Sorbus aucupariaVogelbeere - giftig oder essbar?

Bei den orangeroten Früchten der Vogelbeere denkt man unvermittelt an giftige Beeren. Aber sind sie wirklich giftig?  

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Vogelbeeren: Früchte am Zweig
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Vogelbeere (Sorbus aucuparia).

Wenn Du im August oder September beim Spaziergang im Wald auf einen Baum mit knallig orangeroten Früchten triffst, hast Du vermutlich die Vogelbeere entdeckt. Die Früchte sehen aus wie 1 cm große Äpfelchen. Doch das Orangerot hat so eine starke Signalwirkung, dass man unvermittelt an giftige Beeren denkt.  

Nur für Vögel interessant?

Bei der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) ist der Name Programm: 63 Vogelarten interessieren sich für die orangenroten Früchte. Sie sorgen über ihren Kot für die Vermehrung ihres Lieblingsbaumes, indem sie die Samen der Früchte verbreiteten. Die bei Vögeln sehr beliebten Früchte wurden im Mittelalter als Lockmittel in Vogelfallen verwendet. Dies geht auch aus dem botanischen Artnamen aucuparia hervor, was so viel wie „Vögel fangen“ bedeutet. Der Singvogelfang war damals bei den Bauern sehr beliebt, da diese in den herrschaftlichen Wäldern kein Großwild jagen durften. Bis ins 19. Jahrhundert standen gebratene Vögel deshalb auf der alltäglichen Speisekarte.

Ein anderer Volksname der Vogelbeere, Eberesche, bedeutet so viel wie „falsche Esche“, denn die gefiederten Blätter ähneln jenen der Esche (Fraxinus excelsior).

Was den Vögeln schmeckt, muss für uns nicht unbedingt gesund sein

Viele Menschen sind sich nicht sicher, ob die Früchte essbar oder giftig sind. Und auch in der Literatur findet man noch häufig einen Hinweis auf Giftigkeit. Das hat auch einen Grund: Steckt man einige der Früchte in den Mund und beginnt sie zu kauen, dann will man sie am liebsten gleich wieder ausspucken, denn sie schmecken ziemlich sauer, herb und bitter.

Schon im Mittelalter schrieb der Botaniker Hieronymus Bock (1498-1554): „Sie sind eines seltsamen unlustigen Geschmacks/ So man deren zuviel isst/ machen sie Unwillen.“ Es kann je nach gegessener Menge sogar passieren, dass es zu Magenreizungen, Durchfall oder Erbrechen führt. Der Grund für diese einer Vergiftung ähnelnden Symptome ist die in den Früchten enthaltene Parasorbinsäure, die sich durch den herben bitteren Geschmack bemerkbar macht.  Vor allem unreife Früchte enthalten relativ viel davon. Parasorbinsäure wird als sehr gering toxisch eingestuft, und man müsste schon 90 kg von den Vogelbeeren verzehren, um eine letale Dosis zu erreichen.

Merke

Auch wenn die letale Dosis wahrscheinlich durch Verzehr nicht erreicht wird, rate ich davon ab, Vogelbeeren roh zu verzehren! Das gilt insbesondere für Kinder, bei denen schon geringere Mengen Beschwerden verursachen können!

Und trotzdem sind sie essbar

Wollen wir diese unverträglichen Früchte tatsächlich essen? Es gibt eine Lösung, denn die Parasorbinsäure baut sich sowohl durch Frosteinwirkung als auch durch Erhitzen oder Trocknen nahezu komplett ab. Durch Kochen wird sie sogar in die konservierende Sorbinsäure umgewandelt. Früchte, die erhitzt wurden oder einige Wochen im Gefrierfach lagerten, können also problemlos genutzt werden. Und wie von Zauberhand verschwindet auch der unangenehme Geschmack durch die entsprechende Bearbeitung.

Die Vogelbeeren sind nach entsprechender Vorbehandlung nicht giftig und Du kannst aus ihnen köstliche Marmeladen, Gelees, Chutneys, Liköre, Desserts oder Spirituosen herstellen. Sie sind im Gegenteil sogar gesund, denn Vogelbeeren enthalten sehr viel Vitamin C (100–200 mg/100 g) und außergewöhnlich viel Beta-Carotin (2,5 mg/100 g). Es befinden sich in den kleinen Früchten zudem sehr viel Eisen (2 mg/100 g) und Mangan (1,6 mg/100 g). Und auch der Gehalt an Vitamin E und Vitamin B7 (Biotin) ist erwähnenswert.

