
Ein steifes Gelenk beeinflusst unser ganzes Sein und unser Umfeld. Diese wiederum wirken sich auf unser Erleben des Gesundheitsproblems aus.
von Jochen Schomacher
Bewegungseinschränkungen
Es gibt verschiedene Formen von Bewegungseinschränkungen und ganz unterschiedliche Ursachen dafür.
Funktionelle Einschränkungen der Beweglichkeit entstehen durch Kälte und Ruhe. Sie werden durch Aufwärmen und Aktivität besser. Strukturelle Bewegungseinschränkungen sind durch eine Verkürzung der Haut, der Muskeln, der Gelenkkapseln oder anderer Strukturen verursacht. Sie erfordern ein spezifisches Verlängern der verkürzten Struktur bzw. ein Beseitigen der Ursache. Schränkt hingegen Schmerz die Bewegung ein, müssen Sie natürlich diesen Schmerz mindern.
Verlust an Beweglichkeit
Der Verlust an Beweglichkeit ist keine typische Folge des Alterns, sondern der mangelnden Bewegung. Dies kennen wir von der Ruhigstellung eines Gelenkes im Gips. Bewegungsmangel entsteht auch als Folge von Krankheiten oder durch Inaktivität. Meist bemerken wir den schleichenden Beginn der Gelenksteife nicht, weil wir ihn erfolgreich kompensieren. Diese Kompensation verursacht oft Beschwerden in Nachbargelenken und eine Funktionsminderung wie das Verlangsamen der Gehgeschwindigkeit. Mehrere Strukturen wie Muskeln und Hautnarben können eine Bewegung einschränken. Ist der Grund eine verkürzte Gelenkkapsel, entsteht eine Gelenkkontraktur.
Wesentliche Ursachen einer Gelenkkontraktur:
- Ruhigstellung beispielsweise nach Verletzung oder Operation
- Inaktivität, also mangelndes Nutzen des ganzen Bewegungsausmaßes aufgrund von Schmerz, Erkrankung oder Bequemlichkeit
- bestimmte Erkrankungen wie die Schultersteife ("frozen shoulder")
Folgen von Inaktivität: Bewegen Sie sich nicht oder zu wenig, hat das Auswirkungen auf Ihren gesamten Körper.
Merke
Knorpeldegeneration und Kapselverkürzung sind die zwei größten Folgen der Gelenkimmobilisation. Auch Muskeln und viele Organsysteme bilden sich zurück. Um all diese Verluste wiederherzustellen, braucht es wohldosierte Bewegungen sowie viel Zeit und Geduld. Muskeln brauchen Training und der Gelenkknorpel langsam ansteigende Belastung. Eingeschränkte Gelenke müssen wir durch das gesamte Gelenkausmaß bewegen und manchmal mit (Selbst-)Mobilisation und Lagerung behandeln.
Jede strukturelle Bewegungseinschränkung hat auch funktionelle Anteile. Daher ist es immer sinnvoll, die Lagerungstherapie mit der Selbstmobilisation und dem wiederholten Bewegen zu kombinieren.
Das Wichtigste zu Selbstmobilisation und Lagerung:
- Selbstmobilisation und Lagerung sind zwei Techniken einer komplexen Behandlungsstrategie.
- Mobilisieren und lagern Sie Ihr steifes Gelenk möglichst täglich.
- Lagern Sie Ihr steifes Gelenk am submaximalen Bewegungsende – je länger desto besser.
- Bewegen Sie nach der Selbstmobilisation und Lagerung aktiv, als gezielte Übung und im Alltag. Nur so lernt Ihr Nervensystem, die gewonnene Beweglichkeit sinnvoll zu nutzen.
- Kontrollieren Sie ab und zu das Bewegungsausmaß in Ihren Schwachpunkten, um einen beginnenden Verlust so rasch wie möglich zu erkennen.
- Lassen Sie sich von einem Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin beraten, wenn Fortschritte ausbleiben und wenn auch Muskeln und andere Organsysteme durch den Bewegungsmangel geschwächt sind.
Gelenke wieder schmerzfrei bewegen
Übungen
Wichtig
Lindern Sie den Gelenkschmerz, mobilisieren und lagern Sie Ihr steifes Gelenk. Mit Geduld, wenig Kraft und ohne Schmerzen erreichen Sie Ihr Ziel! Die Übungen sollten niemals schmerzhaft sein. Wenden Sie keine Gewalt an.
Ergänzende Übungen zur besseren Hüftstreckung
Lagerung: Begeben Sie sich in den Kavalierstand und knien Sie auf dem betroffenen Bein. Halten Sie sich mit der Hand der anderen Seite an einem Stuhl oder Ähnlichem fest. So ist Ihre Muskelspannung geringer, auch wenn Sie freihändig knien könnten. Schieben Sie nun die Leiste auf der zu behandelnden Seite und das gegenseitige Knie im Raum nach vorn, bis Sie die submaximale Hüftstreckung erreicht haben. ➊ Die maximale Hüftbeugung auf der Gegenseite bremst ein Weiterlaufen der Hüftstreckung in die untere Wirbelsäule.
Varianten:
- Setzen Sie sich mit einer Gesäßhälfte auf einen Stuhl und lassen Sie den Oberschenkel herabhängen, ohne das Knie auf den Boden zu stützen. Schieben Sie nun das zu behandelnde Bein nach hinten. ➋
- Stellen Sie im Stehen das Bein etwas zurück und kippen Sie das Becken maximal nach hinten. ➌ Wenn Sie dabei Ihr Bein über 20° im Raum nach hinten strecken können, geschieht zu viel Bewegung im unteren Rücken. In diesem Fall unterlassen Sie bitte diese Variante bzw. lassen Sie sich dabei von einer Fachperson korrigieren.
In der Lagerung und den beiden Varianten können Sie zusätzlich den großen Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus) anspannen. Er bildet die Pobacke und streckt das Hüftgelenk. Legen Sie dabei Ihre Hand auf das Gesäß und spüren Sie die Muskelkontraktion.
Hinweis: Wenn Sie bei dieser Lagerung inklusive der Varianten die Leiste noch etwas mehr nach vorn schieben, können Sie eine ziehende Spannung vorn in der Leiste spüren. Diese kann vom Verlängern der Gelenkkapsel und/oder des Hüftbeugemuskels Iliopsoas kommen und ist positiv.
Wiederholtes Bewegen: Legen Sie sich vor einem Tisch stehend mit dem Rumpf auf den Tisch. Ihr Becken sollte mit den beiden vorne tastbaren Knochenvorsprüngen (Darmbeinstacheln - Spinae iliacae anteriores superiores) auf der mit einem Handtuch gepolsterten Tischkante liegen. Strecken Sie dann ein Bein in der Hüfte nach hinten hoch zur Decke. Dabei ist die maximale Beugung im anderen Hüftgelenk wichtig zum Schutz Ihrer Lendenwirbelsäule. ➍
Integration in Alltagsaktivitäten: Gehen Sie mit betont großen Schritten und spannen Sie bewusst bei jeder Hüftstreckung den gleichseitigen großen Gesäßmuskel an. Auch das Rückwärtsgehen ergibt eine große Hüftstreckung. Achten Sie dabei darauf, dass kein Stolper- oder gar Fallrisiko besteht.

