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Die Symptome von Parkinson lassen sich behandeln.
Obwohl bereits im Jahre 1817 die Symptome und Beschwerden einer Parkinson-Krankheit detailliert vom Londoner Arzt James Parkinson beschrieben worden sind, hat sich doch vieles über unser Wissen zur Parkinson-Krankheit in den letzten 10 bis 20 Jahren verändert. Die Parkinson-Krankheit ist nicht selten, sondern tritt gerade auch bei älteren Menschen auf, häufig ab dem Alter von 60–65 Jahren. Sie kann aber bereits auch bei jüngeren Menschen zwischen 30 und 50 Jahren beginnen. In Deutschland sind über 400.000 Menschen von der Parkinson-Krankheit betroffen. Die Prävalenz der Erkrankung, also die Krankheitshäufigkeit, beträgt bei den über 70-Jährigen 1:200. Das Lebenszeit-Risiko, an Parkinson zu erkranken, liegt für Männer bei 2,0 % und für Frauen bei 1,3 %.
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung
Die Parkinson-Krankheit gehört zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Dies bedeutet, dass durch einen noch unbekannten Auslöser und bedingt durch ein Zusammenspiel von vererblichen und anderen Faktoren, es zwar langsam, aber doch stetig zu einem vorzeitigen Verlust von spezifischen Nervenzellen im Gehirn kommt. Das Fehlen dieser spezifischen Nervenzellen führt zu den Beschwerden der Erkrankung. Möglicherweise geht dieser Prozess von Stoffwechselvorgängen im Darm aus und wandert dann nach »oben« ins Gehirn. Möglich ist aber auch der umgekehrte Weg, dass über die Riechschleimhaut der Nase die Erkrankung ins Gehirn wandert und startet. Es werden Nervenzellen befallen, die den Nervenüberträgerstoff (Neurotransmitter) Dopamin, der für jeden Menschen lebenswichtig ist, produzieren.
Dieser Prozess beginnt sehr langsam und in den letzten Jahren hat man viele Erkenntnisse zu den Frühsymptomen der Erkrankung (S. 17) gewonnen, bevor die Diagnose einer Parkinson-Krankheit mit dem Vollbild der Beschwerden gestellt wird. Diese Diagnose ist weiterhin vor allem an den Bewegungseinschränkungen orientiert und beinhaltet die Unbeweglichkeit (Akinese, Bradykinese), Steifigkeit (Rigor) und das Zittern (Tremor), das aber nicht bei jedem Menschen mit Parkinson vorhanden sein muss. Hinzu kommt im Verlauf eine Verminderung der Standstabilität, und es sollte eine Verbesserung der Symptome durch die Gabe eines dopaminhaltigen Medikamentes dokumentiert sein. Viele weitere Beschwerden können bereits sehr früh oder im Verlauf auftreten.
Parkinson ist behandelbar
Die Parkinson-Krankheit ist behandelbar, d. h., die Symptome der Erkrankung können gelindert werden. Die Erkrankungsursachen und ihr Verlauf können bisher jedoch nicht beeinflusst werden. Obwohl die Forschung in den letzten 20 Jahren zahlreiche neue Erkenntnisse über den Verlauf der Erkrankung und pathophysiologische, also krankheitsverursachende Zusammenhänge gewonnen hat, ist es bisher noch
nicht gelungen, ein Medikament zu entwickeln, das im Verlauf der Parkinson-Krankheit eine Veränderung bewirkt. Die derzeitigen Medikamente , insbesondere die dopaminhaltigen Präparate, führen vor allem zu einer Verbesserung der Beweglichkeit, teilweise auch der Stimmung und anderer Bereiche. Viele Beschwerden, die durch Parkinson hervorgerufen werden, sind aber leider noch ausgeklammert: So können die Standstabilität und Stürze sowie die Haltungsstörungen und eine mögliche Demenz nicht ausreichend behandelt werden.
Was das Parkinson-Risiko erhöht und was es senkt
Eine kürzlich durchgeführte Zusammenfassung bekannter Studien zeigte, dass Verstopfung (Obstipation) als ein Prodromalmerkmal der Parkinson-Krankheit und körperliche Aktivität die einzigen Faktoren waren, die einen deutlichen Zusammenhang mit dem Parkinson-Risiko erbrachten: Verstopfung ein höheres Risiko, mehr Bewegung als der Durchschnitt ein niedrigeres Risiko.
