Baustelle Magen-Darm!
Die Verdauung ist ein komplexer Vorgang. Wenn sie dauerhaft nicht richtig funktioniert, kann es zu erschiedenen Ekrankungen im Magen-Darm-Bereich kommen. Nach Schätzungen leiden sieben von zehn Menschen in Deutschland unter Verdauungsproblemen, die je nach Schwere der Symptome die Lebensqualität deutlich verschlechtern können.
Aufgrund der Häufigkeit von Magen- und Darmerkrankungen werden die entsprechenden Beschwerden leider oftmals als normal abgetan, ohne zu bedenken, dass unser Verdauungssystem ursprünglich autark und reibungslos funktioniert. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade Erkrankungen des Darms für manche Menschen schambehaftet sind, so dass sie erst bei einem sehr hohen Leidensdruck einen Arzt oder eine Therapeutin aufsuchen.
Erprobte Therapie: Physiotherapie
Beim Reizdarmsyndrom zum Physiotherapeuten? Oh ja, physikalische Maßnahmen wie eine Kolonmassage oder das Dehnen der Muskeln im Bauchraum wirken sich durchaus positiv auf den Darm aus.
Kolonmassage
Schon bei Babys wird bei Blähungen und Koliken gern eine Massage rund um den Bauchnabel empfohlen. Die inneren Organe sind mit dem vegetativen Nervensystem verbunden, sodass der äußere Reiz einer Massage für eine Harmonisierung des Tonus (Spannungszustand der glatten Muskulatur) und der Peristaltik (wellenartige Bewegungen) des Darms sorgt.
Besonders beim Reizdarmsyndrom profitieren Betroffene von einer solchen Kolonmassage, bei der fünf Punkte rund um den Bauchnabel, entsprechend dem Darmverlauf, aktiviert werden. Massiert wird
im Uhrzeigersinn und im Atemrhythmus des Patienten oder der Patientin. Aber auch bei hartnäckiger Verstopfung hat sich diese Art der Darmstimulation bewährt, um die Entleerung zu erleichtern.
Eine professionelle Kolonmassage wird in einer physiotherapeutischen Praxis durchgeführt. Allerdings eignet sich diese Art, den Spannungszustand im Darm zu lindern, auch für die Selbstbehandlung.
Kolon-Selbstmassage
Stimulieren Sie alle fünf Punkte mit zwei Fingern in Kreisbewegungen ungefähr zwei bis vier Minuten lang. Beginnen Sie mit dem Punkt rechts unten mit abwechselnder Druckstärke. Bei der Einatmung sollten Sie aufwärts, bei der Ausatmung abwärts massieren. Der Druck darf nie schmerzhaft sein.
Für Schwangere oder Menschen mit akuten entzündlichen Schüben im Bauchbereich, Divertikulose oder Darmverschluss ist diese Art der Selbstbehandlung nicht geeignet. Sie können die Kolonmassage sehr gut mit ätherischen Ölen kombinierten. Mischen Sie dazu einen Esslöffel (5–10 ml) Massageöl wie fraktioniertes Kokosöl, Mandelöl oder Aprikosenkernöl mit zwei Tropfen Pfefferminze, Kamille oder Fenchel, wärmen Sie es durch das Reiben der Hände leicht an und tragen Sie es auf den Bauch um den Nabel herum auf.
Dehnen der Muskeln
Verursacht nicht nur der Magen oder der Darm Probleme, sondern auch der Rücken, kann ein gezieltes Dehnen der Muskulatur im Bauchraum hilfreich sein. Die Verspannungen der Rumpfmuskulatur
können sich auf die den Darm umgebenden Muskeln übertragen und so die Peristaltik, die Bewegung des Darms, negativ beeinflussen. Auch hier kann die Physiotherapeutin helfen oder Sie dehnen den Rumpf zu Hause. Diese Übungen eignen sich hervorragend als Start und/oder Abschluss des Tages.
Dehnübungen für die Körpermitte
- Strecken Sie im Stand den Arm langsam seitlich über den Kopf. Dehnen Sie dabei den Oberkörper über die Taille seitlich. Wechseln Sie dann die Seite.