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 4
Selbstmobilisation zur besseren Dorsalflexion
Ausgangsstellung: Stützen Sie sich mit beiden Händen auf einem Tisch ab. Stellen Sie das Bein, dessen Sprunggelenk Sie mobilisieren möchten, nach hinten. Das Knie ist leicht gebeugt. Legen Sie einen unelastischen breiten Gurt um das Tischbein und um den Unterschenkel auf Höhe des Knöchels. Schieben Sie nun den Fuß nach hinten und das Knie leicht nach vorn, bis Sie mit gestrafftem Gurt an die submaximale Dorsalflexion im Sprunggelenk gelangen.
Durchführung: Heben Sie die Ferse 5–10 cm vom Boden ab und halten Sie dabei den Gurt gespannt. Der Vorfuß bleibt auf dem Boden und trägt das Körpergewicht mit. Vergewissern Sie sich, dass der Gurt weiterhin straff ist, indem Sie den Vorfuß mit der abgehobenen Ferse erneut 1–2 cm weiter nach hinten schieben. Senken Sie jetzt die Ferse in Richtung Boden. Der Gurt zieht nun den Unterschenkel relativ nach vorn. Achten Sie darauf, dass das Knie dabei stehen bleibt oder leicht nach vorn drückt.
Dosierung: Halten Sie die fast maximale Dorsalflexion mit dem Zug des Gurtes für 1–2 Minuten. Pausieren Sie ca. 1 Minute und wiederholen Sie diese Folge mehrmals.

