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Bisherige Studien zeigen, dass die Anthocyane der Holunderbeeren kraftvolle Antioxidantien sind.
Eine folgenschwere Volkskrankheit
Beim Diabetes mellitus Typ 2 (im weiteren Beitrag abgekürzt Diabetes genannt) hat der Stoffwechsel von Betroffenen Schwierigkeiten, den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu anhaltend erhöhten Blutzuckerwerten, die gravierende Folgeschäden haben können. Dazu zählen Schädigungen der Augen, der Nerven, der Gefäße und der Nieren. Diese Folgeschäden sind meist auch für den Tod von Diabetes-Patienten verantwortlich. So sterben fast 80% von ihnen heute an Herz- und Gefäßerkrankungen.
Die wichtigster Maßnahme, die vor Diabetes und seinen Folgeschäden schützt, ist eine gesunde, antidiabetische Lebensweise mit viel Bewegung und abwechslungsreicher, vollwertiger Ernährung. Bei letzterem dürfen gerne auch die Beeren des Holunders (Sambucus nigra) eine Rolle spielen. Ihre Polyphenole, allen voran die Anthocyane, weisen nämlich zwei für die Diabetes-Erkrankung relevante Wirkungen auf. Rohe Holunderbeeren enthalten neben Polyphenolen noch cyanogene Glykoside wie Sambunigrin, die Magen-Darm-Beschwerden verursachen können. Wenn Du die in diesem Beitrag erwähnten Vorteile der Holunderbeeren genießen willst, solltest Du zu handelsüblichen Holundersaft greifen. Für dessen Herstellung sind die Holunderbeeren kurz höheren Temperaturen ausgesetzt, dabei zerfällt das Glykosid Sambunigrin.
Den oxidativen Stress reduzieren
Bisherige Studien zeigen, dass die Anthocyane der Holunderbeeren kraftvolle Antioxidanzien sind. Das heißt, sie können die sich im menschlichen Stoffwechsel bildenden freien Radikale abfangen und unschädlich machen. Eine hohe Belastung durch freie Radikale wird oxidativer Stress genannt. Oxidativer Stress schwächt die gesunde Aktivität von menschlichen Zellen und kann Entzündungsvorgänge beschleunigen.
Oxidativer Stress wirkt sich heutigen Erkenntnissen zufolge auch negativ auf die Entstehung und den Verlauf einer Diabetes-Erkrankung aus: Er erschwert die Regulation des Blutzuckerspiegels zusätzlich und erhöht das Risiko für Komplikationen wie Gefäßschäden. Aus diesen Gründen wird Diabetes-Patienten eine Ernährung empfohlen, die reich an Antioxidanzien ist. Teil einer antioxidativen Ernährung kann auch ein regelmäßiges Glas handelsüblicher Holunderbeerensaft sein.
Untersuchungen aus der Grundlagenforschung liefern bereits erste Hinweise, dass die Anthocyane der Holunderbeeren diabetische Gefäßschäden verzögern könnten [1].
Wirkung auf Enzyme
Neben der antioxidativen Wirkung der Holunderbeeren-Anthocyane spielt auch ihre Interaktion mit menschlichen Enzymen eine Rolle. Alpha-Glukosidase und Dipeptidylpeptidase 4 sind zwei Enzyme, die im Kohlenhydratstoffwechsel und bei der Entstehung von Diabetes eine Rolle spielen. Die Alpha-Glukosidase fördert im Darm die Aufnahme von Glukose, die Dipeptidylpeptidase 4 sorgt dafür, dass das blutzuckersenkende Hormon Insulin schneller abgebaut wird. Beim Vorliegen eines Diabetes ist die Aktivität beider Enzyme unerwünscht, da sie den Blutzuckerspiegel anheben (Alpha-Glukosidase) und den Insulinspiegel senken (Dipeptidylpeptidase 4) können. Die Hemmung beider Enzyme wird daher in der Diabetes-Therapie genutzt. Alpha-Glukosidasehemmer und Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren sind wichtige Arzneistoffe in der antidiabetischen Therapie.
Auch sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe können beide Enzyme hemmen, dazu zählen auch die Anthocyane der Holunderbeeren [2]. Epidemiologische Studien, die die Erkrankungswahrscheinlichkeit von großen Bevölkerungsgruppen auswerten, konnten zeigen, dass Menschen, die viele Anthocyane konsumieren, eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweisen, an Diabetes zu erkranken [3].
Holunderbeeren anwenden
Bisher gibt es noch keine klinischen Studien, die darüber Aufschluss geben, ab welcher Dosierung Holunderbeeren die in diesem Beitrag erwähnten Effekte haben. Aus diesem Grunde empfehle ich, dass Du Dich an die in der Erfahrungsheilkunde gängigen Dosierungen orientierst:
Wer an Diabetes bereits leidet oder ein erhöhtes Risiko für diese Erkrankung hat, der kann täglich ein kleines Glas (100 bis 200 ml) reinen Holunderbeerensaft trinken.
Kein Ersatz für ärztliche Therapie und gesunde Lebensweise
Holunderbeeren sind eine interessante Ergänzung, um Diabetes oder etwaigen Folgeschäden einer Diabetes-Erkrankung vorzubeugen. Sie sind aber kein Ersatz für eine ärztliche Therapie und antidiabetische Lebensweise mit ausreichend Bewegung und gemüsereicher Ernährungsweise.
Auch wichtig: Weder HMPC, noch Kommission E oder ESCOP empfehlen bisher die Anwendung von Holunderbeeren bei Diabetes oder zu dessen Prävention. Die Anwendung empfehle ich aufgrund der bisherigen Studienlage und den Erkenntnissen der Erfahrungsheilkunde.
Und zum Schluss ...
Holunderbeeren könnten dem heutigen Wissensstand zufolge über 2 Mechanismen die Entstehung und den Verlauf einer Diabetes-Erkrankungen positiv beeinflussen:
- Zum einen senken sie den oxidativen Stress,
- zum anderen hemmen sie Enzyme, die den Blutzuckerspiegel steigen lassen.
Diese Wirkungen der Holunderbeeren sind nicht ausreichend, um allein eine Diabetes-Erkrankung zu verhindern oder deren Folgeschäden abzuwenden. Aber sie zeigen, dass Holunderbeerensaft ein wertvoller Baustein einer antidiabetischen Lebensweise sein kann.
- Ciocoiu M, Mirón A, Mares L et al. The effects of Sambucus nigra polyphenols on oxidative stress and metabolic disorders in experimental diabetes mellitus. J Physiol. Biochem 2009; 65: 297–304
- Cásedas G, Les F, López V. Anthocyanins: Plant pigments, food ingredients or therapeutic agents for the cns? A mini-review focused on clinical trials. Curr. Pharm. Des. 2020; 26: 1790–1798
- Osman AG, Avula B, Katragunta K, Elderberry Extracts: Characterization of the Polyphenolic Chemical Composition, Quality Consistency, Safety, Adulteration, and Attenuation of Oxidative Stress- and Inflammation-Induced Health Disorders. Molecules 2023; 28(7), 3148
Wichtiger Hinweis!
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.
Sebastian Vigl
Heilpraktiker mit dem Therapieschwerpunkt Phytotherapie