- Strecken Sie in Rückenlage die Beine und die Arme (über den Kopf) aus und atmen Sie tief in den Bauch.
- Ziehen Sie in Rückenlage die Knie an die Brust und umfassen Sie sie mit den Händen. Bleiben Sie kurz so und legen Sie dann die Arme und die Beine langsam gestreckt ab.
Die häufigsten Darmerkrankungen
Der Darm ist ein langes, rohrförmiges Organ, das sich im gesamten Bauchraum befindet und in zwei Hauptabschnitte unterteilt werden kann: den Dünndarm und den Dickdarm.
Verstopfung
Die Verstopfung (Obstipation) zählt zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten und ist gekennzeichnet durch ein zu langes Verweilen des Stuhls im Darm. Das führt zu einem sehr harten Stuhl, der häufig Probleme beim Absetzen macht. Auch ist das Stuhlvolumen oftmals viel zu gering. In der Folge kann es bei Betroffenen zu Analfissuren (kleine schmerzhafte oder brennende Risse oder Spalten in der Schleimhaut des Analkanals) oder Beschwerden durch Hämorrhoiden kommen. Hämorrhoiden sind geschwollene Venen im Bereich des Anus und des unteren Rektums.
Jeder Mensch hat Hämorrhoiden, da sie Teil der normalen Anatomie des Analkanals sind und dazu beitragen, den Stuhlgang zu kontrollieren. Durch starkes Pressen beim Stuhlgang können die Hämorrhoiden jedoch anschwellen oder sich entzünden, was zu Juckreiz, Schmerzen oder Blutungen führen kann. Ursachen sind häufig eine ballaststoffarme Ernährung, eine zu geringe Trinkmenge, Bewegungsmangel oder aber auch die Einnahme bestimmter Medikamente wie starker Schmerzmittel (Opioide), entwässernder Mittel oder auch von Schlaf- und Beruhigungsmitteln.
Durchfall
Durchfall (Diarrhoe) ist ein Symptom und keine Erkrankung. Man spricht von Diarrhoe bei einer häufigen Entleerung, mehr als drei Mal pro Tag mit einem ungeformten, flüssigen Stuhl, dessen Gewicht über 250 g liegt. Die Dauer der Darmpassage ist verringert, sodass der Darm das Wasser aus dem Stuhl nicht ausreichend zurückgewinnen kann. Oder aber es strömt zu viel Wasser in den Darm ein, das dann den Stuhl verflüssigt.
Durchfall tritt oftmals als Folge einer Infektion mit Bakterien, Viren oder Parasiten auf, weil der Körper mit der schnelleren Darmpassage versucht, die Erreger möglichst schnell wieder loszuwerden. Auch bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist Durchfall ein häufiges Symptom, ebenso beim Reizdarmsyndrom und bei Stress. Weitere Ursachen für Diarrhoe können chronisch-entzündliche Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sein, im schlimmsten Fall kann es sich auch um Darmkrebs handeln.
Reizdarm
Das Reizdarmsyndrom bezeichnet keine spezielle Erkrankung, sondern es ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, für die Ärzte und Ärztinnen mit ihren diagnostischen Möglichkeiten keine organische Ursache finden können. Die Betroffenen klagen über Blähungen, Krämpfe, Schmerzen, Verstopfung, Durchfall oder beides im Wechsel. Der Leidensdruck ist besonders hoch, weil das soziale Leben unter den zum Teil sehr schweren Symptomen nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Leaky-Gut-Syndrom
Beim Leaky-Gut-Syndrom, auch als erhöhte Darmpermeabilität oder löchriger Darm bekannt, ist die Darmwand durchlässiger ist als normal. Normalerweise besteht die Darmwand aus eng verbundenen Zellen, die eine Barriere bilden und die Aufnahme von Nährstoffen ermöglichen, während sie gleichzeitig das Eindringen von unerwünschten Substanzen wie Toxinen, Bakterien und unverdauten Nahrungsmitteln auf die blutständige Seite verhindern. Beim Leaky-Gut-Syndrom werden diese Zellverbindungen lockerer oder beschädigt, was dazu führt, dass unerwünschte Substanzen leichter in den Blutkreislauf gelangen können.
