreich, da die Patient*innen viele ihrer Gerichte weiterhin verzehren dürfen und nach dem Punktesystem entscheiden.

Manche Patient*innen wünschen jedoch einen speziellen Wochen-Diät-Plan. Sie finden es einfacher und angenehm, dass man verschiedene Frühstücksideen bekommt und aus einem Pool an Mittag- und Abendessen auswählen kann, um diese persönlich für eine Woche oder mehrere zusammenzustellen. Daher sind solche Diäten wie die „Brigitte Diät“ populär. Man kann sich aus einer Vielzahl von Rezepten seine eigene Diät-Woche zusammenstellen. Mit diesen „Basis-Diäten“ lassen sich 5-10% Gewichtsverlust erzielen.

Dann gibt es sog. Außenseiter-Diäten wie die Ananas-, die Kohlsuppen-, Eier- oder Krebsdiät mit meist restriktiven Ernährungsweisen. Diese bekommen ihre Anhänger dadurch, da sie versprechen, schnell Gewicht zu verlieren, da man sich nur von ganz speziellen Lebensmitteln ernährt und sich gar keine Gedanken darüber zu machen braucht, was man täglich essen soll. Ähnlich funktioniert die Atkins-Diät, indem eine große Gruppe, hier die Kohlenhydrate, stark reduziert und zu Beginn fast ausgeschlossen werden.

Machen Kohlenhydrate dick?

Noch immer kursiert die Meinung, dass Kohlenhydrate am Abend dick machen. Sie machen aber auch morgens und mittags dick, wenn wir über unser Kalorienziel hinausschießen. Es ist die Summe und nicht die Tageszeit.

Lediglich für Diabetiker*innen und für Frauen mit Gestationsdiabetes ist es wichtig, wann sie Kohlenhydrate zu sich nehmen, da der Insulinbedarf tagesabhängig schwankt und man morgens doppelt so viel Insulin für die gleiche Menge Kohlenhydrate benötige wie mittags.

Weiter gibt es Fastenkuren wie Basenfasten, Heilfasten nach Buchinger, F. X. Mayr-Kur, Schrothkur oder Suppenfasten, die zusätzlich eine Gewichtsreduktion mit sich bringen. Es finden sich eine Vielzahl an Diäten, bei denen es zu starken Einschränkungen kommt und das ist auch der Grund, warum sie nicht lange durchgehalten werden. Niemand mag dauerhaft z.B. auf Milchprodukte oder Kohlenhydrate wie Nudeln, Reis und manche Obstsorten verzichten. Für eine kurze Zeit wird eine Ananas-Diät durchgehalten, aber irgendwann nagt der Hunger.

Dass wir Hunger verspüren, ist schließlich das größte „Problem“ bei Diäten. Ein weiteres, dass wir eine Lebensmittelgruppe komplett weglassen müssen, auf die wir durchaus Appetit verspüren. Ganz abgesehen davon, dass solche Diäten ein Nährstoffdefizit mit sich bringen.

Diäten sind umso erfolgreicher, je mehr mein Hunger und Appetit gesättigt werden.

Eiweiß sättigt besser als Kohlenhydrate

In puncto Appetit und Sättigung bieten sich Reduktionsdiäten an, die einen großen Eiweißanteil haben. Eiweiß sättigt stärker und länger als Kohlenhydrate, obwohl die Kalorienanzahl gleich ist: 4 kcal pro Gramm. Fett sättigt auch gut, hat aber 9 kcal pro Gramm.

Die gute Sättigung der Eiweiße liegt am Sättigungshormon GLP-1 (Glucagon like Peptide), das aus Zellen im Dünndarm abgesondert wird. Abgespaltene Teile von Fetten und Eiweißen sind besonders wirkungsvolle Signale und somit erreicht mehr GLP-1 das Gehirn und bewirkt, dass wir uns satt fühlen.

Neuere Forschungen zeigen, dass Eiweiß stärker als Kohlenhydrate die Ausschüttung von Cholecystokinin (CCK) stimuliert. Über chemische Prozesse verlangsamt sich dadurch die Magenentleerung. Dies führt außerdem zu einem längeren Sättigungsgefühl.

Pro und Kontra Abnehm-Shakes

Aus den eben genannten Gründen setzen Abnehm-Shakes wie Almased, Slimfast oder Optifast auf einen erhöhten Eiweißanteil, damit sich die Patient*innen mit geringerer Kalorienanzahl deutlich länger satt fühlen. Die Shakes haben ca. 300 Kalorien, werden dreimal täglich verzehrt und kommen auf insgesamt nur 800-1000 pro Tag. Damit ergibt sich ein massives Kaloriendefizit, das zu dem schnellen und starken Erfolg führt (Basis-Diät mit Formula 15-26% Gewichtsverlust).

Der Nachteil dieser Drinks ist, dass sie nur in gewissen Geschmacksrichtungen angeboten werden, nur geschluckt, nicht gekaut werden. Die damit verbundene Ausschüttung von einigen Verdauungsenzymen ist reduziert und das befriedigende Mundgefühl fehlt. Daher muss regelmäßig eine sog. „Reizmahlzeit“ verzehrt werden.

Diese Formula-Diäten sind bilanziert, d.h. alle nötigen Nährstoffe sind enthalten, und sollen nicht länger als 12 Wochen durchgeführt werden. Am besten begleitet durch einen Arzt. Sie sind eiweißreich, aber fettarm und kohlenhydratreduziert.