Ergänzende Übungen zur besseren Dorsalflexion
Lagerung: Schieben Sie im Sitzen den Fuß unter die Sitzfläche, ohne dabei die Ferse abzuheben. Erreichen Sie so die submaximale Dorsalflexion. ➊ Bleiben Sie dort. Sollten Sie das Knie nicht weit genug beugen können, legen Sie einen Keil, ein Buch oder Ähnliches unter den Vorfuß, um so die submaximale Dorsalflexion zu erreichen. ➋
Bewegen in Dorsalflexion: Stellen Sie im Sitzen den Fuß vor sich auf den Boden, den Unterschenkel senkrecht im Raum und heben Sie den Vorfuß wiederholt vom Boden ab, während die Ferse stehenbleibt. Sie kennen diese Bewegung sicherlich aus der Musik zum Mitfühlen des Taktes.
Integration in Alltagsaktivitäten: Benutzen Sie das Sprunggelenk, indem Sie große Schritte machen, rückwärtsgehen (Vorsicht: Sturzgefahr!), tief in die Hocke gehen und Ähnliches. Heben Sie beim Gehen den Vorfuß bewusst hoch.
Hinweis: Diese Lagerung ist insbesondere für ältere Menschen wichtig. Sie ziehen oft wegen Kniebeschwerden die Variante mit dem erhöhten Vorfuß vor. Ein Erhalt der Dorsalflexion ist für das Gehen entscheidend.

Abb. 1

Abb. 2

Selbstmobilisation der ersten Rippe
Ausgangsstellung: Legen Sie im Sitzen die Finger der gegenseitigen Hand auf den Punkt hinten im Winkel zwischen Schulter und Nacken, wo wir fast alle bei mehr oder weniger starkem Druck etwas Schmerz hervorrufen können.
Durchführung: Halten Sie die Finger leicht gebeugt und ziehen Sie diese nach vorn unten. Greifen Sie mit der anderen Hand um den Unterarm der mobilisierenden Hand und unterstützen Sie deren Kraft. Meist reicht das Gewicht beider Arme für den Mobilisationszug aus.
Dosierung: Sie können mit dieser Fassung den druckschmerzhaften Punkt einfach massieren oder nach vorn unten hin- und herziehen. Um die Technik zu intensivieren, ziehen Sie mit mehr Kraft und halten diesen Zug. Benutzen Sie so viel Kraft und Zeit, wie es Ihnen angenehm ist. Ein Risiko, zu viel zu machen, besteht hier kaum.
Hinweis: Ob Sie die Rippe bei der Selbstmobilisation wirklich bewegen oder "nur" im Gewebe wohltuenden Druck ausüben, ist unklar. Doch ein langer, intensiver Druck auf diesen Punkt lindert häufig die Beschwerden in diesem Bereich und tut gut.
Autor
Dr. phil. Jochen Schomacher
Physiotherapeut
Er erwarb in Amerika den klinischen Doktor in Physiotherapie (DPT). Sein weiterführendes Studium in Physiotherapie in Deutschland (B.Sc. und M.Sc.) schloss er in Dänemark
mit der Promotion in klinischen Wissenschaft en (Ph.D.) ab.