Dadurch können stille Entzündungen (Silent inflammations) im Körper ausgelöst werden, weil das Immunsystem auf diese eindringenden Substanzen reagiert. Als Ursachen für die erhöhte Darmpermeabilität kommen Stress, ein ungesunder Lebensstil, die Einnahme bestimmter Medikamente und Umweltgifte in Frage.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Hierbei handelt es sich um eine chronische Entzündung des Darms. Je nach Abschnitt, der entzündet ist, unterscheidet man Colitis ulcerosa, bei der sich die Entzündung eher vom Mastdarm nach oben in den Dickdarm ausbreitet, vom Morbus Crohn, bei dem der ganze Verdauungstrakt betroffen sein kann. Die Symptome sind sich sehr ähnlich, zum Beispiel blutige Durchfälle, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust und Fieber. Allerdings können beim Morbus Crohn noch Gelenkschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten.
Zöliakie
Bei dieser Erkrankung löst der Verzehr von Gluten, dem Klebeeiweiß bestimmter Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste, eine Immunreaktion aus, die zu Entzündungen der Darmschleimhaut und in Folge zur Degeneration der Darmzotten führt. Nährstoffe werden nicht mehr richtig aufgenommen, es kommt zu elementaren Defiziten im Stoffwechsel. Bemerkbar macht sich das durch Gewichtsverlust, Bauchschmerzen, Krämpfe, Durchfall, Blähungen, Blutarmut, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Depressionen und Hautausschlag.
Als Therapie hilft bisher nur eine glutenfreie Ernährung, um weitreichende Folgen wie Osteoporose und neurologische Störungen bis hin zu bestimmten Krebserkrankungen möglichst auszuschließen.
Divertikel/Divertikulitis
Bilden sich an bestimmten Stellen an der Darmschleimhaut kleine sackförmige Ausstülpungen oder Ausbuchtungen, spricht man von Divertikeln. Sie allein verursachen keine Symptome, sondern
erst, wenn sie sich infizieren oder entzünden. Die sich dann entwickelnde Divertikulitis äußert sich durch Bauchschmerzen, oft im linken Unterbauch, Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Veränderungen des Stuhlgangs.
Antibiotika, Schmerzmittel und eine spezielle Diät schaffen Abhilfe. Bei wiederkehrender Divertikulitis kann eine Operation zur Entfernung des entsprechenden Darmabschnittes angezeigt sein. Um bei bestehenden Divertikeln einer Entzündung vorzubeugen, hat sich eine ballaststoffreiche Ernährung mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr bewährt.
Nervöser Magen, Sodbrennen, Reizdarm oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen – die Erkrankungen des Verdauungssystems sind ebenso vielfältig wie die natürlichen Behandlungsmöglichkeiten. Apothekerin und Darmexpertin Ann-Katrin Kossendey-Koch zeigt in Ihrem Buch "Naturheilpraxis: Erkrankungen von Magen und Darm", wie hilfreich die ganzheitliche Naturmedizin bei Magen- und Darmproblemen ist und was Sie selbst bei Beschwerden unternehmen können.
Autorin
Ann-Katrin Kossendey-Koch ist eine erfahrene Apothekerin und Darmexpertin, die sich seit mehr als 15 Jahren auf ganzheitliche Gesundheit spezialisiert hat. Sie hat zahlreiche Menschen mit chronischen Darmerkrankungen erfolgreich begleitet und dabei bewusst eine Brücke zwischen schulmedizinischen Ansätzen und naturheilkundlichen Methoden geschlagen. Ihre Vision besteht darin, so viele Menschen wie möglich auf ihrem individuellen Weg zu ganzheitlicher Gesundheit zu unterstützen. Ihr Fokus liegt darauf, Menschen in ihre Eigenverantwortung zu führen, denn sie glaubt fest daran, dass Gesundheit keine Fügung ist, sondern eine bewusste Entscheidung.