Es lohnt sich also beim Spaziergang ein Körbchen mitzunehmen und die Beeren zu sammeln!

Eine Sorte, die sogar roh schmeckt

Wenn Du einen Garten besitzt, könnte es für Dich auch interessant sein, eine roh genießbare Vogelbeere als Obstbaum zu pflanzen. Denn es gibt eine Varietät der Eberesche, die 1810 in Nordmähren entdeckt wurde, die Mährische Eberesche oder auch Süße Eberesche (Sorbus aucuparia var. moravica). Ihre doppelt so großen Beeren schmecken kaum bitter und verfügen über einen höheren Zuckergehalt. Da sie nur eine geringe Menge Parasorbinsäure enthält, ist ein Rohgenuss direkt vom Baum möglich. Von dieser Varietät gibt es schon verschiedene Züchtungen, z.B. die Sorte „Edulis“. Interessanterweise ist auch der Vitamin C-Gehalt verglichen mit der wilden Vogelbeere höher.

Vogelbeeren waren früher sogar Medizin

Im Mittelalter nutzte man Vogelbeeren auch in der Heilkunde. Man nahm die getrockneten Früchte vor allem bei Durchfall-Erkrankungen aufgrund ihres hohen Gerbstoff- und Pektingehalts.

Die getrockneten Früchte galten früher auch als Geheimtipp mancher Sänger, weil sie angeblich Heiserkeit beseitigen und die Stimmbänder geschmeidig halten sollen. Laut Kräuterpfarrer Künzle (1857-1945) besitzen die Vogelbeeren „eine unvergleichliche Heilkraft bei Heiserkeit und gänzlichem Fehlen der Stimme, da sie den zähen Schleim von den Stimmbändern loslösen“. Sie wurden für diesen Zweck 1 Stunde lang geköchelt und dann zum Gurgeln verwendet.

Außerdem nahm man die Vitamin C- reichen Früchte zur Vermeidung von Skorbut, einer im Mittelalter noch häufigen Vitamin-C-Mangelerkrankung.

Rezept für Vogelbeer-Apfel-Marmelade

Zutaten
  • 500 g Vogelbeeren 
  • 500 g Äpfel oder Birnen
  • 400 ml Apfelsaft
  • 1 Vanilleschote
  • Saft einer Bio-Zitrone
  • 600-700 g Gelierzucker 2:1
Zubereitung

Die frisch gesammelten Vogelbeeren vor der Verarbeitung 3-4 Wochen in der Gefriertruhe lagern. Je länger sie dort liegen, desto besser wird der Geschmack und umso mehr von der Parasorbinsäure wird abgebaut!

Vogelbeeren, kleingeschnittene Äpfel oder Birnen und aufgeschnittene Vanilleschote zusammen mit Apfelsaft und Zitronensaft ca. 15 Minuten bei kleiner Hitze weichkochen und anschließend durch ein Sieb geben. Den Früchtebrei anschließend wiegen und mit der halben Menge Gelierzucker mischen. Aufkochen und nach 4 Minuten Kochzeit in vorbereitete Gläser abfüllen.

Die Marmelade schmeckt lecker auf einem Butterbrot, sie passt aber auch sehr gut zu Wild, aromatischem Käse oder gebackenem Camembert.

Und zum Schluss ...

Die Früchte der Vogelbeere sind nicht nur für Vögel interessant. Richtig verarbeitet sind sie weder giftig noch ungenießbar, sondern schmecken sehr lecker und sind gesund. Vom Rohgenuss direkt vom Baum ist jedoch abzuraten.

Wichtiger Hinweis!

Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in diesem Beitrag medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch eine Ärztin, einen Arzt oder eine/einen Apothekerin nicht ersetzen können. Jede/Jeder Nutzende ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren und Autorinnen und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.

Für die meisten Heilpflanzen fehlen Studien zu Unbedenklichkeit bei der Anwendung in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, sowie bei Säuglingen, (Klein-)Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Alle beschriebenen Anwendungen sollten daher, sofern nicht ausdrücklich im Beitrag anders beschrieben, bei diesen Personen und in diesen Lebensphasen nicht ohne ärztliche Zustimmung angewendet werden.

Wildkräuter- und Heilpflanzenexperte 

Erfahren Sie mehr über den Autor 

  1. Beiser R. Geheimnisse der Hecken. Stuttgart: Ulmer; 2019
  2. Beiser R. Wildfrüchte. Stuttgart: Trias; 2018