RAUCHEN/NIKOTIN: Es zeigen sich beeinflussbare Risikofaktoren, die in einer größeren Studienanalyse (Metaanalyse) zusammengefasst wurden. Die deutlichste Assoziation, die schon seit vielen Jahren bekannt ist, besteht aus einem verringerten Parkinson-Risiko, falls man Raucher ist. Auch genetische Varianten, die ein höheres Risiko, ein Raucher zu werden, beinhalten, werden mit einem geringeren Risiko für die Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Allerdings gilt das nicht umgekehrt: Die Anwendung von Nikotin, z. B. als Nikotinpflaster, behandelt oder verbessert in keiner Weise die Parkinson-Krankheit. In einer großen Studie konnte dies nachgewiesen werden und sogar gezeigt werden, dass die Patient*innen mit Nikotinpflaster-Behandlung (S. 62) schwerere Ausprägungen von Parkinson aufweisen, als wenn sie nicht mit Nikotinpflaster behandelt würden.
KAFFEE- UND TEETRINKEN wird ebenfalls mit einem geringeren Parkinson-Risiko in Verbindung gebracht, insbesondere bei Männern. Hier scheint nicht nur das Koffein, sondern scheinen auch die Verarbeitung des Röstverfahrens des Kaffees und die Abbauprodukte des Koffeins eine Rolle zu spielen, denn Koffeintabletten (S. 62) erfüllen nicht denselben Zweck. Dabei ist die Menge von einigen Tassen Kaffee pro Tag ebenfalls entscheidend. Beim Tee sind Substanzen im grünen Tee entscheidend, ohne dass hier genaue Angaben gemacht werden können, da sehr viele verschiedene Sorten von grünem Tee auf dem Markt sind.
EIN VERMEHRTER KONSUM VON MILCHPRODUKTEN wird mit einem höheren Risiko für die Parkinson-Krankheit bewertet, und die Empfehlung lautet, insbesondere die Menge an Milch zu reduzieren.
EINE ERNÄHRUNG mit einem hohen Anteil an Gemüse, Obst und Getreide ist wohl mit einem geringeren Risiko für Parkinson assoziiert, obwohl diese Ernährungsstudien sehr schwierig zu kontrollieren sind.
ENTZÜNDUNGSHEMMUNG: Interessanterweise wird auch die Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten mit einem geringeren Risiko für die Entwicklung einer Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass auch eine chronische Entzündungsaktivität bei Menschen mit Parkinson-Krankheit vorhanden und an der Krankheitsentstehung beteiligt ist und hier ein Zusammenhang zum Diabetes besteht. Sowohl bei den sporadischen als auch bei den genetischen Parkinson-Formen spielen Entzündungen eine Rolle. Es wird angenommen, dass Entzündungen zur Krankheitsentstehung (Pathogenese) der Parkinson-Krankheit einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie zur Verklumpung (Aggregation) des α-Synucleins führen.
KÖRPERLICHE AKTIVITÄT UND BEWEGUNG sind die einzigen deutlichen Faktoren, die das Risiko, an Parkinson zu erkranken, bisher senken.
Wichtig ist noch, dass eine Kombination dieser Faktoren additiv günstig wirkt, und damit sich sehr ähnlich auswirkt wie die Strategien der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die ebenfalls ausreichende Bewegung und Ernährung empfehlen.
Umweltgifte erhöhen das Parkinson-Risiko
Die Exposition gegenüber Umweltgiften, einschließlich Pestiziden, Lösungsmitteln und Luftverschmutzung, wird mit einem höheren Parkinson-Risiko in Verbindung gebracht. Das Verhindern der Aufnahme von Pestiziden und Umweltgiften stellt somit eine Primärprophylaxe oder Prävention dar. Genetisch bedingte Beeinträchtigungen im Umgang mit Giftstoffen können das Risiko einer Parkinson-Krankheit erhöhen, falls diejenige Person mit einem Giftstoff chronisch in Kontakt kommt. Dabei können die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung und eine gesunde Ernährung das Risiko bei diesen Personen auch senken. Chlorierte Lösungsmittel (z. B. Trichlorethylen, Perchlorethylen und Tetrachlorkohlenstoff) werden ebenfalls mit einem erhöhten Parkinson-Risiko beim Menschen in Verbindung gebracht. In den USA kann beispielsweise Trichlorethylen im Boden, in der Luft, in Lebensmitteln, in der Muttermilch und in fast einem Drittel der Trinkwasservorräte nachgewiesen werden.