Für manche Patient*innen eignet sich eventuell der Ersatz von nur einer Mahlzeit pro Tag durch einen Shake. Vorzugsweise eine „nicht familiäre Mahlzeit“. Den Patient*innen, zumeist Frauen, fällt es leichter tagsüber, wenn sie im Büro arbeiten und nicht mit der Familie essen, einen Shake einzunehmen, aber die Familienmahlzeiten am Morgen und am Abend „normal“ zu essen oder die Gerichte etwas fettärmer zuzubereiten.

Allein der Ersatz einer Mahlzeit durch einen Drink kann schon zu einem leichten Gewichtsverlust pro Monat führen. Statt 600 kcal pro Mittagsmahlzeit nur 300, dies würden 1,5 Kilo pro Monat Gewichtsverlust bedeuten.

Kalorien einsparen bei Getränken

Ein adäquates Mittel Gewicht zu reduzieren ist, bei den Getränken Kalorien einzusparen. Gerade die während einer Mahlzeit verzehrten Getränke „fallen nicht ins Gewicht“. D.h. wenn ich 2 Gläser Wein mit 220 kcal dazu trinke, bin ich nicht schneller satt und ich esse auch nicht 220 kcal weniger von meinem Gericht. Nein, sie kommen on top dazu.

Hier lohnt es sich zu sparen und den Cappuccino oder Wein wegzulassen. Ein weiterer Vorteil ist: Die Patient*innen haben nie das Gefühl, sie müssten darben oder es quäle sie der Hunger.

Geschmacksvielfalt und optimales Mundgefühl

Ein leicht anzuwendender Tipp ist, bei Diäten für eine ausreichende Geschmacksvielfalt und ein optimales Mundgefühl zu sorgen. Wir schmecken süß, sauer, salzig, bitter und neuerdings wird umami aufgeführt. Wenn wir darauf achten, dass wir alle Geschmackskomponenten in einer Mahlzeit vereinigen, haben wir deutlich stärker das Gefühl, unser Appetit sei befriedigt. Das kann vielleicht zusätzlich ein kleines Dessert wie ein Mini-Stück Schokolade, ein paar säuerliche Beeren oder der bittere Espresso sein.

Außerdem entscheidet unsere Mundempfindung bzw. das Mundgefühl während einer Mahlzeit über unsere Befriedigung und die Sättigung nach einem Essen. Habe ich alle Geschmackskonsistenzen wie weich, fest, flüssig, knusprig oder schmelzend vereint, fühlt sich mein Appetit gestillt. So könnten z.B. über eine kalorienarme Suppe ein paar knusprige Brotwürfel und ein paar feste Gemüsestücke gegeben werden. Darum ist eine knusprige, in der Mitte weiche Pizza mit fester Salami und schmelzendem Käse auch so lecker.

Fazit: Worauf kommt es an beim Abnehmen?

  • Abnehmen ist schlichte Mathematik. Berechnen Sie Ihren persönlichen Bedarf.
  • Verteilen Sie Ihre Kalorien auf 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten, wenn medizinisch nichts dagegen spricht. 
  • Reduzieren Sie Fette und freien Zucker (vor allem bei Getränken), erhöhen Sie die sättigende Proteinmenge.
  • Planen Sie mehr Bewegung ein.
  • Nutzen Sie die Geschmacksvielfalt und sorgen Sie für ein optimales Mundgefühl bei Ihren Diätgerichten, um nach dem Essen ausreichend satt und zufrieden zu sein, damit Sie die Diät gut durchhalten.

Zubereitungszeit: 5 Minuten

Zutaten für 1 Liter

  • 1000 ml Sprudel oder stilles Wasser
  • 1 Nektarine mit 2 Stängel Ananassalbei

Je nach Geschmack kann das Rezept variiert werden:

  • 1 Handvoll gefrorene Beeren mit 2 Stängel Melisse oder
  • ½ Salatgurke mit 2 Stängel Basilikum oder
  • ½ Bio Orange in Scheiben mit 2 Stängel Schokoladenminze

Zubereitung

Das Obst oder Gemüse waschen, klein oder in Scheiben schneiden. Die Kräuter waschen. Alles zusammen in eine Karaffe geben, mit Sprudel oder stillem Wasser auffüllen und gut durchziehen lassen.

  1. Ellrott T. Psychologie der Ernährung. Aktuelle Ernährungsmedizin 2012; 37: 155-167; Aktuelle Ernährungsmedizin 2012; 37(03): 155-167; DOI: 10.1055/s-0032-1304946
  2. Korczak D, Kister C. Wirksamkeit von Diäten zur nachhaltigen Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Adipositas. DIMDI Schriftenreihe für Health Technology Assessment 2013; https://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta345_bericht_de.pdf
  3. Larsen T, Astrup A et al. Diets with High or Low Protein Content and Glycemic Index for Weight-Loss Maintenance. New England Journal of Medicine 2010; 363: 2102-2113; DOI: 10.1056/NEJMoa1007137
  4. Vila G, Riedl M. Ein Hormon stellt sich vor "Glucagon-like Peptide 1". Journal für klinische Endokrinologie und Stoffwechsel 2010; 3: 36-37; https://www.kup.at/kup/pdf/9430.pdf

Dr. med. Daniela Oltersdorf ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Ernährungsmedizinerin und Buchautorin. Sie ist in eigener Praxis in Calw mit dem Schwerpunkt Ernährungsmedizin niedergelassen.

www.ernaehrungsmedizinoltersdorf.de

Instagram: @fraudoktor_o

Von Dr. med. Daniela Oltersdorf sind im TRIAS Verlag erschienen:   Chronische Entzündungen - Reizarm essen und  Familienküche frei von Laktose, Fructose, Histamin​​​​​​​