Unerträglicher Juckreiz durch Schmetterlingsblütler
Bei der Juckbohne (Mucuna pruriens) ist der Name Programm. Die Pflanzenhaare dieses in Südasien heimischen Schmetterlingsblütlers enthalten Mucunain. Das ist ein Protein, das bei Kontakt mit der Haut unerträglichen Juckreiz und Hautausschläge auslösen kann [1]. Die Juckbohne war deshalb Bestandteil von Juckpulvern, die nicht nur für schadenfrohe Späße, sondern auch als Heilmittel Anwendung fanden. Im frühen 19. Jahrhundert wurde Juckpulver zum Beispiel als Reizmittel bei Einbußen der Oberflächensensibilität der Haut versucht.
Die heutige Kulturform der Juckbohne enthält nur noch wenig bis kein Mucunain, was eine breitere Nutzung der Pflanze erlaubt. In den tropischen Gegenden werden ihre eiweißreichen Samen als Kraftfutter an Tiere verfüttert. Daneben findet die Juckbohne als Heilpflanze Anwendung, vor allem in der indischen Heilkunst Ayurveda.
Volksheilkundliche Anwendungen der Juckbohne
Die Ayurveda-Medizin setzt die Juckbohne vorwiegend bei Erkrankungen des Nervensystems und des Urogenitalsystems ein. Dazu zählen unter anderem Nervenschwäche, Epilepsie, Nervosität, Impotenz, Harnzwang, Sterilität und diverse Nierenleiden. Sie findet daneben auch bei Wurmerkrankungen, Durchfall, Schlangenbissen, rheumatischen Beschwerden, Muskelschmerzen, Diabetes, Regelschmerzen und Gicht Anwendung. Verwendet werden in erster Linie die Samen, seltener die Wurzeln.
Ein Teil der Indikationen erscheint nach bisheriger Studienlage plausibel: So konnten mittlerweile antidiabetische, antioxidative, aphrodisierende, anregende, antiepileptische und antimikrobielle Wirkungen in Studien nachgewiesen werden [2]. Für Aufsehen sorgte in den letzten Jahrzehnten jedoch die mögliche Wirkung der Juckbohne beim Parkinson-Syndrom.
Die Juckbohne als mögliches Heilmittel beim Parkinson-Syndrom?
Das Parkinson-Syndrom wird durch einen Mangel am Botenstoff Dopamin im Gehirn ausgelöst. Dies erschwert es Betroffenen unter anderem, ihre Muskulatur zügig zu bewegen. Die Bewegungen sind oft verlangsamt, die Muskulatur ist versteift, der Gang unsicher, und die Extremitäten beginnen, im Ruhezustand zu zittern. Zusätzlich können die Stimmung, die vegetative Steuerung von Blase, Darm oder Blutdruck sowie die kognitive Leistung eingeschränkt sein. Die wichtigste medikamentöse Therapie ist die Einnahme von L-Dopa, auch Levodopa genannt. Die Aminosäure L-Dopa wird im Gehirn zu Dopamin verstoffwechselt und kann damit den Dopaminmangel ausgleichen.
Schon vor fast 100 Jahren entdeckte man, dass auch die Samen der Juckbohne L-Dopa enthalten, und zwar nicht wenig: Der Anteil an L-Dopa kann bis zu 7 % betragen. Das Vorkommen von L-Dopa macht auch die anregende Wirkung der Juckbohne plausibel: Dopamin fördert den Antrieb, eine positive Stimmung und die Motivation.
Mittlerweile attestieren mehrere klinische Studien, dass die Wirkung der Juckbohne bei Menschen mit Parkinson vergleichbar mit der von L-Dopa-Medikamenten ist – bei deutlich weniger Nebenwirkungen. Bei der Behandlung des Parkinson-Syndrom mit synthetischem L-Dopa treten typischerweise einschränkende Nebenwirkungen auf, zum Beispiel kann die Bewegungsfreiheit stark vermindert sein. Es besteht aufgrund bisheriger Studien der Grund zur Annahme, dass die Juckbohne besser vertragen wird. In den Studien wurden lediglich gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit oder Völlegefühl nach der Einnahme der Juckbohne beobachtet [3].
Juckbohne: Heilmittel mit Haken
Die positiven Wirkungen scheinen nicht allein auf dem L-Dopa-Gehalt zu beruhen – vermutlich spielen auch die antioxidativen Wirkungen der Juckbohne eine wichtige Rolle, denn sie haben einen schützenden Effekt auf Nervenzellen [4].
Dies könnte für viele Betroffene ein Segen sein – leider gibt es einen Haken. Bis jetzt ist noch kein standardisiertes Juckbohnen-Arzneimittel auf dem Markt.
Merke: Von einer eigenmächtigen Einnahme eines Juckbohnenpulvers oder sonstiger Nahrungsergänzungsmittel mit Juckbohne ist abzuraten. Zum einen kann bei diesen die Reinheit und Identität nicht einwandfrei nachgewiesen werden, zum anderen können die in den Samen vorkommenden Indolalkaloide zu Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Unwohlsein oder starken Durst führen.
Und zum Schluss
Wie oft in der modernen Phytotherapie liegen effektive und nebenwirkungsarme Lösungen zum Greifen nah - auch bei der Juckbohne. Die bisherigen Erkenntnisse sind aussichtsreich. Die Juckbohne könnte für viele vom Parkinson-Syndrom Betroffene eine Erleichterung darstellen. Leider fehlt noch der letzte Kraftakt von Seiten der Forschung und der Pharmaindustrie, damit ein wirksames Arzneimittel auf den Markt kommt. Aufgrund der bisherigen vielversprechenden Ergebnisse bleibt zu hoffen, dass das Warten darauf am Ende belohnt wird.
- Reddy VB, Iuga AO, Shimada SG et al. Cowhage-evoked itch is mediated by a novel cysteine protease: a ligand of protease-activated receptors. J Neurosci 2008; 28(17): 4331-4335
- Lampariello LR, Cortelazzo A, Guerranti R et al. The Magic Velvet Bean of Mucuna pruriens. J Tradit Complement Med 2012; 2(4): 331-339
- Latté KP. Mucuna pruriens. Porträt einer Arzneipflanze. Zeitschrift für Phytotherapie 2008; 29(4): 199-206
- Chopra AS. Die Behandlung des M. Parkinson aus der Perspektive der Āyurveda-Medizin. Erfahrungsheilkunde 2021; 70(06): 322-327
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.
Sebastian Vigl
Heilpraktiker mit dem Therapieschwerpunkt Phytotherapie