Mit Bewegung vorbeugen
Verschiedene Beobachtungen haben auf das hohe Potenzial von Bewegung und Training sowie Sport auf den Verlauf der Parkinson-Krankheit hingewiesen. Es zeigte sich an tierexperimentellen Studien bereits, dass Bewegung eine vermehrte und angepasste Neuroplastizität (flexible Gestaltung neuer Verbindungen) in den Schaltkreisen der Basalganglien des Gehirns auslöst. Es wird aber auch eine Prävention durch Bewegung gefordert und durch Studien untermauert, was auf ein krankheitsmodifizierendes Potenzial hindeutet. Darüber hinaus ist Bewegung eine praktikable Maßnahme, da das Risiko von Nebenwirkungen minimal ist. Neuere Ansätze zur Bewegungstherapie zeigen, dass spielerische Momente und der Spaß an der Bewegung zu einer höheren Motivation führen, damit man lange am Ball bleibt, also eine angemessene Langzeit-Compliance erreicht wird.
Regelmäßige Bewegungsprogramme sind das Ziel, um Parkinson vorzubeugen und damit eine primäre Prävention zu betreiben, falls bereits Risikofaktoren bestehen, auch eine sekundäre Prävention einzuleiten. Wichtig ist es jedoch, eine dauerhafte Adhärenz von einer Bewegungstherapie über mehrere Jahre hinweg nachzuweisen. Bei der Durchführung von Bewegungsübungen für Teilnehmer*innen im Prodromalstadium, also der Sekundärprävention, ist es besonders wichtig, dass sich messbare Ergebnisse nicht darauf beschränken, wann eine manifeste Parkinson-Krankheit dann wirklich diagnostiziert worden ist (was viele Jahre dauern kann), sondern auch messbare Zwischenergebnisse wie körperliche Fitness oder nicht-motorische Prodromalsymptome berücksichtigt. Hier ist es erforderlich, ähnlich wie beim kardiovaskulären Training, mindestens 3-mal in der Woche und ausreichend anstrengende Übungen zu absolvieren. Alles in allem sollte man Bewegung als krankheitsmodifizierende Behandlung bei prodromaler Parkinson-Erkrankung befürworten, d.h., wenn bereits nicht-motorische Symptome einer möglichen Parkinson-Krankheit vorliegen.
In den letzten Jahren haben sich die Therapien von Parkinson enorm weiterentwickelt. Prof. Claudia Trenkwalder stellt sie Ihnen in ihrem Buch "Expertenwissen: Parkinson" vor. Als eine der führenden Parkinson-Expertinnen in Deutschland ist sie ganz nah dran an den Betroffenen. Und erklärt diese komplexe Erkrankung und zeigt die neuesten Forschungsergebnisse und Therapiemöglichkeiten auf – von altbewährt bis hochmodern.
Autorin
Die Neurologin Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder war langjährige Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel. Seit 2022 leitet sie dort das Paracelsus-Kompetenznetz für Parkinson und Bewegungsstörungen und ist in einer neurologischen Praxis in München-Gräfelfing tätig. Sie ist mehrfach ausgezeichnet als Focus Top-Medizinerin in den Bereichen Parkinson und Schlafmedizin. Sie hat diverse auch internationale Vereinigungen mitbegründet und geleitet, sie war unter anderem von 2011 bis 2013 Präsidentin der World Association of Sleep Medicine (WASM, heute: Worldsleep) und von 2019 bis 2021 Präsidentin der International Parkinson and Movement Disorder Society (MDS) und ist Fellow der European Academy of Neurology (FEAN). Sie forscht und arbeitet zudem zur Parkinson-Frühdiagnose, dem Restless-Legs-Syndrom und weiteren Bewegungsstörungen im Schlaf.